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BFH 17.12.2020 - X B 154/19
BFH 17.12.2020 - X B 154/19 - (Übergangener Beweisantrag; keine Rügeobliegenheit nach § 295 ZPO bei ausdrücklichem Hinweis des FG auf die fehlende Erforderlichkeit der beantragten Beweiserhebung)
Normen
§ 76 Abs 1 FGO, § 295 ZPO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 17. Oktober 2019, Az: 4 K 1426/18, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Wenn das Gesetz lediglich die Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung fordert, darf ein Gericht --eidesstattliche oder schlichte-- Erklärungen der Beteiligten oder dritter Personen jedenfalls dann, wenn keine objektiven Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen, nicht von vornherein als Mittel der Glaubhaftmachung ausschließen.
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2. NV: Das Recht eines Rechtsmittelführers, das Übergehen eines Beweisantrags durch das FG als Verfahrensmangel zu rügen, geht auch dann, wenn in der mündlichen Verhandlung vor dem FG eine ausdrückliche Rüge unterblieben ist, nicht nach § 295 ZPO verloren, wenn das FG dem späteren Rechtsmittelführer in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verdeutlicht hat, dass es die beantragte Beweiserhebung nicht für erforderlich hält (Fortführung u.a. des BFH-Beschlusses vom 26.11.2008 - IX B 122/08, BFH/NV 2009, 600).
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.10.2019 - 4 K 1426/18 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) am 21.02.2017 Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2013 und 2014 erlassen. Am 03.04.2017 ging der Einspruch des Klägers beim FA ein.
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Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Einspruchsfrist behauptete der Kläger, er habe sich vom 19.02.2017 bis zum 25.03.2017 in Wales aufgehalten, um seine pflegebedürftige Mutter (M) zu betreuen. Er legte hierzu innerhalb der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist eine eidesstattliche Versicherung seiner in Wales wohnhaften Tante (T) vor, in der es heißt, der Kläger sei mehrmals im Jahr zu Besuch, um die pflegebedürftige M zu betreuen. Er habe vom 19.02.2017 bis zum 25.03.2017 bei T gewohnt. Ferner wies der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hin, wonach Privatleute bei Abwesenheitszeiten bis zur Dauer üblicher Urlaubsreisen keine besonderen Vorkehrungen im Hinblick auf den Zugang fristauslösender Schriftstücke treffen müssten.
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Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig. Der Kläger habe den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Er habe trotz entsprechender Aufforderung des FA keine weiteren Beweismittel vorgelegt, die seinen Aufenthalt in Wales hätten dokumentieren können (z.B. Flugtickets, Bahnfahrkarten, Unterkunftsbuchungen, Kreditkartenabrechnungen). Darüber hinaus wies das FA ausdrücklich darauf hin, dass die angefochtenen Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stünden und daher unabhängig von der Unzulässigkeit des Einspruchs jederzeit ein Änderungsantrag gestellt werden könne.
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Während des anschließenden finanzgerichtlichen Verfahrens legte der --in Mainz wohnhafte-- Kläger diverse Unterlagen vor, die seiner Auffassung nach seine Fahrt nach Wales und seinen dortigen Aufenthalt belegen könnten.
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Ferner legte der Kläger eine schriftliche Erklärung seines Bruders (B) vor, wonach dieser den Kläger am 19.02.2017 in der Nähe von London getroffen habe und dann mit ihm gemeinsam zu M gefahren sei. B sei am 23.03.2017 nach London zurückgefahren. Der Kläger sei noch bis zum 25.03.2017 bei M geblieben.
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Aus den Kontoauszügen und Kreditkartenabrechnungen, die von dem Finanzgericht (FG) angefordert wurden, ergeben sich darüber hinaus weder Hinweise auf einen Aufenthalt des Klägers in Großbritannien noch --mit Ausnahme einer in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) vorgenommenen Bargeldabhebung von 1.300 € am 15.03.2017-- Hinweise auf einen Aufenthalt des Klägers in Deutschland im maßgebenden Zeitraum. Zu der genannten Bargeldabhebung hat der Kläger behauptet, er habe seine Kreditkarte vor Antritt seiner Reise seinem 13-jährigen Sohn (S) übergeben, damit dieser sich mit Bargeld versorgen könne. S habe dann in Begleitung des bereits volljährigen Stiefsohnes des Klägers die Abhebung vom 15.03.2017 getätigt.
