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BFH 09.03.2016 - X R 10/13
BFH 09.03.2016 - X R 10/13 - (Korrektur aufgrund der neuen Erkenntnisse aus einem Benennungsverlangen - Änderung wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen - § 160 AO ist keine Schätzungsnorm)
Normen
§ 88 Abs 1 S 1 AO, § 143 AO, § 160 Abs 1 S 1 AO, § 162 Abs 2 S 2 AO, § 173 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 96 Abs 1 S 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Januar 2013, Az: 4 K 214/11, Urteil
nachgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 14. März 2018, Az: 4 K 267/16, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Weder ein Benennungsverlangen i.S. des § 160 AO noch die (fehlende) Antwort hierauf begründet die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.
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2. NV: Nur wenn aufgrund des Benennungsverlangens nachträglich neue Tatsachen i.S. von § 173 AO bekannt werden, ist die Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift möglich.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16. Januar 2013 4 K 214/11, soweit es die Einkommensteuerfestsetzung 2006 bis 2008 sowie die Gewerbesteuermessbeträge 2006 und 2007 betrifft, aufgehoben.
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Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine verstorbene Ehefrau E wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte aus dem An- und Verkauf von Schrott und Altmetall. Er zeichnete sowohl seine Einnahmen wie auch seine Ausgaben in Umsatzsteuerheften auf. Etwa 80 % der Wareneinkaufskosten entfielen auf Ankäufe über jeweils mehr als 10.000 €.
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Die Einkünfte des Klägers wurden ausgehend von diesen Umsatzsteuerheften an Amtsstelle ermittelt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ anschließend für die jeweiligen Streitjahre Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, die nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen.
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Im Rahmen der für die Streitjahre und das Jahr 2009 durchgeführten Außenprüfung verlangte der Prüfer die Benennung der Zahlungsempfänger, bei denen der Kläger Schrott eingekauft habe. Diesem Benennungsverlangen kam der Kläger nicht nach. Der Prüfer schätzte deshalb 75 % dieses Wareneinkaufs als von steuerpflichtigen Unternehmen bezogen. Die auf diesen Teil entfallenden Kosten des Wareneinkaufs ließ er nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.
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Die entsprechenden Änderungsbescheide beruhten für das Jahr 2009 auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und für die Streitjahre 2006 bis 2008 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Für das Jahr 2008 erging erstmalig ein Gewerbesteuermessbescheid. Die Einsprüche hiergegen blieben erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als begründet angesehen. Tatsache i.S. des § 173 AO sei der Umstand, dass der Kläger dem Benennungsverlangen des FA nicht nachgekommen sei. Die Benennung sei allerdings erst nach Eintritt der Bestandskraft dieser Bescheide verweigert worden und somit keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache.
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Mit der Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend.
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Auch eine bestandskräftige Steuerfestsetzung sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bei nachträglichen Zweifeln an der Identität der Zahlungsempfänger und der Erkenntnis über unzureichende Belege änderbar. Sowohl die später eingetretenen Zweifel wie das Wissen über die Beleglage seien die insoweit relevanten neuen Tatsachen.
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In jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens sei das FA deshalb berechtigt, einen Steuerpflichtigen gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO zur Ergänzung seiner Abrechnungspapiere aufzufordern, um den Empfänger bestimmter Ausgaben genau zu bezeichnen. Dies betreffe auch eine später durchgeführte Betriebsprüfung. Es sei die Eigenart des steuerrechtlichen Ermittlungs- und Prüfungsverfahrens, dass Geschäftsvorfälle durch die Finanzämter nachträglich, bei Betrieben, die der Außenprüfung unterlägen, unter Umständen erst nach Ablauf mehrerer Jahre aufgegriffen würden.
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Das Benennungsverlangen führe deshalb nicht zu einer nachträglich entstandenen Tatsache, sondern zur Aufdeckung einer neuen Tatsache. Denn die Verweigerung der Empfängerbenennung nach erstmaliger Aufforderung während einer Betriebsprüfung habe ihre Ursache in der fehlenden Beweisvorsorge zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt. Insoweit gleiche diese Situation der nachträglich bekannt gewordenen oder festgestellten Schätzungsunterlage, bei deren rechtzeitiger Bekanntgabe das FA die Schätzung in anderer Weise vorgenommen hätte.
