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BSG 24.01.2018 - B 13 R 377/15 B
BSG 24.01.2018 - B 13 R 377/15 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Beweisermittlungsantrag - Rüge des Verstoßes gegen die Grundsätze über die freie Überzeugungsbildung - Rüge der Verletzung des Willkürverbots
Normen
§ 62 SGG, § 103 SGG, § 106 Abs 1 SGG, § 112 Abs 2 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a S 2 Nr 3 SGG, § 278 Abs 1 ZPO, § 373 ZPO, § 43 SGB 6, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Würzburg, 17. Juni 2013, Az: S 8 R 1187/11, Urteil
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 8. September 2015, Az: L 19 R 723/13, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. September 2015 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde an das BSG gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 8.9.2015, mit dem ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint worden ist. Sie beruft sich auf eine Vielzahl von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), die Abweichung des LSG von der Rechtsprechung des BSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 8.9.2015 ist unzulässig. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt.
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Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
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das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
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Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
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1. Die Beschwerdebegründung vom 21.10.2015 und vom 4.12.2015 genügt hinsichtlich aller geltend gemachten Zulassungsgründe schon deshalb nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG, weil die Klägerin bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat. Ihren Schilderungen sind allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entnehmen. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn vereinzelt Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruhe (BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - Juris RdNr 3; s auch Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - Juris RdNr 5). Nichts anderes gilt für das "Beruhen" einer Entscheidung auf der geltend gemachten Divergenz und im Hinblick auf die Darlegungen zur Prüfung der Klärungsfähigkeit einer abstrakten Rechtsfrage, die ein Beteiligter im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren formuliert (BSG Beschlüsse vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - DBlR 4561, SGG/§ 160; vom 3.11.1999 - B 7 AL 152/99 B; vom 29.8.2003 - B 8 KN 7/03 B; vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B; zuletzt Beschluss vom 12.6.2017 - B 13 R 144/17 B - Juris RdNr 9 mwN). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen.
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2. Abgesehen davon genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin aber auch im Übrigen nicht den Darlegungsanforderungen im Hinblick auf die von ihr gerügten Verfahrensmängel.
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Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
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a) Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die Sachaufklärungspflicht aus § 103 SGG, weil das Gericht ihrem in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Antrag, ihre in der Verhandlung anwesende Mutter als Zeugin "zum Maße der Verschlimmerung" zu hören, ua aufgrund von "Argumenten, die zeitlich überhaupt nicht zu jenem Moment der Verschlimmerung passen, den das Gericht unterstellen wollte" nicht nachgekommen sei.
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Damit genügt die Klägerin jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung einer unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN).
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Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, bezüglich der gewünschten Vernehmung ihrer Mutter als Zeugin einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 373 ZPO gestellt zu haben. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Der zu Protokoll gestellte Antrag der Klägerin enthält mit der Formulierung "zum Maße der Verschlimmerung" nur ein vages, allenfalls aus dem Verfahrenskontext heraus verständliches Beweisthema. Dem Antrag fehlt zudem jedweder Hinweis darauf, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Im Streit über einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente hätte der Beweisantrag aber auf den Nachweis einer bestimmten anspruchsbegründenden Tatsache, zB eines allenfalls unter sechsstündigen Leistungsvermögens am allgemeinen Arbeitsmarkt zu einem bestimmten Zeitpunkt, gerichtet sein müssen. Dies ist der von der Klägerin vorgetragenen Antragsformulierung nicht zu entnehmen.
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b) An der Darlegung eines ordnungsgemäßen Beweisantrags fehlt es zudem bei allen weiteren Rügen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG, die von der Klägerin in verschiedenen Sachzusammenhängen ihrer umfangreichen Beschwerdebegründung - zum Teil auch beiläufig - wiederholt erhoben werden.
