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BFH 19.02.2020 - III R 66/18
BFH 19.02.2020 - III R 66/18 - (Kindergeld; Zuordnung der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG zum Festsetzungsverfahren)
Normen
§ 66 Abs 3 EStG 2009 vom 23.06.2017, § 218 Abs 1 AO, § 218 Abs 2 AO, § 40 Abs 1 Alt 1 FGO, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016, EStG VZ 2017
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 25. Oktober 2018, Az: 10 K 141/18, Urteil
Leitsatz
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1. Die durch das StUmgBG vom 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) eingeführte und für nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.07.2019 eingegangene Kindergeldanträge geltende Ausschlussfrist ist dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungsverfahren zuzuordnen .
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2. Die Familienkasse darf im Erhebungsverfahren die Auszahlung vorbehaltslos festgesetzten Kindergeldes nicht unter Berufung auf die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG beschränken.
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3. Setzt die Familienkasse das Kindergeld trotz Eingreifens der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG rückwirkend für einen längeren Zeitraum als die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, bestandskräftig fest, ist sie an diese Festsetzung auch im Erhebungsverfahren gebunden.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.10.2018 - 10 K 141/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist die Auszahlung von Kindergeld für den Zeitraum August 2015 bis September 2017.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragte am 20.04.2015 Kindergeld für seine im Februar 1997 geborene Tochter (L). Er gab an, dass L im Juli 2015 eine Ausbildung abschließen und ab September 2015 eine dreijährige Ausbildung zur Erzieherin beginnen werde.
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Mit Bescheid vom 03.06.2015 setzte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) ab März 2015 Kindergeld fest. Mit Bescheid vom 02.07.2015 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab August 2015 auf, da trotz Aufforderung nicht nachgewiesen worden sei, dass sich das Kind weiterhin in Ausbildung befinde.
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Mit Antrag vom 07.10.2017, der erst am 03.04.2018 bei der Familienkasse eingegangen war, begehrte der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum August 2015 bis August 2019. Mit Bescheid vom 09.04.2018 setzte die Familienkasse Kindergeld ab dem Monat August 2015 mit dem Zusatz "laufend" fest. Unter der Überschrift "Nachzahlung" beschränkte es die Nachzahlung auf den Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der gesetzlichen Änderung nach § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anträge, die nach dem 31.12.2017 eingehen, rückwirkend nur noch zu einer Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrags bei der Familienkasse führen.
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Mit Schreiben vom 16.04.2018, welches die Familienkasse als Einspruch wertete, begehrte der Kläger die vollständige Auszahlung des Kindergeldes, da er aufgrund einer Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Er legte Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass bei ihm eine depressive Störung oder Angststörung sowie ein Burnout-Syndrom vorlägen, nachdem er im April 2016 einen Nervenzusammenbruch erlitten habe.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Nach § 66 Abs. 3 EStG könnten Anträge, die nach dem 31.12.2017 eingingen, nur noch zur Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrags bei der Familienkasse führen. Folglich bestünde, da der Antrag erst am 03.04.2018 bei der Familienkasse eingegangen sei, ein Zahlungsanspruch erst ab Oktober 2017.
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Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage statt und änderte den Bescheid vom 09.04.2018 im Abrechnungsteil dahingehend ab, dass das für die Monate August 2015 bis September 2017 festgesetzte Kindergeld für L an den Kläger auszuzahlen ist.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es unterstützt die Auffassung der Familienkasse.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger das Kindergeld für die Monate August 2015 bis September 2017 auszuzahlen ist.
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1. Zu Recht hat das FG angenommen, dass sich der Kläger mit seiner Anfechtungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 Alternative 1 FGO gegen den Abrechnungsbescheid vom 09.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 wendet.
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Insoweit kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob es sich bereits bei dem unter der Überschrift "Nachzahlung" im Bescheid vom 09.04.2018 enthaltenen Abrechnungsteil um einen förmlichen Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) handelt (ablehnend etwa FG Münster vom 26.09.2019 - 8 K 2081/18 Kg, juris, Rz 28, unter Hinweis auf das Fehlen einer Streitigkeit, die die Verwirklichung der Ansprüche i.S. des § 218 Abs. 1 AO betrifft). Denn jedenfalls regelte die Familienkasse mit dieser Verfügung gegenüber dem Kläger den Zeitraum, für den nach ihrer Auffassung ein Auszahlungsanspruch bestand (ebenso FG Düsseldorf vom 10.04.2019 - 10 K 3589/18 Kg, juris, Rz 11). Durch den dagegen gerichteten Einspruch entstand auch eine Streitigkeit zwischen der Familienkasse und dem Kläger, über welche die Familienkasse durch die Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 entschied. Unerheblich ist dabei, dass die Familienkasse ihre Entscheidung nicht ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezeichnete (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 07.08.1990 - VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569, unter II.2.a). Denn aus der Begründung der Einspruchsentscheidung ergibt sich, dass die Familienkasse nicht über die Festsetzung, sondern über den Auszahlungsanspruch entschieden hat, wenn es dort heißt: "Mit Bescheid vom 09.04.2018 wurde das Kindergeld ab August 2015 festgesetzt, die Nachzahlung konnte aufgrund des § 66 Abs. 3 EStG in der Fassung vom 23.06.2017 lediglich ab Oktober 2017 erfolgen. Für davor liegende Zeiträume besteht kein Auszahlungsanspruch".
