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BFH 13.03.2024 - I R 30/21
BFH 13.03.2024 - I R 30/21 - (Zum wirtschaftlich einheitlichen Erwerb nach § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG)
Normen
§ 8b Abs 4 S 1 KStG 2002, § 8b Abs 4 S 6 KStG 2002, KStG VZ 2015
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 13. Oktober 2020, Az: 8 K 666/20, Urteil
Leitsatz
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NV: Die in § 8b Abs. 4 Satz 6 des Körperschaftsteuergesetzes angeführte Beteiligungsschwelle (10 % des Grund- oder Stammkapitals) kann durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang (hier: Erwerb in einer notariellen Urkunde) auch dann erreicht werden, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind (Bestätigung des Senatsurteils vom 06.09.2023 - I R 16/21, BFH/NV 2024, 339).
Tenor
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Die Revision des Beklagten wegen Körperschaftsteuer 2015 ist unbegründet und wird zurückgewiesen.
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Auf die Revision des Beklagten wegen Gewerbesteuermessbetrags 2015 werden insoweit das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 13.10.2020 - 8 K 666/20 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin und der Beklagte jeweils zu 50 % zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Beteiligten streiten mit Blick auf einen unterjährigen Anteilserwerb und die Beteiligungsgrenze des § 8b Abs. 4 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Jahr 2015 (Streitjahr) geltenden Fassung (KStG) über den Umfang der Steuerfreiheit von Dividendeneinkünften gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG.
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An der … GmbH (GmbH) waren die drei Gesellschafter A, B und C mit einem Geschäftsanteil zu je 25 % beteiligt. Ein vierter Gesellschafter übertrug im Jahr 2014 insgesamt nominal 10 % seiner Beteiligung auf A, B und C. Im Übertragungsvorgang wurden Geschäftsanteile zu zweimal 3,27 % und einmal 3,46 % (insgesamt 10 %) gebildet, die A, B und C jeweils allein erwerbend erhielten.
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Mit notarieller Urkunde vom 25.02.2015 übertrugen A, B und C diese Geschäftsanteile von zweimal 3,27 % beziehungsweise einmal 3,46 % (insgesamt 10 %) entgeltlich auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH. Mit weiterer, in der Zählung unmittelbar anschließender notarieller Urkunde desselben Notars vom selben Tag übertrugen A, B und C auch ihre (restlichen) GmbH-Geschäftsanteile zu je 25 % im Wege eines qualifizierten Anteilstauschs auf die Klägerin. Damit hielt die Klägerin seit dem 25.02.2015 insgesamt 85 % der Geschäftsanteile der GmbH.
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Mit Beschluss vom ….03.2015 schüttete die GmbH an die Klägerin (bezogen auf die 85 % der Geschäftsanteile) Gewinn in Höhe von insgesamt … € aus. In den Steuererklärungen der Klägerin für das Streitjahr wurde dieser Bezug als nach § 8b Abs. 1, 5 KStG steuerfrei (weder einkommens- noch gewerbeertragserhöhend) behandelt. Es ergingen am 10.04.2017 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechende Bescheide über die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag.
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Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) die Bescheide (Änderungsbescheide vom 30.04.2018). Die von der GmbH bezogene Dividende wurde in Höhe von … € (Dividendenbezug für einen 10%igen Geschäftsanteil [10/85 von … €] ohne Korrektur eines anteiligen Kürzungsbetrags des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG) einkommenserhöhend angesetzt, weil die auf die Klägerin übertragenen Geschäftsanteile an der GmbH getrennt zu betrachten seien und der durch die erste notarielle Urkunde vollzogene Erwerb von zweimal 3,27 % beziehungsweise einmal 3,46 % (insgesamt 10 %) der Geschäftsanteile jeweils nicht die in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG niedergelegte 10 %-Grenze erreiche.
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Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Sächsischen Finanzgericht (FG), das dieser mit Urteil vom 13.10.2020 - 8 K 666/20 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 607) stattgab.