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Insbesondere gilt dies, soweit die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht geltend macht, weil das LSG dem protokollierten Antrag, "die beim Dr. H. vorhandenen Unterlagen über die Behandlung der Klägerin in den Jahren 2000 bis 2009 einzuholen", nicht nachgekommen ist. Entgegen den vorstehend unter a) benannten Anforderungen wird mit diesem Antrag weder das Beweisthema noch das erwartete Beweisergebnis umrissen. Vielmehr ist der gestellte Antrag lediglich ein Beweisermittlungsantrag, denn er zielte lediglich auf die Erschließung von Erkenntnisquellen, die es vielleicht erst ermöglichen, bestimmte Tatsachen zu behaupten und sodann unter Beweis zu stellen. Ein solcher Antrag brauchte dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahezulegen (vgl BSG Beschluss vom 5.2.2009 - B 13 RS 85/08 B - Juris RdNr 18 mwN). Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte ("ins Blaue hinein") besteht zudem auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (BVerfG Kammerbeschluss vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03 - Juris RdNr 19). Die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung der richterlichen Hinweispflichten (im sozialgerichtlichen Verfahren zutreffend § 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 S 2 SGG) vermag die Zulässigkeit der Beschwerde schon deshalb nicht zu begründen, weil es die im Termin rechtsanwaltlich vertretene Klägerin - anders als erforderlich - konkret darzulegen versäumt, welche Anträge sie im Falle eines Hinweises auf die ungenügende Formulierung ihrer Anträge gestellt hätte.
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Schließlich wird das Stellen eines ordnungsgemäßen Beweisantrags mit der Beschwerdebegründung nicht dargelegt, soweit die Klägerin die Sachaufklärungspflicht des LSG dadurch verletzt sieht, dass dieses keine ergänzende gutachterliche Äußerung Dr. R. eingeholt hat. Denn auch diesem Antrag ist - anders als erforderlich - nicht zu entnehmen, was die gewünschte zusätzliche Beweisaufnahme ergeben soll. Insoweit gilt vorliegend ein strenger Maßstab. Denn ein Beweisantrag im Rentenstreitverfahren muss sich möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen eines oder mehrerer Sachverständigen zu dem Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller von ihm behauptete Unterschiede zu diesen Gutachten (ggf einschließlich bereits erfolgter ergänzender Stellungnahmen) zum Gegenstand des Beweisthemas machen (vgl Senatsbeschlüsse vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 ff; vom 11.1.2017 - B 13 R 359/16 B - Juris RdNr 9 mwN). Angesichts der bereits vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen von Dr. S., Dr. B. und Dr. R. hat die Klägerin mit der protokollierten Formulierung ihres Antrags, es solle eine ergänzende Äußerung Dr. R. eingeholt werden, "und zwar hinsichtlich einer genaueren Feststellung des Versicherungsfalls", diesen Anforderungen nicht genügt.
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Den Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung selbst dann nicht, wenn man das Vorbringen im Hinblick auf die Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Äußerung als - hier schon nicht ausdrücklich erhobene - Rüge einer Verletzung des Fragerechts an Sachverständige ansähe. Da das Fragerecht an den Sachverständigen der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs dient, muss eine entsprechende Rüge aber aufzeigen, dass die Beteiligte alles getan hat, um die Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Dazu muss sie in der Beschwerdebegründung darstellen, dass sie einen hierauf gerichteten Antrag rechtzeitig gestellt, dabei schriftlich objektiv sachdienliche Fragen angekündigt und das Begehren bis zum Schluss aufrechterhalten hat (stRspr, zB BSG Beschluss vom 26.5.2015 - B 13 R 13/15 B - Juris RdNr 9 ff; BSG Beschluss vom 5.1.2017 - B 13 R 345/16 B - Juris RdNr 7; jeweils mwN). Entgegen diesen Anforderungen wird in der Beschwerdebegründung insbesondere nicht dargelegt, dass die Klägerin einen Antrag auf - schriftliche oder mündliche - Befragung des Sachverständigen Dr. R. gerade auch im Hinblick auf die nach Vorlage des Gutachtens zur Akte gereichten Zeugnisse rechtzeitig gestellt hat (vgl zur Rechtzeitigkeit BSG Beschluss vom 7.2.2013 - B 13 R 71/12 B - Juris RdNr 17; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 118 RdNr 12e, g). Zugleich fehlen Darlegungen, wonach die in der Beschwerdebegründung wiedergegebene Frage nach der Festlegung des Versicherungsfalls unter Berücksichtigung der vorgelegten Zeugnisse (S 3 f der Beschwerdebegründung vom 21.10.2015) sachdienlich (vgl BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10) ist.
