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BFH 07.05.2014 - VI R 28/13
BFH 07.05.2014 - VI R 28/13 - Regelungsgehalt einer Lohnsteueranrufungsauskunft - kein Anspruch auf bestimmten rechtmäßigen Inhalt
Normen
§ 42e EStG 2009, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 18. April 2013, Az: 16 K 922/12 L, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG trifft eine Regelung dahin, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten Sachverhalt gegenwärtig beurteilt.
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2. NV: Entsprechend diesem Regelungsgehalt überprüft das FG die Auskunft sachlich nur daraufhin, ob der Sachverhalt zutreffend erfasst und die rechtliche Beurteilung nicht evident fehlerhaft ist.
Tatbestand
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I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ersuchte den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 um Auskunft über die lohnsteuerliche Behandlung eines Angebots im Rahmen eines "Demografieprojekts", das sie ihren Mitarbeitern anbot. Unter anderem wurde ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil angeboten (sog. Sensibilisierungswoche). Die Klägerin machte geltend, das Seminar diene dazu, Beschäftigungsfähigkeit, Leistungsfähigkeit und Motivation der aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend alternden Belegschaft zu erhalten. Sie vertrat die Auffassung, es fehle bereits am Entlohnungscharakter, weil die angebotene Maßnahme im ganz überwiegenden Interesse der Klägerin liege.
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Das FA erteilte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Bescheid vom 25. Januar 2011 die Auskunft, die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche stelle Arbeitslohn dar, der lediglich in Höhe von maximal 500 € pro Jahr steuerfrei sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler.
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Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und entsprechend § 42e EStG festzustellen, dass die von der Klägerin getragenen Kosten der sog. Sensibilisierungswoche keinen Arbeitslohn darstellen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Lohnsteueranrufungsauskunft mit dem von ihr begehrten Inhalt.
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1. Nach § 42e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind.
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Der Anfragende, vorliegend der Arbeitgeber, hat danach einen --auch gerichtlich durchsetzbaren-- Anspruch auf Erteilung der Auskunft über die Anwendung lohnsteuerrechtlicher Vorschriften. Dieser Anspruch bezieht sich nicht nur darauf, dass der Arbeitgeber förmlich zu bescheiden ist. § 42e EStG vermittelt vielmehr einen Anspruch darauf, dass die Anrufungsauskunft inhaltlich richtig ist. Die Vorschrift räumt nicht nur das Recht ein, die Auffassung des FA zu erfahren, sondern auch Sicherheit über die zutreffende Rechtslage zu erlangen und lohnsteuerliche Rechte und Pflichten in einem besonderen Verfahren im Voraus (ggf. gerichtlich) verbindlich feststellen zu lassen. Auf diese Weise wird dem Zweck der Anrufungsauskunft hinreichend entsprochen, präventiv Konflikte zwischen dem Betriebsstättenfinanzamt und dem Arbeitgeber zu vermeiden und auftretende lohnsteuerrechtliche Fragen, die häufig auch die Kostenkalkulation des Arbeitgebers berühren, zeitnah einer Klärung zuzuführen. Denn es wäre mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens schwerlich vereinbar, dem vom Fiskus in die Pflicht genommenen Arbeitgeber, der mit dem Inhalt einer Anrufungsauskunft nicht einverstanden ist, anheim zu stellen, die Lohnsteuer zunächst (rechtswidrig) einzubehalten und abzuführen, den einschlägigen Rechtsschutz jedoch erst später durch Anfechtung entsprechender Lohnsteuer- bzw. Haftungsbescheide zu suchen (Senatsurteil vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996).
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2. Der Arbeitgeber kann daher eine erteilte Anrufungsauskunft nach den allgemeinen Regeln anfechten und Verpflichtungsklage erheben, um eine Auskunft darüber zu erlangen, ob und inwieweit im Einzelfall Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Das FG entscheidet dann auch über den Inhalt der Auskunft. Allerdings beschränkt sich die inhaltliche Überprüfung einer Lohnsteueranrufungsauskunft durch das FG nur darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des --zutreffend erfassten-- zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist.
