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BFH 13.12.2011 - X B 127/11
BFH 13.12.2011 - X B 127/11 - Aussetzung des den Folgebescheid betreffenden Klageverfahrens bei noch fehlendem Grundlagenbescheid - Ermittlungskompetenz hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen
Normen
§ 155 Abs 2 AO, § 162 Abs 5 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 74 FGO, § 179 Abs 1 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 12. August 2011, Az: 4 K 63/11, Beschluss
Leitsatz
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NV: Ein Gebot zur Aussetzung des den Folgebescheid betreffenden Klageverfahrens besteht grundsätzlich auch dann, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist, die in dem Folgebescheid angesetzten Besteuerungsgrundlagen, die den ausstehenden Grundlagenbescheid betreffen, aber streitig sind .
Tatbestand
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I. In dem gegenüber der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2009 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gewerbliche Einkünfte von insgesamt 689 € an. Hierin sind Einkünfte als Mitunternehmerin der Firma K-KG enthalten. Nach dem unbestrittenen Vortrag des FA im Klageverfahren hatte die Klägerin in der Einkommensteuererklärung 2009 angegeben, sie sei an der K-KG beteiligt. Zur Höhe ihres Gewinnanteils trug sie in das Erklärungsformular ein: "von Amts wegen". Da noch kein Bescheid über die einheitlichen und gesondert festzustellenden Einkünfte der K-KG vorlag, setzte das FA im Einkommensteuerbescheid 2009 diese Beteiligungseinkünfte im Wege der Schätzung in der im Vorjahr festgestellten Höhe von 705 € an.
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Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, das FA habe nicht nachgewiesen, dass sie im Streitjahr aus ihrer Beteiligung an der K-KG Einkünfte in der angesetzten Höhe erzielt habe. Das FA habe keinen für diese Gesellschaft ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid vorgelegt. Eine im Verlauf des Klageverfahrens vom FA eingeholte Auskunft bei dem für dieses Feststellungsverfahren zuständigen FA ergab, dass nach der eingereichten Feststellungserklärung der K-KG auf die Klägerin im Streitjahr 2009 ein Gewinnanteil von 533,73 € entfiel. Mit dem Erlass eines Bescheids über die Feststellung dieser Einkünfte war nach der erteilten Auskunft nicht in absehbarer Zeit zu rechnen. Hierauf setzte das Finanzgericht (FG) durch Beschluss vom 12. August 2011 das Klageverfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur Bestandskraft des Bescheids für 2006 (gemeint wohl: 2009) über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der K-KG aus.
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Hiergegen wendet sich die Beschwerde. Die Klägerin macht geltend, eine Verfahrensaussetzung habe zu unterbleiben. Hinsichtlich ihrer Beteiligung an der K-KG sei kein Rechtsstreit anhängig. Für das Streitjahr 2009 sei noch kein die K-KG betreffender Feststellungsbescheid ergangen. Wann dieser ergehe, sei nicht absehbar. Bei dieser Sachlage sei eine Aussetzung nicht ermessensgerecht, weil der Klägerin sonst kein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet werde. Dies entspreche auch der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluss vom 3. August 2000 III B 179/96 (BFHE 192, 255, BStBl II 2001, 33).
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Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
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Es hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2011 mitgeteilt, die Einkünfte der Klägerin aus der K-KG seien vom Finanzamt X zwischenzeitlich festgestellt worden und demnächst werde ein geänderter Einkommensteuerbescheid ergehen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im angefochtenen Beschluss getroffene Entscheidung des FG, das Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, ist nicht zu beanstanden.
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Nach § 74 FGO kann ein Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer anderen Verwaltungsbehörde als der beklagten Behörde festzustellen ist. Die Entscheidung des FG über die Aussetzung des Verfahrens ist eine Ermessensentscheidung.
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a) Es ist dabei regelmäßig geboten und zweckmäßig, dass das FG den Streit um die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids aussetzt, solange noch unklar ist, ob und wie der angefochtene Grundlagenbescheid geändert wird (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Februar 1991 II B 160/89, BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368, m.w.N.). Dass der Erlass eines zukünftigen oder geänderten Grundlagenbescheids über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung zu einer Änderung des Folgebescheids führt, steht dem nicht entgegen (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2007 X B 21/07, BFH/NV 2007, 1532).
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Ein solches Gebot zur Aussetzung des den Folgebescheid betreffenden Klageverfahrens besteht grundsätzlich auch dann, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist und die in dem Folgebescheid angesetzten Besteuerungsgrundlagen, die den Grundlagenbescheid betreffen, streitig sind (BFH-Urteile vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290, und vom 7. November 1996 IV R 72/95, BFH/NV 1997, 574; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 162 AO Rz 89).
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Von diesem Grundsatz geht auch der von der Klägerin zitierte BFH-Beschluss in BFHE 192, 255, BStBl II 2001, 33 aus. Soweit der BFH in diesem Beschluss angenommen hat, eine Verfahrensaussetzung könne im Fall eines noch ausstehenden Grundlagenbescheids in Ausnahmefällen unterbleiben, hat er darauf abgestellt, dass kein Streit über die in dem Folgebescheid angesetzte Besteuerungsgrundlage besteht, z.B. weil das FA sie in der vom Kläger angegebenen Höhe angesetzt hat. Setzt hingegen die Finanzbehörde --wie im Streitfall-- diese Besteuerungsgrundlage im Wege der Schätzung fest, mit deren Ansatz der Kläger nicht einverstanden ist, hat das FG auch nach dem vorstehend genannten BFH-Beschluss das Klageverfahren bis zum Ergehen des Grundlagebescheids und seiner Bestandskraft auszusetzen.
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b) Diese Vorgehensweise dient dem klägerischen Rechtschutz. Das FA ist nach § 155 Abs. 2 AO befugt, einen Folgebescheid vor Ergehen des Grundlagenbescheids zu erlassen. Es darf in einem solchen Fall gemäß § 162 Abs. 5 AO als vorläufige Entscheidung die den Grundlagenbescheid betreffende Besteuerungsgrundlage schätzen. Welcher Wert endgültig anzusetzen ist, kann aber nur im Rahmen des den (künftigen) Grundlagenbescheid betreffenden Verfahrens entschieden werden. Denn die Ermittlungskompetenz hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen des Grundlagenbescheids liegt allein bei dem für den Grundlagenbescheid zuständigen Finanzamt, dessen Entscheidung nur im Rahmen eines diesen Grundlagenbescheid betreffenden Rechtsbehelfsverfahrens überprüft werden kann. Gleichwohl lässt es die Rechtsprechung zu, eine den Folgebescheid betreffende Klage auch auf Einwendungen zu stützen, die sich auf in einem Grundlagenbescheid festzustellende Besteuerungsgrundlagen beziehen. Dies hat dann aber zur Konsequenz, dass in einem solchen Fall das den Folgebescheid betreffende Klageverfahren regelmäßig auszusetzen ist, bis das Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid bestandskräftig abgeschlossen ist.
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