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BFH 12.03.2013 - X S 12/13 (PKH)
BFH 12.03.2013 - X S 12/13 (PKH) - (Keine Verkürzung der Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG - Fristbeginn - Verfassungsmäßigkeit der Fristenregelung - Abgrenzung zu § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG - Prüfung des Vorliegens einer unangemessenen Verzögerung nur bei Zulässigkeit der Entschädigungsklage)
Normen
§ 198 Abs 3 GVG, § 198 Abs 5 GVG, Art 19 Abs 4 GG, § 142 Abs 1 FGO, § 114 S 1 ZPO, § 155 FGO
Leitsatz
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NV: Die Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann auch nicht ausnahmsweise verkürzt werden .
Tatbestand
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I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Klage, mit der er Entschädigung in Höhe "ab" 1.200 € erhalten möchte. Er meint, das Verfahren V S 27/12 (PKH) beim V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe zu lange gedauert.
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Im Finanzgerichtsverfahren stritt der Antragsteller mit der Familienkasse um die Frage, wie das Kindergeld für seine Tochter ausgezahlt wird. Das Sächsische Finanzgericht (FG) verhandelte am 8. August 2012 mündlich. Der Antragsteller wandte sich vornehmlich dagegen, die Kosten des Verfahrens tragen zu sollen.
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Das FG wies die Klage durch Urteil vom 8. August 2012 ab.
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Der Antragsteller beantragte daraufhin beim BFH PKH für eine Beschwerde gegen das Urteil. Dieser Antrag wurde unter V S 27/12 (PKH) aufgenommen.
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Die Landesjustizkasse Chemnitz stellte dem Antragsteller am 30. November 2012 für das Verfahren vor dem FG … € in Rechnung. Am 19. Dezember 2012 erfolgte eine Mahnung.
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Am 24. Dezember 2012 schrieb der Antragsteller persönlich an den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen und gab dem BFH sowie der Landesjustizkasse Chemnitz Kopien zur Kenntnis. Er erhob Verfassungsbeschwerde gegen die Untätigkeit des BFH in der Sache V S 27/12 (PKH), Verzögerungsrüge und Entschädigungsklage. Er habe zeitnah (am 24. August 2012) das PKH-Formular ausgefüllt und dem BFH übersandt. Der BFH hätte innerhalb von zehn Tagen entscheiden müssen. Die Untätigkeit des BFH bringe schwere Folgen für seine Familie. Die Landesjustizkasse fordere weiterhin … € ein. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof möge das Urteil des FG aufheben, die Sache zurückverweisen und einen kostenlosen Anwalt ernennen. Nach §§ 198, 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) seien wohl 1.200 € angemessen. Es sei nicht in Ordnung, dass die Landesjustizkasse die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht abwarte.
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Der V. Senat des BFH leitete das Schreiben dem für Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff. GVG zuständigen X. Senat des BFH zu. Der X. Senat teilte mit Schreiben vom 2. Januar 2013 mit, er fasse das Schreiben vom 24. Dezember 2012 noch nicht als Entschädigungsklage, sondern als Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG auf. Zum einen könne eine Entschädigungsklage gemäß § 198 Abs. 5 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Zum anderen bestehe vor dem BFH gemäß § 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Vertretungszwang.
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Mit Schreiben vom 7. Januar 2013 beanstandete der Antragsteller diese Handhabung. Das Gesetz sei nicht richtig angewandt. § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG lasse ausnahmsweise eine kürzere Frist als sechs Monate zu. Da die Beschwerde gegen das Urteil des FG innerhalb von zwei Monaten zu begründen sei und ein Anwalt auch einen Monat benötige, hätte über die PKH schneller entschieden werden müssen. Außerdem habe er beim FG bereits am 16. April 2012 PKH beantragt. Nach § 198 Abs. 5 GVG könne er nunmehr klagen. Auch sei § 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO falsch angewandt. Er habe PKH beantragt, um kostenlos einen Anwalt zu erhalten. Er verstehe nicht, warum es immer noch keinen Beschluss über die PKH gebe.
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Am 11. Januar 2013 lehnte der V. Senat des BFH in dem Verfahren V S 27/12 (PKH) die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren gegen das Urteil des FG ab.
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Am 24. Januar 2013 verwarf der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen die Verfassungsbeschwerde.
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Mit Schreiben vom 30. Januar 2013 an den BFH beantragte der Antragsteller die aufschiebende Wirkung der Kostenrechnung der Landesjustizkasse Chemnitz.
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Mit einem am 2. Februar 2013 eingegangenen Schreiben nahm der Antragsteller auf seine Verzögerungsrüge und seine Entschädigungsklage Bezug. Er beantragte, der BFH möge innerhalb von zehn Tagen 1.200 € an ihn bezahlen, da er für die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht Zeit bis zum 11. März 2013 habe. Der Beschluss vom 11. Januar 2013 sei zu spät gewesen. Der BFH hätte spätestens bis zum 8. Oktober 2012 entscheiden müssen.
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Dieses Schreiben wurde als Entschädigungsklage in das Gerichtsregister des BFH aufgenommen.
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Am 18. Februar 2013 stellte die Kostenstelle des BFH dem Antragsteller für die Entschädigungsklage eine Verfahrensgebühr in Rechnung.
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Am 21. Februar 2013 beantragte der Antragsteller, PKH zu gewähren, und bat um einen Rechtsanwalt. Ein PKH-Formular liege dem Gericht bereits vor. Gleichzeitig legte er Erinnerung gegen die Kostenrechnung des BFH ein.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag ist unbegründet.
