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BFH 23.08.2017 - X R 38/15
BFH 23.08.2017 - X R 38/15 - (Keine Begünstigung von Sanierungsgewinnen vor Inkrafttreten des § 3a EStG)
Normen
§ 163 AO, § 3a EStG 2009 vom 27.06.2017, § 52 Abs 4a S 1 EStG 2009 vom 27.06.2017, EStG VZ 2006, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 15. Juli 2015, Az: 6 K 1145/12, Urteil
Leitsatz
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Wenn ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden ist, dass die Schulden vor dem 9. Februar 2017 erlassen worden sind, kommt weder eine Einkommensteuerbefreiung dieses Sanierungsgewinns nach § 3a EStG n.F. noch eine Billigkeitsmaßnahme nach den BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) oder vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) in Betracht .
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 15. Juli 2015 6 K 1145/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese Einkünfte setzten sich aus einem laufenden Verlust sowie einem außerordentlichen Ertrag aus einem Forderungsverzicht einer der Gläubigerbanken des Klägers in Höhe von 133.849,36 € zusammen.
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Der Kläger beantragte unter Berufung auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) den Erlass der für 2006 festgesetzten Einkommensteuer und der steuerlichen Nebenleistungen aus sachlichen Billigkeitsgründen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Erlassantrag mit der Begründung ab, weder habe die Gläubigerbank in Sanierungsabsicht gehandelt noch sei die Sanierungseignung des Forderungsverzichts gegeben.
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Nach Zurückweisung des Einspruchs blieb auch die Klage ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, das BMF-Schreiben, auf das der Kläger sein Erlassbegehren stütze, habe keine Rechtsgrundlage. Der Kläger habe auch keinen besonderen Härtefall vorgetragen, sondern sich lediglich auf die Grundsätze des BMF-Schreibens berufen. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittenen Fragen der Sanierungsabsicht und Sanierungseignung komme es daher nicht an.
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Mit seiner Revision hat der Kläger sich zunächst auf den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats vom 25. März 2015 X R 23/13 (BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696) berufen und sich dessen Inhalt zu eigen gemacht.
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Nachdem der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zwischenzeitlich entschieden hat, dass das genannte BMF-Schreiben gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt (Beschluss vom 28. November 2016 GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393), hat der Kläger ergänzend vorgetragen, der Große Senat habe ausdrücklich zugelassen, eine Billigkeitsmaßnahme in Fällen des sanierungsbedingten Forderungsverzichts auf besondere, außerhalb des BMF-Schreibens liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche Billigkeitsgründe, zu stützen. Der Kläger habe seinen Erlassantrag nie auf den "Sanierungsgewinn" eingeschränkt.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Es hat ursprünglich vorgetragen, die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils spiegelten zwar nicht die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung wider; das Ergebnis der Entscheidung sei aber zutreffend. Nach Bekanntwerden des Beschlusses des Großen Senats des BFH hat das FA daran festgehalten, dass der Tenor der vorinstanzlichen Entscheidung als zutreffend anzusehen und diese daher zu bestätigen sei. Die Prüfung von Billigkeitsmaßnahmen aus besonderen Gründen des Einzelfalls könne nicht im anhängigen gerichtlichen Verfahren vorgenommen werden, sondern sei einem neuen Verwaltungsverfahren vorbehalten. Der Kläger könne sein Erlassbegehren im gerichtlichen Verfahren nicht mehr durch neue Billigkeitsgründe erweitern. Er habe persönliche Billigkeitsgründe niemals dargelegt.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
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1. Der Kläger hat sich zur Begründung seines Antrags auf Vornahme einer Billigkeitsmaßnahme ursprünglich auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 berufen.
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Der Große Senat des BFH hat allerdings entschieden, dass das genannte BMF-Schreiben gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und daher von den Gerichten nicht angewendet werden darf (Beschluss in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393). Diese Entscheidung bindet auch den erkennenden Senat.
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2. Der Kläger kann eine Billigkeitsmaßnahme auch nicht aufgrund von anderen, einzelfallbezogenen Gründen beanspruchen.
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Der Große Senat des BFH hat zwar ausgesprochen, dass Billigkeitsmaßnahmen auch in Sanierungsfällen auf besondere, außerhalb des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240 liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche Billigkeitsgründe gestützt werden können (Beschluss in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, Rz 145).
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Vorliegend hat aber bereits das FG --in der Sache zutreffend-- festgestellt, dass der Kläger über den Verweis auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 hinaus weder einen besonderen Härtefall noch persönliche Billigkeitsgründe vorgetragen hatte. Auch im Revisionsverfahren --in dem neue Tatsachen wegen der Bindung an die Tatsachenfeststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ohnehin nicht mehr vorgetragen werden können-- hat der Kläger sich nicht auf konkrete Billigkeitsgründe des Einzelfalls berufen.
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3. § 3a des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27. Juni 2017 --EStG n.F.-- (BGBl I 2017, 2074) ist vorliegend nicht anwendbar.
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Diese Vorschrift enthält eine Steuerbefreiung für bestimmte Betriebsvermögensmehrungen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung. Sie betrifft indes bereits das Steuerfestsetzungsverfahren, nicht erst das --im vorliegenden Revisionsverfahren allein streitgegenständliche und verfahrensrechtlich getrennt zu behandelnde-- Billigkeitsverfahren.
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Im Streitfall kann § 3a EStG n.F. darüber hinaus schon deshalb nicht angewendet werden, weil diese Vorschrift erstmals in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8. Februar 2017 erlassen wurden (§ 52 Abs. 4a Satz 1 EStG n.F.). Vorliegend ist der Schuldenerlass aber bereits im Jahr 2006 ausgesprochen worden.
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4. Da die neue Steuerbefreiung des § 3a EStG n.F. keine Rückwirkung auf Altfälle hat, sieht die Finanzverwaltung vor, das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 in Fällen, in denen der Forderungsverzicht bis zum 8. Februar 2017 endgültig vollzogen wurde, "weiterhin uneingeschränkt anzuwenden" (BMF-Schreiben vom 27. April 2017, BStBl I 2017, 741).
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Für dieses BMF-Schreiben fehlt es indes an einer Rechtsgrundlage. Wenn der ursprüngliche Sanierungserlass der Finanzverwaltung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, gilt dasselbe auch für das nunmehrige BMF-Schreiben in BStBl I 2017, 741, wonach der Sanierungserlass für die Vergangenheit weiterhin uneingeschränkt anzuwenden sein soll. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens darf dieses BMF-Schreiben daher nicht beachtet werden. Eine Übergangsregelung für Altfälle hätte nur durch den Gesetzgeber getroffen werden können; dies ist aber nicht geschehen.
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5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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