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BFH 03.05.2012 - V S 13/12
BFH 03.05.2012 - V S 13/12 - Zulässigkeit eines Antrags auf AdV während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - Vorsteuerabzug aus Anzahlungen auf Lizenzgebühren
Normen
§ 15 Abs 1 Nr 1 UStG, § 69 Abs 6 FGO
Leitsatz
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1. NV: Ein Antrag auf AdV ist während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde auch für den Fall zulässig, dass das FG die AdV während des Klageverfahrens abgelehnt hat.
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2. NV: Ein während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gestellter AdV-Antrag ist nur begründet, wenn eine Revisionszulassung in Betracht kommt.
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3. NV: Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus Mindestlizenzgebühren zu versagen ist, wenn der Lizenznehmer den Lizenzvertrag kündigt, zuvor aber eine Teilleistung bezogen hat.
Tatbestand
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I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) war Geschäftsführer einer GmbH. Die GmbH schloss am 17. August 1998 einen Lizenzvertrag mit einer GbR ab. Nach diesem Vertrag räumte die GbR als "Inhaber eines deutschen Patents sowie eines deutschen Gebrauchsmusters" der GmbH eine ausschließliche Lizenz für die Herstellung und den Vertrieb bestimmter Vorrichtungen ein.
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Nach § 10 Abs. 1 des Vertrages hatte die GmbH Lizenzgebühren "in Abhängigkeit von der kumulierten Anzahl der verkauften Vertragsgegenstände" zu entrichten. Nach § 10 Abs. 2 des Vertrages verpflichtete sich die GmbH für die Kalenderjahre nach 1999 "Mindestlizenzgebühren" für die im Einzelnen jeweils bezifferte Anzahl von Lizenzgegenständen zu entrichten.
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Mit Rechnung vom 22. Dezember 2000 stellte die GbR der GmbH für das Jahr 2000 Mindestlizenzgebühren in Höhe von 1,75 Mio. DM zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 280.000 DM in Rechnung.
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Am 12. Februar 2001 reichte der Kläger als Geschäftsführer der GmbH eine Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 2000 ein, in der die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer berücksichtigt wurde. Der Vorsteuerüberhang wurde von dem für die GmbH zuständigen Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) am 20. Februar 2001 ausgezahlt.
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Bereits am 3. Februar 2001 hatte ein Patentanwalt gutachterlich festgestellt, dass das von der GmbH in Lizenz erworbene Patent der GbR zu Unrecht bestand. Die GmbH kündigte daher am 2. März 2001 den Lizenzvertrag fristlos. Die Rechnung vom 22. Dezember 2000 blieb unbezahlt.
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Mit der am 10. Februar 2003 beim zuständigen FA eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2000 wurde der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der GmbH berichtigt. Der sich hieraus ergebende Rückforderungsanspruch des FA wurde nicht beglichen. Am 17. September 2004 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Das FA nahm den Kläger mit Haftungsbescheid vom 2. November 2006 für rückständige Umsatzsteuer 2000 nach § 71 der Abgabenordnung (AO) in Haftung. In Bezug auf Zinsen und Säumniszuschläge wurde der Haftungsbescheid mit Bescheid vom 19. November 2007 zurückgenommen.
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Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid hatten keinen Erfolg. Nach dem Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 7. Juli 2011 besteht der Haftungsanspruch zu Recht. Es liege eine Steuerhinterziehung vor, da der Kläger seine Berichtigungspflicht nach § 153 AO verletzt habe. Der Kläger habe es unterlassen, die Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 2000 zu berichtigen. Nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) sei die GmbH aus der Rechnung der GbR nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Rechnung vom 22. Dezember 2000 habe sich auf eine nicht erbrachte Leistung bezogen. Im Gegensatz zur Lizenzgebühr nach § 10 Abs. 1 des Vertrages, für die es auf die tatsächlich verkauften Vertragsgegenstände angekommen sei, habe es sich bei den Mindestlizenzgebühren nach § 10 Abs. 2 des Vertrages um Beträge gehandelt, denen ein fiktiver Verkauf zugrunde gelegen habe, so dass es sich um einen "Abschlag" oder eine "Anzahlung" für die Entwicklung der Vorrichtungen gehandelt habe. Ohne Zahlung auf die Rechnung habe daher ein Vorsteuerabzug nicht in Anspruch genommen werden können. Der Kläger habe auch den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht, da spätestens bei der Kündigung am 2. März 2001 festgestanden habe, dass es nicht zu einer Vermarktung des Produkts kommen würde.
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Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hat das FG mit Beschluss vom 10. Juli 2008 14 V 1356/08 abgelehnt.
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Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde im Urteil des FG erhob der Kläger Beschwerde beim Bundesfinanzhof --BFH-- (V B 86/11). Den nach Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde beim FG gestellten Antrag auf AdV des angefochtenen Haftungsbescheides vom 14. März 2012 hat das FG mit Beschluss vom 29. März 2012 zuständigkeitshalber an den BFH verwiesen.
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Der Kläger beantragt,
die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 2. November 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19. November 2007 bis zur Rechtskraft der Entscheidung des BFH im Verfahren V B 86/11 auszusetzen.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Der nach Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellte Antrag auf AdV des Haftungsbescheides vom 2. November 2006 ist zulässig.
