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BFH 23.11.2023 - VI R 24/21
BFH 23.11.2023 - VI R 24/21 - (Keine Steuerfreiheit von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen nach § 3 Nr. 34 EStG)
Normen
§ 3 Nr 34 EStG 2009 vom 19.12.2008, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 20 SGB 5, § 20a SGB 5, § 23 Abs 2 S 2 SGB 5, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, JStG 2009
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 14. Oktober 2021, Az: 1 K 655/17, Urteil
Leitsatz
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Mit Präventionsleistungen im Zusammenhang stehende unentgeltliche oder vergünstigte Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen des Arbeitgebers sind regelmäßig nicht nach § 3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei (Anschluss an Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.04.2021, BStBl I 2021, 700, Rz 34).
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 14.10.2021 - 1 K 655/17 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Thüringer Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine gGmbH, die als selbständige Untergliederung der A tätig ist.
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In den Kalenderjahren 2011 bis 2014 (Streitzeitraum) ermöglichte die Klägerin ihren Arbeitnehmern die Teilnahme an sogenannten Gesundheitstagen, die sie in Kooperation mit der B gGmbH (B), der C gGmbH und der D gGmbH veranstaltete. Die Veranstaltungen begannen jeweils freitags um 12:00 Uhr und endeten sonntags um 13:30 Uhr oder 14:00 Uhr. Die Unterbringung der Teilnehmer erfolgte während der Gesundheitstage in einem von der B betriebenen Ferienzentrum in Z oder in einem Hotel in Y eines nicht verbundenen Unternehmens. Das Veranstaltungsangebot bestand zum Beispiel aus der Einführung in Nordic Walking, Rückenschule, progressiver Muskelentspannung oder aus Ernährungskursen.
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Der von der Klägerin für die Seminarteilnahme nebst Unterkunft und Verpflegung kalkulierte Preis betrug je Teilnehmer 285 € (2011 und 2012) beziehungsweise 280 € (2013 und 2014). Die Arbeitnehmer der Klägerin hatten lediglich einen Eigenanteil in Höhe von 99 € zu zahlen, den sie bei der Veranstaltung vor Ort entrichten mussten. Darüber hinausgehende Kosten trug die Klägerin. Die Krankenkassen ordneten den von den Arbeitnehmern gezahlten Eigenanteil als Aufwendungen im Sinne des § 20 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) ein und erstatteten (auf Antrag) Beträge zwischen 75 € und 99 €.
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Die Klägerin behandelte die Vorteile aus der vergünstigten Teilnahme an den Gesundheitstagen insgesamt als steuerfreien Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) war hingegen der Ansicht, die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG erstrecke sich nicht auf Neben- oder Zusatzleistungen, wie die Kosten der Verpflegung und Unterkunft. Für die auf diese geldwerten Vorteile entfallende, nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer nahm das FA die Klägerin für den Streitzeitraum durch Nachforderungsbescheid gemäß § 40 Abs. 1 EStG in Anspruch.
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Da das FA über den von der Klägerin gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch zunächst nicht entschieden hatte, erhob sie Untätigkeitsklage. Das FA änderte daraufhin den Nachforderungsbescheid und reduzierte den Nachforderungsbetrag. Im Anschluss wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 648 veröffentlichten Gründen statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die (geldwerten) Vorteile aus der unentgeltlichen oder vergünstigten Gewährung von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen sind nicht nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei. Der Senat vermag aufgrund fehlender Feststellungen der Vorinstanz zur Höhe der geldwerten Vorteile jedoch nicht abschließend in der Sache zu entscheiden.
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1. Gemäß § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG schuldet der Arbeitgeber mit einem Pauschsteuersatz erhobene Lohnsteuer als eigene Schuld und kann für diese durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen werden (s. Senatsurteil vom 20.11.2008 - VI R 4/06, BFHE 223, 425, BStBl II 2009, 374), wenn das Betriebsstättenfinanzamt dies nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG --auf dessen Antrag-- deshalb zulässt, weil er die Lohnsteuer in einer größeren Zahl von Fällen nicht vorschriftsmäßig bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einbehalten hat.
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2. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern durch die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen anlässlich der Teilnahme an den Gesundheitstagen Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Form von steuerbaren (geldwerten) Vorteilen zugewandt.
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Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin daran, ihren Arbeitnehmern die mit der Teilnahme an den Gesundheitstagen verbundenen Vorteile hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung, über die im Streitfall allein zu entscheiden ist, einzuräumen, bestand nicht. Da dies zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht, sieht der Senat insoweit von einer weiteren Begründung ab.
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3. Die geldwerten Vorteile aus den Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen sind auch nicht gemäß § 3 Nr. 34 EStG in der im Streitzeitraum gültigen Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) steuerfrei.
