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BFH 27.03.2014 - VII B 120/13
BFH 27.03.2014 - VII B 120/13 - Keine Kompetenz ausländischer Finanzbehörden zum Erlass in Deutschland entstandener und festgesetzter Einfuhrabgaben
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 202 Abs 2 ZK, § 21 S 1 TabStG, § 21 Abs 2 UStG 1999, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 35 AO, § 69 AO
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 16. Mai 2013, Az: 7 K 749/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger darauf hätte vertrauen dürfen, dass eine Zollbehörde eines anderen Mitgliedstaats die Kompetenz hat, in Deutschland entstandene und festgesetzte Einfuhrabgaben (Zölle, Tabaksteuer und Umsatzsteuer) zu erlassen, ist nicht grundsätzlich bedeutsam.
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2. NV: Einfuhrabgaben können gegen einen Abgabenschuldner auch dann festgesetzt werden, wenn die Zollbehörde es versäumt hat, vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine andere als Abgabenschuldner in Betracht kommende Person in Anspruch zu nehmen.
Tatbestand
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I. Am 17. Dezember 1999 wurden im Rahmen einer von den britischen Zollbehörden in X durchgeführten Kontrolle in einem vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gefahrenen Kleintransporter 320 000 Stück unversteuerte und unverzollte Zigaretten festgestellt, die aus einer vom Kläger unter falschem Namen gemieteten Lagerhalle stammten und die dieser nach Großbritannien verbringen wollte. Die Zigaretten wurden beschlagnahmt, wovon die deutschen Zollbehörden informiert wurden. Das Amtsgericht (AG) verurteilte den Kläger, der die ihm vorgeworfene Straftat einräumte, wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist rechtskräftig.
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Mit Steuerbescheid vom 1. Juli 2009 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) gegen den Kläger Einfuhrabgaben in Höhe von 40.126,48 € fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe den Kläger zu Recht gemäß Art. 202 Abs. 2 des Zollkodex, § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes und § 21 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes als Steuerschuldner in Anspruch genommen, da dieser aus Osteuropa stammende Zigaretten vorschriftswidrig in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt habe. Bei Erlass des angefochtenen Abgabenbescheids sei die verlängerte Festsetzungsverjährungsfrist des § 169 Abs. 2 der Abgabenordnung noch nicht abgelaufen gewesen. Offen bleiben könne, ob der Kläger die Feststellungen des AG in Erfolg versprechender Weise angegriffen habe, denn im Streitfall hätten die Zollfahndungsämter vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Kläger mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen begonnen. Entgegen der Auffassung des Klägers seien diese Ermittlungen nicht zu ungenau gewesen. Nachdem die Britische Botschaft das Zollfahndungsamt Y über den Aufgriff in X informiert gehabt habe, sei der Kläger im Jahre 2001 mehrfach zu Beschuldigtenvernehmungen geladen worden, zu denen er jedoch auf Anraten seines Strafverteidigers nicht erschienen sei. Somit seien für den Kläger die eingeleiteten Ermittlungen durchaus erkennbar gewesen. Einen Erlass der von der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erhobenen Einfuhrabgaben durch die britischen Grenzbehörden habe er nicht substantiiert dargelegt. Gegen einen Erlass spreche bereits die fehlende Zuständigkeit Großbritanniens. Soweit sich der Kläger darauf berufen habe, die von ihm erworbenen Zigaretten seien bereits 1997 beim Erwerb nass und verdorben gewesen, weshalb es sich nicht um eine Handelsware gehandelt habe, sei dieses Vorbringen, das den Angaben des Klägers im Strafverfahren und Einspruchsverfahren widerspreche, weder glaubhaft noch substantiiert. Von einer Verwirkung des Abgabenanspruchs könne nicht ausgegangen werden.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Zur Begründung trägt er vor, sein unwahres Geständnis sei lediglich dem Zustandekommen eines "Deals" geschuldet gewesen. Dem HZA sei bekannt gewesen, dass an dem Einfuhrschmuggel mehrere Personen beteiligt gewesen seien. Zumindest zwei Täter hätten ebenfalls als Abgabenschuldner herangezogen werden müssen. Im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung werde auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. September 2009 VII B 11/09 (BFH/NV 2010, 263) verwiesen. Im Rahmen der Überprüfung der Ermessensentscheidung hätte das FG den Umstand berücksichtigen müssen, dass allein er nach fast zehn Jahren in Anspruch genommen worden sei. Klärungsbedürftige Rechtsfragen ergäben sich insoweit, als es sich hier um eine Entscheidung auf der Grundlage der besonderen Umstände des Einzelfalls handele. Zu Unrecht habe das FG bei seiner Würdigung des Sachverhalts einen Erlass der Abgaben durch die britischen Behörden verneint. Da die Zigaretten vernichtet worden seien, habe er sich auf einen umfassenden Erlass der Einfuhrabgaben verlassen dürfen. Schließlich habe ihm das FG verfahrensfehlerhaft nicht geglaubt, dass er im Jahre 1997 verdorbene und genussuntaugliche Zigaretten erworben habe. Es sei unter Beweis gestellt worden, dass er seine potentiellen Abnehmer über die Qualität der Ware habe täuschen wollen. Schließlich habe das FG verkannt, dass Verwirkung des Abgabenanspruchs eingetreten sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum einen entsprechen die Ausführungen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, zum anderen liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.
