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BFH 20.02.2024 - VII R 16/21
BFH 20.02.2024 - VII R 16/21 - (Haftung eines vorläufigen Sachwalters als Verfügungsberechtigter gemäß § 35 AO)
Normen
§ 35 AO, § 69 S 1 AO, § 191 Abs 1 S 1 AO, § 118 Abs 2 FGO, § 270 Abs 1 InsO, § 274 Abs 2 InsO, § 275 Abs 2 InsO, § 270a Abs 1 S 2 InsO vom 07.12.2011, § 41a Abs 1 S 1 EStG 2009, § 130 Abs 1 S 2 InsO, § 64 S 1 GmbHG, § 15b Abs 8 InsO, EStG VZ 2014
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 12. März 2021, Az: 14 K 3658/16 H(L), Urteil
Leitsatz
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Ein vorläufiger Sachwalter ist zumindest dann als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 der Abgabenordnung anzusehen, wenn er nach Übernahme der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 der Insolvenzordnung auf seinen Namen ein Anderkonto bei einer Bank eröffnet und sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen des Schuldners über dieses Konto abwickelt.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 12.03.2021 - 14 K 3658/16 H(L) insoweit aufgehoben, als es den Betrag von … € übersteigt.
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Die Klage wird im Hinblick auf einen Haftungsbetrag von … € abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) vom xx.xx.2014 mit Wirkung vom … zum vorläufigen Sachwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der A-GmbH (GmbH) bestellt. Der Geschäftsführer der GmbH, H, hatte wegen drohender Zahlungsunfähigkeit am xx.xx.2014 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH in Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. der Insolvenzordnung in der im Streitfall maßgeblichen Fassung (InsO) beantragt. Das AG setzte der GmbH in dem vorbenannten Beschluss gemäß § 270b InsO eine Frist von drei Monaten, binnen derer ein Insolvenzplan vorzulegen war (sogenanntes Schutzschirmverfahren). Einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des vorläufigen Sachwalters ordnete es nicht an. Mit Beschluss vom xx.xx.2015 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und ernannte den Kläger zum Sachwalter.
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Die GmbH beschäftigte zum ... 2014 mehr als … Arbeitnehmer. Im Monat X 2014, also noch vor Bestellung des Klägers zum vorläufigen Sachwalter, veranlasste H die Abrechnung der Löhne für den Monat X 2014. Er meldete am 20.xx.2014 Lohnsteuer in Höhe von … € und Solidaritätszuschlag in Höhe von … €, zusammen … €, beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) an und zahlte die Nettolöhne den Arbeitnehmern am 30.xx.2014 in voller Höhe aus.
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Mit Wirkung vom 09.xx.2014 zog der Kläger als vorläufiger Sachwalter die Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO an sich. Sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen wurden über ein von ihm hierfür eingerichtetes Anderkonto bei einer Bank realisiert. H überwies hierzu am 09.xx.2014 das gesamte Bankguthaben der GmbH in Höhe von … € auf das Anderkonto des Klägers.
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Da in der Folgezeit für den Monat X 2014 weder Lohnsteuer noch Solidaritätszuschlag entrichtet wurden, meldete das FA beide Beträge zur Insolvenztabelle an. Die Beträge wurden zur Tabelle festgestellt und später auf der Grundlage des Insolvenzplans vom xx.xx.2015 mit einer Insolvenzquote von gerundet 2,4 % (… €) an das FA ausgezahlt. Mit Beschluss vom xx.xx.2016 hob das AG das Insolvenzverfahren auf.
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Mit Haftungsbescheid vom 21.04.2016 nahm das FA den Kläger --und zudem mit gesondertem Bescheid auch den früheren Geschäftsführer H-- wegen Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für den Monat X 2014 nach § 69 i.V.m. §§ 34, 35 der Abgabenordnung (AO) in Höhe von … € in Haftung. Die zuvor aufgrund der Insolvenzquote vereinnahmten … € berücksichtigte das FA bei der Berechnung der Haftungssumme nicht mindernd. Es erläuterte, der Kläger sei als vorläufiger Sachwalter, der die Kassenführung übernommen habe, Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO. Indem er die am 10.xx.2014 fällige Lohnsteuer für den Monat X 2014 nicht beglichen habe, habe er schuldhaft seine Pflichten verletzt. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies.
