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BFH 22.02.2018 - III R 10/17
BFH 22.02.2018 - III R 10/17 - (Kindergeld, Nachweis der Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG, Differenzkindergeld bei ausschließlich durch den Wohnort ausgelöstem Kindergeldanspruch)
Normen
§ 62 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 1 Abs 3 EStG 2009, Art 68 Abs 1 S 1 EGV 883/2004, Art 68 Abs 2 S 3 EGV 883/2004, Art 60 EGV 987/2009, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2009, Art 68 Abs 2 S 2 EGV 883/2004, Art 68 Abs 3 Buchst a EGV 883/2004, Art 60 EGV 987/2009, DA-KG 2017, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014
Vorinstanz
vorgehend FG Nürnberg, 15. Februar 2017, Az: 3 K 1601/14, Urteil
Leitsatz
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1. Als Nachweis für eine Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG sind nur Beweismittel geeignet, aus denen sich ergibt, dass für den betreffenden Anspruchszeitraum bereits eine entsprechende steuerliche Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG durch das zuständige Finanzamt vorgenommen wurde. Bescheinigungen des Finanzamts, die schon vor Beginn des maßgeblichen Veranlagungszeitraums für eine unbegrenzten Zeitraum in der Zukunft ausgestellt werden, sind keine tauglichen Beweismittel .
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2. Ist ein anderer Mitgliedstaat nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 aufgrund einer von einem Elternteil dort ausgeübten Erwerbstätigkeit vorrangig zur Erbringung von Familienleistungen verpflichtet, muss Deutschland nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 keinen Unterschiedsbetrag gewähren, wenn der Anspruchsteller in Deutschland zwar einen Wohnsitz hat oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird, jedoch der inländische Kindergeldanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird, weil der Anspruchsteller in Deutschland keine Beschäftigung und keine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und auch keine Rente bezieht .
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 15. Februar 2017 3 K 1601/14 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist die Höhe des Kindergeldanspruchs für den Zeitraum Januar 2013 bis November 2014.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau sind Eltern von zwei im Juli 2001 und im Oktober 2003 geborenen Kindern. Der Kläger ist seit 2006 als Arzt an einer Klinik in Großbritannien tätig und wohnt seither dort auch mit seiner Familie.
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Im Frühjahr 2012 war der Kläger Eigentümer und Vermieter eines Hauses in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und hielt sich dort vornehmlich in den Schulferien --teilweise mit seiner Familie-- auch auf.
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Laut einer Bescheinigung des Finanzamts (FA) X vom 12. April 2012 gilt der Kläger nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Jahr 2011 antragsgemäß als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
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Mit Bescheid vom 17. April 2012 setzte die Familienkasse Y ab Januar 2011 zugunsten des Klägers Kindergeld für die beiden Kinder in Höhe von 193,08 € pro Monat fest. Der Betrag errechnete sich aus der Differenz zwischen dem deutschen Kindergeld (2 x 184 € = 368 €) und dem in Großbritannien bestehenden Anspruch auf Familienleistungen (umgerechnet 174,92 € pro Monat).
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Am 12. Februar 2013 reichte der Kläger bei der Familienkasse Y eine Bescheinigung der HM Revenue Customs (Child Benefit Customs) ein, aus der hervorgeht, dass dort die Auszahlung des Child Benefit ab 7. Januar 2013 eingestellt wird. Mit Schreiben vom 2. Mai 2013 reichte der Kläger einen Kindergeldantrag für seine beiden Kinder ein und wies darauf hin, dass aufgrund einer Gesetzesänderung in Großbritannien Erwerbstätige, die über ein Jahreseinkommen von über 60.000 Pfund verfügen, kein Kindergeld mehr erhalten.
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Mit Wechsel der Zuständigkeit zur Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) stellte die Familienkasse Y die Zahlung des Kindergeldes ab April 2013 zunächst ein. Mit Schreiben vom 7. August 2013 teilte die beklagte Familienkasse mit, dass ab Mai 2013 weiterhin Differenzkindergeld in der bisherigen Höhe ausgezahlt werde, da der Anspruch auf Kindergeld in Großbritannien weiterhin dem Grunde nach bestehe.
