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BFH 22.09.2022 - VII B 184/21
BFH 22.09.2022 - VII B 184/21 - Einordnung als Betrieb der Fleischwirtschaft - zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung
Normen
§ 114 Abs 1 S 1 FGO, § 41 FGO, § 6a Abs 2 SAFleischWiG, § 6b SAFleischWiG, § 6 Abs 9 AEntG, § 2 SchwarzArbG, §§ 2ff SchwarzArbG, Art 19 Abs 4 GG
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 2. November 2021, Az: 2 V 361/21, Beschluss
Leitsatz
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NV: Hat die Zollverwaltung bei einem Unternehmen bereits konkrete Prüfungsmaßnahmen nach §§ 2 ff. SchwarzArbG durchgeführt und wird das Unternehmen in anderem Zusammenhang (hier: Strom- und Energiesteuer sowie Sozialversicherung) als Betrieb der Fleischwirtschaft eingeordnet, kann sich daraus ein Rechtsverhältnis i.S. von § 41 Abs. 1 FGO und ein berechtigtes Interesse ergeben, das zur Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO führt.
Tenor
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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Thüringer Finanzgerichts vom 02.11.2021 - 2 V 361/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Unternehmensgegenstand der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) liegt in der Herstellung und dem Vertrieb von Fleischerzeugnissen aller Art, … . Die Antragstellerin unterhält in A und in B selbständige Betriebsstätten. Nach der gemäß § 18i Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB 4) zur Teilnahme an den Meldeverfahren zur Sozialversicherung erforderlichen Betriebsnummer zählt die wirtschaftliche Tätigkeit der Antragstellerin in den beiden Betriebsstätten zur Wirtschaftsunterklasse 10130 "Fleischverarbeitung".
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Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) führte letztmals im April 2015 in der Betriebsstätte in B eine Prüfung nach §§ 2 ff. des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) durch. Ausgehend von den für strom- und energiesteuerrechtliche Begünstigungen gemachten Angaben ordnete das HZA das Unternehmen nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008), als Betrieb der Fleischwirtschaft ein.
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Daraufhin stellte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem sie im Wesentlichen die vorläufige Feststellung begehrte, dass die streitgegenständliche Betriebsstätte B, hilfsweise einzelne Betriebsbereiche, nicht dem Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) unterlägen und damit die in § 6a GSA Fleisch enthaltenen Vorgaben und Verbote in Bezug auf den Einsatz von Fremdpersonal nicht auf sie anzuwenden seien. Zudem beantragte die Antragstellerin den Erlass eines Hängebeschlusses, mit dem dem HZA bis zum Abschluss des Eilverfahrens untersagt werden sollte, von seiner Kontrollbefugnis gemäß § 6b GSA Fleisch Gebrauch zu machen und innerhalb dieses Zeitraums eventuell begangene Verstöße gegen § 6a GSA Fleisch zu ahnden.
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Mit Beschluss vom 02.11.2021 - 2 V 361/21 entschied das FG, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig. Die Antragstellerin begehre die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses, nämlich ob sie dem sachlichen Geltungsbereich des § 2 GSA Fleisch unterfalle und damit u.a. das Verbot der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu beachten habe. Sie habe ein berechtigtes Feststellungsinteresse, weil Rechtsschutz nur nachträglich erlangt werden könnte und das HZA zeitnah vor Erhebung der Feststellungsklage bei einer Geschäftsunterlagenprüfung die Feststellung getroffen habe, das Unternehmen der Antragstellerin sei der Fleischwirtschaft zuzuordnen. Dem Antrag fehle auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil nach Auffassung des FG durch die vorläufige Feststellung, die Antragstellerin sei kein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 6 Abs. 9 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz --AEntG--), bereits eine endgültige Entscheidung getroffen würde und nicht zu erkennen sei, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache im Streitfall zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes zwingend geboten sei, um unzumutbare Nachteile von der Antragstellerin abzuwenden. Das FG hielt die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht in dem erforderlichen Umfang für gegeben, weil die Antragstellerin dem Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch unterfalle und die verschiedenen Produktionsbereiche ebenfalls der Fleischverarbeitung zuzuordnen seien. Da die Antragstellerin mit ihren Würsten typischerweise Fleischerzeugnisse herstelle, zähle sie zur Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung" i.S. von § 4 Abs. 1 Nr. 9 AEntG. Die Betriebsstätte in B sei daher ein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GSA Fleisch. Jedenfalls verarbeite die Antragstellerin überwiegend Fleisch. Alle Tätigkeiten im Unternehmen der Antragstellerin, die zur Erfüllung des Geschäftszwecks erforderlich und in den streitgegenständlichen Betrieb eingegliedert seien, gehörten begrifflich zur Fleischverarbeitung. Somit unterfielen sämtliche Tätigkeiten, die bei der Herstellung der von der Antragstellerin in B produzierten Wurstwaren auch nur mittelbar erforderlich seien, sowie die anschließende Verpackung usw. dem Begriff der Fleischverarbeitung. Diese Auslegung gebiete zudem die mit § 6 Abs. 10 AEntG a.F. (Abs. 9 der aktuellen Fassung) verbundene Geltung des Überwiegensprinzips. Ein Grundrechtsverstoß könne nicht festgestellt werden.