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Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin vom Kläger erhobenen Klage statt. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen des § 191 AO für eine Haftungsinanspruchnahme hätten nicht vorgelegen. Der Kläger habe nicht zum Personenkreis der §§ 34, 35 AO gehört. Er sei weder gesetzlicher Vertreter der GmbH im Sinne des § 34 Abs. 1 AO noch Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO gewesen. Der Kläger sei zudem kein Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO gewesen. Es habe an der rechtlichen Verfügungsbefugnis gefehlt, mit Wirksamkeit nach außen selbst und gegebenenfalls gegen den Willen der GmbH Zahlungen bewirken zu können. Die aus dem Kassenführungsrecht nach § 275 Abs. 2 InsO resultierende Vertretungsmacht des Sachwalters beschränke sich auf die Entgegennahme von Geldern und die Vornahme von Geldzahlungen. Daraus ergäben sich keine steuerlichen Pflichten. Die Kassenführung sei für den Sachwalter ein reines Instrument der Überwachung des Schuldners. Er nehme Verfügungen über das Vermögen des Schuldners grundsätzlich nur auf Veranlassung des Schuldners und nicht aufgrund eigenen Rechts oder gar eigener Pflicht vor. Gegen die Annahme einer Verfügungsberechtigung im Sinne des § 35 AO spreche auch, dass der Kläger nicht als Verfügungsberechtigter für die GmbH nach außen hin aufgetreten sei. Auch das Einrichten eines Anderkontos reiche nicht aus, um ein Auftreten als Verfügungsberechtigter anzunehmen, da der Sachwalter die Verfügungen über das auf dem Anderkonto vorhandene Guthaben im eigenen Namen und gerade nicht als Verfügungsberechtigter für den Schuldner treffe. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Kläger bei Fälligkeit der Lohnsteuer am 10.xx.2014 nach außen hin Verfügungen über das Anderkonto vorgenommen hätte.
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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Das FG habe zu Unrecht eine Haftung des Klägers als Verfügungsberechtigter gemäß § 35 AO abgelehnt.
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Nach Ansicht des FA ist der Kläger als vorläufiger Sachwalter mit alleiniger Kassenführungsbefugnis über ein von ihm dafür eingerichtetes Anderkonto und damit mit alleinigem Zugriff auf die liquiden Mittel der GmbH in der Eigenverwaltung Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO. Der Kläger habe Funktionen übernommen, die über die gesetzlich beabsichtigten Kontroll- und Überwachungsaufgaben deutlich hinausgingen. Durch die Überweisung auf das vom Kläger eingerichtete Anderkonto seien die Gesellschaftsmittel aus dem Vermögen der GmbH separiert worden, sodass allein der Kläger zur Verfügung über die Gesellschaftsmittel befugt gewesen sei. Aufgrund der Einrichtung des Anderkontos habe der Kläger bei jeder Ausführung und Entgegennahme von Zahlungen kraft eigenen Rechts Verfügungen getroffen, welche die GmbH gegen sich habe gelten lassen müssen. Der Kläger sei nicht nur zu einer "Zahlstelle" der Schuldnerin geworden, sondern als Vertreter der Schuldnerin --im Außenverhältnis-- aufgetreten. In der Folge habe er auch deren Pflichten zur Entrichtung fälliger Steuerforderungen zu erfüllen. Ähnlich habe der erkennende Senat bereits entschieden und mit Urteil vom 13.09.1988 - VII R 35/85 (BFH/NV 1989, 139) aus "überschießenden Rechten" des dortigen Sachwalters, der zudem zum Treuhänder bestellt gewesen sei, eine Anwendbarkeit des § 35 AO abgeleitet.
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Das FA beantragt,
die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie den Betrag von … € übersteigt, und die Klage als unbegründet abzuweisen,
hilfsweise, das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Nach seiner Auffassung hat das FG eine Haftung als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO zutreffend abgelehnt. Die vom FA geäußerte Rechtsauffassung, für die Anwendbarkeit des § 35 AO sei die tatsächliche Verfügungsbefugnis des vorläufigen Sachwalters ausreichend, stehe im Widerspruch zu dem Gesetzeswortlaut. Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftrete, habe nach § 35 AO die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters nur insoweit, als er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen könne. Der erkennende Senat habe aus diesem Gesetzeswortlaut in ständiger Rechtsprechung abgeleitet, dass neben einer wirtschaftlichen auch eine rechtliche Verfügungsberechtigung vorliegen müsse (Senatsbeschlüsse vom 27.05.2009 - VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 und vom 08.12.2010 - VII B 102/10). Im Streitfall habe das FG zutreffend entschieden, dass einem vorläufigen Sachwalter die rechtliche Verfügungsmacht fehle, auch wenn er die Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO an sich gezogen habe. Bei der Kassenführung handle es sich lediglich um eine interne Kontrollmaßnahme. Daran ändere weder die Einrichtung eines Anderkontos noch die Umbuchung aller Gesellschaftsmittel auf dieses Anderkonto etwas. Der kassenführende vorläufige Sachwalter könne nämlich --auch in der beschriebenen Konstellation-- nicht uneingeschränkt über die Geldmittel der Schuldnerin verfügen, da er ähnlich einer Zahlstelle nur auf Weisung der Schuldnerin Zahlungen auslösen dürfe; ansonsten würde er sich schadensersatzpflichtig machen. Dementsprechend habe ein vorläufiger Sachwalter nach der Übernahme der Kassenführung keine steuerlichen Pflichten der Schuldnerin zu erfüllen. Schließlich komme eine Haftung des Klägers auch deshalb nicht in Betracht, weil er als späterer Sachwalter im Falle einer Abführung der Lohnsteuer bei Fälligkeit diese Zahlung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO zweifelsfrei angefochten hätte und das FA die Beträge hätte zurückzahlen müssen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist daher insoweit aufzuheben, als sie den Betrag von … € übersteigt. Die Klage ist im Hinblick auf einen Haftungsbetrag von … € abzuweisen. Der angefochtene Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist insoweit rechtmäßig.
