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BVerfG 13.06.2013 - 1 BvR 1942/12
BVerfG 13.06.2013 - 1 BvR 1942/12 - Nichtannahmebeschluss: Fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall verletzt nicht immer auch das Willkürverbot (Art 3 Abs 1 GG) - hier: rechtsfehlerhafte Versagung von PKH für Entschädigungsklage gem § 198 GVG
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 198 GVG, Art 23 ÜberlVfRSchG
Vorinstanz
vorgehend OLG München, 29. Juni 2012, Az: 22 SchH 11/12 EntV, Beschluss
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer erhob Entschädigungsklage gemäß § 198 GVG wegen eines sechs Jahre währenden, durch Berufungsurteil abgeschlossenen zivilrechtlichen Verfahrens, dem eine Mietrechtsstreitigkeit zugrunde lag. Dort hatte der Beschwerdeführer gegen seine Mieter, an die er als Miteigentümer ein Einfamilienhaus zu einem monatlichen Mietzins von 2.700 € vermietet hatte, nach Beendigung des Mietverhältnisses unter anderem wegen behaupteter Schäden und Schönheitsreparaturen auf Zahlung von rund 118.000 € geklagt. Die Klage hatte nur in Höhe von knapp 2.400 € Erfolg.
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In seiner Entschädigungsklage begehrte der Beschwerdeführer nunmehr 5.000 € immaterielle Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer und über 200.000 € Entschädigung für angebliche materielle Schäden - unter anderem für behaupteten Mietzinsausfall -, die ihm, wie er in diesem Verfahren geltend macht, durch die überlange Prozessdauer entstanden seien. Das Oberlandesgericht setzte den Streitwert für die Klage auf 206.700 € fest. Ferner wies es darauf hin, dass die Klage unzulässig sei, weil der Beschwerdeführer gegen die Berufungsentscheidung im Mietrechtsstreit nicht Verfassungsbeschwerde eingelegt habe, so dass die Dauer des Verfahrens mangels Rechtswegerschöpfung nicht zum Gegenstand einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gemacht werden könne, Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302). Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung, da er den Gerichtskostenvorschuss "derzeit" nicht aufbringen könne. Gleichzeitig legte er "Beschwerde" gegen den Streitwertbeschluss ein.
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Mit dem angegriffenen Beschluss wies das Oberlandesgericht den Prozesskostenhilfeantrag zurück und verwarf die Beschwerde.
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Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und der Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG durch die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sowie die Verletzung des Willkürverbots gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG durch die Streitwertfestsetzung.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 25>).
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1. Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
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a) Das Oberlandesgericht gab zwar einen falschen Hinweis. Dieser Fehler führt aber nicht zu einer Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses.
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aa) Der Hinweis sowie die hierauf gestützte Entscheidung des Oberlandesgerichts waren allerdings rechtswidrig und versagten die Prozesskostenhilfe mit in dieser Weise nicht tragfähigen Argumenten. Bis zur Schaffung eines Rechtsbehelfs zur Rüge der Überlänge eines Verfahrens galt nach der Rechtsprechung des EGMR die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die Rüge überlanger Verfahrensdauer nicht als effektiver Rechtsbehelf und musste - anders als das Oberlandesgericht meint - nicht eingelegt werden, bevor sich ein Beschwerdeführer zur Geltendmachung seiner diesbezüglichen Rechte an den EGMR wenden konnte (EGMR, 8. Juni 2006, Sürmeli/Deutschland, Nr. 75529/01, NJW 2006, S. 2389, Rn. 116). Vielmehr konnte ein Betroffener die Überlänge eines - sogar noch anhängigen - Verfahrens direkt mit einer Beschwerde bei dem EGMR rügen; für die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK war die das instanzgerichtliche Verfahren beendende Entscheidung maßgeblich (Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2012, Art. 35 Rn. 35, 57), hier also die Berufungsentscheidung. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 2011 konnte die Dauer des abgeschlossenen Verfahrens also durchaus gemäß Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Gegenstand einer Beschwerde vor dem EGMR werden. Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruhte damit auf nicht tragfähigen Gründen.
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bb) Dieser Fehler, den der Beschwerdeführer selbst in seiner Verfassungsbeschwerde nicht voll erfasst und in dieser Form auch vor den Fachgerichten nicht geltend gemacht hat, begründet indes nicht zugleich auch einen Verstoß gegen Grundrechte des Beschwerdeführers, insbesondere nicht gegen das Willkürverbot. Es handelt sich hierbei allein um einen einfachrechtlichen Fehler bei der Entscheidung über Prozesskostenhilfe in einem Einzelfall, der keine spezifische verfassungsrechtliche Bedeutung hat (vgl. BVerfGE 18, 85 92 ff.>) und nicht auf als solchen rechtsstaatswidrig sachfremden Erwägungen beruht. Es ist dem Oberlandesgericht vielmehr ein Versehen unterlaufen, das nicht auf einer groben Verkennung des Grundrechtsschutzes beruht und auch nicht auf einen leichtfertigen Umgang mit dem Grundrechtsschutz schließen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. Januar 1996 - 1 BvR 2388/95 -, NJW 1996, S. 1531). Fehlerhafte Rechtsanwendung allein aber macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 96, 189 203>). Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz, die berufen ist, jede falsche Rechtsanwendung zu korrigieren.
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b) Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe verstößt auch nicht gegen das von dem Beschwerdeführer gerügte Gebot des effektiven Rechtsschutzes oder gegen das Gebot der Rechtsschutzgleichheit, welches den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab für die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bildet (vgl. BVerfGE 81, 347). Parteien werden zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Dies bedingt zugleich, dass der Staat Gerichte einrichtet und den Zugang zu ihnen jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet. Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen. Derartige Vorkehrungen sind im Institut der Prozesskostenhilfe getroffen (BVerfGE 81, 347 356 f.>). Diese Grundsätze verkennt das Oberlandesgericht nicht.
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Sofern sich der Beschwerdeführer mittelbar gegen Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wendet, genügen seine Ausführungen nicht den Substantiierungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Auch für eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG gibt es keine Anhaltspunkte.
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2. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Streitwertfestsetzung ist nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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