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Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, die am 30.11.2021 beim FG und beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen ist. Auf Nachfrage des BFH hat der Prozessbevollmächtigte das Übersendungsschreiben des FG vom 11.11.2021 in Kopie vorgelegt, das mit einem Eingangsstempel seiner Kanzlei mit dem Datum 16.11.2021 versehen ist. Außerdem hat er einen Auszug aus seiner Fristenliste übersandt, in der der Beginn der Beschwerdefrist mit dem 16.11.2021 und der Fristablauf mit dem 30.11.2021 vermerkt ist.
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Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Antragstellerin aus, das GSA Fleisch gelte nicht für die Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung", sondern für "Betriebe der Fleischwirtschaft" i.S. von § 6 Abs. 9 AEntG. Für diese sei das Überwiegensprinzip zwingend anwendbar. Die Auslegung des FG widerspreche dem Wortlaut, der Systematik sowie der Historie und dem Telos des Gesetzes. Das FG habe sich nicht damit beschäftigt, was Fleisch sei und ob Wurst Fleisch sei. Das aus Art. 103 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) und § 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten resultierende Bestimmtheits- und Normenklarheitsgebot gebiete es jedoch, dass im Ordnungswidrigkeitenrecht solche deskriptiven Tatbestandsmerkmale mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden erschlossen würden.
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Die Fleischwirtschaft erfasse nur Betriebe i.S. von § 6 Abs. 9 AEntG. Die Auffassung des FG, wonach von dieser Vorschrift noch weitere Betriebe erfasst würden, stehe im Widerspruch zum erklärten Willen des Gesetzgebers. Dass man nicht auf die für das GSA Fleisch fremde Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung" abstellen dürfe, ergebe sich auch aus der Struktur der Tarifverträge, die auf den Betrieb als Zuordnungsobjekt, d.h. den arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff, abstellten. Die vom FG vorgenommene Differenzierung zwischen den "gängigen" Betrieben der Fleischwirtschaft und denjenigen der Werkvertragsarbeit könne aus der Systematik und der Begründung der Gesetze nicht abgeleitet werden. Die Auffassung des FG, wonach das Überwiegensprinzip in § 6 Abs. 9 Satz 1 AEntG nur bei Mischbetrieben anzuwenden sei, sei eine unzulässige Fortschreibung des Gesetzes. Denn das Überwiegensprinzip sei betriebsbezogen auf sämtliche schlachtenden oder fleischverarbeitenden Betriebe anzuwenden. Die Klassifikation der Wirtschaftsbereiche richte sich nach anderen Kriterien. Zudem sei von der Fleischverarbeitung als Wirtschaftszweig das Verpacken von Fleisch nicht umfasst. Jedenfalls sei für die Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten bei Betrieben mit einer Mischtätigkeit auf die WZ 2008 abzustellen.
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Die Auffassung des FG zum Umfang des Bereichs der Fleischverarbeitung und zum Überwiegen dieses Bereichs im Betrieb der Antragstellerin widerspreche dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik und der Rechtsprechung des FG Hamburg und sei daher unzutreffend. Aus dem Gesetzeswortlaut sei nicht ersichtlich, dass alle Tätigkeiten, die auch mittelbar der Herstellung und dem Vertrieb von Fleischerzeugnissen dienten, begrifflich von der Fleischverarbeitung umfasst sein sollten. Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung belegt, aus der sich ergebe, dass es betriebsbezogen nur darauf ankomme, ob insgesamt in dem Betrieb überwiegend Fleisch verarbeitet werde, wobei Verarbeitungsprozesse, bei denen ein Einbüßen des Fleischcharakters stattgefunden habe, nicht berücksichtigt würden. Auch die Verneinung eines Verstoßes gegen ihre Grundrechte sei nicht zu beanstanden.
