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BFH 11.05.2010 - X B 192, 193/08, X B 192/08, X B 193/08
BFH 11.05.2010 - X B 192, 193/08, X B 192/08, X B 193/08 - Übergehen eines Befangenheitsantrags als Verfahrensmangel
Normen
§ 57 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 119 Nr 1 FGO, § 119 Nr 2 FGO, § 73 Abs 1 S 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 28. April 2008, Az: 15 K 186/07, Urteil
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 28. April 2008, Az: 15 K 496/07, Urteil
Leitsatz
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NV: Bearbeitet das FG einen Befangenheitsantrag nicht und entscheidet es sogleich in der Sache, ist nur dann ein rechtserheblicher Verfahrensmangel gegeben, wenn das Urteil hierauf beruhen kann. Hieran kann es fehlen, wenn der Befangenheitsantrag unzulässig war.
Gründe
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Der angerufene Senat hat die Beschwerdeverfahren verbunden. Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) genügt teilweise nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO. Im Übrigen liegen keine Gründe für die Zulassung der Revision vor.
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1. Der Senat hielt die Verbindung der Verfahren gemäß § 121 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO für geboten, weil der Streitstoff in beiden Verfahren im Wesentlichen identisch ist.
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2. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) bzw. dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternativen 1 und 2 FGO).
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Die Klägerin beanstandet die Gültigkeit der bundesdeutschen Gesetze, insbesondere solcher, die die Steuerpflicht begründen. Sie macht geltend, aus dem Grundgesetz (GG) lasse sich keine Berechtigung zur Steuererhebung begründen. Auch sei fraglich, ob das GG seinerseits gültig sei. Dieser pauschale Vortrag lässt jegliche Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vermissen. Es fehlt eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BVerfG vom 21. Dezember 1997 2 BvL 6/95 (BVerfGE 97, 117), wonach das GG auch nach der Wiedervereinigung weiterhin Gültigkeit hat. Insbesondere fehlt jegliche Darlegung dazu, welche gewichtigen Einwände in der Rechtsprechung und/oder der Literatur hiergegen erhoben wurden. Gleiches gilt, soweit die Klägerin die Rechtsprechung des BVerfG kritisiert, welche die grundsätzliche Gültigkeit der Bundesgesetze einschließlich der Steuergesetze bejaht.
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3. Die Klägerin hat den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht dadurch dargelegt, dass sie pauschal vorträgt, die angefochtenen Entscheidungen zeigten, dass die damit befassten Juristen parteiisch seien, die Urteile Rechtsmissbrauch erkennen ließen, willkürlich und durch Falschbehauptungen und Täuschungen gekennzeichnet seien. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert und daher nicht geeignet, aufzuzeigen, dass die angefochtenen Entscheidungen greifbar gesetzwidrig sind. Gleiches gilt, soweit die Klägerin ohne nähere Darlegungen einen Verstoß gegen zahlreiche Normen des GG geltend macht.
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4. Die Klägerin zeigt ferner nicht in schlüssiger Form auf, dass die angefochtenen Entscheidungen auf Verfahrensfehlern beruhen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Soweit sie das Übergehen ihrer Befangenheitsanträge rügt, beruhen die angefochtenen Urteile des Finanzgerichts (FG) nicht auf diesem Verfahrensfehler.
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a) Die Klägerin hat nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass das FG als erkennendes Gericht i.S. des § 119 Nr. 1 FGO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei und deshalb die Entscheidungen nicht durch den gesetzlichen Richter i.S. von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergangen seien.
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Ihr Einwand, die Geschäftsverteilungspläne des FG für 2007 und 2008 seien nichtig, weil sie im Umlaufverfahren beschlossen worden seien, berücksichtigt nicht den Hinweis in dem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben des Präsidenten des FG vom 7. Mai 2008. Danach seien die Geschäftsverteilungspläne ordnungsgemäß durch das Präsidium des FG beschlossen worden. Lediglich die technisch zutreffende Umsetzung in dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan sei gegebenenfalls durch Umlaufbeschluss des Präsidiums bestätigt worden. Der Senat sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Darstellung zu zweifeln.
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Soweit die Klägerin zur Begründung eines Verstoßes gegen § 119 Nr. 1 FGO geltend macht, die Liste der ehrenamtlichen Richter sei manipuliert, die in ihrem Verfahren eingesetzten ehrenamtlichen Richter seien selektiv und mit dem Ziel, sie zu benachteiligen, ausgewählt worden, ist dies unsubstantiiert. Insbesondere zeigt die Klägerin nicht auf, welche angeblichen Manipulationen sie festgestellt haben will. Soweit sie beanstandet, das FG habe ihr mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, wegen möglicher Verhinderungen von ehrenamtlichen Richtern könnten sich in der Besetzung noch kurzfristig Änderungen ergeben, um eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Besetzung durch die Klägerin zu verhindern, geht dieser Hinweis fehl. Die Klägerin hätte zur mündlichen Verhandlung anreisen können und noch während dieser den Antrag stellen können, die Geschäftsverteilungspläne sowie die Liste der ehrenamtlichen Richter sowie die gegebenenfalls anzuwendende Vertretungsregelung einzusehen.
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b) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe ihren Befangenheitsantrag vom 21. April 2008 nicht bearbeitet und sogleich in der Sache entschieden, war der geltend gemachte Verfahrensmangel für die Entscheidung des FG nicht erheblich.
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aa) Die Revision darf nur zugelassen werden, wenn das Urteil des FG auf dem Verfahrensfehler beruhen kann (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 96). Erheblich ist ein Verfahrensfehler nur dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre. Der BFH muss daher im Rahmen der Zulassung der Revision prüfen, wie die Entscheidung ausgefallen wäre, wenn das FG richtigerweise über den Befangenheitsantrag entschieden hätte.
