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BFH 12.01.2012 - II S 9/11 (PKH)
BFH 12.01.2012 - II S 9/11 (PKH) - Entscheidung über den Erlass von Säumniszuschlägen; Geltendmachung der Unrichtigkeit des Tatbestands eines FG-Urteils; Maßgeblichkeit der in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge; Protokollberichtigung
Normen
§ 218 Abs 2 S 1 AO, § 240 AO, § 92 Abs 3 FGO, § 94 FGO, § 105 Abs 3 S 1 FGO, § 108 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO
Leitsatz
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1. NV: Über den Erlass von Säumniszuschlägen ist nicht im Rahmen eines Abrechnungsbescheids, sondern in einem eigenständigen Verfahren zu entscheiden.
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2. NV: Einwendungen gegen die Richtigkeit des Tatbestands eines aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenen FG-Urteils können nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, sondern nur mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung geltend gemacht werden.
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3. NV: Für die Entscheidung über eine Klage nach mündlicher Verhandlung kommt es nicht auf die schriftsätzlich formulierten Klageanträge, sondern auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge an.
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4. NV: Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision kann eine Protokollberichtigung nicht erreicht werden.
Tatbestand
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I. Der Antragsteller beantragte in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) ausweislich der Niederschrift (§ 94 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. §§ 159 ff. der Zivilprozessordnung --ZPO--),
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"1. den Abrechnungsbescheid vom 22.11.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2005 dahingehend zu ändern, daß die Säumniszuschläge aufgehoben werden
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2. die Umsatzsteuerbescheide 1996 bis 2000 dahingehend zu ändern, daß die Vorsteuerbeträge laut Betriebsprüfung 1998 anerkannt werden.
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3. die Gewinnfeststellungsbescheide 1994 bis 2000 dahingehend zu ändern, daß die Zinszahlungen bzw. Rückstellungen anerkannt werden."
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In der Niederschrift heißt es ferner u.a., die Beteiligten seien sich darüber einig, dass über den Antrag auf Erlass (der Säumniszuschläge) in dem beim 1. Senat anhängigen Verfahren 1 K 1511/08 zu entscheiden sei. Mit Schreiben vom 6. Juni 2011 beantragte der Antragsteller, die Niederschrift insoweit zu ändern. Zur Begründung führte er einerseits aus, über den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge sei im Verfahren 1 K 1512/06 zu entscheiden (Abschn. 1 des Schreibens), und andererseits, die in der Niederschrift zitierte Einigkeit habe nicht bestanden, "da in der Klage der Antrag auch die Anerkennung der Unbilligkeit auf die Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer festgelegt" gewesen sei (Abschn. 9 des Schreibens). Die Einzelrichterin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 14. Juni 2011 mit, sie sehe keine Veranlassung für eine Ergänzung oder Berichtigung des Protokolls.
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Das FG wies die Klage ausgehend von den in der Niederschrift angegebenen Klageanträgen ab.
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Der Antragsteller beantragt, ihm für die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Das FG habe zu Unrecht nicht über den bereits in der Klageschrift gestellten Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge entschieden. Dieser Antrag sei nicht Gegenstand des Verfahrens 1 K 1511/08. Der somit gegebene Verfahrensmangel müsse zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH hat keinen Erfolg.
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1. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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a) Der Antragsteller kann mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nicht rügen, das FG habe den auf Erlass der Säumniszuschläge gerichteten Antrag zu Unrecht im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des Urteils übergangen. Der Antragsteller hätte vielmehr innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils eine entsprechende Berichtigung des Urteilstatbestands gemäß § 108 Abs. 1 FGO beantragen müssen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. August 1994 II B 68/94, BFH/NV 1995, 240, und vom 31. Januar 2006 XI B 18/05, BFH/NV 2006, 1113). Einwendungen gegen die Richtigkeit des Tatbestands eines aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenen FG-Urteils können nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geltend gemacht werden; sie müssen vielmehr zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 Abs. 1 FGO) gemacht werden (BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2011 XI S 29/10, BFH/NV 2011, 824, unter 4.b; vom 30. Juni 2011 VII B 124/10, BFH/NV 2011, 2112, unter II.4., und vom 10. August 2011 X B 100/10, BFH/NV 2011, 2098, unter 2.b, je m.w.N.). Zum Tatbestand i.S. § 108 Abs. 1 FGO gehören auch die von den Beteiligten gestellten Anträge (§ 105 Abs. 3 Satz 1 FGO; BFH-Beschluss vom 27. November 2003 VI B 261/00, BFH/NV 2004, 364; Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 108 Rz 26; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 108 FGO Rz 9; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 108 FGO Rz 4; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 108 Rz 3).
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b) Im Übrigen kommt es entgegen der Ansicht des Antragstellers für die Entscheidung über eine Klage nach mündlicher Verhandlung nicht auf die schriftsätzlich formulierten Klageanträge, sondern auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge an (§ 92 Abs. 3 FGO; BFH-Urteile vom 14. Juni 1994 IX R 36/89, BFH/NV 1995, 218, und vom 4. September 2008 IV R 1/07, BFHE 222, 220, BStBl II 2009, 335, unter II.3.a; BFH-Beschluss vom 30. Januar 2004 XI S 21/03, BFH/NV 2004, 802; Lange, a.a.O., § 96 FGO Rz 182).
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c) Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision kann eine Protokollberichtigung nicht erreicht werden (BFH-Beschlüsse vom 25. November 2010 II B 3/10, BFH/NV 2011, 415, unter 2.c, und vom 8. Juli 2011 III B 7/10, BFH/NV 2011, 1895, unter 1.).
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d) Über die Frage, ob Säumniszuschläge (§ 240 der Abgabenordnung --AO--) nach § 227 AO zu erlassen sind, ist nicht im Rahmen eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 Satz 1 AO), sondern in einem eigenständigen Verfahren zu entscheiden (Grundsatz der Zweigleisigkeit; BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2007 VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2069; vom 31. Juli 2007 VIII B 42/05, BFH/NV 2007, 2305, und vom 21. Dezember 2010 V B 16/09 u.a., BFH/NV 2011, 565).
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtskosten fallen nicht an.
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