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Abgesehen davon gehöre der Bereich der Unterhaltsreinigung nicht zur Fleischverarbeitung und unterfalle nicht dem Einsatzverbot. Das Bestehen des Anordnungsgrundes folge bereits daraus, dass die Regelungen des GSA Fleisch in ihre Berufsfreiheit und in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingriffen. Es sei ihr nicht zuzumuten, den Ausgang des Rechtsschutzverfahrens in der Hauptsache abzuwarten. Denn bei Befolgung der Auffassung des FG verstoße sie derzeit gegen § 6a Abs. 2 GSA Fleisch.
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Das HZA sei nach § 15 des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns i.V.m. §§ 2, 22 SchwarzArbG befugt, Prüfungsmaßnahmen als präventiv polizeiliche Maßnahmen und verdachtsunabhängige Kontrollen ohne vorherige Ankündigung oder Fristeinhaltung zu treffen. Ihr gehe es nicht darum, durch die begehrte vorläufige Feststellung eine Prüfung durch das HZA nach § 6b GSA Fleisch zu verhindern, sondern Rechtsklarheit zu erlangen, ob sie den bußgeldbewerten Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal nach § 6a GSA Fleisch unterliege.
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Der angefochtene Beschluss stelle darüber hinaus eine Überraschungsentscheidung dar, weil das FG seine Hinweispflicht gemäß § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und ihren Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt habe. Schließlich weist die Antragstellerin noch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29.12.2020 - 1 BvQ 165/20 (Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2021, 124) hin und beantragt hilfsweise, die Verfassungsmäßigkeit des § 6a GSA Fleisch im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 GG vorab prüfen zu lassen.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in ihrem Hauptantrag zu 1., zumindest jedoch in ihrem Hilfsantrag zu 2. stattzugeben.
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Das HZA beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Das HZA erwidert, bei der Frage, ob es sich bei der Antragstellerin um einen Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. des § 6 Abs. 9 AEntG handele, habe das FG zutreffend auf den Betriebszweck abgestellt. Die Anwendung des sog. Überwiegensprinzips setze einen Mischbetrieb voraus, der hier nicht vorliege. Doch selbst wenn man dies außer Acht ließe, wäre der Betrieb der Antragstellerin aufgrund der arbeitszeitlich überwiegend der Fleischverarbeitung zuzuordnenden Tätigkeiten gleichwohl ein solcher der Fleischwirtschaft. Nach § 6 Abs. 9 Satz 3 AEntG zähle die Portionierung und Verpackung zur Fleischverarbeitung, es sei denn, sie erfolge direkt auf Anforderung des Endverbrauchers.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere innerhalb der Beschwerdefrist des § 129 Abs. 1 FGO eingelegt worden.
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Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat durch Vorlage eines Auszugs aus seiner Fristenliste und dem mit dem Eingangsstempel seiner Kanzlei versehenen Übersendungsschreiben des FG vom 11.11.2021 glaubhaft gemacht, dass er den mit einfachem Brief versandten Beschluss vom 02.11.2021 tatsächlich erst am 16.11.2021 erhalten hat. Die Beschwerdefrist begann somit am 17.11.2021 und endete am 30.11.2021. An diesem Tag ist die Beschwerde sowohl beim FG als auch beim BFH eingegangen.
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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
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a) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist hinsichtlich des Hauptantrags zu 1. zulässig.
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aa) Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft macht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; Senatsbeschluss vom 22.12.2006 - VII B 121/06, BFHE 216, 38, BStBl II 2009, 839, m.w.N.).
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Eine einstweilige Anordnung kann zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes auch in Gestalt einer vorläufigen Feststellung des in der Hauptsache sachlich Begehrten getroffen werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2003, 856, unter II.2.b; Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts --OVG-- vom 29.10.2014 - 2 Bs 179/14, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungs-Report --NVwZ-RR-- 2015, 361; Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 29.08.2018 - 6 B 10774/18, NVwZ-RR 2019, 103). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist es einem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Der Betroffene hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den fachgerichtlichen Rechtsweg als "fachspezifischere" Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere wenn dem Betroffenen andernfalls ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (vgl. BVerwG-Urteile vom 13.01.1969 - I C 86.64, BVerwGE 31, 177, und vom 17.01.1972 - I C 33.68, BVerwGE 39, 247; BVerfG-Beschluss in NVwZ 2003, 856).
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bb) Nach dieser Maßgabe ist der Hauptantrag zu 1. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft.
