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BFH 14.07.2011 - V S 8/11 (PKH)
BFH 14.07.2011 - V S 8/11 (PKH) - Keine Erfolgsaussichten bei Klage gegen Regelsteuersatz für Menüservice an Schulen und Kindergärten einer Gemeinde - Anforderungen an die Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfe-Verfahren - Keine Grundrechtsverletzung durch die sich nach dem UStG ergebende Besteuerung
Normen
§ 3 Abs 1 UStG 2005, § 3 Abs 9 UStG 2005, § 12 Abs 1 UStG 2005, § 12 Abs 2 Nr 1 UStG 2005, Art 5 EWGRL 388/77, Art 6 EWGRL 388/77, § 142 FGO, § 3 Abs 1 UStG 1999, § 3 Abs 9 UStG 1999, § 12 Abs 1 UStG 1999, § 12 Abs 2 Nr 1 UStG 1999, § 114 ZPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG
Leitsatz
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NV: Bei summarischer Prüfung handelt es sich nicht um die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines z.B. Imbissstandes, wenn der Unternehmer mit seinen Speisen vertragliche Verpflichtungen zur Berücksichtigung der "ernährungsphysiologischen Bedürfnisse der Essensteilnehmer", und zur Darreichung "eines altersgerechten und abwechslungsreichen Essens" sowie zur Darreichung "abwechslungsreicher Kost" in Kindertageseinrichtungen erfüllen soll .
Tatbestand
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I. Der Antragsteller begehrt nachträglich Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung seines Revisionsverfahrens (V R 47/10), in dem streitig ist, ob er berechtigt ist, den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Lieferung von Speisen anzuwenden oder ob seine Leistungen als sonstige Leistungen dem Regelsteuersatz unterliegen.
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Der Antragsteller betrieb in den Streitjahren 2004 bis 2006 einen Menüservice. Er belieferte aufgrund eines mit einer Gemeinde abgeschlossenen Dienstleistungs- und Verpflegungsvertrages in H mehrere Schulen und Kindergärten mit warmen Mahlzeiten. Nach dem vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Vertrag war die Verpflegung "auf die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse der Essensteilnehmer auszurichten". Dabei hatte der Antragsteller auf das "Angebot eines altersgerechten und abwechslungsreichen Essens" und in den Kindertageseinrichtungen auf "abwechslungsreiche Kost" zu achten. Zur Sicherung und Kontrolle der Qualität der angebotenen Speisen waren nach Bedarf "Auswertungsgespräche" zu führen. Es waren wöchentliche Speisepläne zu erstellen. Die "festgelegten Zeiten" waren zu beachten.
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Ab August 2006 versorgte der Antragsteller auch eine Kindertagesstätte in T mit warmen Mahlzeiten. Hierzu überließ die Gemeinde dem Antragsteller für die Dauer des geschlossenen Dienstleistungsvertrages eine Küche nebst Inventar. Der Antragsteller bereitete sämtliche Speisen in der in der Kita "Z" in H befindlichen Küche zu und fuhr sie wärmeisoliert zu den einzelnen Einrichtungen. Mit Ausnahme des Gymnasiums wurde das Essen von den in den einzelnen Einrichtungen beschäftigten Erziehern portioniert und an die Kinder ausgeteilt, obwohl der Antragsteller hierzu nach dem Vertrag selbst verpflichtet war. Der Antragsteller hatte für die Reinigung des Geschirrs und die Entsorgung der Essensreste zu sorgen. Die Reinigung der einzelnen Speiseräume in den Kitas und der dort befindlichen Tische übernahmen die dort beschäftigten Erzieherinnen.
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Mit Ausnahme der in dem Gymnasium erbrachten Leistungen besteuerte der Antragsteller seine Umsätze nach dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999/2005. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) demgegenüber davon aus, dass auch insoweit der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ließ die Revision zu.
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Der Antragsteller begründet die Revision damit, dass die Reinigung von Geschirr nicht ausreiche, um von einer Bewirtungssituation auszugehen. Es komme auch auf den jeweiligen Adressaten der Speisenlieferung an. Es liege eine willkürliche Differenzierung vor. Er sei durch fehlerhafte Rechtsanwendung auch in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit und in der Ausübung seines Gewerbebetriebs verletzt. Im Hinblick auf seine Kalkulationsspanne sei der Regelsteuersatz nicht anwendbar.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
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1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Erfolgs spricht. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sind die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über den PKH-Antrag maßgeblich (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juli 2007 III S 1/07, BFH/NV 2007, 2113, m.w.N.).