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bb) Im Streitfall beruht die Entscheidung des FG nicht auf dem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), da der Befangenheitsantrag unzulässig war. Im Ergebnis haben daher die gesetzlichen Richter in der Sache entschieden.
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Die Klägerin hatte in ihrem Schriftsatz an das FG vom 21. April 2008 unter anderem vorgetragen: "Die Juristen A, B und C haben am 15.01.2008 im Verfahren 15 K 128/07 ein derart unverständliches grundgesetzwidriges Rechtsverständnis vorgeführt, dass sie unter keinen Umständen mehr gesetzliche Richter sein können ... Sie sind ... als zum FA X parteiisch, vorbefasst und nachweislich nicht erkenntnisfähig abgelehnt."
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Dieser Befangenheitsantrag war offensichtlich unzulässig. Er war nicht hinreichend substantiiert. Der geltend gemachte Ablehnungsgrund war nicht tragend. Der pauschale Hinweis auf ein angebliches Fehlverhalten ist nicht ausreichend. Kein Ablehnungsgrund ist das Verhalten der Richter in einem anderen Verfahren. Selbst wenn ein Richter einen anderen Rechtsstreit zu Ungunsten der Beteiligten entschieden hat, ist dies kein Ablehnungsgrund (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 51 Rz 32, 49, 56). Es ist daher davon auszugehen, dass die Entscheidung auch bei Vermeidung des Verfahrensfehlers nicht anders ausgefallen wäre. Das FG hätte den Befangenheitsantrag als erfolglos zurückgewiesen. Das Verfahren konnte deshalb nicht anders ausgehen als geschehen.
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cc) Ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 FGO liegt nicht vor.
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Das Gericht war tatsächlich vorschriftsmäßig besetzt. Ein Besetzungsmangel i.S. des § 119 Nr. 1 FGO kommt nur dann in Betracht, wenn an der Entscheidung ein erfolglos abgelehnter Richter mitgewirkt hat, sofern die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs willkürlich war (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 5a, 6). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil das Ablehnungsgesuch wie oben dargelegt unzulässig war.
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Bestätigt wird diese Einschätzung durch den Beschluss des BVerfG vom 22. Januar 1962 2 BvR 36/60 (BVerfGE 11, 1). Nach dieser Entscheidung ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn willkürliche Erwägungen für die Bestimmung des entscheidenden Richters maßgebend sind. Dieser Grundsatz gelte auch dann --so das BVerfG--, wenn ein Gericht über ein unzulässiges oder offensichtlich unbegründetes Ablehnungsgesuch nicht entschieden habe. Dafür, dass in jenem Fall der Bundesgerichtshof aus willkürlichen Erwägungen über das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers hinweggegangen sei, lägen jedoch nicht die geringsten Anhaltspunkte vor. Auch in den Streitfällen fehlen entsprechende Hinweise.
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Die Voraussetzungen des § 119 Nr. 2 FGO liegen ebenfalls nicht vor. Danach müsste ein Richter mitgewirkt haben, der wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Die Vorschrift knüpft ausdrücklich an den Erfolg der Ablehnung an (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 119 FGO Rz 35). Hieran fehlt es in den Streitfällen.
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dd) Der angerufene Senat kann dahinstehen lassen, ob er sich den Ausführungen im Beschluss des BFH vom 12. Dezember 2005 XI B 4/05 (BFH/NV 2006, 1301) inhaltlich in vollem Umfang anschließen könnte. Dem Fall lag ein abweichender Sachverhalt zugrunde. Im Fall des Beschlusses XI B 4/05 war über ein Ablehnungsgesuch zwar entschieden, der Beschluss aber nicht bekannt gegeben worden. Die Kläger konnten daher die Willkürlichkeit der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nicht prüfen.
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ee) Auch der Beschluss des BVerfG vom 2. Juni 2005 2 BvR 625/01 u.a. (Neue Juristische Wochenschrift 2005, 3410) betraf eine andere Konstellation. In diesem Fall waren im Unterschied zu den vorliegenden Streitfällen Befangenheitsanträge grob fehlerhaft als unzulässig verworfen worden.
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c) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe ihren Schriftsatz an das FG vom 21. April 2008 nicht berücksichtigt, den Tatbestand im Urteil nur verkürzt wiedergegeben und das rechtliche Gehör verletzt, zeigt sie nicht in schlüssiger Weise einen Verfahrensfehler auf. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, welches konkrete Vorbringen angeblich unberücksichtigt geblieben ist und dass es unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts möglicherweise zu abweichenden Entscheidungen geführt hätte.
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d) Auch die Rüge der Klägerin, das FG habe die beiden Streitsachen zunächst verbunden, dann aber später wieder getrennt und durch zwei Urteile entschieden, um ihr höhere Kosten auferlegen zu können, zeigt keinen Verfahrensfehler auf. Verhandelt wie in den Streitsachen ein Gericht in der mündlichen Verhandlung mehrere Verfahren gleichzeitig, dann liegt regelmäßig keine Verbindung i.S. des § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO vor. Vielmehr handelt es sich um eine rechtlich zulässige, der tatsächlichen Vereinfachung dienliche vorübergehende Maßnahme (BFH-Beschluss vom 24. Oktober 1979 VII R 95/78, BFHE 129, 111, BStBl II 1980, 105). Mangels einer Verbindung im genannten Sinne, stellt sich in einem solchen Fall die Frage einer späteren Trennung der Verfahren i.S. des § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht. Ausweislich der Akten des FG hat das FG auch keinen Trennungsbeschluss gefasst.
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