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Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision, mit der es die Verletzung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG rügt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision des FA wegen Körperschaftsteuer 2015 ist unbegründet und insoweit zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Wegen Gewerbesteuermessbetrags 2015 ist die Revision des FA hingegen begründet und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils sowie zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
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Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass (auch) der Erwerb der GmbH-Geschäftsanteile durch die Klägerin in Höhe von zweimal 3,27 % beziehungsweise einmal 3,46 % jedenfalls deshalb dem Tatbestand des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG unterfällt, weil sich bereits dieser Erwerb aus Sicht der erwerbenden Klägerin wirtschaftlich als einheitlicher Erwerbsvorgang von 10 % der Geschäftsanteile darstellt (s. insoweit allgemein Senatsurteil vom 06.09.2023 - I R 16/21, BFH/NV 2024, 339). Allerdings ist bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2015 --unter Berücksichtigung der vom FA vorgenommenen Hinzurechnung und des Verböserungsverbots (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO)-- ein Betrag in Höhe von … € nach § 8 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) hinzuzurechnen, da die nicht mit § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG verknüpften Voraussetzungen der Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG nicht erfüllt sind.
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1. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. Abweichend davon --und dies ist verfassungskonform (s. Senatsurteil vom 06.09.2023 - I R 16/21, BFH/NV 2024, 339, m.w.N.)-- sind die betroffenen Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG zu berücksichtigen, wenn die ausschüttungsvermittelnde Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals der ausschüttenden Körperschaft betragen hat. Für Zwecke des § 8b Abs. 4 KStG gilt dabei der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt (§ 8b Abs. 4 Satz 6 KStG).
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2. Soweit die Auslegung des in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG verwendeten Tatbestandsmerkmals des unterjährigen "Erwerb(s) einer Beteiligung von mindestens 10 %" umstritten ist, besteht auch in diesem Streitfall keine Notwendigkeit, weitergehende Fragestellungen abschließend zu entscheiden (s. bereits Senatsurteil vom 06.09.2023 - I R 16/21, BFH/NV 2024, 339, mit Nachweisen zum Meinungsstreit). Jedenfalls liegt ein aus Sicht der Erwerberin wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vor, der die Steuerfreistellung eröffnet.
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a) Der Senat hat in diesem Urteil ausgeführt, dass sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Normzweck des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG dafür sprechen, dass jedenfalls der wirtschaftlich einheitliche Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % zur Tatbestandserfüllung der Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ausreicht.
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Denn die unterschiedliche Behandlung der Erträge aus Beteiligungen je nach der Beteiligungshöhe (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG) ist damit gerechtfertigt worden, dass bei einer Streubesitzbeteiligung (unter 10 %) diese als Kapitalanlage anzusehen sei, weil häufig keine dauerhafte Beteiligung an der Unternehmung angestrebt werde. Der Anteilseigner könne aufgrund der Höhe seiner Beteiligung auch keinen unternehmerischen Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausüben, während bei einer Beteiligung von mindestens 10 % regelmäßig ein betriebliches Engagement des Anteilseigners unterstellt werden könne (so BRDrucks 632/1/12, S. 33).
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Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bezogen auf den unterjährigen Erst- oder Hinzuerwerb einer Beteiligung an die genannte Grenze anknüpft und die den Steuerpflichtigen begünstigende Rückwirkungsregelung in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG so ausgestaltet, dass auf den einzelnen Erwerb abgestellt wird. Allerdings kommt es auf die Sicht des Erwerbers und angesichts des Ausnahmecharakters des § 8b Abs. 4 KStG (s. Senatsurteil vom 06.09.2023 - I R 16/21, BFH/NV 2024, 339) darauf an, ob durch den Erwerb der Beteiligung von mindestens 10 % ein unternehmerischer Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann oder nicht. Das hängt aber allein von dem Umfang der erworbenen Beteiligung ab. Deshalb muss es jedenfalls ausreichen, wenn die maßgebliche Beteiligung von mindestens 10 % aus Erwerbersicht in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang aufgrund eines einheitlichen Erwerbsentschlusses in kausalem und zeitlichem Zusammenhang erworben wird.
