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BFH 20.10.2011 - IV R 35/08
BFH 20.10.2011 - IV R 35/08 - Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück
Normen
§ 39 Abs 2 Nr 1 S 1 AO, § 6 Abs 5 S 1 EStG 1999, § 6 Abs 5 S 3 EStG 1999, § 52 Abs 16 S 11 EStG 1999
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 3. Mai 2007, Az: 8 K 10055/05, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine Rückbeziehung des Gefahrübergangs auf einen Zeitpunkt vor dem Abschluss des maßgeblichen Übertragungsvertrages versetzt den Erwerber nicht in die Lage, den Veräußerer bereits vor Vertragsschluss von der Einwirkung auf das übertragene Grundstück auszuschließen. Der Erwerber kann in der Regel frühestens mit dem Abschluss des Übertragungsvertrages wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks werden.
Tatbestand
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I. Ursprünglich hatte AX, der Ehemann der Beigeladenen und Revisionsklägerin BX und Vater der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), auf dem Grundstück C-Straße 1 in D eine Autowerkstatt, eine Tankstelle und einen Abschleppdienst betrieben. Im Jahr 1989 hatte er das Werkstattgebäude mit dem zugehörigen Grundstücksteil seinem Sohn, dem beigeladenen FX, verpachtet.
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Im Jahr 1996 verstarb AX. Erben wurden zu 50 v.H. BX sowie zu je 25 v.H. die Klägerin und FX. Die Erben gründeten sodann die X GbR (GbR), welche das Unternehmen des AX sowie das Pachtverhältnis mit FX fortführte.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3. Januar 2000 nahm die Erbengemeinschaft eine Teilauseinandersetzung sowie eine solche der GbR vor. Danach sollte FX den noch zu vermessenden Grundstücksteil mit der Werkstatt samt Inventar erhalten. Der Gefahrübergang wurde auf den 31. Dezember 1999, 24:00 Uhr festgelegt.
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Da die Erben von einem Buchwertübergang der betreffenden Wirtschaftsgüter auf FX ausgingen, erklärten sie in der Gewinnfeststellungserklärung der GbR für das Streitjahr (1999) keinen Gewinn aus dem Übertragungsvorgang. Die Erklärung enthielt auch ansonsten keinen Hinweis auf die vorgenommenen Auseinandersetzungen bzw. den Übertragungsvorgang. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ daraufhin einen der eingereichten Erklärung entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid für die GbR.
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Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 legte die GbR den Auseinandersetzungsvertrag vor. Der Prüfer wies im Prüfbericht darauf hin, dass im Jahr 1999 ein Gewinn aus der Übertragung der Werkstatt auf FX nach § 6 Abs. 5 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) --EStG 1999-- in Höhe von 284.363 DM zu erfassen sei. Daraufhin erließ das FA einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1999 und stellte den Gewinn unter Berücksichtigung des Übertragungsgewinns auf nunmehr 577.582 DM fest.
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Die dagegen erhobene Sprungklage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt die vom FA vorgenommene Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für zulässig, weil die GbR ihre Erklärungspflichten nicht vollständig erfüllt habe. Da die das Streitjahr betreffenden Feststellungen des Prüfers auf einer Einzelermittlungshandlung beruht hätten, bestehe auch kein Verwertungsverbot. Schließlich sei kein Teilbetrieb auf FX übertragen worden, so dass von der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern i.S. des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 auszugehen und der Teilwert anzusetzen sei. Dies folge daraus, dass die GbR die Kfz-Werkstatt nie selbst betrieben und nur ein Betriebsgrundstück nebst Werkstatt samt Inventar verpachtet habe.
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Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, diese als Rechtsnachfolgerin der GbR, und der BX (Revisionsklägerinnen), mit der sie die Verletzung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sowie § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend machen.