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a) Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das FG den während des Klageverfahrens gestellten Antrag auf AdV mit Beschluss vom 10. Juli 2008 14 V 135/08 rechtskräftig abgelehnt hatte; denn es handelt sich bei dem nach Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellten Antrag im jetzigen Verfahrensabschnitt des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nicht um eine Wiederholung eines früheren Antrags auf AdV i.S. des § 69 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil mit dem früheren Antrag AdV bis zum Ende des aktuellen Verfahrensabschnitts beantragt worden war (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juli 2011 IV S 11/10, BFH/NV 2011, 1894).
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b) Unerheblich für die Beurteilung der Zulässigkeit ist, dass der Kläger nicht zuvor AdV beim FA beantragt hatte. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist ein Antrag auf AdV an das Gericht zwar nur zulässig, wenn das FA einen bei ihm gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hat; jedoch genügt die einmalige Ablehnung der Aussetzung durch die Finanzbehörde, auch wenn diese in einem früheren Verfahrensstadium erfolgt ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Juni 2005 IV S 3/05, BFH/NV 2005, 2014, und vom 17. Dezember 1996 VIII B 71/96, BFHE 182, 164, BStBl II 1997, 290).
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2. Der Antrag ist begründet, er führt zur AdV des angefochtenen Haftungsbescheides im beantragten Umfang.
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a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist der Fall, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2004 I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882; vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523, m.w.N.). Es genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg; ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. August 2009 VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826; vom 13. Oktober 2009 VIII B 62/09, BFHE 226, 353, BStBl II 2010, 180).
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b) Wird der Antrag auf AdV --wie im vorliegenden Fall-- während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH gestellt, so können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nur dann bestehen, wenn ernstlich mit einer Zulassung der Revision zu rechnen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 2004 IV S 19/03, BFH/NV 2004, 793, und vom 13. Oktober 2005 X S 14/05, BFH/NV 2006, 114).
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Diese Voraussetzungen liegen vor, denn die Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung liegt nahe.
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Das FG hat die Klage wegen Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner für Umsatzsteuerschulden der GmbH nach § 71 AO (Haftung als Steuerhinterzieher) abgewiesen. Voraussetzung für dessen Inanspruchnahme ist u.a., dass der GmbH der Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 22. Dezember 2000 über die vereinbarte Mindestlizenzgebühr für das Jahr 2000 nicht zustand. Das hat das FG mit der Begründung verneint, bei der Vereinbarung einer Mindestlizenzgebühr handele es sich um Beträge, denen ein fiktiver Verkauf von Vertragsgegenständen zugrunde gelegt werde, so dass es sich im Ergebnis tatsächlich um einen in Rechnung gestellten Abschlag bzw. eine Anzahlung für die Entwicklung der aufgrund des Schutzrechts herzustellenden Vorrichtungen handele. Da die GmbH die Rechnung nicht bezahlt habe, sei nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG der Vorsteuerabzug nicht zulässig gewesen.
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Der Kläger hat zutreffend dargelegt, dass über die Frage des Leistungsgegenstandes bei der Vereinbarung von Mindestlizenzgebühren höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, die Vereinbarung von Mindestlizenzgebühren kein Einzelfall, sondern unter Hinweis auf entsprechende Literatur formularmäßig empfohlen werde. Er hat weiter unter zutreffendem Hinweis auf die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Juli 2008 6 U 109/07 (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht --GRUR-RR-- 2009, 121) dargelegt, dass der Lizenznehmer zur Zahlung von Lizenzgebühren verpflichtet sei, solange das Patent nicht rechtskräftig für nichtig erklärt sei und solange es von den Mitbewerbern respektiert und dadurch dem Lizenznehmer eine vorteilhafte Stellung verschafft werde und nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27. Juni 1991 I ZR 7/90, BGHZ 115, 69, GRUR 1993, 40, Keltisches Horoskop), selbst wenn sich die materiellen Schutzvoraussetzungen bei späterer Prüfung als nicht vorliegend erweisen, die sog. Leerübertragung nur zu einer Kündigung ex nunc führe, wenn der Lizenznehmer trotz der Leerübertragung eine wirtschaftliche Vorzugsstellung erhalte. Damit sei die Entscheidung des FG nicht vereinbar.
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Die Frage der Beurteilung der Mindestlizenzgebühr ist entscheidungserheblich und im Revisionsverfahren klärbar. Liegt bei Vereinbarung einer Mindestlizenzgebühr ungeachtet der konkreten Verwendung der Lizenz eine Leistung des Lizenzgebers vor, kann die Vereinbarung jährlicher Lizenzgebühren als Vereinbarung einer Teilleistung zu beurteilen sein (vgl. z.B. Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG § 13 Anm. 145 "Lizenzgebühren") und der Vorsteuerabzug daher auch ohne Zahlung in Anspruch genommen werden. Die Kündigung des Lizenzvertrages im März 2001 hätte dann ggf. nur eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG im Jahr 2001, nicht aber das rückwirkende Entfallen des Vorsteuerabzuges zur Folge (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). Danach liegen die Voraussetzungen einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung vor.
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