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2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme des FG, dass der Kläger einen Auszahlungsanspruch für die Monate August 2015 bis September 2017 hat und die Familienkasse die Auszahlung nicht unter Berufung auf § 66 Abs. 3 EStG begrenzen darf.
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a) Nach § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz --StUmgBG--) vom 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Neuregelung ist am 01.01.2018 in Kraft getreten (Art. 11 Abs. 2 StUmgBG) und gemäß § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG i.d.F. des Art. 7 Nr. 6 Buchst. c StUmgBG nur auf Anträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 eingehen.
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Die Regelung ist damit im Streitfall anwendbar, da der Antrag des Klägers nach den Feststellungen des FG erst am 03.04.2018 bei der Familienkasse eingegangen ist.
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b) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die Vorschrift das Festsetzungsverfahren und nicht das Erhebungsverfahren betrifft.
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aa) Insofern berufen sich die Familienkasse und das BMF zur Begründung ihrer Gegenauffassung zu Unrecht auf den Wortlaut der Vorschrift. Hierin wird zwar das Wort "gezahlt" verwendet, was darauf hindeuten könnte, dass die Vorschrift nur die Auszahlung des Kindergeldes regelt und damit dem Erhebungsverfahren zuzuordnen wäre. Dieser Begriff lässt jedoch keine klare Zuordnung zum Erhebungsverfahren zu, weil er vom Gesetzgeber sowohl innerhalb derselben Norm (§ 66 Abs. 2 EStG) als auch innerhalb der §§ 64 und 65 EStG in Regelungszusammenhängen verwendet wird, die eindeutig dem Festsetzungsverfahren zuzuordnen sind. Demgegenüber verwendet der Gesetzgeber üblicherweise die Begriffe "ausgezahlt" oder "Auszahlung", wenn er den dem Erhebungsverfahren zuzuordnenden Auszahlungsvorgang beschreiben will, so etwa in § 70 Abs. 1, § 72 Abs. 1 Satz 1, § 74 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4 EStG. Entsprechend hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (SozialMissbrG) vom 11.07.2019 (BGBl I 2019, 1066) die Formulierung in dem an die Stelle des § 66 Abs. 3 EStG getretenen neuen § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG dahingehend geändert, dass "Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld" rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats erfolgt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist (BTDrucks 19/8691, S. 67).
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bb) Für eine Zuordnung zum Festsetzungsverfahren spricht dagegen die systematische Verortung der Regelung in § 66 EStG. Die Vorschriften der §§ 62 bis 69 EStG befassen sich mit den materiellen Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs und Fragen der Festsetzung desselben. In den §§ 70 und 72 EStG erfolgt der Übergang vom Festsetzungs- in das Erhebungsverfahren, während die §§ 74 bis 76 EStG ausschließlich Fragen der Erhebung betreffen. Diese Sichtweise wird auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des SozialMissbrG die Auszahlungsbeschränkung von § 66 Abs. 3 EStG nach § 70 Abs. 1 EStG verschoben hat. Zur Begründung führte er u.a. an, dass die Regelung sich nunmehr in § 70 EStG "Festsetzung und Zahlung von Kindergeld" befinde und die Auszahlungsbeschränkung somit nicht mehr im Bereich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld (§§ 62 bis 66 EStG) enthalten sei (BTDrucks 19/8691, S. 67).
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cc) Auch die Entwurfsbegründung zum StUmgBG (BTDrucks 18/12127) vom 26.04.2017 bringt keinen eindeutigen Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck und spricht eher für eine materiell-rechtliche im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigende Wirkung der Ausschlussfrist.
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So wird zunächst ausgeführt, die Regelung solle verhindern, dass für einen mehrjährigen Zeitraum in der Vergangenheit rückwirkend Kindergeld ausgezahlt werden könne. Dies kann auch dahin verstanden werden, dass Kindergeld rückwirkend nur beschränkt festgesetzt und in der Folge auch nur beschränkt ausgezahlt werden soll. Gleiches gilt für den Hinweis, die Regelung bewirke, dass das Kindergeld über die zurückliegenden sechs Monate hinaus nicht mehr zur Auszahlung gelangen könne.