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Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
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1. Der Kläger gehörte zu dem von der Haftungsnorm des § 69 Satz 1 AO erfassten Personenkreis. Er war Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO.
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a) Gemäß § 35 AO hat, wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.
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aa) Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO ist danach jeder, der rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und nach außen hin als Verfügungsberechtigter auftritt (Senatsurteile vom 16.03.1995 - VII R 38/94, BFHE 177, 209, BStBl II 1995, 859, unter 1.a der Gründe und vom 27.11.1990 - VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284, unter II.1.a der Gründe; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - VII B 102/10, Rz 9). Die Verfügungsmacht kann auf Gesetz, behördlicher oder gerichtlicher Anordnung oder Rechtsgeschäft beruhen (Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - VII B 102/10, Rz 12). Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Person als Verfügungsberechtigter nach § 35 AO nur dann angesehen werden, wenn die Person auch in der Lage ist, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters rechtlich und tatsächlich zu erfüllen. Mit dieser Einschränkung soll klargestellt werden, dass eine tatsächliche Verfügungsmöglichkeit nicht ausreicht, um die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters zu begründen. Es bedarf vielmehr auch der Fähigkeit, aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln (Senatsurteil vom 21.02.1989 - VII R 165/85, BFHE 156, 46, BStBl II 1989, 491; Senatsbeschlüsse vom 27.05.2009 - VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591, unter II.2. der Gründe und vom 08.12.2010 - VII B 102/10, Rz 9; s.a. BTDrucks 7/4292, S. 19 zu § 35 AO).
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Dementsprechend hat der Senat einen "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO) nicht als Verfügungsberechtigten gemäß § 35 AO angesehen (Senatsbeschluss vom 27.05.2009 - VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591, unter II.3. der Gründe; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 35 AO Rz 28; Jatzke in Gosch, AO § 35 Rz 17; Loose in Tipke/Kruse, § 35 AO Rz 5b; Klein/Rüsken, AO, 17. Aufl., § 35 Rz 19), und zwar selbst dann nicht, wenn er seine Verwaltungsbefugnisse überschreitet (Senatsbeschluss vom 27.05.2009 - VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591). Denn in diesem Fall fehlt es an einer vom Insolvenzgericht übertragenen Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners. Der "schwache" vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht in der Lage, ohne Mitwirkung des Insolvenzgerichts seine Verwaltungsbefugnisse beliebig auszudehnen und sich eine Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners zu verschaffen.
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bb) Danach ist ein (vorläufiger) Sachwalter --zumindest ohne Hinzutreten weiterer Umstände-- kein Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO. Im Falle der Eigenverwaltung hat der Sachwalter die Funktion, den Schuldner zu beaufsichtigen, der gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO berechtigt ist, die Insolvenzmasse unter der Aufsicht des Sachwalters zu verwalten und über sie zu verfügen. Dasselbe gilt, wenn --wie im Streitfall-- im Insolvenzeröffnungsverfahren ein vorläufiger Sachwalter gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO in der im Streitfall anwendbaren Fassung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2582, im Folgenden: "InsO a.F.") bestellt wird.