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Mit Bescheid vom 28. Februar 2014 lehnte die Familienkasse eine über den Differenzbetrag hinausgehende, die vollen gesetzlichen Kindergeldsätze umfassende Festsetzung von Kindergeld ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 2014 als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage in vollem Umfang statt und verpflichtete die Familienkasse, für den Zeitraum Januar 2013 bis November 2014 Kindergeld für die beiden Kinder in voller Höhe und damit in Höhe von insgesamt zusätzlich 174,92 € pro Monat festzusetzen.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Unrecht entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum Januar 2013 bis November 2014 ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der vollen gesetzlichen Beträge zusteht.
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1. Das FG ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitzeitraum Januar 2013 bis November 2014 die nationalrechtlichen Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch erfüllt hat.
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a) Nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG hat Anspruch auf Kindergeld, wer nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Nach der Rechtsprechung des Senats macht das Gesetz die Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG --anders als in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a EStG-- von der einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Antragstellers abhängig (Senatsurteil vom 24. Mai 2012 III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897, Rz 13 ff.). Eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG setzt daher voraus, dass das FA in dem maßgeblichen Einkommensteuerbescheid dem Antrag des Steuerpflichtigen entsprochen und ihn demnach gemäß § 1 Abs. 3 EStG veranlagt hat (Senatsurteil vom 18. Juli 2013 III R 59/11, BFHE 242, 228, BStBl II 2014, 843, Rz 46). Lässt sich eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG dem Steuerbescheid nicht eindeutig entnehmen, ist maßgebend auf seinen durch Auslegung (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs analog) zu ermittelnden objektiven Erklärungsinhalt abzustellen. Ein Verwaltungsakt wird gegenüber dem Betroffenen mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung). Bei der Auslegung sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte, entscheidend. Es können auch außerhalb des Bescheids liegende Umstände zu berücksichtigen sein (Senatsurteil in BFHE 242, 228, BStBl II 2014, 843, Rz 46, m.w.N.).
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b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG im Streitfall zu Unrecht aus einer Bescheinigung des FA X vom 12. April 2012, wonach der Kläger ab dem Jahr 2011 antragsgemäß als nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gilt, den Schluss gezogen, dass der Kläger im Streitzeitraum Januar 2013 bis November 2014 nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wurde.
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Als Nachweis für eine Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG sind nur Beweismittel geeignet, aus denen sich ergibt, dass für den betreffenden Anspruchszeitraum bereits eine entsprechende steuerliche Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG durch das zuständige FA vorgenommen wurde. Da der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG erforderliche Antrag für jeden Veranlagungszeitraum neu zu stellen ist (Tiede in Herrmann/Heuer/Raupach, § 1 EStG Rz 255; Blümich/Rauch, § 1 EStG Rz 261) --in der Regel nach dessen Ablauf (Gosch in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 1 Rz 25)--, kann die vom FG herangezogene Bescheinigung aus dem Jahr 2012 daher möglicherweise Auskunft darüber geben, wie das FA einen Steuerfall des Veranlagungszeitraums 2011 behandelt hat, nicht aber darüber, ob es bei einem Steuerpflichtigen in den Veranlagungszeiträumen 2013 und 2014 die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG bejaht hat. Die fraglichen Veranlagungszeiträume hatten im Zeitpunkt der Erteilung der Bescheinigung noch nicht einmal begonnen. Damit ist es ausgeschlossen, dass das zuständige FA für diese Veranlagungszeiträume bereits einen auf § 1 Abs. 3 EStG gestützten Einkommensteuerbescheid erlassen oder den Steuerpflichtigen anderweitig nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt haben kann.
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Dies gilt umso mehr, als die bislang getroffenen weiteren Feststellungen des FG nicht dafür sprechen, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG im Streitzeitraum erfüllt hat. Denn dies würde nach § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG voraussetzen, dass die Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben. Das bedeutet zugleich, dass die der Versteuerung in Großbritannien unterliegenden nichtselbständigen Einkünfte des Klägers maximal 10 % der Welteinkünfte der Eheleute umfasst haben dürfen.
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Der Senat ist auch nicht nach § 118 Abs. 2 FGO an die abweichende Auslegung der Bescheinigung durch das FG gebunden, da die Auslegung des in einer Urkunde Erklärten nicht zu den Tatsachenfeststellungen, sondern zur Rechtsanwendung gehört (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Mai 2010 IV R 52/08, BFHE 229, 279, BStBl II 2011, 261, Rz 15; Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 213).