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Eine vorläufige Feststellung kann im Streitfall grundsätzlich beantragt werden, weil die Beschäftigung von Personen außerhalb eines mit dem Betriebsinhaber bestehenden Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen eine Ordnungswidrigkeit darstellt (vgl. z.B. § 7 Abs. 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 2 Nrn. 4 und 5 GSA Fleisch) und die Antragstellerin daher ein Interesse daran hat, die Frage, ob sie ein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 6 Abs. 9 AEntG ist bzw. ob einzelne Betriebsbereiche nicht der Fleischverarbeitung gemäß § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfallen, bereits zu einem Zeitpunkt zu klären, zu dem ihr noch keine Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird.
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Dem steht nicht entgegen, dass im Besteuerungsverfahren eine vorbeugende Feststellungsklage ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 08.04.1981 - II R 47/79, BFHE 133, 308, BStBl II 1981, 581, unter 4.). Denn die Antragstellerin begehrt keine Feststellung zu einem Steuerbescheid, dessen Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 1 Alternative 1 FGO rechtsschutzwahrend überprüft werden könnte. Vielmehr stehen vorliegend etwaige zukünftige Prüfungsmaßnahmen der Zollverwaltung und damit ein Verwaltungshandeln ohne Bezug zum Steuerrecht im Streit.
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cc) Die Klägerin hat hinsichtlich ihres Hauptantrags zu 1. auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
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(1) Nach summarischer Prüfung besteht zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO vor den Finanzgerichten sein kann.
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Rechtsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 29.07.2003 - VII R 39, 43/02, BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828, unter 2.b, m.w.N.; BFH-Urteil vom 30.03.2011 - XI R 5/09, BFH/NV 2011, 1724).
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Das HZA hat zum einen im April 2015 in der Betriebsstätte in B eine Prüfung nach §§ 2 ff. SchwarzArbG durchgeführt. Darüber hinaus wurde die Antragstellerin im Zusammenhang mit strom- und energiesteuerrechtlichen Begünstigungen als Betrieb der Fleischwirtschaft eingeordnet. Außerdem zählt die wirtschaftliche Tätigkeit der Antragstellerin nach der gemäß § 18i SGB 4 zur Teilnahme an den Meldeverfahren zur Sozialversicherung erforderlichen Betriebsnummer der streitgegenständlichen Betriebsstätte zur Wirtschaftsunterklasse 10130 "Fleischverarbeitung". Die Antragstellerin ist daher nicht mehr nur potentielle Adressatin eines (abstrakt-generellen) Gesetzes (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 10.02.2022 - VII B 85/21, BFH/NV 2022, 514). Vielmehr liegt nach summarischer Prüfung aufgrund der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen im Streitfall ein konkretes Rechtsverhältnis vor.
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(2) Nach summarischer Prüfung ist weiterhin davon auszugehen, dass die Klage im Hauptsacheverfahren (…) nicht unzulässig ist.
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Nach § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO). Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird (§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO).
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Soll ein künftiger nachteiliger Verwaltungsakt oder ein sonstiges nachteiliges Verwaltungshandeln mit Hilfe einer sog. vorbeugenden Feststellungsklage vermieden werden, ist dies nur dann zulässig, wenn mit dem nachträglichen Rechtsschutz im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage nicht mehr korrigierbare Rechtsverluste verbunden sind, wenn also die vorbeugende Feststellungsklage zur Erreichung eines effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist (vgl. Senatsurteil vom 11.12.2012 - VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739, Rz 15, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 30.09.2020 - VII B 96/19, BFH/NV 2021, 781; s.a. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 41 FGO Rz 157, m.w.N.; von Beckerath in Gosch, FGO § 41 Rz 74, m.w.N.).
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Das berechtigte Interesse an der beantragten Feststellung, dass die Antragstellerin kein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. des § 6 Abs. 9 AEntG ist, ergibt sich aus den bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen und der bereits erfolgten Einordnung der Antragstellerin als Betrieb der Fleischwirtschaft durch das HZA. Insofern liegt der Fall anders als in dem Senatsbeschluss VII B 85/21, weil die Feststellungsklage vor dem FG im vorliegenden Fall nicht nur auf eine rechtsgutachterliche Stellungnahme des FG hinausliefe (vgl. dazu Senatsbeschluss in BFH/NV 2022, 514, Rz 43; Senatsurteil vom 28.11.2017 - VII R 30/15, BFH/NV 2018, 405, Rz 14, m.w.N.).
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b) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem begehrten Inhalt ist jedoch unbegründet, weil dadurch --wie das FG richtigerweise festgestellt hat-- die Hauptsache vorweggenommen würde.