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Der Kläger benannte S schriftsätzlich als Zeugen sowohl für die Bargeldabhebung als auch für den Aufenthalt des Klägers in Wales. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers (P) erschien krankheitsbedingt nicht zur mündlichen Verhandlung; der Kläger erklärte sich aber mit der Durchführung der Verhandlung einverstanden.
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Das FG wies die Klage --ohne Vernehmung des S-- ab. Die eidesstattlichen Versicherungen der T und des B seien zur Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrunds nicht geeignet, da der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, dass ihm keine anderen objektiven Beweismittel zur Verfügung stünden.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und eines Verfahrensmangels.
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Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein vom Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG hat seine aus § 76 Abs. 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, indem es den vom Kläger gestellten Antrag auf Vernehmung des Zeugen S übergangen hat.
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a) Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 12.02.2018 - X B 64/17, BFH/NV 2018, 538, Rz 11, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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Keiner dieser Ausnahmegründe lag hinsichtlich des im Streitfall gestellten Beweisantrags vor. Insbesondere war eine Vernehmung des zum Haushalt des Klägers gehörenden S offenkundig geeignet, Erkenntnisse zu der behaupteten und entscheidungserheblichen durchgehenden Abwesenheit des Klägers im Zeitraum vom 19.02.2017 bis zum 25.03.2017 sowie zu der Bargeldabhebung vom 15.03.2017 zu erbringen.
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b) Zwar hat das FG vorrangig angeführt, der Kläger habe seinen behaupteten Aufenthalt in Wales mittels objektiver Beweismittel glaubhaft zu machen (so S. 8 des FG-Urteils). Doch stellt das FG darüber hinaus zutreffend darauf ab, dass der Kläger glaubhaft machen müsse, zum angegebenen Zeitraum nicht an seinem ständigen Wohnort in Deutschland gewesen zu sein (S. 7 und 9 des FG-Urteils). Folglich kam es nach der Rechtsansicht des FG nicht nur auf eine Glaubhaftmachung der Anwesenheit in Wales, sondern auch auf eine Glaubhaftmachung der Abwesenheit von der Wohnung in Deutschland an. Insoweit stellt die Zeugenvernahme des S ein geeignetes und erhebliches Beweismittel dar.
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c) Sollte das Unterbleiben der beantragten Zeugenvernehmung --Gleiches gilt für die unterlassene Würdigung der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der T und der schriftlichen Erklärung des B-- darauf beruhen, dass das FG sich durch die von ihm angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung an der Erhebung des beantragten Beweises und der Verwertung der vorgelegten Erklärungen gehindert gesehen hat, wäre diese Rechtsansicht nicht allein entscheidungserheblich gewesen und im Übrigen die vom FG vorgenommene Interpretation dieser Rechtsprechung unzutreffend.
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Im BVerfG-Beschluss vom 11.02.1976 - 2 BvR 849/75 (BVerfGE 41, 332) hat das BVerfG sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob neben einer eidesstattlichen Versicherung noch weitere Mittel der Glaubhaftmachung erforderlich sind. Nach der bis dahin bestehenden Rechtsprechung des BVerfG wurde dies nicht verlangt. Mit dem genannten Beschluss hat das BVerfG die von ihm gestellten Anforderungen --im Anschluss an eine Gesetzesänderung-- zwar verschärft. Es hat aber ausdrücklich ausgeführt, der dortige Beschwerdeführer hätte seine schlichte Behauptung entweder durch objektive Beweismittel (z.B. Fahrkarten, Rechnungen des dortigen Reiseveranstalters) oder durch eidesstattliche Versicherungen (im dortigen Fall z.B. von Mitreisenden oder Freunden bzw. vom Arbeitgeber) belegen können. Dies zeigt, dass das BVerfG zusätzliche Erklärungen --ob nun eidesstattliche Versicherungen dritter Personen oder Zeugenaussagen-- neben der eigenen Erklärung desjenigen Beteiligten, der die Wiedereinsetzung begehrt, nicht etwa von vornherein ausschließen will.
