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BFH 28.06.2019 - X B 76/18
BFH 28.06.2019 - X B 76/18 - Fehlende Begründungstiefe einer Schätzung kein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 162 Abs 2 AO
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 13. Dezember 2017, Az: 3 K 608/17, Urteil
vorgehend BFH, 20. März 2017, Az: X R 11/16, Urteil
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 20. Mai 2015, Az: 3 K 553/14, Urteil
Leitsatz
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NV: Auch die griffweise Schätzung in Form eines (Un-)Sicherheitszuschlags muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Die hierfür erforderliche Begründung muss jedenfalls eine Plausibilitätsprüfung beinhalten. In diesem Fall führt die fehlende Begründungstiefe nicht zu einer offenkundig objektiv willkürlichen Schätzung .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 13.12.2017 - 3 K 608/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb im Streitjahr 2004 --organisatorisch getrennt-- mehrere Erotikmärkte unter einer einheitlichen Firmierung.
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Im Rahmen einer nach der Veräußerung des Marktes in X durchgeführten steuerlichen Außenprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu der Ansicht, dass zum einen --zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig-- der Erlös aus dieser Veräußerung als laufender Gewinn zu erfassen sei und zum anderen in Bezug auf die Umsätze des Bereichs mit Videokabinen und Erotikkino (Video/Kino) eine Hinzuschätzung in Form eines Unsicherheitszuschlags von 10 % des hieraus erklärten Umsatzes von 144.054 € vorzunehmen sei, da die Kassenbuchführung formell und materiell nicht ordnungsgemäß sei. Insoweit sah das FA die Kassensturzfähigkeit als nicht gegeben an und erhöhte den laufenden Gewinn dieses Marktes von (zuletzt) 38.054,16 €, der auch den nicht vom Streit betroffenen Shop-Bereich beinhaltete, um 14.000 €.
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Einspruch und Klageverfahren blieben erfolglos. Hinsichtlich der Zuschätzung, so das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang, sei die Rechtsprechung zu den Mängeln in der Kassenbuchführung anwendbar, da der bargeldintensive Bereich betroffen sei. Die Höhe der Schätzung sei unbedenklich. Der Sicherheitszuschlag sei gerechtfertigt, weil die Buchführung zu verwerfen sei. Ein Zuschlag in Höhe von 10 % sei nach der Schwere der Mängel und des Anteils der davon betroffenen Umsätze am Gesamtumsatz zutreffend und nicht zu beanstanden.
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Im Senatsurteil vom 20. März 2017 - X R 11/16 (BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992) ging der Senat zwar ebenfalls davon aus, dass eine Hinzuschätzung im Bereich Video/Kino geboten sei. Mangels ausreichender Begründungstiefe in Bezug auf den Unsicherheitszuschlag hob der Senat jedoch das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
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Mit dem angefochtenen Urteil, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1153 veröffentlicht wurde, wies das FG die Klage erneut als unbegründet ab.
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Der Kläger sieht die Begründung der Hinzuschätzung durch das FG weiterhin als nicht ausreichend an und begehrt die Zulassung der Revision wegen eines schwerwiegenden Rechtsfehlers.
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Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen eines (qualifizierten) Rechtsfehlers zuzulassen.
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a) Soweit der Kläger im Rahmen seiner Beschwerdebegründung als Zulassungsgrund § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nennt und darlegt, das FG-Urteil leide seiner Ansicht nach an einem offensichtlichen Rechtsfehler, begehrt er --unabhängig davon, ob insoweit den Darlegungsanforderungen aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO Genüge getan worden ist-- die Zulassung der Revision wegen eines qualifizierten Rechtsfehlers.
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b) Die Revision ist wegen eines qualifizierten Rechtsfehlers zuzulassen, wenn die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden kann; die Entscheidung muss objektiv willkürlich erscheinen oder greifbar gesetzwidrig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 1. März 2019 - X B 45/18, BFH/NV 2019, 545, Rz 33, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
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aa) Greifbare Gesetzwidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht. Eine Entscheidung ist dann (objektiv) willkürlich, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Von Willkür kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt. Unterhalb dieser Schwelle liegende (auch erhebliche) Rechtsfehler reichen dagegen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit bzw. eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen. Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 3. August 2017 - IX B 54/17, BFH/NV 2017, 1449, Rz 4).
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bb) Macht der Kläger einen offensichtlichen Rechtsfehler in Bezug auf die Höhe einer Schätzung geltend, kann objektive Willkür allenfalls in den Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Senatsbeschluss vom 21. Juli 2017 - X B 167/16, BFH/NV 2017, 1447, Rz 17, m.w.N.).
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cc) Angewandt auf den zu beurteilenden Fall ist ein solch offensichtlicher Rechtsfehler nicht zu erkennen. Denn anders als im Senatsurteil in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992 gibt das FG eine Begründung, die erkennen lässt, warum es eine Hinzuschätzung in Höhe von 10 % der erklärten Umsätze im Bereich Video/Kino für angemessen, schlüssig und plausibel hält. Unabhängig von der Frage, ob diese Begründung einer weiteren Vertiefung bedurft hätte, ist sie jedenfalls nicht offensichtlich realitätsfremd. Eine Zuschätzung von 50 € pro Tag erscheint denkbar und möglich. Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch eine (Rudimentär-)Begründung einer Schätzung, der es an der erforderlichen Tiefe fehlt, noch nicht zu einer offenkundig willkürlichen Schätzung führt. Vielmehr läge in einem solchen Fall lediglich ein "schlichter" Rechtsanwendungsfehler vor, der nicht zur Revisionszulassung berechtigt (vgl. insoweit schon Ebner, AO-Steuerberater 2017, 319 (323), m.w.N.).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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