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Denn der (vorläufige) Sachwalter hat gemäß § 274 Abs. 2 Satz 1 InsO die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Dabei hat er grundsätzlich keine eigenen Eingriffsbefugnisse, sondern hat, wenn er Umstände feststellt, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, dies gemäß § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Es fehlt in diesem Grundfall an einer Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners. Bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 26.04.2018 - IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290, Rz 12 und vom 09.03.2017 - IX ZR 177/15, Rz 8). Zutreffend betrachtet daher das Schrifttum den (vorläufigen) Sachwalter grundsätzlich nicht als Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO, weil der Sachwalter gemäß § 274 InsO nur Kontroll- und Aufsichtspflichten ausübt, ohne dass dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entzogen wird (Boeker in HHSp, § 34 AO Rz 80 und § 35 Rz 29; Jatzke in Gosch, AO § 35 Rz 17; Loose in Tipke/Kruse, § 35 AO Rz 5b; Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 35 Rz 17; BeckOK AO/Rosenke, 27. Ed. [15.01.2024], AO § 35 Rz 84).
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cc) In Abgrenzung dazu hat der Senat mit Urteil vom 13.09.1988 - VII R 35/85 (BFH/NV 1989, 139) einen zum Sachwalter der Vergleichsgläubiger (§ 91 Abs. 1 der Vergleichsordnung in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung) bestellten Treuhänder als Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO angesehen. Die Verfügungsberechtigung hat der Senat aus einer durch einen Notarvertrag eingeräumten Berechtigung des Sachwalters abgeleitet, über das Anlage- und Umlaufvermögen der Schuldnergesellschaft zu verfügen und alle hierzu erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Durch die so übertragene Verfügungsbefugnis ging die Stellung des Sachwalters über diejenige eines mit den gesetzlichen Befugnissen ausgestatteten Sachwalters hinaus (Senatsurteil vom 13.09.1988 - VII R 35/85, BFH/NV 1989, 139, unter 2. der Gründe).
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b) Im Streitfall ist der Kläger als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO anzusehen. Dies folgt aus der Besonderheit des Streitfalls, dass der Kläger auf seinen Namen ein Anderkonto bei einer Bank eingerichtet und sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen der GmbH hierüber realisiert hat.
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aa) Nach den dargelegten Grundsätzen wurde dem Kläger nicht bereits durch den Beschluss des AG vom xx.xx.2014, mit dem der Kläger zum vorläufigen Sachwalter gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der GmbH bestellt worden war, die von § 35 AO vorausgesetzte Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH übertragen.
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bb) Die von § 35 AO vorausgesetzte tatsächliche Verfügungsmacht ergab sich aber aus dem Umstand, dass der Kläger als vorläufiger Sachwalter mit Wirkung vom 09.xx.2014 die Kassenführung an sich gezogen und H das Geldvermögen der GmbH auf das Anderkonto überwiesen hatte und dass der Kläger die Kasse fortan über dieses Anderkonto führte.
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Gemäß § 275 Abs. 2 InsO kann der Sachwalter vom Schuldner verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden. Dasselbe gilt gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. für den vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 InsO entsprechend anzuwenden sind. Es handelt sich um eine gesetzliche Ermächtigung, die keiner weiteren gerichtlichen Anordnung bedarf (Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, 16. Aufl., § 275 Rz 7; Undritz/Schur, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2016, 549).
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Im Schrifttum ist umstritten, welche Bedeutung die Übernahme der Kassenführung durch einen Sachwalter gemäß § 275 Abs. 2 InsO für eine Verfügungsberechtigung im Sinne des § 35 AO hat.
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(1) Teilweise wird vertreten, der Sachwalter, der nach § 275 Abs. 2 InsO Zahlungen vornehme, verfüge im fremden Namen und könne daher als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO angesehen werden, der nach außen für den Schuldner auftrete (BeckOK AO/Rosenke, 27. Ed. [15.01.2024], AO § 35 Rz 84; Thole, Der Betrieb 2015, 662; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405: "spricht einiges dafür").
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(2) Nach der Gegenauffassung wird der Sachwalter durch die Übernahme der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO grundsätzlich nicht zum Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO, weil er Zahlungen nur auf Veranlassung des Schuldners vornehme (Boeker in HHSp, § 35 AO Rz 29; MüKoInsO/Kern, 4. Aufl., § 275 Rz 25; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, 16. Aufl., § 275 Rz 8; Brünkmans in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023, § 270c Rz 60; Hobelsberger, Deutsches Steuerrecht 2013, 2545; Sonnleitner/Winkelhog, Betriebs-Berater --BB-- 2015, 88; Undritz/Schur, ZIP 2016, 549; Richert, Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht --NZI-- 2021, 694; Witfeld, NZI 2021, 665; Schädlich, Neue Wirtschafts-Briefe 2021, 1967). Der Schuldner habe die steuerlichen Pflichten --auch Steuerzahlungen-- nach wie vor selbst zu erfüllen (Boeker in HHSp, § 35 AO Rz 29 und § 34 AO Rz 80; MüKoInsO/Kern, 4. Aufl., § 275 Rz 25). Diese Rechtsauffassung stützt sich darauf, dass bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis --auch im Falle der Übernahme der Kassenführung-- beim Schuldner verbleibt (MüKoInsO/Kern, 4. Aufl., § 275 Rz 26; FK-InsO/Oberle, 10. Aufl., § 275 Rz 12; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, 16. Aufl., § 275 Rz 8; Holzer in Prütting/Bork/Jacoby, Insolvenzordnung, § 275 Rz 26; Sonnleitner/Winkelhog, BB 2015, 88; Undritz/Schur, ZIP 2016, 549).