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c) Wenn die Klägerin darüber hinaus einen Verfahrensmangel rügt, weil das LSG die Voraussetzungen einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung ("Fiktion des § 53 II SGB VI") nicht geklärt habe, genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen. So bleibt schon offen, ob der Verfahrensfehler in einer vermeintlich ungenügenden Sachaufklärung des LSG oder darin gesehen wird, dass das angegriffene Urteil des LSG hierzu keine gesonderten Ausführungen enthält, was als Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) gerügt werden könnte. Allein diese Unbestimmtheit des Vortrags der Klägerin führt zur Unzulässigkeit der Beschwerde insoweit. Darüber hinaus versäumt es die Klägerin - wie im Falle einer Sachaufklärungsrüge erforderlich (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) - darzulegen, dass sie diesbezüglich einen Beweisantrag gestellt hat. Ebenso fehlt es an Ausführungen dazu, dass - wie im Falle der Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs erforderlich - mangelndes Eingehen auf ihren Vortrag zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung in den Gründen des angegriffenen Urteils überhaupt entscheidungserheblich gewesen sein könnte.
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d) Die Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers erfüllt die Beschwerdebegründung der Klägerin zudem nicht im Hinblick auf die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, des Grundsatzes eines fairen Verfahrens sowie der Verpflichtung des Gerichts, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.
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Diese Verfahrensrechte sieht die Klägerin zunächst dadurch verletzt, dass das LSG aus dem Verlängerungsantrag der Dipl.-Psych. W. und dort beschriebenen "beginnenden Erfolgen" sowie der Beantragung von "lediglich" 20 weiteren Stunden falsche Schlüsse gezogen habe, ohne Dipl.-Psych. W. ergänzend zu hören. Insbesondere habe das Gericht mit dem Begriff "lediglich" unzulässig negative Elemente in deren Darlegungen hineininterpretiert. Insoweit rügt die Klägerin aber tatsächlich erneut eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht oder ggf sinngemäß ihres Fragerechts durch das LSG, ohne jedoch - wie für die Zulässigkeit solcher Rügen erforderlich - darzulegen, einen diesbezüglichen Beweisantrag oder entsprechende Fragen gestellt zu haben. Soweit sich die Klägerin gegen die vom LSG vermeintlich gezogenen falschen Schlüsse wendet, ist dies bei objektiver Betrachtung als Rüge der Verletzung der Grundsätze über die freie Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) zu qualifizieren. Auf eine solche Rüge kann jedoch die Beschwerde nicht zulässig gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Dass die Klägerin ihre Rügen anders bezeichnet, ist unschädlich, denn die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels können nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör umgangen werden.
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Aus diesen Gründen ist die Beschwerde ebenfalls unzulässig, soweit die Klägerin unter Ziff VII der ergänzenden Beschwerdebegründung vom 4.12.2015 eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt. Diese liege darin, dass der vom LSG unter "Heranziehung der Beitragsleistung" gezogene "Rückschluss auf die mögliche Leistungsmöglichkeit … deutlich zu pauschal … und ohne Berücksichtigung von detaillierten Gegebenheiten" geschehen sei. So sei die Behauptung, sie (die Klägerin) habe mehrere geringfügige Arbeitsverhältnisse parallel durchgeführt, ebenso falsch wie die Annahme des LSG, die kurzfristige Position in einem Bastelladen spräche gegen einen massiven sozialen Rückzug. Bereits auf Seite 21 dieses Schriftsatzes macht sie zudem eine Verletzung rechtlichen Gehörs geltend, weil das "Gericht zu Unrecht hier Dr. R. in seiner Feststellung in ….. mit Frau Dr. B. als gleicher Meinung angenommen" habe.