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a) Denn die gerichtliche Kontrolldichte eines angefochtenen Verwaltungsaktes hängt wesentlich von dessen Regelungsaussage ab (vgl. BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 IX R 11/11, BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651 zur verbindlichen Auskunft). Diese erschöpft sich bei einer Lohnsteueranrufungsauskunft darin, wie die Finanzbehörde einen ihr zur Prüfung gestellten typischerweise hypothetischen Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gegenwärtig beurteilt. Die Lohnsteueranrufungsauskunft entscheidet weder über den Einkommensteueranspruch noch setzt sie die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers fest (Senatsurteile vom 13. November 1959 VI 124/59 U, BFHE 70, 290, BStBl III 1960, 108; vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166; Senatsbeschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658). Denn das Lohnsteuerabzugsverfahren ist nur ein Vorauszahlungsverfahren (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1) mit vorläufigem Charakter. Seine Besonderheiten und Regelungen wirken nicht in das Veranlagungsverfahren hinein (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38 Rz A 7). Auch wird der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Lohnsteuer entsprechend der ihm erteilten Auskunft zu berechnen und abzuführen.
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b) Trifft die Lohnsteueranrufungsauskunft aber keine Entscheidung über den materiellen Einkommensteueranspruch, bedarf es keiner umfassenden gerichtlichen Kontrolle, welche lohn- und einkommensteuerrechtlichen Folgen der Sachverhalt tatsächlich zeitigen wird, sollte er --wie in der Anfrage angekündigt-- verwirklicht werden. Vielmehr ist aufgrund des vorläufigen Charakters des Lohnsteuerabzugsverfahrens nur zu untersuchen, ob das Betriebsstättenfinanzamt mit der Mitteilung über die gegenwärtige Einschätzung der Rechtslage den Anforderungen an ein faires Verwaltungsverfahren genügt hat (ebenso für die verbindliche Auskunft BFH-Urteil in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651). So hat die Finanzbehörde den ihr im Rahmen einer Lohnsteueranrufungsauskunft zur Prüfung gestellten Sachverhalt zutreffend zu erfassen. Das Gebot der Durchführung eines fairen Verwaltungsverfahrens fordert auch, dass die Behörde keine Auskunft erteilt, die offensichtlich nicht mit dem Gesetz oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung --soweit sie von der Finanzverwaltung angewandt wird, d.h. kein Nichtanwendungserlass besteht-- in Einklang steht. Anhand dieses Maßstabs hat das FG die sachliche Richtigkeit einer erteilten Auskunft zu prüfen. Einer umfassenden inhaltlichen Überprüfung durch das FG bedarf es nicht.
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Im Übrigen würden dadurch Streitigkeiten --insbesondere aus dem Haftungsverfahren-- in das Anrufungsverfahren verlagert. Es ist jedoch nicht dessen Aufgabe, ungeklärte Rechtsfragen (auch für das Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers) abschließend zu beantworten oder die Übereinstimmung von Verwaltungsanweisungen mit dem Gesetz zu überprüfen. Denn gemessen an der Regelungsaussage dient die Lohnsteueranrufungsauskunft vornehmlich der Vermeidung des Haftungsrisikos des Arbeitgebers, soweit er ihren Inhalt den von ihm einzureichenden Lohnsteuer-Anmeldungen zugrunde legt. Sie bezweckt hingegen nicht, ihm das Prozessrisiko abzunehmen, falls er nicht nach dem Inhalt der Auskunft verfahren will. In diesem Fall muss er vielmehr seine Rechtsauffassung im Wege des Steueranmeldungs- bzw. Haftungsverfahrens durchsetzen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Arbeitgeber als Entrichtungspflichtiger für Lohnsteuerzwecke vom Fiskus in Anspruch genommen wird (zu den einschlägigen Arbeitgeberpflichten vgl. auch Drüen, Finanz-Rundschau 2004, 1134 ff.) und damit ein latentes Zahlungs- und Haftungsrisiko trägt und dass er ferner in Fällen, in denen streitig ist, ob er überhaupt Arbeitnehmer (oder Selbständige) beschäftigt, zunächst durch eine entsprechende Infrastruktur belastet ist. Diese Lasten verlangen jedoch für den Arbeitgeber im Bereich des § 42e EStG nicht eine in vollem Umfang inhaltlich überprüfbare Lohnsteueranrufungsauskunft, sondern lediglich einen Rechtsschutz, der nicht schwächer ausfällt als der im Rahmen einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (Senatsurteil in BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996). Dem ist vorliegend nicht zuletzt zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen Rechnung zu tragen. Denn das FG prüft auch den Inhalt einer erteilten verbindlichen Auskunft nur darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des --zutreffend erfassten-- zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist (BFH-Urteil in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651).