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b) Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, liegt ein solcher wirtschaftlich einheitlicher Vorgang im Sinne eines einheitlichen Erwerbsentschlusses in kausalem und zeitlichem Zusammenhang vor.
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aa) Der vorliegende Sachverhalt entspricht bezogen auf den in der ersten notariellen Urkunde vollzogenen Erwerb in Höhe von insgesamt 10 % der Geschäftsanteile den Sachumständen des Senatsurteils vom 06.09.2023 - I R 16/21 (BFH/NV 2024, 339). Dort war die maßgebliche (mittelbare) Beteiligung von mehreren Veräußerern aufgrund eines einheitlichen Entschlusses durch einheitliches schuldrechtliches Rechtsgeschäft in einer einheitlichen notariellen Urkunde auf einen einheitlichen Erwerbszeitpunkt erworben worden. Genau so liegt --bezogen auf den Erwerb der hier in Rede stehenden Geschäftsanteile in Höhe von zweimal 3,27 % beziehungsweise einmal 3,46 % von A, B und C-- der Streitfall. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist dieser Erwerb ebenfalls in einer einheitlichen notariellen Urkunde und auf einen einheitlichen Erwerbszeitpunkt erfolgt. Dies lässt in ausreichender Klarheit (insoweit zweifelnd Schober, Der Betrieb 2024, 426 = Der Konzern 2024, 66) auf einen einheitlichen Erwerbsentschluss schließen. Der danach aus der Sicht der erwerbenden Klägerin wirtschaftlich einheitliche Erwerbsvorgang von insgesamt 10 % erreicht die in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG genannte Erwerbsschwelle.
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bb) Hinzu kommt, dass die Klägerin in aufeinander folgenden notariellen Urkunden vom 25.02.2015 von denselben Veräußerern/Übertragern, nämlich A, B und C, zunächst die genannten 10 % der Geschäftsanteile und sodann im Wege des Anteilstausches weitere Geschäftsanteile von je 25 % erworben hat. Auf Grundlage der Feststellungen des FG standen diese Erwerbe erkennbar sowohl --mit Blick auf den Erwerb von denselben Personen-- in kausalem als auch --mit Blick auf die unmittelbar aufeinander folgenden notariellen Urkunden-- in zeitlichem Zusammenhang. Darüber hinaus ist auch insoweit von einem einheitlichen Erwerbsentschluss auszugehen. Insgesamt wurde von der Klägerin im Streitjahr aufgrund einheitlichen Erwerbsvorgangs ein Anteilspaket in Höhe von insgesamt 85 % (zweimal jeweils 28,27 % beziehungsweise einmal 28,46 %) erworben.
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cc) Auf dieser Grundlage ist die an die Klägerin ausgeschüttete Dividende bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen (§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG). Nach den Feststellungen des FG wurde § 8b Abs. 5 KStG bereits in den Bescheiden vom 10.04.2017 (bezogen auf den Gesamtbetrag der Dividende) berücksichtigt.
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3. Rechtsfehlerhaft hat das FG diese Handhabung allerdings auf die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2015 übertragen (s.a. Hübner/Berg, Deutsches Steuerrecht-kurzgefaßt 2024, 48). Indessen ist die genannte Ausschüttung in Höhe von … € nach § 8 Nr. 5 GewStG dem Gewerbeertrag der Klägerin wieder hinzuzurechnen, weil die --gerade nicht mit § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG verknüpften-- Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG im Streitfall nicht erfüllt sind. Da das FA in dem angefochtenen Bescheid allerdings nur einen Betrag in Höhe von … € hinzugerechnet hatte, ist eine weitergehende Hinzurechnung aufgrund des finanzprozessualen sogenannten Verböserungsverbots (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ausgeschlossen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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