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Von dem im vorstehenden Absatz genannte BVerfG-Beschluss geht auch der --vom FG im angefochtenen Urteil zitierte-- Senatsbeschluss vom 13.12.2001 - X R 42/01 (BFH/NV 2002, 533) ausdrücklich aus. Dort hat der Senat unter entsprechender Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 41, 332 den Rechtssatz aufgestellt, dass eine eidesstattliche Versicherung nur dann "uneingeschränkt" zur Glaubhaftmachung geeignet sei, wenn keine objektiven Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stünden. Dem lag ein Fall zugrunde, in dem ein Prozessbevollmächtigter zwar behauptet hatte, einen fristgebundenen Schriftsatz an einem bestimmten Tag zur Post gegeben zu haben, das --von ihm nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu führende-- Fristenkontrollbuch aber nicht vorgelegt hatte. Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar, da der Kläger als Privatperson keiner Pflicht zur förmlichen Dokumentation seiner Reisen unterlag. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Senat mit dieser Entscheidung die in der BVerfG-Rechtsprechung gestellten, aber auch ausreichenden --und verfassungsrechtlich abgeleiteten bzw. begrenzten-- Anforderungen an die Glaubhaftmachung hat verschärfen wollen.
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Im vom FA zitierten BFH-Beschluss vom 10.10.2003 - VI B 95/03 (BFH/NV 2004, 219), der wiederum auf den Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 533 Bezug nimmt, hatte der dortige Prozessbevollmächtigte ebenfalls nur eine eigene Erklärung abgegeben. Die vom BFH dort angeforderten weiteren Mittel der Glaubhaftmachung (Telefax-Protokolle, eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten) wurden hingegen nicht vorgelegt, obwohl sie bei einem professionellen Prozessbevollmächtigten --anders als bei einer Privatperson wie dem Kläger-- vorhanden sein müssen.
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Auch im Beschluss vom 13.10.2005 - IV B 21/05 (BFH/NV 2006, 328) hätte es der BFH ausdrücklich ausreichen lassen, wenn der dortige Antragsteller neben der eigenen Erklärung seines Prozessbevollmächtigten noch eine eidesstattliche Versicherung von dessen Büroangestellter vorgelegt hätte. Daraus folgt, dass Erklärungen als Mittel der Glaubhaftmachung nicht stets ausgeschlossen sind.
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In Ausnahmefällen kann sogar eine schlichte Erklärung des Beteiligten zur Glaubhaftmachung ausreichen (BVerfG-Beschluss vom 26.03.1997 - 2 BvR 842/96, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 1770, unter III.1.).
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d) Entgegen der Auffassung des FA hat der Kläger sein Rügerecht nicht verloren.
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aa) Nach § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO), der über § 155 Satz 1 FGO sinngemäß auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 05.10.1967 - V B 29/67, BFHE 90, 452, BStBl II 1968, 179), kann die Verletzung einer --verzichtbaren-- Verfahrensvorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn der Beteiligte bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich er erschienen und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Der Senat kann offenlassen, ob diese Vorschrift --entgegen ihrem Wortlaut, der eine "nächste" mündliche Verhandlung voraussetzt-- auch dann anzuwenden ist, wenn sich der gerichtliche Verfahrensfehler und das Unterbleiben einer Rüge --wie hier-- in "derselben" mündlichen Verhandlung ereignen (ebenso bereits Senatsbeschluss vom 11.12.2019 - X B 40/19, BFH/NV 2020, 231, Rz 33).
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bb) Gleichfalls kann der Senat offenlassen, ob § 295 ZPO überhaupt anwendbar ist, wenn der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist.