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In diese Richtung deuten auch die weiteren Ausführungen, wonach die Regelung abweichend von der regulären Festsetzungsfrist von vier Jahren gemäß § 169 AO vorsehe, dass Kindergeld rückwirkend nur noch sechs Monate ausgezahlt werden könne. Die Regelungen zur Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO) sind in dem mit "Steuerfestsetzung" überschriebenen 1. Unterabschnitt des Vierten Teils Dritter Abschnitt der Abgabenordnung enthalten. Der Ablauf der Festsetzungsfrist schließt nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung aus. Dementsprechend müsste eine in § 66 Abs. 3 EStG bestimmte Abweichung von dieser regulären Festsetzungsfrist ebenfalls im Festsetzungsverfahren Berücksichtigung finden.
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Auch soweit der Gesetzgeber darauf hinweist, dass der materiell-rechtliche Anspruch hierdurch nicht berührt werde, was insbesondere für an das Kindergeld anknüpfende Annexleistungen im außersteuerlichen Bereich von Bedeutung sei, ergibt sich daraus keine Zuordnung der Norm zum Erhebungsverfahren. Denn diese Formulierung kann auch dahin verstanden werden, dass die Annexleistungen nicht an die rechtzeitige Beantragung und Festsetzung des Kindergeldes, sondern nur an die sonstigen materiellen Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs anknüpfen und deshalb auch für die Zeiträume bestehen bleiben sollen, für die wegen des Eingreifens der Ausschlussfrist kein Kindergeld festgesetzt wird.
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Zu Recht weist das BMF zwar darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht der Festsetzungsentscheidung der Familienkasse für die kinderbezogenen Bestandteile der Besoldung Tatbestandswirkung beimisst (Urteil vom 26.08.1993 - 2 C 16/92, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1995, 170) und dies auch für den Fall gilt, dass der ablehnende Bescheid auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht gestützt ist und der Betroffene hiergegen keinen Einspruch eingelegt hat (Urteil vom 18.06.2013 - 2 B 12/13, Zeitschrift für Beamtenrecht 2013, 352). Anders als das BMF meint, lässt sich diese Rechtsprechung aber nicht ohne weiteres auf den Fall übertragen, dass der Kindergeldberechtigte das Kindergeld nicht beantragt hat. Insoweit wird vielmehr die Auffassung vertreten, dass der Familienzuschlag unabhängig vom Kindergeldantrag zu bewilligen ist (Möller in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Art. 36 BayBesG Rz 69 unter Verweis auf die entsprechenden Ausführungsbestimmungen zum bayerischen Besoldungsrecht). Entsprechendes sehen auch die Ausführungsbestimmungen zu § 40 des Bundesbesoldungsgesetzes vor (Gemeinsames Ministerialblatt 2017, 430). Dort heißt es in Rz 40.2.2: "Ungeachtet Randnummer 40.2.1 ist der kinderbezogene Anteil im Familienzuschlag auch dann zu gewähren, wenn der Besoldungsempfänger ein zustehendes Kindergeld nicht beantragt oder hierauf ausdrücklich verzichtet, da es lediglich auf den materiell rechtlichen Anspruch ankommt."
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dd) Für die Auffassung der Familienkasse und des BMF lässt sich auch nicht die erst in der nachfolgenden Legislaturperiode abgegebene Begründung zum Entwurf des SozialMissbrG (BTDrucks 19/8691, S. 65 vom 25.03.2019) anführen. Zum einen hat der BFH in dem vom BMF zitierten Urteil vom 11.06.2019 - X R 7/18 (BFHE 265, 175, BStBl II 2019, 583, Rz 15) zwar ausgeführt, dass der Äußerung eines --späteren-- Gesetzgebers mitunter eine gewisse Indizwirkung für die in früheren Jahren geltende Rechtslage beigemessen werden mag. Diese Aussage wurde zugleich aber dadurch eingeschränkt, dass durch die Auslegung der im Streitjahr geltenden gesetzlichen Regelungen zu ermitteln sei, welcher Regelungsgehalt der Norm beizumessen sei. Zum anderen wird die Aussage, dass § 66 Abs. 3 EStG nicht das Festsetzungsverfahren betreffe, sondern im Erhebungsverfahren anzuwenden sein sollte, durch die Gesetzesänderung widerlegt. Denn dadurch hat der Gesetzgeber selbst bestätigt, dass ein derartiger gesetzgeberischer Wille aufgrund des bisherigen Wortlauts und des systematischen Standorts der Vorschrift im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hat. Diese inhaltlichen Änderungen des Gesetzes können auch nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil die Begründung des Gesetzentwurfs die Gesetzesänderung in den Mantel einer Klarstellung gekleidet hat.