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c) Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang anhand der für die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014 ergangenen Einkommensteuerbescheide unter ergänzender Heranziehung der Einkommensteuerakten einschließlich der Einkommensteuererklärungen zu ermitteln haben, ob das zuständige FA den Kläger tatsächlich aufgrund eines entsprechenden Antrags nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt hat. Dabei wäre gegebenenfalls auch zu beachten, dass eine Bindungswirkung der Behandlung des Steuerfalls durch das FA dann entfallen kann, wenn der Steuerbescheid auf unzutreffenden Tatsachenangaben des Antragstellers beruht (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 67/01, BFH/NV 2002, 1294, Rz 22).
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2. Sollte sich im zweiten Rechtsgang ergeben, dass das FA den Kläger nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt hat, weist der Senat im Hinblick auf die sich dann ergebenden weiteren Fragen zur Verfahrensbeschleunigung auf Folgendes hin:
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a) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 883/2004 (Grundverordnung)-- der persönliche und nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j i.V.m. Art. 1 Buchst. z auch der sachliche Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist.
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Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme, dass der Kläger aufgrund seiner in Großbritannien ausgeübten Beschäftigung den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt (Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der VO Nr. 883/2004).
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b) Hinsichtlich der nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004 weiter zu prüfenden Frage, ob es für die beiden Kinder des Klägers aufgrund eines Leistungsanspruchs in Großbritannien zu einem Zusammentreffen von Leistungen für denselben Zeitraum kommt, hat das FG jedoch zu Unrecht nicht auf eine Entscheidung der zuständigen Behörde in Großbritannien abgestellt.
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Anders als im Falle der Anwendbarkeit der Konkurrenzregelung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (dazu Senatsurteile vom 13. Juni 2013 III R 63/11, BFHE 242, 34, BStBl II 2014, 711, Rz 17 ff., und vom 13. Juni 2013 III R 10/11, BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 22 ff.) bedarf es im Anwendungsbereich des Art. 68 der VO Nr. 883/2004 regelmäßig keiner eigenen Feststellungen des FG zum Inhalt des ausländischen Rechts. Denn insoweit ist vorrangig das auf dem Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten basierende Koordinierungsverfahren (dazu insbesondere Art. 60 Abs. 3 der VO Nr. 883/2004 und Art. 59 f. der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung)--) zwischen den jeweils zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchzuführen (im Einzelnen Senatsurteil vom 26. Juli 2017 III R 18/16, BFHE 259, 98, BStBl II 2017, 1237, Rz 18 ff.). Dies bedeutet, dass mittels eines Auskunftsersuchens gegenüber der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats Großbritannien zu klären ist, ob und in welchem Umfang dort ein Anspruch auf Familienleistungen für die Kinder des Klägers bestand. Dabei wäre auch einer rechtlichen Bewertung der zuständigen ausländischen Stelle über das Verhältnis zwischen der Besteuerung der Familienleistung ("Higher Income Child Benefit Charge ...") und dem Anspruch auf die Familienleistung ("... has no effect on UK Child Benefit Entitlement"), wie sie in dem von der Familienkasse im Revisionsverfahren vorgelegten Schreiben des HM Revenue & Customs vom 20. Februar 2013 zum Ausdruck kommt, zu folgen.
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c) Ergibt sich danach ein konkurrierender Anspruch auf Familienleistungen in Großbritannien, ist dieser Anspruch --wovon auch das FG ausgegangen ist-- nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 vorrangig. Besteht hingegen kein konkurrierender Anspruch in Großbritannien, ist Deutschland als allein zuständiger Mitgliedstaat zur Zahlung von Kindergeld in Höhe der vollen in § 66 Abs. 1 EStG vorgesehenen Beträge verpflichtet.
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d) Besteht ein vorrangiger Anspruch in Großbritannien, würde dieser im Streitfall nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 auch einen Anspruch auf die Zahlung eines Unterschiedsbetrags in Deutschland ausschließen.
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aa) Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 werden die Familienleistungen bei Zusammentreffen von Ansprüchen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren (Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der VO Nr. 883/2004). Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird (Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004).
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bb) Im Streitfall wären die Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 erfüllt; insoweit schließt sich der Senat der Rechtsprechung mehrerer Finanzgerichte an (Niedersächsisches FG, Urteil vom 15. Dezember 2011 3 K 154/11, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1071, Rz 29; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Mai 2012 12 K 12134/11, juris, Rz 20; FG Köln, Urteil vom 30. Januar 2013 15 K 3230/11, EFG 2013, 795, Rz 24; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 21. Juni 2017 5 K 179/16, juris, Rz 38). Denn die Kinder wohnen in dem anderen (vorrangigen) Mitgliedstaat Großbritannien. Zudem wird der (nachrangige) Leistungsanspruch in Deutschland durch den Wohnort ausgelöst.
