Rückengesundheit: Aus der Praxis einer Industriewäscherei

Muskel- und Skeletterkrankungen sind die zweithäufigste Ursache für Fehltage in Unternehmen in Deutschland 2022. Die Industriewäscherei Abel KG verzeichnet weniger Fehltage als der Durchschnitt. Das familiengeführte Unternehmen setzt seit 1993 erfolgreich Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) mit der AOK um. Der Beitrag gibt Einblicke in die Praxis unternehmerischen Engagements für Ergonomie und Rückengesundheit.

Körperliche Arbeit in der Wäscherei

Erst zu Beginn dieses Jahres übernahmen die Geschwister Stefanie und Sebastian Abel in dritter Generation die Leitung der familiengeführten Industriewäscherei Abel KG mit rund 230 Beschäftigten. Seither hat das Unternehmen mit Sitz im Berchtesgadener Land eine Expertin für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in der Geschäftsführung.

Betriebswirtin Stefanie Abel absolvierte 2018 bei der AOK eine Schulung zur Fachkraft für Betriebliches Gesundheitsmanagement. „Der Eigentümerfamilie lag Mitarbeitendengesundheit schon immer sehr am Herzen“, fasst Denise Biedermann zusammen. Die Qualitäts-, Umwelt- und Hygienemanagementbeauftragte der Abel KG koordiniert die Präventionsmaßnahmen, die gemeinsam mit der AOK umgesetzt werden.

Die etwa seit 1993 bestehende Zusammenarbeit mit der AOK hat einen einfachen Grund: An fast allen Arbeitsplätzen der Wäscherei wird viel gestanden, gehoben, geschoben und getragen. An anderen Stellen, wie zum Beispiel in den Liefer-Lkw, wird hingegen viel gesessen. „Da kann man schon viel erreichen, wenn man die Arbeitsplätze ergonomisch gestaltet, zum Beispiel mit Stehmatten oder korrekt eingestellten Fahrersitzen“, sagt Denise Biedermann.

„Einmal jährlich führen wir Analysen zur Arbeitsunfähigkeit durch. Diese AU-Reports besprechen wir mit der AOK und leiten geeignete Maßnahmen ab.“ Für die Planung und Umsetzung nimmt sich das Unternehmen viel Zeit. Das Projekt zur Rückengesundheit im April 2024 war so erfolgreich, dass es wiederholt werden soll: Aktionstage mit theoretischer Schulung und Coachingeinheiten direkt an den Arbeitsplätzen.

Aktionstage mit Theorie und Praxis

Den Anfang machte ein Theorietag mit Führungskräften, Vorarbeitenden und allen anderen, die gut deutsch verstehen.

„Die Präventionsfachkraft der AOK, Beate Pfänder, sensibilisierte fürs Thema – und die Leute lernten Frau Pfänder persönlich kennen. Das war vermutlich das Wichtige, dass da gleich der Funke übersprang“, erinnert sich Denise Biedermann.

„Denn als Beate Pfänder und ich an den zwei darauffolgenden Aktionstagen direkt an die Arbeitsplätze kamen, trommelten die Vorarbeitenden sofort ihre Gruppen zusammen, jeweils 15 bis 20 Leute. Sie haben dann ihre Arbeit unterbrochen.“

Anhand eines Wirbelsäulenmodells bekamen sie eine 15- bis 30-minütige theoretische Einführung, was bei welchen Tätigkeiten mit dem Rücken passiert, dann eine Anleitung zu Ausgleichs- und Entspannungsübungen. Eine Herausforderung waren Beschäftigte, die nur wenig deutsch verstehen. „Da haben wir einfach direkt mit den Übungen angefangen“, so Denise Biedermann.