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Die wohl überwiegende Auffassung im BFH --der auch der beschließende Senat zuneigt-- verneint diese Frage (tragend z.B. BFH-Entscheidungen vom 13.03.1996 - II R 39/94, BFH/NV 1996, 757, und vom 25.05.2011 - VI B 3/11, BFH/NV 2012, 46, Rz 7; gleichlautend, aber nicht tragend BFH-Beschluss vom 16.02.1998 - VIII B 46/97, BFH/NV 1998, 875). Auch nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 862, Rz 46 f.) darf die Vorschrift des § 295 ZPO bei nicht vertretenen Beteiligten nicht überdehnt werden. Die Gegenauffassung wendet § 295 ZPO hingegen auch zu Lasten von nicht vertretenen Beteiligten an (BFH-Beschluss vom 25.10.2005 - VII B 316/04, BFH/NV 2006, 341, unter II.2.). Nach einer vermittelnden Auffassung soll das Rügerecht bei einem nicht vertretenen Beteiligten nur dann verloren gehen, wenn der betreffende Verfahrensverstoß bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkennbar war; in den konkret entschiedenen Fällen hat der BFH jeweils die Erkennbarkeit für einen Laien bejaht (BFH-Beschluss vom 01.12.2011 - I B 80/11, BFH/NV 2012, 954, Rz 7; im Ergebnis wohl auch BFH-Beschluss vom 29.10.2008 - VII B 46/08, BFH/NV 2009, 120, unter II.3.; vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.07.1976 - VI C 4.76, BVerwGE 51, 66).
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cc) Vorliegend hat der Kläger im Beschwerdeverfahren vorgetragen, er habe das FG während der mündlichen Verhandlung daran erinnert, dass S vor dem Sitzungssaal auf seine Vernehmung warte. Darin läge eine in laienhafter Weise vorgenommene Rüge der Nichtvernehmung des S, was für den Nichteintritt der Rechtsfolge des § 295 ZPO nach allen vertretenen Auffassungen genügt.
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Der Senat geht davon aus, dass diese Behauptung des Klägers der Wahrheit entspricht, auch wenn sie nicht im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG enthalten ist.
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(1) Unstreitig hatte der Kläger die Vernehmung des S in seinen vorbereitenden Schriftsätzen beantragt. Ebenso ist aktenkundig, dass die Berichterstatterin des FG P am 10.10.2019 --eine Woche vor der mündlichen Verhandlung-- angerufen hatte. Dabei ist nach dem Inhalt des von der Berichterstatterin angefertigten Gesprächsvermerks zwar zunächst kein direkter Kontakt zwischen ihr und P zustandegekommen; vielmehr hat sie lediglich auf den Anrufbeantworter des P gesprochen. Dort hat sie die Nachricht hinterlassen, der Kläger könne S als Zeugen zur mündlichen Verhandlung mitbringen. Darüber hinaus hat der Kläger vorgetragen, P habe am 14.10.2019 bei der Berichterstatterin zurückgerufen. In diesem Telefonat --über das in der FG-Akte kein Vermerk vorhanden ist-- habe die Berichterstatterin gefragt, ob angesichts des unmittelbar bevorstehenden Termins auf eine förmliche Ladung des S verzichtet werden könne. Es sei dann vereinbart worden, dass S als präsenter Zeuge zum Termin mitgebracht werde.
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Zumindest die vom FG ausgegangene Anregung, der Kläger könne S als präsenten Zeugen mitbringen, wird damit von P und von der Berichterstatterin des FG übereinstimmend dargestellt und somit vom beschließenden Senat zugrunde gelegt.
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(2) Darüber hinaus hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der Kläger den S zur mündlichen Verhandlung mitgebracht hat und S während der Verhandlung vor dem Sitzungssaal auf seinen Aufruf wartete.
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Nach dem Inhalt des Telefongesprächs vom 10.10.2019 --sowohl bei Zugrundelegung der Version des Aktenvermerks als auch der Version des Klägers-- war zu erwarten, dass S als präsenter Zeuge zur mündlichen Verhandlung gestellt würde. Das FA hat auf Anfrage des Senats erklärt, sein Terminsvertreter habe den Kläger auf dem Flur vor dem Verhandlungssaal zusammen mit einer jungen männlichen Person gesehen, ohne aber angeben zu können, ob es sich dabei um S gehandelt habe. Die drei berufsrichterlichen Mitglieder des beim FG entscheidenden Senats konnten hierzu keine eigenen Erkenntnisse mitteilen. Damit stehen die Erklärungen des FA und der Mitglieder des FG-Senats dem --vom Senat insoweit für höchst plausibel gehaltenen-- Sachverhaltsvortrag des Klägers zur Anwesenheit des S nicht entgegen.