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Letzterem steht nicht entgegen, dass die Anspruchsberechtigung nicht auf § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern auf § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gestützt wird. Denn zum einen ersetzt die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG in nationalrechtlicher Hinsicht nur das Kriterium des Wohnsitzes, an dem sich die grundsätzliche Ausrichtung der Kindergeldberechtigung nach dem Territorialitätsprinzip widerspiegelt. Zum anderen unterscheidet auch das EU-Recht in Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 nur zwischen den vier Anknüpfungspunkten Beschäftigung, selbständige Erwerbstätigkeit, Rente und Wohnsitz. Da der Kläger in Deutschland keiner Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit nachging und er auch keine Rente bezog, kommt auch in unionsrechtlicher Hinsicht nur eine Zuordnung zur Anspruchsauslösung durch den Wohnort in Betracht.
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e) Soweit das FG einen Anspruch auf Kindergeld in voller Höhe daraus ableiten will, dass die Familienkasse eine Verpflichtung zur Weiterleitung des Antrags an die für Familienleistungen zuständige Behörde in Großbritannien verletzt hat, wäre Folgendes zu beachten:
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aa) Art. 68 Abs. 3 der VO Nr. 883/2004 enthält eine Bestimmung für den Fall, dass nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln des Art. 68 Abs. 1 und 2 der VO Nr. 883/2004 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird. Danach leitet der nachrangig zuständige Träger den Antrag unverzüglich an den vorrangig zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 genannten Unterschiedsbetrag. Der zuständige Träger des vorrangigen Mitgliedstaats bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.
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Näheres hinsichtlich des Verfahrens bei der Anwendung von Art. 68 der Grundverordnung enthält Art. 60 der Durchführungsverordnung. Danach werden die Familienleistungen bei dem zuständigen Träger beantragt (Art. 60 Abs. 1 Satz 1 der VO Nr. 987/2009). Der nach Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 in Anspruch genommene Träger prüft den Antrag anhand der detaillierten Angaben des Antragstellers und berücksichtigt dabei die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die die familiäre Situation des Antragstellers ausmachen (Art. 60 Abs. 2 Satz 1 der VO Nr. 987/2009). Kommt dieser Träger zu dem Schluss, dass seine Rechtsvorschriften nach Art. 68 Abs. 1 und 2 der Grundverordnung prioritär anzuwenden sind, so zahlt er die Familienleistungen nach den von ihm angewandten Rechtsvorschriften (Art. 60 Abs. 2 Satz 2 der VO Nr. 987/2009). Ist dieser Träger der Meinung, dass aufgrund der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf einen Unterschiedsbetrag nach Art. 68 Abs. 2 der Grundverordnung bestehen könnte, so übermittelt er den Antrag unverzüglich dem zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaats und informiert die betreffende Person; außerdem unterrichtet er den Träger des anderen Mitgliedstaats darüber, wie er über den Antrag entschieden hat und in welcher Höhe Familienleistungen gezahlt wurden (Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009).
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bb) Aus der Gesamtschau dieser Regelungen ergibt sich, dass die in Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 bestimmte Verpflichtung des nachrangig zuständigen Trägers zur Weiterleitung des Antrags an den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats auf den Fall ausgerichtet ist, dass der Anspruchsteller den Antrag nur beim nachrangig zuständigen Träger, nicht hingegen beim vorrangig zuständigen Träger gestellt hat. Hat der Anspruchsteller den Antrag beim nachrangig zuständigen Träger dagegen zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem er bereits einen Antrag beim vorrangig zuständigen Träger gestellt hat, bedarf es der Antragsweiterleitung weder im Hinblick darauf, dass dem vorrangig zuständigen Träger die Antragsbearbeitung ermöglicht wird, noch im Hinblick darauf, dass ein Antragseingang beim vorrangig zuständigen Träger und der Eingangszeitpunkt gemäß Art. 68 Abs. 3 Buchst. b der VO Nr. 883/2004 fingiert werden. Denn der Zweck der Regelung über die Antragsweiterleitung durch den nachrangigen Träger besteht darin, den Antragsteller davor zu bewahren, dass ihm durch die Antragstellung bei der nur nachrangig zuständigen Stelle und durch die sich aus der Weiterleitung ergebende zeitliche Verzögerung des Antragseingangs bei der vorrangig zuständigen Behörde materielle Nachteile entstehen. Das Koordinierungsverfahren erfordert in dieser Konstellation vielmehr nur für den Fall eines möglichen Differenzanspruchs eine Mitteilung des vorrangig zuständigen Trägers an den nachrangigen Träger, wie er über den Antrag entschieden hat und in welcher Höhe Familienleistungen gezahlt wurden (Art. 60 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 987/2009).