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(3) Nach einer vermittelnden Auffassung im Schrifttum ist ein kassenführender Sachwalter zumindest dann als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO anzusehen, wenn er mit weitergehenden Befugnissen ausgestattet wird, die ihm eine Rechtsstellung vermitteln, die der eines Treuhänders vergleichbar ist (Jatzke in Gosch, AO § 35 Rz 17, unter Verweis auf das Senatsurteil vom 13.09.1988 - VII R 35/85, BFH/NV 1989, 139 und auf Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl., Kap. 3.5, 51; ebenso Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 35 Rz 17). Soweit der Sachwalter hierdurch allein berechtigt ist, Zahlungen zu leisten, ist er nach dieser Auffassung insoweit Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO (Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl., Kap. 3.5, 51).
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cc) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung mit der Maßgabe, dass ein vorläufiger Sachwalter zumindest dann als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO anzusehen ist, wenn er nach Übernahme der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO auf seinen Namen ein Anderkonto bei einer Bank eröffnet und sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen des Schuldners über dieses Konto abwickelt. Denn durch die Einräumung derartiger treuhänderischer Befugnisse erlangt der kassenführende Sachwalter die für eine Verfügungsberechtigung im Sinne von § 35 AO erforderliche rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht. Im Streitfall folgen diese treuhänderischen Befugnisse des Klägers aus der Verwendung des Anderkontos, durch das er zudem als Verfügungsberechtigter nach außen aufgetreten ist.
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(1) Durch die Einrichtung des auf seinen Namen lautenden Anderkontos bei einer Bank erhielt der Kläger die nach der Senatsrechtsprechung (Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - VII B 102/10, Rz 9) erforderliche Fähigkeit, aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln.
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Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG überwies H am 09.xx.2014 das gesamte Bankguthaben der GmbH in Höhe von … € auf das vom Kläger zuvor bei einer Bank eingerichtete Anderkonto, über das der Kläger in der Folgezeit sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen der GmbH abwickelte. Daraus ergaben sich treuhänderische Befugnisse des Klägers.
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Denn bei Anderkonten handelt es sich um offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der das Konto eröffnende Rechtsanwalt persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist (ständige Rechtsprechung, BGH-Urteile vom 07.02.2019 - IX ZR 47/18, BGHZ 221, 87, Rz 29; vom 18.12.2008 - IX ZR 192/07, unter II.1. der Gründe; vom 15.12.1994 - IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225, unter II.1. der Gründe und vom 19.05.1988 - III ZR 38/87, ZIP 1988, 1136, unter II.1. der Gründe; vgl. auch Undritz/Schur, ZIP 2016, 549). Das Kontoguthaben auf einem Anderkonto ist kein Bestandteil der (späteren) Insolvenzmasse (BGH-Urteile vom 07.02.2019 - IX ZR 47/18, BGHZ 221, 87, Rz 32 und vom 20.09.2007 - IX ZR 91/06, unter II.1.b der Gründe). Der Inhaber des Anderkontos besitzt die bürgerlich-rechtliche Verfügungsmacht über das Konto und über die darauf befindlichen Mittel. Ein vorläufiger Sachwalter, der --wie im Streitfall der Kläger-- zugleich Inhaber eines solchen Anderkontos ist, ist dadurch mit Befugnissen ausgestattet, die ihm durch das Vollrechtstreuhandkonto eine Rechtsstellung als Treuhänder vermitteln.
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Der Kläger kann sich folglich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe nicht uneingeschränkt über die Geldmittel der Schuldnerin verfügen können, da er ähnlich einer Zahlstelle nur auf Weisung der Schuldnerin Zahlungen habe auslösen dürfen. Als Inhaber eines Vollrechtstreuhandkontos war er allein zur Verfügung über die Geldmittel befugt. Welche Absprachen gegebenenfalls im Innenverhältnis bestanden, ist dabei nicht erheblich (vgl. Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - VII B 102/10, Rz 9).
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(2) Der Kläger hat diese Verfügungsmacht auch im Außenverhältnis genutzt.