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Das FA beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil, soweit es die Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2006 bis 2008 und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für 2006 und 2007 betrifft, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit der Einkommensteuerbescheid der Streitjahre 2006 bis 2008 und die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 2006 und 2007 betroffen sind. Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, der Umstand, dass der Kläger dem Benennungsverlangen des FA nicht nachgekommen ist, ermögliche keine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre 2006 bis 2008 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und folglich auch nicht der Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre 2006 und 2007 gemäß § 35b GewStG (unten 1.). Die Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 35b GewStG könnte indes in Betracht kommen, wenn dem FA das Fehlen eines ordnungsgemäß geführten Wareneingangs erst nachträglich bekannt geworden wäre (unten 2.). Mangels entsprechender Feststellungen des FG ist die Sache zurückzuverweisen.
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1. Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit ist eine nachträglich bekannt gewordene, nicht dagegen eine nachträglich entstandene Tatsache. Eine erst nachträglich entstandene Tatsache ist das Benennungsverlangen des FA, wie das FG zu Recht entschieden hat. Denn das FA hat die Benennung der Empfänger erst zu einem Zeitpunkt vom Kläger verlangt, als die Bescheide der Streitjahre bereits bestandskräftig gewesen sind. Auch die Verweigerung der Auskunft auf ein solches Benennungsverlangen geschieht erst nach Erlass des zu ändernden Bescheides und kann für sich genommen schon deshalb keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 AO darstellen. Folglich scheidet auch eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide gemäß § 35b GewStG für die Streitjahre 2006 und 2007 aus.
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2. Als nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kommt jedoch die nicht ordnungsgemäße Aufzeichnung des Wareneinkaufs und damit des Wareneingangs in Betracht. Die Umsatzsteuerhefte allein sind keine ausreichenden Aufzeichnungen.
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a) Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, insbesondere die nicht den Vorschriften des § 143 AO entsprechende Aufzeichnung, ist eine Tatsache.
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aa) Eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann. Dies meint Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (so etwa Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. August 1997 II R 33/95, BFH/NV 1998, 12). Keine Tatsachen i.S. des § 173 AO sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785, m.w.N.).
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bb) Etwas anderes gilt auch nicht, wenn der Kläger, was das FG nicht ausgeschlossen hat, des Lesens und Schreibens nicht mächtig war.
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§ 143 Abs. 1 AO sieht bereits von seinem Wortlaut her keine Ausnahme vor. Vielmehr verlangt die Norm die Aufzeichnung des Wareneingangs von allen gewerblichen Unternehmern. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Vorschrift, es gerade der Finanzbehörde zu ermöglichen, das Betriebsergebnis zu überprüfen und Daten für eine Nachkalkulation bereitzustellen (vgl. nur Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 143 AO Rz 1, m.w.N.), ist allein auf die Tätigkeit des Steuerpflichtigen und nicht auf seine Kenntnisse und persönlichen Fähigkeiten abzustellen. Sollte der Gewerbetreibende selbst nicht in der Lage sein, den Aufzeichnungspflichten nachzukommen, hat er sich anderer Personen zu bedienen. Diese Hilfe sachgerecht zu organisieren, gehört zu seinen Pflichten als gewerblich Tätiger.
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b) Die Tatsache, dass der Wareneingang nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden ist, muss nachträglich bekannt geworden sein.
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aa) Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das FA im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, BFHE 149, 141, BStBl II 1987, 416). Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle (BFH-Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).