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c) Schließlich trägt dieses Verständnis der Lohnsteueranrufungsauskunft auch dem Grundsatz der Gewaltenteilung in besonderer Weise Rechnung. Es entspricht dem Wesen einer Auskunft, dass sie die Rechtsauffassung der sie erteilenden Stelle, mithin der Finanzbehörde, beinhaltet. Würde bereits in diesem Stadium des Steuererhebungsverfahrens eine vollumfängliche inhaltliche Überprüfung der von der Behörde geäußerten rechtlichen Beurteilung erfolgen, so würde die Finanzbehörde im Wege der Anrufungsauskunft durch das FG verpflichtet, eine behördliche Auskunft zu erteilen, die nicht ihrer Rechtsauffassung entspricht.
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3. Nach den angeführten Rechtsgrundsätzen hatte die Klägerin vorliegend keinen Anspruch auf die Erteilung einer Auskunft mit dem von ihr begehrten Inhalt. Im Streitfall hat die Finanzbehörde auf der Grundlage des ihr in der Anrufungsauskunft zur Prüfung vorgelegten Sachverhalts unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH (z.B. Senatsurteile vom 30. Mai 2001 VI R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671; vom 11. April 2006 VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691; vom 11. März 2010 VI R 7/08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010, 763) die Auffassung vertreten, im Streitfall liege Arbeitslohn vor, weil die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche nicht im ganz überwiegenden Interesse der Klägerin gelegen habe. Denn das Programm der Sensibilisierungswoche ziele darauf ab, den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern. Hingegen dienten die Maßnahmen nicht dazu, drohenden berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenzuwirken. Diese Würdigung der Umstände des Streitfalls widerspricht weder ersichtlich dem Gesetz noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 228, 505, BStBl II 2010, 763). Entsprechend ist die Lohnsteueranrufungsauskunft jedenfalls nicht evident rechtswidrig. Da die erteilte Auskunft danach den Anforderungen an eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG entsprach, konnte eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der begehrten für die Klägerin günstigen Lohnsteueranrufungsauskunft keinen Erfolg haben.
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4. Die Vorentscheidung leidet auch nicht an einem Verfahrensfehler. Das FG hat nicht gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen.
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Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das FG muss danach neben dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch den gesamten Akteninhalt und das Ergebnis von Beweiserhebungen jeglicher Art berücksichtigen (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 Rz 11, m.w.N.). Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn das FG den festgestellten Sachverhalt unter Einbeziehung des ihm vorliegenden Akteninhalts nicht entsprechend den Vorstellungen eines der Beteiligten gewürdigt hat (z.B. Senatsurteil vom 20. März 2013 VI R 9/12, BFHE 240, 507). Daran gemessen hat das FG nicht gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen. Das FG hat den "modifizierten" Vortrag der Klägerin im Einspruchsverfahren zur Kenntnis genommen (vgl. unter 2.d der Gründe der Vorentscheidung), hat das nachgeschobene Vorbringen jedoch aus formalen wie auch aus inhaltlichen Gründen nicht für geeignet erachtet, im Streitfall das Vorliegen von Arbeitslohn zu verneinen. Zieht das FG aus dem Vortrag eines Beteiligten nicht die von diesem für zutreffend erachteten Folgerungen und würdigt es den Vortrag nicht im Sinne des Beteiligten, so begründet dies keinen Verfahrensfehler.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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