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Hinsichtlich des zu fordernden Auftretens nach außen hat es die Rechtsprechung als ausreichend erachtet, dass der Verfügungsberechtigte gegenüber irgendjemanden --auch nur gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit-- auftritt (Senatsbeschluss vom 09.01.2013 - VII B 67/12, Rz 7). So kann etwa die Unterzeichnung eines Vertrags (Senatsbeschluss vom 09.01.2013 - VII B 67/12, Rz 7 und 8) oder die Nutzung einer Kontovollmacht (Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - VII B 102/10, Rz 9 und 10) genügen. Im Streitfall hat der Kläger nach den Feststellungen des FG einen Vertrag geschlossen, indem er bei einer Bank ein Anderkonto auf seinen Namen und in seiner Funktion als vorläufiger Sachwalter eingerichtet und verwendet hat. Zudem hat er als Vollrechtsinhaber auch über dieses Anderkonto verfügt und ab dem 09.xx.2014 sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen der GmbH darüber abgewickelt. Durch beides ist er nach außen hin aufgetreten.
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Soweit das FG davon abweichend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger nicht als Verfügungsberechtigter für die GmbH nach außen hin aufgetreten sei, bindet dies den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht. Denn hierbei handelt es sich um eine rechtliche Würdigung der vom FG festgestellten Tatsachen. An die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ist der BFH aber gerade nicht gebunden.
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Gegen die Annahme einer aus der Einrichtung und Nutzung des Anderkontos folgenden Verfügungsberechtigung im Sinne des § 35 AO spricht --entgegen der Auffassung des FG-- nicht, dass der vorläufige Sachwalter Verfügungen über das Guthaben auf dem Anderkonto im eigenen Namen getroffen hat. Denn § 35 AO stellt nach seinem ausdrücklichen Wortlaut die Möglichkeiten einander gleich, ob der Verfügungsberechtigte im eigenen oder im fremden Namen auftritt (vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 35 AO Rz 3).
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2. Es ist ein Haftungsschaden im Sinne von § 69 Satz 1 AO eingetreten, weil Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt worden sind.
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Von der beim FA angemeldeten Lohnsteuer für Monat X 2014 in Höhe von … € zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von … €, zusammen … €, vereinnahmte das FA nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG nur einen Betrag in Höhe von … € aufgrund der Insolvenzquote. Der Differenzbetrag von … € stellt den Haftungsschaden dar.
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3. Im Hinblick auf den Haftungsschaden hat der Kläger die ihm auferlegten Pflichten verletzt.
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a) Welches die maßgebliche Handlung beziehungsweise Unterlassung ist, die dem Haftungsschuldner zur Last gelegt wird, ist dem Haftungsbescheid zu entnehmen, um dessen Wirksamkeit die Beteiligten streiten (Senatsurteile vom 29.08.2023 - VII R 47/20, BFHE 281, 288, Rz 22; vom 14.12.2021 - VII R 14/19, Rz 20 und vom 19.01.2021 - VII R 38/19, Rz 28).
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Im Streitfall hat das FA im angefochtenen Haftungsbescheid eine Pflichtverletzung des Klägers darin gesehen, dass er die am 10.xx.2014 fällige Lohnsteuer für Monat X 2014 nicht beglichen hat.
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Da der Kläger --wie beschrieben-- als Verfügungsberechtigter aufgetreten ist, hatte er gemäß § 35 AO die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), die er auch rechtlich und tatsächlich erfüllen konnte. Deshalb hatte er dafür zu sorgen, dass gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 AO die Steuern aus den Mitteln entrichtet wurden, die er verwaltete. Bei Fälligkeit der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags am 10.xx.2014 (§ 41a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes) hätte der Kläger daher die offenen Steuern an das FA abführen müssen. Dies ist nicht geschehen.
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b) Eine Pflichtverletzung des Klägers ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die streitgegenständlichen Steuern erst am 10.xx.2014 fällig geworden sind und bereits vor diesem Zeitpunkt wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH in Eigenverwaltung beantragt worden war. Der Kläger unterlag insofern keiner Pflichtenkollision.
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aa) Durch einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht kein rechtliches Hindernis, die Lohnsteuer abzuführen (vgl. Senatsurteile vom 22.10.2019 - VII R 30/18, Rz 26 und vom 23.09.2008 - VII R 27/07, BFHE 222, 228, BStBl II 2009, 129, unter II.1.a der Gründe, zu den Pflichten des Geschäftsführers).