Die Ergebnisse der Theorie- und Praxistage können sich sehen lassen. „Ich war überrascht, dass die Leute so motiviert waren – und sogar dranbleiben“, betont Denise Biedermann. „Immer wieder sehe ich Beschäftigte, die diese Übungen machen.“ Einmal habe sie bei einem Gang durchs Unternehmen etwas vom Boden aufgehoben und sei von einem Mitarbeiter angesprochen worden: So, wie sie das aufgehoben hätte, das sei nicht rückengerecht gewesen. Hingegen hätten von den rund 20 Lkw-Fahrern nur drei teilgenommen. Bei ihnen ging es um das richtige Ein- und Aussteigen und das ergonomische Einstellen des Sitzes.

Ergebnisse der betriebsinternen AU-Analyse

Wie sich das Projekt für Rückengesundheit konkret aufs Fehlzeitengeschehen auswirken wird, soll in der kommenden AU-Analyse im Frühling 2025 ermittelt werden. Das Unternehmen gehört zur Dienstleistungsbranche, und allgemein liege die Abel KG seit jeher deutlich unter dem Branchendurchschnitt, hat also besonders wenig Fehltage zu verzeichnen, so die Qualitätsbeauftragte.

BranchenvergleichErgebnis der Abel KG in %Dienstleistungsbranche allgemein in %
Alter  
mittleres Alter43,539,2
50-59 Jahre24,217,8
ab 60 Jahre15,37,8
Krankenstand  
über 60-Jährige4,18,7
50- bis 59-Jährige3,36,4
AU-Fälle  
je 100 VJ* über jedes Alter158 Fälle190 Fälle
AU-Tage  
Muskel-Skelett-System je 100 VJ*348 Tage511 Tage
Beispiel Langzeit
(ab 42 Tage)
27 %40,3 %

Quelle: AU-Report der Abel KG 2023, *Versichertenjahre

Multiplikatorenschulungen

Die Abel KG plant nun, Multiplikatorenschulungen durchzuführen. Dabei denkt sie an Personen, die bei den Aktionstagen besonders positiv auffielen oder selbst mal in einer Reha-Maßnahme waren. „Sie haben Übungen für den Rücken verinnerlicht und vielleicht Lust, Kolleginnen und Kollegen anzuleiten und zu motivieren“, sagt Denise Biedermann. „Dranbleiben ist für uns der wichtigste Erfolgsfaktor: Wenn man immer wieder mal dran erinnert wird und selbst einmal mitmacht, dann bleibt es einfach im Gedächtnis.“

Fünf Tipps für Rückengesundheit in Unternehmen

Mit fünf Tipps möchte die Abel KG andere Unternehmen anregen, das Thema Rückengesundheit langfristig und nachhaltig anzugehen:

Fünf Tipps für Rückengesundheit

  1. AU-Analysen durchführen: Die Ergebnisse mit der AOK besprechen und sich zu den Möglichkeiten beraten lassen, Erkrankungen vorzubeugen.
  2. Präventionsfachkraft aussuchen: Je besser sie zum Unternehmen passt, desto nachhaltiger gelingt die Umsetzung von Maßnahmen.
  3. Vorbild sein: Wenn Führungskräfte und Vorarbeitende Rückengesundheit selbst in ihrer Arbeitsumgebung vorleben (zum Beispiel rückengerecht heben und tragen, ergonomisch sitzen), geht das erfahrungsgemäß leichter aufs Personal über.
  4. Hinschauen: Wer hat es am nötigsten? Das sind häufig Personen, die kein Interesse an BGF-Maßnahmen haben. Ihnen für mehr Motivation auch die gesundheitlichen Folgen aufzeigen, wenn sie ihren Rücken vernachlässigen.
  5. Vorteile verständlich machen: BGM hat nicht nur positive Auswirkungen für Arbeitgeber (weniger AU-Tage), sondern auch für die Beschäftigten. Die gesundheitlichen Vorteile darum in die Belegschaft hinein nachvollziehbar kommunizieren.

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Stand

Erstellt am: 15.10.2024

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