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Hiermit wendet sich die Klägerin aber nicht gegen eine Verletzung des in § 128 Abs 2 SGG niedergelegten Gebotes, den Beteiligten vor der Urteilsfindung Gelegenheit zu geben, sich zu den hierfür erheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Vielmehr rügt sie, dass ihr das LSG keine Gelegenheit gegeben hat, sich zu der von ihm beabsichtigten Würdigung der im Hinblick auf ihre Geschäftstätigkeit vorliegenden Unterlagen und Angaben zu äußern. Eine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten auf die von ihm beabsichtigte Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen wird jedoch weder durch § 128 Abs 2 SGG noch durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG oder die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§ 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 S 2 SGG) begründet. Vielmehr ist das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet, vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 590 mwN). Statt einer Verletzung des § 128 Abs 2 SGG rügt die Klägerin mit ihrem Vorbringen sinngemäß eine Verletzung der freien richterlichen Überzeugungsbildung iS des § 128 Abs 1 S 1 SGG. Hierauf kann jedoch - wie bereits dargelegt - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ebenso wenig gestützt werden, wie auf die Behauptung einer vermeintlichen inhaltlichen Unrichtigkeit des Berufungsurteils.
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Darüber hinaus erfüllt die Beschwerdebegründung die Zulässigkeitsanforderungen nicht, wenn die Klägerin rügt, "dass die Nichtberücksichtigung Dr. R. ein erhebliches Maß an Willkür darstellt, weil es keine logischen Gründe gibt, die erlauben würden, das außergerichtliche Gutachten Dr. S. oder das erstinstanzliche Gutachten Dr. B. zu bewerten". Der ausdrückliche gesetzliche Ausschluss der Rüge des Verstoßes gegen die Grundsätze über die freie Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) im Rahmen der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) hat zur Folge, dass ein solcher Verstoß nicht - wie vorliegend durch die Klägerin geschehen - durch die Rüge der Verletzung des Willkürverbots umgangen werden darf (BSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - Juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 17c).
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Ebenso stellt sich die Rüge der "Verletzung der Verpflichtung im Sinne von § 278 I ZPO" (Seite 16 des Schriftsatzes vom 4.12.2015) - wie von der Klägerin zutreffend erkannt ("abgesehen von einer Verletzung des § 103 SGG …") - als unzulässige Umgehung der Rügebeschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG dar. Denn konkret wird dem LSG vorgeworfen, keine weitere Sachaufklärung im Hinblick auf einen möglichen früheren Versicherungsfall (Leistungsfall ab Geburt oder ab Eintritt der Arbeitslosigkeit im Jahr 2000) betrieben zu haben, die eine tatsächliche Grundlage für eine gütliche Einigung erst hätte erbringen sollen. Die für die Zulässigkeit der Sachaufklärungsrüge notwendige Darlegung, einen auf die vermeintlich notwendigen weiteren Ermittlungen gerichteten formgerechten Beweisantrag gestellt zu haben, hat die Klägerin jedoch versäumt.
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3. Ebenfalls unzulässig ist die Beschwerde, soweit die Klägerin eine Divergenz des angegriffenen Urteils zum Urteil des BSG vom 25.4.1990 - 4 RA 59/89 - geltend macht.
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Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG Beschluss vom 6.9.2017 - B 13 R 139/16 B - SozR 4-2600 § 16 Nr 2 RdNr 9 f mwN).