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(3) Darüber hinaus legt der Senat seiner Entscheidung aber auch die vom Kläger vorgebrachte Behauptung zugrunde, er habe das FG an die Vernehmung des vor dem Sitzungssaal wartenden S erinnert. Da für den Senat feststeht, dass die Vernehmung des S schriftsätzlich beantragt war, die Berichterstatterin dem P eine Woche vor dem Termin wegen dieser Frage zumindest eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, und S während der mündlichen Verhandlung vor dem Sitzungssaal auf seinen Aufruf wartete, erschiene es dem Senat als ausgesprochen lebensfremd, wenn der Kläger, der um die Bedeutung einer Aussage des S wusste, das Gericht während der mündlichen Verhandlung nicht auf die Anwesenheit und das Erfordernis der Vernehmung des S hingewiesen hätte.
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Diese Sachverhaltsannahme des Senats wird durch die Antworten der Beteiligten und der seinerzeitigen Mitglieder des beim FG entscheidenden Spruchkörpers auf die entsprechende gerichtliche Anfrage nicht ausgeschlossen. Zwar hat sich der Terminsvertreter des FA an Hinweise oder Anträge des Klägers zur Vernehmung des S nicht erinnern können. Demgegenüber hat es der Vorsitzende des FG-Senats für "denkbar" gehalten, dass der Kläger zu Sitzungsbeginn auf die Anwesenheit des S im Zeugenbereich vor dem Sitzungssaal hingewiesen habe. Die Berichterstatterin hat erklärt, der Kläger habe im Verlauf der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass S mit ihm gekommen sei. Der Kläger habe allerdings nicht zu verstehen gegeben, dass er die Vernehmung des S wünsche. Im Gegensatz dazu konnte der berufsrichterliche Beisitzer sich ausdrücklich daran erinnern, dass der Kläger ein mögliches Zeugnis des S angesprochen habe.
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dd) Unabhängig davon ist der Senat nach Einholung der Erklärungen der Mitglieder des FG-Senats der Auffassung, dass eine Rügeobliegenheit des Klägers im vorliegenden Fall auch aus Rechtsgründen nicht bestanden hat.
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Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine ausdrückliche Rüge zur Vermeidung des Eintritts der in § 295 ZPO vorgesehenen Rechtsfolge jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn das FG in seinem Urteil begründet, weshalb es von der Beweiserhebung abgesehen hat. Grund hierfür ist, dass eine Rüge lediglich eine überflüssige Förmelei darstellen würde, wenn bereits aus dem Urteil selbst hervorgeht, dass dem FG die Existenz des angebotenen Beweismittels bewusst war (vgl. nur BFH-Beschlüsse vom 26.11.2008 - IX B 122/08, BFH/NV 2009, 600, m.w.N.; vom 29.06.2011 - X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715, Rz 10 ff., und vom 06.08.2018 - X B 22/18, BFH/NV 2018, 1237, Rz 24).
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Vorliegend hat der Vorsitzende des FG-Senats auf Anfrage mitgeteilt, der dortige Senat habe während einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung über die Frage beraten, ob S von Amts wegen zu vernehmen sei. Dies sei vom Senat verneint worden. Der Vorsitzende geht davon aus, dass er dem Kläger in diesem Zusammenhang verdeutlicht habe, der Senat erachte eine förmliche Beweiserhebung nicht für notwendig. Hierfür sei eine Erinnerung an die behauptete Anwesenheit des S vor dem Sitzungssaal mit Sicherheit nicht erforderlich gewesen.
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Wenn der Vorsitzende des FG dem Kläger aber während der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verdeutlicht hat, dass der Senat die Vernehmung des S nicht für erforderlich hält, dann durfte umgekehrt auch der Kläger --wie der Vorsitzende des FG selbst ausführt-- eine ausdrückliche Erinnerung/Rüge nicht für erforderlich halten. In einer solchen Situation stellt sich eine Rüge noch wesentlich eindeutiger als in den vom BFH bereits entschiedenen Fällen, in denen die Kenntnis des FG von dem Beweismittel erst aus den Urteilsgründen hervorgeht, als "überflüssige Förmelei" dar.
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2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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