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Im vorliegenden Fall ist es mangels geeigneter Feststellungen des FG dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob der Veranlagungssachbearbeiter, der an Amtsstelle für den Kläger und E die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Streitjahre ermittelte, die fehlende Ordnungsmäßigkeit der aufgezeichneten Wareneingänge kannte. Folglich wird das FG im zweiten Rechtszug feststellen müssen, ob bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb an Amtsstelle in den Streitjahren bekannt war, dass der Wareneingang des Klägers nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden war. Soweit der Kläger behauptet, er habe dies dem FA mitgeteilt, hat er substantiiert vorzutragen, wann und wie er welchen Veranlagungssachbearbeiter darüber informiert hatte. Zu beachten ist insoweit, dass der Kläger bereits mehrere Sachbearbeiter in seinem Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 benannt hat.
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Allein aus dem Umstand, dass der Kläger zum Zwecke der Gewinnermittlung (nur) die Umsatzsteuerhefte im FA vorgelegt hatte, lässt sich jedenfalls noch nicht schließen, dass das FA die unzureichende Erfüllung der Aufzeichnungspflichten kannte. Auch wenn diese Hefte trotz der darin enthaltenen Angaben zu Ausgaben und damit zum Wareneinkauf nicht den Vorgaben des § 143 AO entsprechen, bedeutet das nicht, dass der Kläger die nach § 143 AO gebotenen Aufzeichnungen nicht daneben in anderer Form geführt haben könnte.
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bb) Kannte das FA die mangelhafte Erfüllung der Aufzeichnungspflicht nicht, hat es also tatsächlich erst nachträglich Kenntnis erlangt, so könnte lediglich der Grundsatz von Treu und Glauben die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO einschränken. Dies setzt voraus, dass einerseits dem FA die Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, dass andererseits der Steuerpflichtige entweder seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241), oder aber sich aus der Abwägung der beiderseitigen Pflichtverletzungen ergibt, dass die Verletzung der Ermittlungspflicht im konkreten Einzelfall die Verletzung der Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 108/85, BFHE 151, 333, BStBl II 1988, 115, unter II.2.; Senatsurteil vom 18. Mai 2010 X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225, unter II.2.a). In der Regel aber trifft bei beidseitigen Versäumnissen den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, unter II.6.; vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, unter II.1.a).
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c) Besteht die Änderungsmöglichkeit der Einkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, folgt hieraus auch die Änderung der Gewerbesteuermessbescheide gemäß § 35b GewStG für die Streitjahre 2006 und 2007.
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3. Die Sache ist zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen. Sollte danach die nicht ordnungsgemäße Aufzeichnung des Wareneingangs eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen und einer Änderung der fraglichen Bescheide für die Streitjahre auch der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegenstehen, sind die zutreffenden rechtlichen Folgerungen über die Höhe der Betriebsausgaben zu ziehen.
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a) Zunächst ermöglicht die Erkenntnis über die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die zu einer höheren Steuer führende Schätzung der Höhe der Betriebsausgaben nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO. Die Schätzung nach § 162 AO ist grundsätzlich unabhängig von der Prüfung eines Abzugsverbots nach § 160 AO durchzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 2. der Entscheidungsgründe). Diese Befugnis stünde zunächst dem FA, im Gerichtsverfahren innerhalb der Grenzen des Verböserungsverbots nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2 FGO dem FG zu.
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b) Aber auch die Erkenntnisse des FA aus den Ermittlungsmaßnahmen der Betriebsprüfung einschließlich des Benennungsverlangens können im Rahmen der Prüfung der Höhe der Betriebsausgaben verwertbar sein.
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Die Berücksichtigung des in der Betriebsprüfung gewonnenen Wissens in diesem Sinne beruht nicht auf § 160 AO und ist unabhängig von den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vorschrift möglich und geboten. Es handelte sich um Sachverhaltsermittlungen, die bereits durch § 88 Abs. 1 Satz 1 AO gerechtfertigt sind. § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sperrt diese nicht, was § 160 Abs. 1 Satz 2 AO ausdrücklich klarstellt. Die Ergebnisse dieser Ermittlungen können im Rahmen des Festsetzungsverfahrens auch nach Bestandskraft eines Bescheids verarbeitet werden, wenn und soweit dies durch die entsprechenden Änderungsvorschriften gedeckt ist. Allein der Umstand, dass die entsprechenden Nachfragen ihrerseits auch als Benennungsverlangen nach § 160 AO qualifiziert werden können, ändert hieran nichts.
