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BFH 13.11.2012 - V S 11/12
BFH 13.11.2012 - V S 11/12 - Anhörungsrüge; Ablehnungsgesuch; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen
§ 51 Abs 1 FGO, § 56 Abs 1 FGO, § 78 Abs 3 FGO, § 115 Abs 2 FGO, § 116 Abs 3 FGO, § 116 Abs 5 S 2 FGO, § 133a FGO, § 42 Abs 2 ZPO, § 43 ZPO, § 44 Abs 1 ZPO, § 47 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend BFH, 15. Februar 2012, Az: V B 41/11, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Ein Ablehnungsgesuch ist eine Prozesshandlung. Aus Gründen der Prozessklarheit und des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des gesetzlichen Richters muss sich aus der Erklärung eindeutig ergeben, dass es sich um ein Ablehnungsgesuch handelt.
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2. NV: Das Absehen von einer Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO rechtfertigt nicht den Schluss, der BFH habe das Vorbringen der Beteiligten nicht erwogen und den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt.
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3. NV: Das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient nicht dazu, inhaltliche Unvollständigkeiten einer an sich fristgerecht eingereichten Rechtsmittelbegründung zu heilen.
Tatbestand
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I. Mit Beschluss vom 15. Februar 2012 V B 41/11, zugestellt am 15. März 2012, hat der Senat die Beschwerde des Klägers, Beschwerdeführers und Rügeführers (Rügeführer) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 31. März 2011 11 K 1244/09 als unbegründet zurückgewiesen.
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Hiergegen wendet sich der Rügeführer mit seiner Anhörungsrüge (§ 133a der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Er rügt die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Beschluss des Senats sei nicht mit Gründen versehen, da eine Prüfung seiner Richtigkeit und Rechtmäßigkeit anhand der gegebenen Begründung nicht möglich sei. Zudem habe der Senat bei seiner Überzeugungsbildung den tatsächlichen Sachverhalt nur unvollständig berücksichtigt. Es handele sich aufgrund dessen um eine Überraschungsentscheidung. Darüber hinaus habe der Senat die nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsätze zu Unrecht nicht berücksichtigt.
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Mit Schriftsätzen vom 5. April 2012 und 10. April 2012 beantragte der Rügeführer "hilfsweise insofern und insoweit" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, als die im Schriftsatz vom 5. April 2012 enthaltenen Ausführungen nicht erläuternder, ergänzender oder vervollständigender Natur seien.
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Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2012 beantragte der Rügeführer unter vorsorglicher Geltendmachung der Besorgnis der Befangenheit gegen gegebenenfalls noch zu benennende Mitglieder des Senats Einsicht in den gerichtsinternen Schriftverkehr und andere gerichtsinterne Vorgänge, die die Geschäftsstelle betref-fen. Die Besorgnis der Befangenheit könne dadurch begründet sein, dass die Entscheidungen zweier Senate des Bundesfinanzhofs (BFH) über Nichtzulassungsbeschwerden im Abstand von nur einer Woche zugestellt wurden, dadurch eine Überschneidung der nur zweiwöchigen Frist zur Erhebung der Anhörungsrügen eingetreten sei und die Verteidigung in beiden gleichzeitig zu führenden Rügeverfahren wesentlich erschwert worden sei.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in seiner nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, da kein wirksames Ablehnungsgesuch vorliegt.
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a) Nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Die Ablehnung erfordert zur Geltendmachung des Ablehnungsgrundes ein Ablehnungsgesuch (vgl. § 44 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Das Ablehnungsgesuch ist eine Prozesshandlung (BFH-Beschluss vom 12. August 1998 III B 23/98, BFH/NV 1999, 476). Aus Gründen der Prozessklarheit und angesichts des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--) muss sich aus der Erklärung eindeutig ergeben, dass es sich um ein Ablehnungsgesuch handelt. Ein abgelehnter Richter darf bis zur Erledigung des Ablehnungsgesuches nur noch unaufschiebbare Amtshandlungen vornehmen (vgl. § 47 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO). Schon diese Beschränkung der Handlungsbefugnis des abgelehnten Richters macht es unerlässlich, dass insoweit Klarheit besteht, ob ein Ablehnungsgesuch vorliegt. Klarheit und Eindeutigkeit ist auch erforderlich, um einen Verlust des Ablehnungsrechtes nach § 43 ZPO sicher feststellen zu können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Oktober 1994 VIII S 11/93, BFH/NV 1995, 540, 542; in BFH/NV 1999, 476).
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b) Die vorsorgliche Geltendmachung der Besorgnis der Befangenheit für gegebenenfalls noch zu benennende Mitglieder des Senats erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Erklärung lässt nicht erkennen, welcher Richter bzw. welche Richter abgelehnt werden. Es handelt sich auch nicht um eine Ablehnung des gesamten Spruchkörpers. Die Ankündigung eines Ablehnungsgesuches --wie hier-- führt nicht zum Ausschluss eines Richters (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Juli 2012 I S 8/12, BFH/NV 2012, 1813; vom 24. Mai 2007 VII S 22/06 (PKH), BFH/NV 2007, 1903).
