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BFH 07.06.2016 - I B 159/15
BFH 07.06.2016 - I B 159/15 - Ausschluss früherer Beamter vom Richteramt
Normen
§ 51 Abs 1 S 1 FGO, § 41 Nr 4 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 18. Juni 2015, Az: 3 K 2075/12, Urteil
nachgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 13. Dezember 2017, Az: 8 K 8174/14, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine (Finanz-)Beamtin, die Vertreterin einer Behörde war (hier: eine vormalige Sachgebietsleiterin des FA) und nunmehr Richterin wird, ist von der Mitwirkung an allen Sachen ausgeschlossen, die bereits vor ihrer Übernahme in das Richterverhältnis anhängig waren und somit von ihr hätten vertreten werden können .
Tenor
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Auf die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 18. Juni 2015 3 K 2075/12 aufgehoben.
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Die Sache wird an einen anderen Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) --ein Schweizer Staatsbürger-- in den Streitjahren (2004 bis 2006) unbeschränkt steuerpflichtig war und seine in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abkommensrechtlich im Inland besteuert werden dürfen und ob die aus einer Steuerfahndungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse den Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) berechtigt haben, frühere Steuerbescheide, in denen der Kläger als beschränkt steuerpflichtig veranlagt wurde, aufzuheben und Bescheide zu erlassen, durch die die Steuer auf der Grundlage einer unbeschränkten Steuerpflicht des Klägers neu festgesetzt worden ist.
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Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es hat die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht des Klägers und der abkommensrechtlichen Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus zwar bejaht. Eine Änderungsbefugnis des FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung hat das FG jedoch mit der Begründung abgelehnt, das FA habe im Rahmen der ursprünglichen Veranlagung seine Ermittlungspflicht verletzt, während dem Kläger keine Verletzung von Mitwirkungspflichten vorzuwerfen sei.
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Das FA beantragt mit seiner Beschwerde, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen und macht u.a. geltend, die an dem FG-Urteil mitwirkende Richterin am Finanzgericht R sei im Streitfall von Gesetzes wegen von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen.
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Der Kläger hat zur Nichtzulassungsbeschwerde nicht Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt gemäß § 116 Abs. 6 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
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1. Das FG-Urteil kann keinen Bestand haben, weil die daran mitwirkende Richterin am Finanzgericht R für den Streitfall von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist.
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a) Nach der gemäß § 51 Abs. 1 FGO im Finanzgerichtsprozess sinngemäß anwendbaren Bestimmung des § 41 Nr. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist ein Richter u.a. von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist. Durch den Ausschluss soll die Mitwirkung einer Gerichtsperson verhindert werden, für die auch nur die abstrakte Möglichkeit bestand, den Streitpunkt bereits aus der Sicht eines Beteiligtenvertreters zu sehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 II R 65/89, BFHE 161, 8, BStBl II 1990, 787). Da für den Tatbestand des § 41 Nr. 4 ZPO ein tatsächliches Auftreten als Vertreter nicht erforderlich ist (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 51 FGO Rz 9), ist ein (Finanz-)Beamter, der kraft Gesetzes oder aufgrund erteilten generellen oder einzelnen Auftrages Vertreter einer Behörde war und nunmehr Richter wird, von der Mitwirkung an allen Sachen ausgeschlossen, die bereits vor seiner Übernahme in das Richterverhältnis anhängig waren und somit von ihm hätten vertreten werden können (Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 51 FGO Rz 24; Schoenfeld in Beermann/Gosch, FGO § 51 Rz 27; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 51 Rz 11; s. auch BFH-Urteil in BFHE 161, 8, BStBl II 1990, 787 zum Ausschluss eines ehemaligen Finanzamtsvorstehers).
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b) In Bezug auf R liegt eine solche Konstellation vor. Denn diese war ausweislich der Angaben des FA und des von diesem vorgelegten Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2012, in welchem die Sache beim FG anhängig geworden ist, selbst Sachgebietsleiterin und Stellvertreterin desjenigen Sachgebietsleiters, der die Rechtsbehelfsstelle geleitet hat, in welcher die Streitsache bearbeitet worden war; sie war außerdem aufgrund einer Generalvollmacht des Vorstehers des FA vom 22. August 2012 ermächtigt worden, das FA in allen stattfindenden Terminen beim FG zu vertreten und alle Erklärungen für und gegen das FA abzugeben. Darauf, ob R in ihrer Zeit als Vertreterin des FA tatsächlich mit der Streitsache befasst war, kommt es nicht an.
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2. Da die Ausschließung unverzichtbar und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist, steht der Aufhebung und Zurückverweisung nicht entgegen, dass das FA diese nicht bereits in erster Instanz gegenüber dem FG gerügt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Mai 2011 X B 191/10, BFH/NV 2011, 1385).
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3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dieser wird gegebenenfalls Gelegenheit haben zu prüfen, ob es zutreffen kann, dass der Kläger, obwohl er nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils gegenüber dem FA über Jahre hin verschwiegen hat, dass er sein im Inland gelegenes Einfamilienhaus zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Tochter als (einzige) Familienwohnung selbst bewohnt hat, seine steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht verletzt haben soll.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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