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Die Revisionsklägerinnen beantragen, das FG-Urteil sowie den Feststellungsänderungsbescheid vom 5. Januar 2005 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Feststellungsänderungsbescheids des FA vom 5. Januar 2005 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Entgegen der Auffassung des FG und unabhängig von der Frage, ob in der Sache ein Teilbetrieb übertragen worden ist, kann ein etwaiger Gewinn aus der Übertragung des Teilgrundstücks mit Werkstatt und Inventar von der Erbengemeinschaft nach AX auf den Miterben FX nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 jedenfalls nicht schon im Streitjahr (1999) erfasst werden.
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1. Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG 1999 ist in dem Fall, dass ein einzelnes Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt wird, bei der Überführung der Wert anzusetzen, der sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 gilt Satz 1 dagegen nicht bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt, bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Sonderbetriebsvermögen bei derselben Mitunternehmerschaft und umgekehrt sowie bei der Übertragung zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft; in diesen Fällen ist bei der Übertragung der Teilwert anzusetzen. § 6 Abs. 5 EStG 1999 ist dabei nach § 52 Abs. 16 Satz 11 EStG 1999 erstmals auf den Erwerb von Wirtschaftsgütern anzuwenden, bei denen der Erwerb aufgrund eines nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrages oder gleichstehenden Rechtsakts erfolgt. Hinsichtlich des danach maßgeblichen Eintritts der steuerlichen Rechtsfolgen der Übertragung von Wirtschaftsgütern und damit auch der Bestimmung des maßgeblichen Veranlagungszeitraums für die Erfassung eines Übertragungsgewinns ist alleine die Übertragung des zivilrechtlichen bzw. wirtschaftlichen Eigentums von Bedeutung (Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 1442a).
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2. Entgegen der Auffassung des FA ist das wirtschaftliche Eigentum an der von der Erbengemeinschaft auf FX übertragenen Teilgrundstücksfläche nebst Werkstatt samt Inventar nicht bereits im Streitjahr, sondern erst im Jahr 2000 auf FX übergegangen.
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a) Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem Eigentümer zuzurechnen, wenn er die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Im Vorstadium des Eigentumserwerbes an Grundstücken liegen diese Voraussetzungen stets vor, wenn der Erwerber die tatsächliche Sachherrschaft innehat und aufgrund der erklärten Auflassung sowie der ins Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung in der Lage ist, den Veräußerer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut auszuschließen (vgl. etwa Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2002 IV R 19/00, BFHE 199, 266, BStBl II 2002, 692). Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Grundstücken setzt aber keine Auflassung voraus (vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 1987 VI R 65/84, BFH/NV 1988, 86; vom 15. März 1973 VIII R 90/70, BFHE 109, 254, BStBl II 1973, 591; BFH-Beschluss vom 13. Januar 2006 I B 93/05, BFH/NV 2006, 706). Vielmehr ist für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück der Zeitpunkt maßgeblich, von dem ab der Erwerber nach dem Willen der Vertragspartner wirtschaftlich über das Grundstück verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, sobald in Erwartung des Eigentumserwerbes Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 12. September 1991 III R 233/90, BFHE 166, 49, BStBl II 1992, 182; vom 4. Juni 2003 X R 49/01, BFHE 202, 320, BStBl II 2003, 751; vom 15. Dezember 2009 IX R 9/08, BFH/NV 2010, 1099).
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b) Dieser Übergang war im Übertragungsvertrag vom 3. Januar 2000 zwar auf den 31. Dezember 1999, 24:00 Uhr vereinbart worden. Allerdings versetzt eine solche Rückbeziehung des Gefahrübergangs auf einen Zeitpunkt vor dem Abschluss des maßgeblichen Übertragungsvertrages den Erwerber gerade nicht in die Lage, den Veräußerer bereits vor dem Vertragsabschluss von der Einwirkung auf das übertragene Grundstück auszuschließen (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2006 IV B 208/04, BFH/NV 2006, 1823; vgl. auch BFH-Beschluss vom 2. März 2004 III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109). Insofern setzt der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums --zu bereits bei Beginn des Nutzungsverhältnisses feststehenden Bedingungen-- eine konkret auf Eigentumsübertragung gerichtete vertragliche Bindung voraus (vgl. BFH-Urteile vom 1. Oktober 1997 X R 91/94, BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203; vom 18. Juli 2001 X R 39/97, BFHE 196, 139, BStBl II 2002, 284). Der Erwerber kann --etwa bei vorzeitiger Besitzeinräumung-- in der Regel frühestens mit dem Abschluss des Übertragungsvertrages wirtschaftlicher Eigentümer werden (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juni 1988 III R 18/85, BFH/NV 1989, 348; vom 7. März 2001 X R 147/97, BFH/NV 2001, 1235; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 39 AO Rz 54a; auch Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 39 AO Rz 73).