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1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und auf ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Erforderlich ist darüber hinaus der substantiierte Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Ferner muss die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
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Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Mit dem Vorbringen, dass es sich im Streitfall um eine Entscheidung auf der Grundlage der besonderen Umstände des Einzelfalls handelt, wird gerade kein Interesse der Allgemeinheit, sondern das spezifische Interesse des Klägers an der von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Frage belegt. Sollte der Beschwerde die Frage entnommen werden können, ob der Kläger auf die Kompetenz der britischen Zollbehörden zur Erhebung bzw. zum Erlass von in Deutschland entstandenen Einfuhrabgaben hätte vertrauen dürfen, fehlt es an einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden substantiierten Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage, insbesondere an einer Auseinandersetzung mit dem Schrifttum und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage der Erhebungskompetenz der Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Im Übrigen liegt es auf der Hand und bedarf keiner Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren, dass für den Erlass einer in Deutschland entstandenen und festgesetzten Einfuhrabgabe Finanzbehörden in anderen Mitgliedstaaten nicht zuständig sein können.
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2. Soweit der Kläger die vermeintlich unzureichende Überprüfung der vom HZA getroffenen Ermessensentscheidung und eine unzutreffende rechtliche Würdigung --auch in Bezug auf die behauptete Verwirkung des Abgabenanspruchs-- durch das FG rügt, kann auch dieses Vorbringen nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Denn Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu dient, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten. Im Übrigen hat das FG in der Urteilsbegründung zu erkennen gegeben, dass es die Ermessensausübung des HZA unter Annahme weiterer Mittäter als Gesamtschuldner überprüft und unter Beachtung der Rechtsprechung des BFH zur Vorprägung des Ermessens bei vorsätzlich begangenen Steuerstraftaten für ausreichend erachtet hat.
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3. Auch die behauptete Divergenz zur Entscheidung des beschließenden Senats in BFH/NV 2010, 263 ist nicht ausreichend dargelegt. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt er eine Abweichung von Entscheidungen des BFH, so muss er nach ständiger Rechtsprechung des BFH tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, und vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479). Im Streitfall fehlt es an der Gegenüberstellung solcher Rechtssätze. Im Übrigen hat der BFH in jenem Urteil die Frage bejaht, ob Einfuhrabgaben gegen einen Abgabenschuldner auch dann festgesetzt werden können, wenn die Zollbehörde es versäumt hat, vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine andere als Schuldner in Betracht kommende Person in Anspruch zu nehmen.
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4. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das FG nachvollziehbar begründet, warum die Einlassung, die im Jahr 1997 bereits in einem genussuntauglichen Zustand erworbenen Zigaretten hätten in Täuschungsabsicht weiterverkauft werden sollen, nicht glaubhaft ist. Aus seiner Sicht musste sich dem FG eine weitere Sachverhaltsermittlung, z.B. durch die Vernehmung der benannten Zeugen zur Qualität der Zigaretten, nicht aufdrängen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung die unterlassene Ladung und Vernehmung von Zeugen nicht gerügt und keine Beweisanträge gestellt hat, so dass er insoweit das Rügerecht verloren hat. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrags oder einer unvollständigen Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung eines Beweisantrags oder die mangelhafte Sachaufklärung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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