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aa) Grundsätzlich darf die einstweilige Anordnung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorwegnehmen. Etwas anderes gilt jedoch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG-Beschlüsse vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, und vom 25.10.1988 - 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69; Senatsbeschlüsse vom 27.01.2016 - VII B 119/15, BFH/NV 2016, 1586, Rz 39, und vom 09.07.2020 - VII S 23/20 (AdV), BFH/NV 2020, 1104, Rz 36).
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bb) Eine solche Ausnahmesituation liegt nach summarischer Prüfung im Streitfall allerdings nicht vor.
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Die Antragstellerin hat lediglich bis zum 31.03.2021 Leiharbeiter eingesetzt und diese nach eigenem Vortrag zum 01.04.2021 eingestellt (FG-Beschluss, S. 8). Auch wenn dies im Hinblick auf die aus Sicht der Antragstellerin ungeklärten Rechtslage erfolgt ist, besteht dennoch derzeit nicht die Gefahr, gegen § 6a Abs. 2 GSA Fleisch zu verstoßen.
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cc) Abgesehen davon ist nach summarischer Prüfung ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache auch nicht deshalb mit hoher Gewissheit zu erwarten, weil die Rechtslage klar und eindeutig wäre und daher die Gefahr einer Fehlentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin nicht bestünde (vgl. BFH-Beschluss vom 13.11.2002 - I B 147/02, BFHE 201, 80, BStBl II 2003, 716, unter II.4.).
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Gemäß § 2 Abs. 1 GSA Fleisch gilt dieses Gesetz für die Fleischwirtschaft, zu der Betriebe i.S. von § 6 Abs. 9 AEntG gehören. Demnach handelt es sich bei Betrieben der Fleischwirtschaft um Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird. Außerdem werden damit Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen angesprochen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betrieben der Fleischwirtschaft einsetzen. Gemäß § 6 Abs. 9 Satz 2 AEntG umfasst das Schlachten alle Tätigkeiten des Schlachtens und Zerlegens von Tieren mit Ausnahme von Fischen. Nach § 6 Abs. 9 Satz 3 i.V.m. Satz 4 AEntG umfasst die Verarbeitung alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie deren Portionierung und Verpackung, es sei denn, die Behandlung, Portionierung oder Verpackung erfolgt auf Anforderung des Endverbrauchers.
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Unabhängig davon, ob das Überwiegensprinzip in § 6 Abs. 9 Satz 1 AEntG nur dann zur Anwendung gelangt, wenn es sich nicht um Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, die zur Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung" (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 AEntG) gehören, sondern es sich um Mischbetriebe handelt, ist ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache zumindest nicht mit hoher Gewissheit zu erwarten. Die Antragstellerin produziert in ihrer Betriebsstätte in B …Wurstwaren. Aufgrund dieser Tätigkeiten und ausgehend von dem oben dargestellten Prüfungsmaßstab geht der beschließende Senat davon aus, dass die Antragstellerin zumindest mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein Betrieb der Fleischverarbeitung ist.
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3. Ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich des Hilfsantrags zu 2. zulässig ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil auch dieser Hilfsantrag aufgrund einer nicht gerechtfertigten Vorwegnahme der Hauptsache im Ergebnis jedenfalls unbegründet wäre.
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4. Ob sich die Antragstellerin auch insoweit gegen die Vorentscheidung wendet, als das FG ihre Anträge zu 3. und 4., mit denen sie eventuelle weitere Prüfungsmaßnahmen des HZA verhindern wollte, abgelehnt hat, ist ihrem Vorbringen nicht eindeutig zu entnehmen. Denn während die Antragstellerin vor dem FG ausdrücklich beantragt hat, dem HZA bis zum Abschluss des Eilverfahrens zu untersagen, von seiner Kontrollbefugnis gemäß § 6b GSA Fleisch Gebrauch zu machen und eventuelle Verstöße gegen § 6a GSA Fleisch zu ahnden, bringt sie im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 04.04.2022, Seite 21 vor, sie wolle eine Prüfung des HZA nach § 6b GSA Fleisch durch die begehrte vorläufige Feststellung nicht verhindern. Gleichwohl hat sie ihre Beschwerde gegen die Vorentscheidung nicht ausdrücklich auf die Anträge zu 1. und 2. beschränkt.
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Letztlich kann jedoch auch dies dahinstehen, weil auch diesen Anträgen --unabhängig von deren Zulässigkeit-- jedenfalls die Vorwegnahme der Hauptsache entgegenstünde. Sie wären also im Ergebnis ebenfalls unbegründet.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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