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cc) Nichts anderes ergibt sich in diesem Zusammenhang aus der vom FG herangezogenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des BFH. Der EuGH hat zwar im Urteil Schwemmer vom 14. Oktober 2010 C-16/09 (EU:C:2010:605, Rz 52) entschieden, dass eine Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen nicht schon dann vorliegt, wenn derartige Leistungen in dem Mitgliedstaat, in dem das Kind wohnt, geschuldet werden und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat, in dem ein Elternteil dieses Kindes arbeitet, lediglich geschuldet werden können. Er begründete dies damit, dass Familienleistungen nur dann als nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet gelten können, wenn das Recht dieses Staats dem Familienangehörigen, der dort arbeitet, einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen verleiht. Der Betroffene muss folglich alle in den internen Rechtsvorschriften dieses Staats aufgestellten --formellen und materiellen-- Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, zu denen gegebenenfalls auch die Voraussetzung gehören kann, dass ein Antrag auf Gewährung dieser Leistungen gestellt wird (EuGH-Urteil Schwemmer, EU:C:2010:605, Rz 53).
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Zum einen betraf diese Entscheidung aber nicht den Fall, dass der Antragsteller in beiden Mitgliedstaaten einen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat. Zum anderen erging diese Entscheidung noch zur Regelung des Art. 10 der VO (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Im zeitlichen Anwendungsbereich dieser Regelung galt aber noch nicht eine Regelung wie die des Art. 68 Abs. 3 Buchst. b der VO Nr. 883/2004, die dazu führt, dass ohnehin bereits die Antragstellung in einem Mitgliedstaat die entsprechende formelle Anspruchsvoraussetzung im anderen Mitgliedstaat wahrt. Entsprechendes gilt für den Hinweis des BFH in den Urteilen vom 5. September 2013 XI R 52/10 (BFH/NV 2014, 33, Rz 43) und vom 18. Juli 2013 III R 51/09 (BFHE 242, 222, BStBl II 2016, 947, Rz 24). Soweit der EuGH im Urteil Trapkowski vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Rz 32) ebenfalls auf diese Aussage aus dem Urteil Schwemmer Bezug nimmt, betraf dies hingegen --wie sich aus dem Vorlagebeschluss des Senats vom 8. Mai 2014 III R 17/13 (BFHE 245, 522, BStBl II 2015, 329, Rz 1) ergibt-- nicht den Fall einer fehlenden formellen, sondern den Fall einer --in Form der Überschreitung der Einkommensgrenze-- fehlenden materiellen Voraussetzung des Anspruchs auf Familienleistungen.
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dd) Übertragen auf die Verhältnisse des Streitfalls bedeutet dies, dass die deutsche Familienkasse nicht zu einer Antragsweiterleitung an die Familienkasse in Großbritannien verpflichtet ist, wenn sie davon ausgehen kann, dass bereits ein Antrag auf Familienleistungen im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat gestellt wurde. Hierfür könnten nach Aktenlage die entsprechenden Angaben des Klägers zum Vorliegen eines Verfahrens auf Gewährung von Familienleistungen in Großbritannien in den Kindergeldanträgen vom 25. August 2011 und 6. März 2012, das Schreiben der HM Revenue vom 5. Dezember 2012 und die Angaben des Klägers im Fragebogen vom 2. Mai 2013 sprechen.
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ee) Im Übrigen könnte sich der Senat auch nicht der Auffassung anschließen, dass die Verletzung einer Verfahrensvorschrift zur Begründung eines materiellen Anspruchs führen kann. Denn dies liefe auf die Anerkennung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hinaus, dessen Geltung der Senat für das Kindergeldrecht nach den §§ 62 ff. EStG in ständiger Rechtsprechung abgelehnt hat (Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 68/10, BFHE 236, 421, BStBl II 2012, 686, Rz 14 f., m.w.N.).
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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