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c) Es ist jedoch nicht möglich, die nach diesen Maßstäben anzusetzenden Betriebsausgaben aufgrund des nicht erfüllten Benennungsverlangens nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO weiter zu reduzieren, mithin auf Grundlage dieser Vorschrift zu einer weiteren Steuererhöhung zu gelangen.
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aa) Der Umfang einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 35b GewStG ergibt sich aus den steuerlichen Auswirkungen der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache(n). Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift "soweit Tatsachen ..." ergibt, kann der Steuerbescheid nur punktuell berichtigt werden, nämlich durch die zutreffenden Schlussfolgerungen aus dieser Tatsache (vgl. z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, § 173 AO Rz 153). Anders als unter § 222 der Reichsabgabenordnung, wonach die neue Steuerfestsetzung grundsätzlich so vorzunehmen war, als handele es sich um die erste Veranlagung (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1969 V 149/64, BFHE 95, 236, BStBl II 1969, 409), findet eine Wiederaufrollung der Veranlagung nicht statt (so schon BFH-Urteil vom 12. August 1981 I R 78/78, BFHE 134, 3, BStBl II 1982, 100, Rz 11).
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bb) Es wäre eine unzulässige Wiederaufrollung der Veranlagung in diesem Sinne, wenn Betriebsausgaben, die im Rahmen der Ermittlung und ggf. Schätzung nach Maßgabe von II.3.a, b anzusetzen sind, nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO nicht berücksichtigt würden und so die Steuerfestsetzung über den Korrekturrahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 35b GewStG hinaus weiter zuungunsten des Klägers geändert würde. Wie bereits unter II.1. dargestellt und vom FG zu Recht erkannt, begründet weder das Benennungsverlangen selbst noch die (fehlende) Antwort hierauf für sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.
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Die Rechtsfolgen des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind aber auch keine Umstände, die i.S. des § 162 Abs. 1 Satz 2 AO für die Schätzung von Bedeutung sind. Sie dürfen also in die Schätzungshöhe nicht einbezogen werden. § 160 AO ist keine Schätzungsnorm, sondern setzt erst an, soweit Ausgaben nach anderen steuerlichen Regelungen, ggf. auch aufgrund einer Schätzung, abziehbar sind bzw. wären, bei denen also davon auszugehen ist, dass der Aufwand entstanden ist und daher im Rahmen einer Schätzung an sich zu berücksichtigen wäre (BFH-Urteil in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 2.a; Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 X B 175/11, BFH/NV 2013, 44, unter II.1.b). In Schätzungsfällen knüpft die Vorschrift mithin erst an das Ergebnis der Schätzung an. Das schließt es aus, ihre Anwendung gleichzeitig über § 162 Abs. 1 Satz 2 AO zur Voraussetzung der Schätzung zu machen.
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Hintergrund ist der Umstand, dass § 160 AO mögliche Steuerausfälle verhindern will, die dadurch eintreten, dass der Empfänger der bei dem Leistenden geltend gemachten Betriebsausgaben die Einnahmen nicht erfasst. Auch wenn die Vorschrift dies formell durch die Minderung des Betriebsausgabenabzugs leistet, handelt es sich materiell-rechtlich um eine Inanspruchnahme des Leistenden als Haftender für die fremde Steuerschuld des Empfängers (vgl. BFH-Urteile in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 2.b cc, sowie vom 10. März 1999 XI R 10/98, BFHE 188, 280, BStBl II 1999, 434, unter II.1.), die im Rahmen der Schätzung ein Fremdkörper wäre. Die bei Anwendung des § 160 AO gebotene Schätzung des mutmaßlichen Steuerausfalls beim Empfänger findet erst auf der Ebene des § 160 AO statt und hat daher mit der Schätzung der Betriebsausgaben nach § 162 AO nichts zu tun (vgl. dazu Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 162 AO Rz 31).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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