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2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO). Der Senat hat den Anspruch des Rügeführers auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
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a) Gemäß § 133a Abs. 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Daran fehlt es hier.
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b) Der beanstandete Beschluss bedurfte keiner weiteren Begründung. Innerhalb seiner Gesamtwürdigung brauchte der Senat nicht auf alle Punkte des umfangreichen Vortrags des Rügeführers ausdrücklich einzugehen. Dies ergibt sich aus § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO. Da in dieser Vorschrift der Verzicht auf eine Begründung vorgesehen ist, kann aus einer entsprechenden Handhabung nicht gefolgert werden, der BFH habe das Vorbringen der Beteiligten nicht erwogen und den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Januar 2007 XI S 27/06, BFH/NV 2007, 750, m.w.N.), zumal nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halb-satz FGO auch von jeglicher Begründung abgesehen werden kann. Die Vorschrift ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichts-punkten unbedenklich (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 750; vom 2. September 2005 I S 11/05, BFH/NV 2006, 97, m.w.N.).
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c) Der Senat hat auch die in den nach Ablauf der Begründungsfrist und damit verspätet eingereichten Schriftsätzen vom 2. November 2011, 18. November 2011 und 28. November 2011 enthaltenen Ausführungen, soweit sie nicht nur erläuternder, ergänzender oder vervollständigender Natur sind, zu Recht unberücksichtigt gelassen. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten zu begründen. Diese Frist kann --wie im Streitfall geschehen-- gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO um einen weiteren Monat verlängert werden. Innerhalb der Frist sind nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO darzulegen. Daher ist nach ständiger Rechtsprechung das Vorbringen nach Ablauf der Beschwerdefrist unbeachtlich, soweit es nicht die innerhalb der Beschwerdefrist schon abgegebene Begründung nur erläutert, ergänzt oder vervollständigt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Dezember 2011 IX B 3/11, BFH/NV 2012, 700; vom 19. Dezember 2011 V B 37/11, BFH/NV 2012, 956). Neue Revisionszulassungsgründe können nach Ablauf der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO daher nicht mehr geltend gemacht werden.
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d) Entgegen der Auffassung des Rügeführers liegt zudem auch keine Überraschungsentscheidung vor.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch eine Überraschungsentscheidung verletzt, wenn das Gericht aufgrund von Gesichtspunkten entscheidet, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte, ohne zuvor darauf hinzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Mai 2011 V B 113/10, BFH/NV 2011, 1523). Daran fehlt es hier.
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Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erfordern weder eine Sachverhaltswürdigung noch die rechtliche "Lösung" des Streitfalles, bei der sich gegenüber dem bisherigen Verfahren neue Aspekte ergeben könnten, sondern lediglich die Prüfung, ob Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 FGO vorliegen und bis zum Ablauf der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) auch dargelegt wurden. Überraschungsentscheidungen sind daher im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren praktisch ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juli 2011 III S 41/10, BFH/NV 2011, 1902, m.w.N.).
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Mit seiner Rüge, der Senat habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, macht der Rügeführer letztlich Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des Senatsbeschlusses vom 15. Februar 2012 geltend. Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung sind jedoch im Verfahren über die Anhörungsrüge nicht zu prüfen, da diese auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs beschränkt ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1902).
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3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn unverschuldet eine gesetzliche Frist versäumt worden ist. Der Rügeführer hat im Streitfall jedoch keine gesetzliche Verfahrensfrist versäumt. Er hat den Schriftsatz, mit dem er die Anhörungsrüge erhoben und begründet hat, innerhalb der Begründungsfrist eingereicht und damit die ihm für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zugebilligte Frist eingehalten. Das Institut der Wiedereinsetzung dient nicht dazu, inhaltliche Mängel oder Unvollständigkeiten einer fristgerecht eingereichten Begründung zu heilen (z.B. BFH-Beschluss vom 22. Februar 1989 X R 102/88, BFH/NV 1990, 47, m.w.N.; Bundessozialgericht vom 16. Februar 2001 B 2 U 52/01 B, juris, m.w.N.).
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Auf die Frage, ob den Prozessbevollmächtigten ein Verschulden an einer unvollständigen Begründung der Anhörungsrüge trifft, kommt es in diesem Verfahren daher nicht an.
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4. Der Antrag auf Akteneinsicht hat keinen Erfolg. Der Prozessbevollmächtigte des Rügeführers hat bereits am 8. Juni 2012 die Akten eingesehen. Die nunmehr begehrte Einsicht in den gerichtsinternen Schriftverkehr und andere gerichtsinterne Vorgänge ist nicht möglich. Hierbei handelt es sich um Entwürfe zu Beschlüssen und Verfügungen und Arbeiten zu ihrer Vorbereitung, die gemäß § 78 Abs. 3 FGO weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1813).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 i.V.m. § 143 Abs. 1 FGO. Die Gerichtskosten für die Anhörungsrüge richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an.
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