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Die Beschwerdebegründung hat - entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG - keinen Widerspruch tragender Rechtssätze des angegriffenen Urteils und des darin benannten Urteils des BSG aufgezeigt. Insofern kann dahinstehen, ob die Klägerin mit der dem BSG zugeschriebenen Aussage, es liege eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung vor, "wenn das Gericht darlege, die Beweisaufnahme nicht erheben zu wollen, weil die Aussage in Folge verstrichener Zeit nicht zuverlässig sein könne", überhaupt einen divergenzfähigen Rechtssatz des BSG-Urteils vom 25.4.1990 benannt hat. Jedenfalls fehlt es - entgegen dem Vortrag auf Seite 10 des Schriftsatzes vom 4.12.2015 - an der Benennung eines hiervon oder von den weiteren auf Seite 3 dieses Schriftsatzes genannten BSG-Urteilen abweichenden, vom LSG im angegriffenen Urteil aufgestellten Rechtssatzes. Vielmehr rügt die Klägerin, es sei "völlig abseitig, dass man darlegt, dass die Mutter nach acht Jahren möglicherweise keine gute Erinnerung mehr haben könnte" bzw dass der LSG-Senat "eine Zeugenaussage, insbesondere auch einer präsenten Zeugin, nicht verweigern darf, wenn ihm die behaupteten zeitgleichen Befunde und Gutachten gerade nicht zur Verfügung stehen". Damit benennt sie aber keine abstrakte rechtliche Aussage des LSG, mit dem dieses von einem Rechtssatz des BSG abgewichen sein könnte. Denn allein in der hiermit behaupteten vermeintlichen Nicht- oder Falschanwendung von Rechtssätzen des BSG liegt noch keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Auf eine solche Rüge der vermeintlich falschen Rechtsanwendung im Einzelfall kann die Beschwerde - wie oben bereits dargelegt - nicht zulässig gestützt werden.
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4. Schließlich genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.
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Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN; vgl auch BSG Beschluss vom 6.9.2017 - B 13 R 139/16 B - SozR 4-2600 § 16 Nr 2 RdNr 5; BVerfG Kammerbeschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7).
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Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,
"wann ein Versicherter die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden kann (BSG-Urteil 12.09.1990 - 5 RJ 88/98 <gemeint: 5 RJ 88/89>; 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 <BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2>), auch was das Gericht tun muss, um gegebenenfalls genau festzustellen, dass dies nicht mehr der Fall sein soll".
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Hierzu erläutert sie, der Versicherungsfall sei auch durch Dr. S. nicht zutreffend festgelegt worden. Daher fehle es an ausreichenden eigenen Feststellungen des LSG hierzu, wenn es schlicht an die Absage des Klinikaufenthalts 2012 anknüpfe. Tatsächlich habe sie (die Klägerin) noch während des Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente therapeutische Hilfe in Anspruch genommen, ohne dass sie die psychischen Einschränkungen dauerhaft überwunden habe. Dies habe das LSG nicht berücksichtigt und die Rechtsprechung des BSG zu Unrecht herangezogen.
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Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt, oder ob sie vielmehr im Kern eine Frage zur Subsumtion im Einzelfall gestellt hat. Jedenfalls mangelt es - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - an hinreichenden Ausführungen iS des § 160a Abs 2 S 3 SGG zur Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen. Denn hierzu hätte sie zumindest die von ihr in der formulierten Frage selbst genannten Urteile des BSG daraufhin untersuchen müssen, ob diese nicht bereits zur Beantwortung der Fragen ausreichende Rückschlüsse zulassen. Denn selbst wenn das BSG eine Frage - worauf sich die Klägerin vorliegend beruft - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Darzulegen, dass dies nicht der Fall ist, versäumt die Klägerin. Stattdessen macht sie geltend, das LSG habe diese ua die Bedeutung therapeutischer Behandlungsmöglichkeiten für die Rentengewährung betreffenden Urteile zu Unrecht herangezogen. Hiermit wendet sie sich wiederum allein gegen die materielle Richtigkeit des angegriffenen Urteils, auf die - wie bereits dargelegt - die Beschwerde nicht zulässig gestützt werden kann.
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5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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6. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160 Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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