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BFH 20.10.2016 - V R 54/14
BFH 20.10.2016 - V R 54/14 - Umsatzsteuer: Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung; Voraussetzungen der Rechnungsberichtigung
Normen
§ 14 UStG 2005, § 14a UStG 2005, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 31 Abs 5 UStDV 2005, Art 18 Abs 1 Buchst a EWGRL 388/77, Art 22 Abs 3 EWGRL 388/77, § 14 UStG 1999, § 14a UStG 1999, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 1999, § 31 Abs 5 UStDV 1999, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 9. Oktober 2014, Az: 5 K 5092/14, Urteil
Leitsatz
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NV: Die Berichtigung der Angaben zu Name und Anschrift des Leistungsempfängers nach § 31 Abs. 5 UStDV wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurück (Änderung der Rechtsprechung; wie Senatsurteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15).
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2014 5 K 5092/14 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 3. April 2012 aufgehoben.
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Die Umsatzsteuer 2003 wird unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids des Beklagten vom 26. Januar 2011 auf ./. ... € festgesetzt.
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Die Umsatzsteuer 2004 wird unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids des Beklagten vom 26. Januar 2011 auf ./. ... € festgesetzt.
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Die Umsatzsteuer 2005 wird unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids des Beklagten vom 26. Januar 2011 auf ./. ... € festgesetzt.
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Die Umsatzsteuer 2006 wird unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids des Beklagten vom 26. Januar 2011 auf ./. ... € festgesetzt.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens/des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Die in Polen ansässige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft polnischen Rechts. Sie führt den Rechtsformzusatz "Sp.zo.o" und unterhält in der Bundesrepublik Deutschland eine Betriebsstätte. Aufgrund einer dort durchgeführten Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) 2010 geänderte Bescheide zur Umsatzsteuer für die Streitjahre 2003 bis 2006. Dabei kürzte es die Vorsteuer aus diversen Eingangsrechnungen, da diese Rechnungen seiner Auffassung nach nicht hinreichend klar die Klägerin als Leistungsempfängerin erkennen ließen, sondern die Gefahr der Verwechslung mit einer Schwestergesellschaft bestand.
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Die Rechnungen waren an "F" oder "F GmbH" und jeweils die Postanschrift der deutschen Betriebsstätte adressiert. Unter dieser Anschrift war auch eine Schwestergesellschaft der Klägerin, die "F-B und K GmbH" ansässig.
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Gegen die geänderten Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein und übersandte während des Einspruchsverfahrens für die beanstandeten Rechnungen der Streitjahre berichtigte Rechnungen aus den Jahren 2008 und 2009. Das FA half dem Einspruch aus nicht mehr strittigen Gründen teilweise ab und wies ihn im Übrigen zurück. Die daraufhin erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 600 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
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Der Senat hat am 25. August 2015 das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in dem Verfahren des Niedersächsischen FG 5 K 40/14 (EuGH-Urteil Senatex GmbH vom 15. September 2016 C-518/14, EU:C:2016:691, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 2211) beschlossen. Nach Erlass der Entscheidung des EuGH hat er den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Die Klägerin sieht sich durch die Entscheidung des EuGH in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Einspruchsentscheidung und das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2003 um ... €, für 2004 um ... €, für 2005 um ... € und für 2006 um ... € herabzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Das FA hat sich zu der Entscheidung des EuGH nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem FG-Urteil kann die Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug im Streitfall zumindest wegen der Rechnungsberichtigung bereits für die Jahre 2003 bis 2006 ausüben. Wird eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) berichtigt, wirkt die Berichtigung auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
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1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG a.F.) in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG a.F. gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
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Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.
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Unionsrechtliche Grundlage für das Rechnungserfordernis sind Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), im Streitjahr 2003 in der Fassung der Richtlinie 2002/93/EG des Rates vom 3. Dezember 2002 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG, in den Streitjahren 2004 bis 2006 in der Fassung der Richtlinie 2003/92/EG des Rates vom 7. Oktober 2003 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG. Nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, für den Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen eine gemäß Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ausgestellte Rechnung besitzen. In Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist geregelt, welche Angaben eine solche Rechnung unbeschadet der in der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Sonderbestimmungen mindestens enthalten muss.
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2. Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG (für das Streitjahr 2003 des § 14 UStG a.F.) nicht entspricht, und wird diese Rechnung später nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aufgrund der berichtigten Rechnung entsprechend den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. EuGH-Urteil Senatex GmbH, EU:C:2016:691, DStR 2016, 2211) für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15 (BFHE 255, 348, unter II.3.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer entsprechend dem Antrag der Klägerin festzusetzen. Die Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug liegen unstreitig vor. Dieses Recht kann die Klägerin jedenfalls aufgrund der Rechnungsberichtigung auch für die Streitjahre ausüben.
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a) Die in den Streitjahren ausgestellten Rechnungen waren nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigungsfähig. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit berichtigungsfähig, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (Senatsbeschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 33). Hierfür reicht es aus, dass sie diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen. So verhält es sich im Streitfall, da nach der Adressierung der ursprünglich erteilten Rechnungen trotz einer möglichen Verwechslungsgefahr zumindest nur ein beschränkter Kreis verbundener Unternehmen als Leistungsempfänger in Betracht kam.
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b) Die Rechnungen sind berichtigt worden. Die berichtigten Rechnungen entsprachen hinsichtlich der Angaben zu Name und Anschrift des Leistungsempfängers unstreitig den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 14, 14a UStG und ermöglichen daher, das Recht auf Vorsteuerabzug schon für die Streitjahre auszuüben.
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c) Die Rechnungen wurden noch während des Einspruchsverfahrens und damit auch rechtzeitig berichtigt (vgl. zu den zeitlichen Grenzen der Berichtigung Senatsurteil in BFHE 255, 348, unter II.4.c). Dass im Streitjahr 2003 im nationalen Recht keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Berichtigung bestand, ist im Hinblick auf das EuGH-Urteil Senatex GmbH (EU:C:2016:691, DStR 2016, 2211) unerheblich.
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d) Der Senat kann nach alledem offen lassen, ob schon die ursprünglichen Rechnungen den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Er muss daher nicht entscheiden, ob aus dem Verzicht auf einen Rechtsformzusatz oder der Verwendung des falschen Rechtsformzusatzes "GmbH" statt "Sp.zo.o" folgt, dass die Angaben zum Leistungsempfänger unzutreffend sind. Das gleiche gilt für die Frage, wie es sich im Streitfall auswirkt, dass zudem unter der Postanschrift der Klägerin eine Schwestergesellschaft mit einem ähnlichen Namen ansässig ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob entsprechend den Grundsätzen des EuGH-Urteils Barlis 06 vom 15. September 2016 C-516/14 (EU:C:2016:690, DStR 2016, 2216, Rz 35) das Vorsteuerabzugsrecht auch ohne förmliche Berichtigung möglicherweise nicht ordnungsgemäßer Rechnungen ausgeübt werden konnte.
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4. Die Änderung der Steuerbescheide führt zur Änderung der Zinsbescheide. Der Senat muss im Streitfall nicht entscheiden, ob die Rechnungsberichtigung ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 233a Abs. 2a, Abs. 7 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung sein kann. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil in BFHE 255, 348, unter II.5.
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5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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