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BFH 07.11.2012 - V S 26/11 (PKH)
BFH 07.11.2012 - V S 26/11 (PKH) - (Kindergeldrecht: keine Anwendbarkeit der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf geringfügig Beschäftigte - Ausschluss der Öffentlichkeit im Erörterungstermin - Tatbestandswirkung der Entscheidung einer ausländischen Behörde bei Auslegung von Vorschriften des Unionsrechts)
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 62 EStG, EWGV 1408/71, § 169 GVG, § 52 Abs 1 FGO
Leitsatz
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1. NV: Nach dem EuGH-Urteil Schwemmer kommt es für die Anwendung der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf das Vorliegen einer pflichtversicherten Tätigkeit an .
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2. NV: Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt für die mündliche Verhandlung, nicht aber auch für den Erörterungstermin .
Gründe
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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2. Im Streitfall bietet das Beschwerdeverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten, da die in der Beschwerdeschrift geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
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aa) Die Antragstellerin hält es für unzulässig, "einer Kindergeldberechtigten Deutschen und EU Bürgerin kein Kindergeld zu gewähren, wenn sie zu dem Kreis der berechtigten Kindergeldempfänger gehört und von keiner weiteren Stelle oder einem anderen Staat Kindergeld erhalten hat".
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Damit legt die Antragstellerin nicht --wie erforderlich-- eine abstrakte Rechtsfrage (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. März 2012 IV B 97/11, BFH/NV 2012, 1159) dar. Denn die Frage, ob eine Kindergeldberechtigung besteht, kann nur im Hinblick auf die sich aus einer bestimmten Vorschrift ergebende Berechtigung beantwortet werden. Hierzu legt die Beschwerde nichts dar.
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bb) Weiter macht die Antragstellerin geltend, dass es für die Anwendung der "EWG Verordnung 1408/71" von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "ein Arbeitnehmer auf 400 Euro Basis gegen ein oder mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert" sei.
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Insoweit berücksichtigt die Antragstellerin aber nicht die bereits durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14. Oktober 2010 C-16/09 Schwemmer (Rdnrn. 21 und 34) eingetretene Klärung. Nach diesem --zum Kindergeldanspruch einer im Rahmen eines "Minijobs" beschäftigten Person ergangenen-- Urteil erfüllen geringfügig beschäftigte Personen die Voraussetzungen des persönlichen Anwendungsbereichs der --im Streitfall auch im Verhältnis zur Schweiz-- anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71) nicht, da sie nicht pflichtversichert sind.
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cc) Weiter sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob "ein deutsches Finanzgericht an die Auslegung vom Gemeinschaftsrecht durch eine ausländische Behörde, welche einen souveränen Staat vertritt, gebunden" sei.
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Die Antragstellerin berücksichtigt insoweit nicht, dass nach dem BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00 (BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869) bereits geklärt ist, dass die Entscheidung einer ausländischen (z.B. niederländischen) Behörde, kein Kindergeld nach dem Recht des betreffenden Staates (z.B. niederländischem Recht) zu gewähren, für die deutschen Behörden und Gerichte keine sog. Tatbestandswirkung entfaltet, da diese an die Auslegung des Unionsrechts durch eine ausländische Behörde nicht gebunden sind.
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b) Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.
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Die Antragstellerin führt für die Notwendigkeit einer Entscheidung durch den BFH an, es sei kein Einzelfall, "dass die Schweiz die deutschen 400,-- Euro Arbeitsstellen als vollständig pflichtversicherte Arbeiten wertet und daher bei einem Aufenthalt der Familie in Deutschland einen deutschen Kindergeldanspruch bejaht", während "Deutschland die gegenteilige Ansicht [vertritt] und ... der Meinung [ist], dass die Schweiz für die Kindergeldzahlung zuständig ist". Es seien dann bei Uneinigkeit hinsichtlich der vorrangigen Zuständigkeit Art. 114 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 574/72) und Art. 84a der VO Nr. 1408/71 anzuwenden. Das danach vorgesehene Verfahren sei unterblieben.
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Damit macht die Antragstellerin keine das vorliegende Verfahren betreffende Einwendung geltend. Art. 84a der VO Nr. 1408/71 sieht in seinen Abs. 1 und 2 eine Informationspflicht mit Sanktionsfolge vor, so dass sich ein besonderes Verfahren nur aus Abs. 3 dieser Vorschrift ergeben kann. Danach soll sich der Träger eines Mitgliedstaates mit dem Träger eines anderen betroffenen Mitgliedstaates in Verbindung setzen, wenn durch Schwierigkeiten bei der Auslegung dieser Verordnung die Rechte einer Person in Frage gestellt werden. Art. 114 der VO Nr. 574/72 regelt dabei die Möglichkeit vorläufiger Zahlungen. Das Verfahren nach Art. 84a Abs. 3 der VO Nr. 1408/71 ist für das Kindergeldverfahren indes nicht vorgreiflich und kann daher eine das Kindergeldverfahren betreffende Revisionszulassung nicht begründen.
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c) Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 119 Nr. 5 FGO) zuzulassen. Die Antragstellerin macht insoweit geltend, dass das Finanzgericht (FG) die Öffentlichkeit verletzt habe, da die Tür zum FG verschlossen gewesen sei. Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt indes nur für die mündliche Verhandlung, nicht aber für den Erörterungstermin (vgl. BFH-Beschluss vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). Darüber hinaus hat das FG ausweislich der das FG-Verfahren betreffenden Akten nach Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren gemäß § 90 Abs. 2 FGO entschieden.
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