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ee) Eine Zuordnung des § 66 Abs. 3 EStG zum Festsetzungsverfahren widerspricht auch nicht dem vom BMF dargelegten Sinn und Zweck der Norm. Denn die Norm kann ihre Wirkung, den Anspruchsteller zu einer zeitnahen Stellung seines Kindergeldantrags zu bewegen und der Familienkasse dadurch die notwendige Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen, auch dann entfalten, wenn bei verspäteter Antragstellung bereits die Festsetzung über den Sechsmonatszeitraum hinaus abgelehnt wird. Damit entfällt auch die darüber hinausgehende Auszahlung des Kindergeldes an den Kindergeldberechtigten.
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ff) Überdies steht dieses Verständnis der Bestimmung auch im Einklang mit der Auslegung des wortgleichen § 66 Abs. 3 EStG in der im Zeitraum 1996 bis 1997 geltenden Fassung durch den BFH. Seinerzeit war die Vorschrift schon einmal durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250) eingeführt, wenig später jedoch durch das Erste Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.12.1997 (BGBl I 1997, 2970) wieder abgeschafft worden. Insoweit wurde im Urteil vom 24.10.2000 - VI R 65/99 (BFHE 193, 361, BStBl II 2001, 109, unter 1.) ausgeführt, dass der "Kindergeldanspruch" des Klägers "durch § 66 Abs. 3 ausgeschlossen" ist. Hieraus ergibt sich, dass der BFH § 66 Abs. 3 EStG bereits hinsichtlich der Frage berücksichtigte, ob ein Kindergeldanspruch festzusetzen ist. Zudem verwies der BFH auf die nach § 163 AO bestehende Möglichkeit einer abweichenden Festsetzung der Steuervergütung aus Billigkeitsgründen, was ebenfalls darauf schließen lässt, dass bereits die reguläre Festsetzung und nicht erst die Auszahlung durch § 66 Abs. 3 EStG als ausgeschlossen erachtet wurde. Soweit die Familienkasse geltend macht, aus der Begründung zum Entwurf des StUmgBG ergebe sich, dass der Gesetzgeber an dieser Auslegung nicht habe festhalten wollen, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass in der Begründung des Gesetzentwurfs eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung erfolgte. Zum anderen wäre kaum erklärlich, warum der Gesetzgeber dann ein abweichendes Verständnis im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck gebracht, sondern eine wortlautidentische Regelung gewählt haben sollte.
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gg) Schließlich spricht sich auch die überwiegende Meinung im Fachschrifttum für eine materiell-rechtliche, im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigende Wirkung des § 66 Abs. 3 EStG aus (Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 66 Rz 18; Hildesheim in Bordewin/Brandt, § 66 EStG Rz 41; Avvento in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 66 Rz 7; Blümich/Selder, § 66 EStG Rz 36; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 66 EStG Rz 20; a.A. Bauhaus in Korn, § 66 EStG Rz 13; offengelassen in Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 38. Aufl., § 66 Rz 6).
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c) Weiter ist auch die Annahme des FG nicht zu beanstanden, dass die durch die Familienkasse entgegen § 66 Abs. 3 EStG vorgenommene rückwirkende Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum August 2015 bis September 2017 konstitutiv wirkt und infolge der eingetretenen Bestandskraft auch die Familienkasse bindet.
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aa) Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es im Abrechnungsverfahren allein auf die formelle Bescheidlage an (BFH-Urteil vom 30.03.2010 - VII R 17/09, BFH/NV 2010, 1412, Rz 7; Senatsurteil vom 15.07.2010 - III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, Rz 14 f.). Danach bestand im Streitfall ein Kindergeldanspruch auch für den Zeitraum August 2015 bis September 2017, da die Familienkasse mit Bescheid vom 09.04.2018 Kindergeld ab dem Monat August 2015 mit dem unter der Rubrik Befristung eingetragenen Zusatz "laufend" festgesetzt hat.
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bb) Diese Festsetzung bewirkte auch kein verwirkungsähnliches Durchsetzungshindernis, mit der Folge, dass der Auszahlungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden durfte. Denn um der Festsetzung ihren konstitutiven Charakter zu nehmen, hätte bereits diese in einer für den Erklärungsempfänger erkennbaren Weise dahingehend eingeschränkt werden müssen, dass ihr nur deklaratorische Funktion --insbesondere zur Wahrung von kindergeldabhängigen Annexansprüchen-- zukommt. Dies ist jedoch nicht geschehen; vielmehr erfolgte eine entsprechende Einschränkung erst im Abrechnungsteil des Bescheides. Diese mit keinerlei Einschränkung versehene Festsetzung begründete daher auch für die Monate August 2015 bis September 2017 einen Kindergeldanspruch.
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Da keine Auszahlungshindernisse vorlagen, hat das FG dementsprechend den Abrechnungsbescheid zu Recht an diese Festsetzung angepasst.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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