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Für die Pflichten eines Geschäftsführers hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass dieser aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Massesicherungspflicht keiner Pflichtenkollision ausgesetzt ist. Ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft seine steuerlichen Zahlungspflichten erfüllt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns im Sinne von § 64 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (GmbHG a.F.) und ist nicht nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. gegenüber der Gesellschaft erstattungspflichtig (Senatsurteile vom 26.09.2017 - VII R 40/16, BFHE 259, 423, BStBl II 2018, 772, Rz 21 und vom 23.09.2008 - VII R 27/07, BFHE 222, 228, BStBl II 2009, 129, unter II.1.d der Gründe; Kleindiek in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023, § 15b Rz 75). Dasselbe gilt für den vorläufigen Sachwalter, der die Kontoführung für die Gesellschaft ausübt und steuerliche Pflichten zu erfüllen hat.
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bb) Nichts anderes ergibt sich im Streitfall aus § 15b Abs. 8 InsO i.d.F. des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl I 2020, 3256) --InsO n.F.--.
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Nach § 15b Abs. 8 InsO n.F. liegt eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten nicht vor, wenn --wie im Streitfall-- zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder der Überschuldung nach § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen ihren Verpflichtungen nach § 15a InsO (Insolvenzantragspflicht) nachkommen. Diese Neuregelung gilt nach Art. 25 SanInsFoG jedoch erst ab dem 01.01.2021 und damit nicht im Streitfall (vgl. Senatsurteil vom 14.12.2021 - VII R 32/20, BFHE 274, 522, BStBl II 2022, 537, Rz 46; Kleindiek in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023, § 15b Rz 77).
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4. Zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Haftungsschaden bestand ein adäquater Kausalzusammenhang.
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Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass er als späterer Sachwalter im Falle einer Abführung der Lohnsteuer bei Fälligkeit diese Zahlung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO zweifelsfrei angefochten hätte und das FA die Beträge hätte zurückzahlen müssen, vermag dies den Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Haftungsschaden nicht zu beseitigen. Denn hypothetische Geschehensläufe sind bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Haftungsschaden nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unbeachtlich (Senatsurteile vom 14.12.2021 - VII R 32/20, BFHE 274, 522, BStBl II 2022, 537, Rz 41; vom 22.10.2019 - VII R 30/18, Rz 35; vom 26.01.2016 - VII R 3/15, Rz 12 ff.; vom 11.11.2008 - VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342, unter II.3. der Gründe und vom 05.06.2007 - VII R 65/05, BFHE 217, 233, BStBl II 2008, 273, unter II.2. der Gründe; Boeker in HHSp, § 69 AO Rz 55; Loose in Tipke/Kruse, § 69 AO Rz 21; Jatzke in Gosch, AO § 69 Rz 46.1 und 55). Die Frage, in welcher Weise der spätere Sachwalter eine Zahlung der Lohnsteuer behandelt hätte, ist ein hypothetischer Geschehenslauf, da die streitgegenständliche Lohnsteuer tatsächlich nicht bezahlt wurde. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, auf den der Kläger hingewiesen hat, dass in diesem Fall die Person des späteren Sachwalters und die Person des Klägers identisch sind.
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5. Den Kläger trifft auch ein Verschulden daran, dass die Lohnsteuer für Monat X 2014 bei Fälligkeit nicht an das FA abgeführt worden ist.
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Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung dar (Senatsurteile vom 14.12.2021 - VII R 32/20, BFHE 274, 522, BStBl II 2022, 537, Rz 20; vom 22.10.2019 - VII R 30/18, Rz 24 und vom 23.09.2008 - VII R 27/07, BFHE 222, 228, BStBl II 2009, 129, unter II.1.b der Gründe).
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Zudem indiziert nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens das Verschulden im Sinne von § 69 Satz 1 AO (Senatsurteile vom 29.08.2023 - VII R 47/20, BFHE 281, 288, Rz 51 und vom 26.09.2017 - VII R 40/16, BFHE 259, 423, BStBl II 2018, 772, Rz 20; Senatsbeschluss vom 15.11.2022 - VII R 23/19, BFHE 278, 392, BStBl II 2023, 549, Rz 33, m.w.N.; Jatzke in Gosch, AO § 69 Rz 56). Diese Indizwirkung der Pflichtverletzung führt im Streitfall dazu, dass den Kläger ein Verschulden trifft, da die Indizwirkung nicht durch gegenteilige Anhaltspunkte entkräftet ist.