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An die Erfolgsaussichten der Sache im PKH-Verfahren dürfen zwar keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2007 VIII S 13/07 (PKH), BFH/NV 2008, 591). Aber auch nach diesem Prüfungsmaßstab ist nicht zu erkennen, dass die Revision des Antragstellers hinreichende Erfolgsaussichten haben könnte.
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2. Nach der gebotenen summarischen Prüfung sind die Leistungen des Antragstellers als sonstige Leistungen, nicht aber als Lieferung anzusehen.
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a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigte sich die Steuer auf 7 v.H. für "die Lieferungen" der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände.
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Nach § 3 Abs. 1 UStG sind "Lieferungen eines Unternehmens ... Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht)". § 3 Abs. 9 UStG hatte in den Streitjahren folgenden Wortlaut: "Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. ... Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden."
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Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach als Lieferung eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, und auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach als Dienstleistung jede Leistung gilt, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Art. 5 dieser Richtlinie ist.
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b) Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Bog u.a. (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 272 Leitsatz 1) ist die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen oder in Kino-Foyers eine Lieferung von Gegenständen, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen, während die Tätigkeiten eines Partyservice außer in den Fällen, in denen dieser lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement liefert oder in denen weitere, besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist, Dienstleistungen darstellen.
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Für die Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen ist somit danach zu differenzieren, ob es sich um
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- die Abgabe einer Standardspeise (EuGH-Urteil Bog u.a. in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 Leitsatz 1) als Ergebnis einer "einfachen, standardisierten Zubereitung" (EuGH-Urteil Bog u.a. in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 Rdnr. 74) handelt, bei der sich "die Zubereitung des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die in den meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig oder in Abständen vorgenommen werden" (EuGH-Urteil Bog u.a. in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 Rdnr. 68) oder ob
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- andere Speisen abgegeben werden, die "nicht das Ergebnis einer bloßen Standardzubereitung sind, sondern einen deutlich größeren Dienstleistungsanteil aufweisen und mehr Arbeit und Sachverstand erfordern", bei denen die "Qualität der Gerichte, die Kreativität sowie die Darreichungsform ... Elemente [sind], die in den meisten Fällen für den Kunden von entscheidender Bedeutung sind" (EuGH-Urteil Bog u.a. in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 Rdnr. 77) und die "in verschlossenen Warmhalteschalen angeliefert oder ... [durch den Unternehmer] aufgewärmt" werden, wobei für "den Kunden wesentlich ist, dass die Speisen genau zu dem von ihm festgelegten Zeitpunkt geliefert werden (EuGH-Urteil Bog u.a. in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 Rdnr. 78), während die ggf. zusätzliche Erbringung weiterer Dienstleistungen bei der Abgabe von Standardspeisen für eine Beurteilung der Speisenabgabe als sonstige Leistung sprechen könne (EuGH-Urteil Bog u.a. in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 Rdnr. 79).
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c) Danach ist bei summarischer Prüfung im Streitfall davon auszugehen, dass es sich bei den Leistungen des Antragstellers um sonstige Leistungen, nicht aber um Lieferungen handelte.
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Es handelte sich nicht um die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines z.B. Imbissstandes, da der Antragsteller mit derartigen Speisen seine vertraglichen Verpflichtungen zur Berücksichtigung der "ernährungsphysiologischen Bedürfnisse der Essensteilnehmer", und zur Darreichung "eines altersgerechten und abwechslungsreichen Essens" sowie zur Darreichung "abwechslungsreicher Kost" in den Kindertageseinrichtungen nicht erfüllen konnte, zumal nach Bedarf "Auswertungsgespräche" zu führen und wöchentliche Speisepläne zu erstellen waren.
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Die Speisenabgabe erfolgte zudem in Warmhaltebehältern und zu genau festgelegten Zeitpunkten. Besondere Umstände, die belegen, dass die Lieferung von Speisen dominierender Leistungsbestandteil war, sind demgegenüber nicht ersichtlich.
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d) Soweit der Antragsteller einwendet, die sich nach dem UStG ergebende Besteuerung verletze ihn in seinen Grundrechten, folgt der Senat dem nicht. Es obliegt dem leistenden Unternehmer seiner Preiskalkulation den zutreffenden Umsatzsteuersatz zugrunde zu legen und sich gegen eine abweichende Beurteilung durch die Finanzverwaltung vertraglich gegenüber seinem Leistungsempfänger abzusichern.
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3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
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