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BVerfG 13.01.2023 - 1 BvR 1700/20
BVerfG 13.01.2023 - 1 BvR 1700/20 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Nichtzulassung der Revision in einem Zivilverfahren trotz möglicher Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der Berufungsinstanz
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 169 Abs 1 S 1 GVG, § 543 Abs 2 S 1 ZPO, § 547 Nr 5 ZPO
Vorinstanz
vorgehend BGH, 9. Juni 2020, Az: VI ZR 266/19, Beschluss
vorgehend KG Berlin, 25. Juni 2019, Az: 13 U 31/17, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>).
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I.
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Im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung des Justizgewährungsanspruchs und von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die versagte Zulassung der Revision trotz einer möglichen Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der Berufungsinstanz bleibt die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg.
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1. Das aus dem Justizgewährungsanspruch folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Hat der Gesetzgeber sich für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 74, 228 234>; 77, 275 284>; 104, 220 232>; 125, 104 137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, dem Willkürverbot und mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar ist eine den Zugang zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des hier einschlägigen § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO dann, wenn sie wegen krasser Fehlerhaftigkeit sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar einschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2020 - 1 BvR 1173/19 -, Rn. 11). Hingegen genügt nicht bereits die nur einfachrechtlich fehlerhafte Handhabung der maßgeblichen Zulassungsvorschriften (vgl. BVerfGE 101, 331 359 f.>).
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2. Der hier angegriffene Beschluss ist nicht deshalb als objektiv willkürlich einzuordnen, weil der Bundesgerichtshof eine Zulassung der Revision bei Geltendmachung und Vorliegen eines Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 4 ZPO - im Gegensatz zum hier einschlägigen § 547 Nr. 5 ZPO - für zwingend hält (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2020 - XI ZR 355/19 -, Rn. 16 m.w.N.). Diese Differenzierung entbehrt nicht jeder sachlichen Grundlage. Die Revisionsgründe des § 547 Nr. 1 bis 4 ZPO spiegeln Verfahrensverstöße wider, die vom Gesetzgeber als so schwerwiegend befunden wurden, dass sie den Erfolg einer Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 ZPO begründen können. Der Bundesgerichtshof orientiert sich bei der Auslegung des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO an dieser gesetzgeberischen Wertung (vgl. ausdrücklich BGH, Beschluss vom 24. November 2020 - XI ZR 355/19 -, Rn. 18 m.w.N.).
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3. Die Verfassungsbeschwerde zeigt auch nicht hinreichend substantiiert auf, dass die Anwendung des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO durch den Bundesgerichtshof gegen Verfassungsrecht verstößt.
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a) Allerdings kann bei Vorliegen schwerer Verfahrensfehler die Zulassung der Revision zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes verfassungsrechtlich geboten sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2001 - 1 BvR 383/00 -, Rn. 24 f.). Um dem Bedürfnis einer Korrektur schwerer Verfahrensfehler gerecht zu werden, bewerten andere Verfahrensordnungen einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, als Zulassungsgrund für die Revision, so in § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG und § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO; das Arbeitsgerichtsgesetz sieht in § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG ausdrücklich einen Gleichlauf zwischen der Revisionszulassung und dem Vorliegen absoluter Revisionsgründe nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO vor. Ein solcher Gleichlauf besteht in der Zivilprozessordnung nicht (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 105). Der Gesetzeswortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO eröffnet jedoch den zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes notwendigen Auslegungsspielraum. Insbesondere erlaubt der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO die notwendige Korrektur einer Verletzung schwerer Verfahrensfehler in Einzelfällen (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 104).
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b) Die Verfassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass wegen einer etwaigen Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der Vorinstanz nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Zulassung der Revision hier verfassungsrechtlich geboten war, der Bundesgerichtshof die grundgesetzlichen Maßgaben also krass verkannt hätte.
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Da der angegriffene Beschluss in verfahrensrechtlich zulässiger Weise auf eine weitergehende Begründung verzichtet, ist davon auszugehen, dass ihm das in anderen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geäußerte Verständnis zugrunde liegt, nach dem ein Verstoß gegen § 169 Abs.1 Satz 1 GVG nicht in jedem Fall zur Zulassung der Revision führt, sondern in Abhängigkeit vom Umfang des Verstoßes und der Reaktion der Parteien (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24. November 2020 - XI ZR 355/19 -, WM 2021, 198 200 Rn. 18>). Der Verfassungsbeschwerde kann nicht entnommen werden, dass die Annahme, diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben, auf Willkür beruhen könnte. Zwar hebt die Verfassungsbeschwerde allgemein das Gewicht und den Wert des Prinzips der Öffentlichkeit mündlicher Gerichtsverhandlungen hervor, setzt dies aber nicht in Beziehung zum konkreten Vorgang in der Vorinstanz.
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II.
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Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen, die aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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