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c) Die Richtigkeit dieser Überlegung zeigt sich im Streitfall daran, dass die Erbengemeinschaft etwa am 1. oder 2. Januar 2000 noch frei gewesen wäre, über das Grundstück zu verfügen. Zwar hatte FX bereits vor dem Abschluss des notariellen Vertrages vom 3. Januar 2000 aufgrund des mit der Erbengemeinschaft bestehenden Pachtverhältnisses den Besitz an dem übertragenen Teilgrundstück nebst Werkstatt samt Inventar inne und durfte dort die Werkstatt betreiben. Die Besitzüberlassung im Rahmen eines Pachtvertrages ist allerdings nicht auf einen späteren Eigentumserwerb gerichtet (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 10. Aufl., § 39 Rz 17). Vor allem führt sie in der Person des Pächters nicht zum Erwerb einer Rechtsposition, die es ihm erlauben würde, wirtschaftlich über das Grundstück zu verfügen, denn selbst langfristig angelegte Pachtverträge berechtigen den Pächter regelmäßig nur zur Nutzung des Pachtgegenstandes und führen schon deshalb nicht zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 2001 X R 82/97, BFHE 195, 159, BStBl II 2001, 440; Fischer in HHSp, § 39 AO Rz 66 und 68). Dies gilt selbst dann, wenn die Vertragsbeteiligten bei Abschluss des Pachtvertrages ins Auge fassen, dass der Pachtgegenstand nach Ablauf der Pachtzeit an den Pächter veräußert werden soll (Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 39 Rz 21).
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d) Soweit das FA ausführt, der seiner Ansicht nach entstandene Gewinn sei deshalb bereits im Streitjahr anzusetzen, weil das Grundstück nicht übertragen, sondern entnommen worden sei und die maßgebliche Entnahmehandlung in der Ausbuchung des Teilgrundstücks mit Werkstatt und Inventar im Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1999 liege, ist dem schon deshalb nicht zu folgen, weil eine solche Entnahmehandlung vor dem Ablauf des Jahres 1999 nicht vorgelegen haben kann. Der Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1999 trägt das Datum vom 25. April 2001 und ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vor dem Bilanzstichtag erstellt worden.
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3. Die Sache ist spruchreif.
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Das FG-Urteil sowie der Feststellungsänderungsbescheid des FA vom 5. Januar 2005 sind bereits deshalb aufzuheben, weil ein aus dem streitbefangenen Vorgang etwa entstandener Gewinn nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 erst im Veranlagungszeitraum 2000 erfasst werden konnte. Der Senat braucht daher weder zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO noch dazu Stellung zu nehmen, ob der Feststellungsänderungsbescheid statt an die GbR an die Erbengemeinschaft zu richten gewesen wäre, der übertragene Grundstücksteil aufgrund der Verpachtung durch die Erbengemeinschaft an FX dem Einzelunternehmen des FX zuzuordnen war bzw. der FX in Höhe seiner Erbquote zuzuordnende Teil dieses Teilgrundstücks nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG 1999 zum Buchwert entnommen werden konnte oder ob das FG-Urteil gegen § 119 Nr. 6 FGO verstößt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht gemäß § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da er keinen eigenen Sachantrag gestellt hat (BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 IV R 14/04, BFHE 212, 231, BStBl II 2006, 418).
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