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Gegenteilige Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass dem Kläger im Haftungszeitraum die Rechtslage noch nicht hinreichend bekannt gewesen wäre. Zwar hat sich in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung erst in jüngerer Zeit --nach dem Haftungszeitraum-- die Erkenntnis verfestigt, dass es für einen Insolvenzverwalter nicht zulässig ist, ein Anderkonto einzurichten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Führung eines Kontos, das nicht die Masse selbst als materiell berechtigt ausweist, als Insolvenzkonto unzulässig (BGH-Urteil vom 07.02.2019 - IX ZR 47/18, BGHZ 221, 87, Rz 31). Dies dürfte aufgrund der erforderlichen Trennung zwischen künftiger Insolvenzmasse und dem Vermögen des Sachwalters ebenso für einen vorläufigen Sachwalter gelten (vgl. AG Dresden, Beschluss vom 10.07.2019 - 532 IN 876/19, Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht 2020, 1261, Rz 7 ff.). Wie oben beschrieben, beruht die Haftung des Klägers gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 35 AO jedoch nicht darauf, dass er sich für die Ausübung seiner Funktion als vorläufiger Sachwalter eines --jedenfalls nach neuerer Rechtslage-- unzulässigen Anderkontos bedient hat, sondern vielmehr darauf, dass es sich nach der gefestigten und langjährigen Rechtsprechung des BGH bei einem Anderkonto um ein offenes Vollrechtstreuhandkonto handelt. Hieraus ist die für die Stellung als Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO erforderliche rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht aufgrund der Treuhand abzuleiten. Dafür, dass die Umstände, die zu dieser Würdigung führen, dem Kläger im Haftungszeitraum nicht bekannt gewesen wären, bestehen keine Anhaltspunkte.
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6. Eine Haftung ist auch nicht deshalb zu verneinen oder in ihrem Umfang zu reduzieren, weil zur Begleichung der Steuerschulden nicht ausreichende Mittel vorhanden gewesen wären.
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Stehen zur Begleichung der Schulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (Senatsurteile vom 27.02.2007 - VII R 60/05, BFHE 216, 487, BStBl II 2008, 508, unter II.2. der Gründe und vom 01.08.2000 - VII R 110/99, BFHE 192, 249, BStBl II 2001, 271, m.w.N.).
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Diesem sogenannten Grundsatz der anteiligen Tilgung kommt im Zusammenhang mit der Lohnsteuer allerdings die eingeschränkte Bedeutung zu, dass lediglich das FA und die Arbeitnehmer gleichmäßig zu berücksichtigen sind. Daher sind die für die Lohnsteuerabführung erforderlichen Beträge bei der Lohnzahlung zurückzubehalten, die Löhne also entsprechend zu kürzen (Senatsurteil vom 14.12.2021 - VII R 32/20, BFHE 274, 522, BStBl II 2022, 537, Rz 22; BFH-Beschluss vom 03.06.2011 - VII B 203/10, Rz 6; Jatzke in Gosch, AO § 69 Rz 42).
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Ob im Streitfall der Grundsatz der anteiligen Tilgung aber möglicherweise trotz Vorliegens eines Lohnsteuerfalls in uneingeschränktem Umfang anzuwenden sein könnte, weil die Löhne bereits vor der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Sachwalter am xx.xx.2014 durch H ausgezahlt worden waren und der Kläger daher keine Möglichkeit hatte, für eine Kürzung der Löhne zu sorgen, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn [es] war ein Bankguthaben der GmbH in Höhe von … € vorhanden, welches am 09.xx.2014 auf das Anderkonto des Klägers überwiesen wurde. Dass diese Summe, von der weniger als ein Zehntel für die offenen Steuerforderungen hätte verwendet werden müssen, nicht für die Begleichung der offenen Forderungen ausgereicht hätte, hat der Kläger, den diesbezüglich die Feststellungslast trifft, nicht belegt. Für eine gegenteilige Annahme bestehen keine Anhaltspunkte. Sofern zu einem späteren Zeitpunkt das Vermögen der GmbH unter Berücksichtigung anderer Gläubiger nicht ausgereicht haben sollte, worauf die Insolvenzquote von gerundet 2,4 % schließen lässt, gilt dies zumindest nicht für den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden am 10.xx.2014.
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7. Schließlich sind Fehler bei der Ausübung des Ermessens, welches das FA sowohl im Haftungsbescheid vom 21.04.2016 als auch in der Einspruchsentscheidung vom 09.12.2016 ausführlich dargelegt hat, weder von den Beteiligten des Revisionsverfahrens vorgebracht noch sonst ersichtlich.
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8. Das FG hat der Klage in Bezug auf einen Betrag von … € zu Recht stattgegeben, weil das FA diesen Betrag, den es zuvor aufgrund der Insolvenzquote vereinnahmt hatte, bei der Berechnung der Haftungssumme von … € nicht mindernd berücksichtigt hatte.
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9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Das FA ist nur zu einem geringen Teil unterlegen.
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