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Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Daran fehlt es. Die Klage auf Entschädigung wegen der Dauer des Verfahrens V S 27/12 (PKH) hat keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Gemäß § 198 GVG kann unter bestimmten Voraussetzungen für die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens eine Entschädigung beansprucht werden. Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht erfüllt.
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a) Nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG erhält ein Verfahrensbeteiligter nur Entschädigung, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Verzögerung gerügt hat (Verzögerungsrüge). Nach § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird.
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Da der Senat in der Korrespondenz mit dem Antragsteller erklärt hat, dass er das Schreiben vom 24. Dezember 2012 als Verzögerungsrüge werte, geht er an dieser Stelle zu Gunsten des Antragstellers von einer wirksamen Verzögerungsrüge aus. Ob in dem primär an den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen gerichteten Schreiben eine Verzögerungsrüge "bei" dem BFH gesehen werden kann und ob bereits Anlass zur Besorgnis verzögerlicher Behandlung bestand, ob mithin tatsächlich eine den genannten Anforderungen genügende Verzögerungsrüge vorlag, kann dahinstehen.
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b) Der Antragsteller hat die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht abgewartet.
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aa) Nach dieser Vorschrift kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Wenn das Schreiben vom 24. Dezember 2012 eine Verzögerungsrüge war, so konnte folglich die Entschädigungsklage frühestens im Juni 2013 erhoben werden. Der Antragsteller hat die Klage jedoch vorzeitig eingereicht. Sie ist daher unzulässig.
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bb) Der Antragsteller meint, die sechsmonatige Frist zur Klageerhebung könne gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG ausnahmsweise kürzer sein.
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Das ist unzutreffend.
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§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG befasst sich mit dem Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden kann. Nach § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn die Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (s.o.). Halbsatz 2 regelt, dass eine Wiederholung der Verzögerungsrüge frühestens nach sechs Monaten möglich ist, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Die Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG und insbesondere die Ausnahmeregelung beziehen sich folglich nur auf die Wiederholung der Verzögerungsrüge. Sie beziehen sich nicht auf die Entschädigungsklage selbst.
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Die Sechs-Monats-Frist für die Entschädigungsklage in § 198 Abs. 5 GVG ist eine andere Frist. Eine vergleichbare Ausnahmeregelung sieht das Gesetz dafür gerade nicht vor; einen Grund, die Ausnahmeregelung des § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG entsprechend anzuwenden, erkennt der Senat nicht.
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cc) Ferner meint der Antragsteller, er habe die sechsmonatige Frist gewahrt, weil er bereits am 16. April 2012 beim FG PKH beantragt habe.
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Auch das ist unzutreffend. Die Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 GVG beginnt, wie unter aa dargestellt, erst mit der Verzögerungsrüge. Sie begann nicht schon mit dem PKH-Antrag beim BFH, erst recht nicht mit dem PKH-Antrag beim FG.
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dd) Die Fristenregelung benachteiligt den Antragsteller nicht in unzumutbarer Weise, so dass kein Anlass besteht, etwa mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes an deren Verfassungsmäßigkeit zu zweifeln. Durch das sechsmonatige Zuwarten zwischen Verzögerungsrüge und Klage verliert der Verfahrensbeteiligte keine Rechte.
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aaa) Soweit der Antragsteller einwendet, der V. Senat habe über den PKH-Antrag in dem Verfahren V S 27/12 (PKH) schneller entscheiden müssen, weil Fristen für die Beschwerde oder Beschwerdebegründung einzuhalten gewesen wären, hat dies nichts mit der gebotenen Frist zwischen Verzögerungsrüge und Klageerhebung zu tun. Es betrifft vielmehr die inhaltliche Frage, ob das Verfahren, dessen Verzögerung er rügt, tatsächlich unangemessen verzögert wurde. Diese Frage kann aber erst geprüft werden, wenn eine zulässige Entschädigungsklage vorliegt.
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bbb) Die Befürchtungen des Antragstellers sind allerdings auch unbegründet.
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Dass der V. Senat in dem Verfahren V S 27/12 (PKH) nicht innerhalb von zehn Tagen oder bis zum 8. Oktober 2012 entschieden hatte, führte nicht zu einem Rechtsverlust. Hat ein Beteiligter die für die Einlegung eines Rechtsmittels geltende Frist versäumt, weil er wegen Mittellosigkeit keinen Prozessbevollmächtigten beauftragen kann, kann ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 X S 14/12 (PKH), BFH/NV 2012, 1821). Hätte der V. Senat PKH gewährt, wäre also die Versäumung der Frist für die Beschwerde und die Beschwerdebegründung unschädlich gewesen. Nachdem er nicht PKH gewährt hat, kommt es auf diese Fristen nicht mehr an.
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2. Der Senat weist darauf hin, dass die vorliegende Entscheidung lediglich den bei ihm gestellten PKH-Antrag betrifft. Über die Erinnerung gegen die Kostenrechnung für die Entschädigungsklage ist damit noch nicht entschieden.
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3. Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Rechnung der Landesjustizkasse Chemnitz nicht das vorliegende Verfahren betrifft. Es handelt sich um eine Kostenrechnung für die Vorinstanz. Der BFH hat über diese Kostenrechnung nicht zu befinden.
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4. Das Verfahren betreffend die Bewilligung von PKH ist gerichtskostenfrei.
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