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a) Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 34 EStG i.d.F. des JStG 2009. Hiernach sind steuerfrei zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V genügen, soweit sie 500 € im Kalenderjahr nicht übersteigen. Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen zählen nicht zu diesen Leistungen, da sie weder den allgemeinen Gesundheitszustand der Arbeitnehmer verbessern noch die Gesundheit fördern (ebenso Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 3 Rz 115; BMF-Schreiben vom 20.04.2021, BStBl I 2021, 700, Rz 34).
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b) Das Sozialversicherungsrecht, auf das die Vorschrift des § 3 Nr. 34 EStG Bezug nimmt, bestätigt dies. Denn es unterscheidet --auch bereits in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung-- unter anderem zwischen den in § 20 SGB V geregelten primären Präventionsleistungen und den in § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB V genannten "übrigen Kosten", die Versicherten im Zusammenhang mit nicht am Wohnort erbrachten allgemeinen Vorsorgeleistungen entstehen. Zu diesen "übrigen Kosten", die von den Krankenkassen in ihren Satzungen lediglich bis zu 16 € täglich bezuschusst werden durften, zählen alle Nebenleistungen zu ambulant erbrachten Vorsorgeleistungen, insbesondere die Kosten für Unterkunft und Verpflegung (s. Welti in Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 23 Rz 16; Schütze in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 23 Rz 62; Gokel in Remmert/Gokel, GKV-Kommentar SGB V, 63. Lieferung, § 23 Rz 11). An diese Unterscheidung, die sich im Leitfaden Prävention des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (s. Leitfaden Prävention in der Fassung vom 27.08.2010, S. 37) wiederfindet, knüpft § 3 Nr. 34 EStG an, indem er hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit lediglich auf die Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V Bezug nimmt und die Vorschrift des § 23 SGB V unerwähnt lässt.
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c) Diesem Verständnis steht auch nicht der von der Klägerin angeführte, mit Einführung des § 3 Nr. 34 EStG vom Gesetzgeber mitverfolgte Vereinfachungszweck entgegen (s. BTDrucks 16/10189, S. 47). Durch die Vorschrift wird die Prüfung, ob eine Maßnahme zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt und somit keinen Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellt, entbehrlich. Der Vereinfachungszweck des § 3 Nr. 34 EStG geht aber nicht so weit, sämtliche Vorteile steuerfrei zu stellen, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung erbringt.
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d) Die Steuerfreiheit der Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen ergibt sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht daraus, dass es sich bei den Gesundheitstagen um eine "einheitliche Maßnahme" handelt. Vielmehr hat die Prüfung der Voraussetzungen einer Steuerbefreiungsvorschrift nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich für jeden gewährten Vorteil einzeln zu erfolgen (s. z.B. Senatsurteile vom 18.05.2004 - VI R 128/99, BFH/NV 2005, 22 und vom 01.09.2021 - VI R 21/19, BFHE 274, 157, BStBl II 2022, 233). Für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 34 EStG in der im Streitzeitraum gültigen Fassung bedeutet dies, dass für jede Zuwendung gesondert zu prüfen ist, ob sie der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands dient, sie vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht wird und ob sie hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20, 20a SGB V genügt. Lediglich für die Einhaltung des Jahreshöchstbetrags von im Streitzeitraum 500 € sind sämtliche im Kalenderjahr gewährten entsprechenden Zuwendungen zusammenzurechnen.
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Der von der Vorinstanz zitierten Senatsentscheidung vom 21.11.2018 - VI R 10/17 (BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn in dieser Entscheidung hat der erkennende Senat die Zuwendungen im Rahmen einer sogenannten Sensibilisierungswoche lediglich deshalb einheitlich als Arbeitslohn beurteilt, weil aufgrund des dort im konkreten Einzelfall vorliegenden Sachverhalts eine Aufteilung der Zuwendungen in betriebsfunktionale Bestandteile und Elemente mit Vorteilscharakter ausschied, so dass ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Zuwendung sämtlicher Vorteile im Rahmen der Sensibilisierungswoche nicht gegeben war (s. Senatsurteil vom 21.11.2018 - VI R 10/17, BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404, Rz 28). Dies vermag allerdings nichts daran zu ändern, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendungen im ganz überwiegenden betrieblichen Eigeninteresse bei gemischt veranlassten Sachzuwendungen an Arbeitnehmer grundsätzlich möglich ist (grundlegend Senatsurteil vom 18.08.2005 - VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30). An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch in seinem Urteil vom 21.11.2018 - VI R 10/17 (BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404) ausdrücklich festgehalten (s. dort insbesondere Rz 15).
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4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat daher --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine hinreichenden Feststellungen zur Bewertung der unentgeltlichen oder verbilligten Verpflegungs- und Unterkunftsleistungen getroffen. Dies hat das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Die Sache geht daher mangels Spruchreife an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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