Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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Ziff. B.1.1.3.1. RS 2022/02
Ziff. B.1.1.3.1. RS 2022/02, Allgemeines
(1) Bisher wurde für die Beitragsbemessung aus dem Arbeitseinkommen von Pflichtversicherten mangels ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage das Verfahren der zunächst vorläufigen und nachträglichen endgültigen Festsetzung der Beiträge aus dem Arbeitseinkommen von freiwillig Versicherten nach § 240 Absatz 4a SGB V im Wege der Rechtsauslegung entsprechend angewandt. Dies wurde jedoch von der Rechtsprechung vereinzelt in Frage gestellt.
(2) Der durch das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) vom 11. 7. 2021 mit Wirkung ab 20. 7. 2021 eingefügte § 226 Absatz 2 Satz 3 SGB V ordnet daher für die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen nach § 226 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 SGB V ausdrücklich eine entsprechende Anwendung des § 240 Absatz 4a SGB V an und stellt damit die bislang praktizierte Verfahrensweise auf eine gesetzliche Grundlage. Darüber hinaus wird durch den in der neuen Regelung weiteren vorgenommenen Verweis auf § 240 Absatz 1 Satz 1 SGB V eine entsprechende Anwendung der in den BVSzGs des GKV-Spitzenverbandes verankerten Regelung für eine vorläufige Beitragsminderung bei einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung des Mitglieds (nachgewiesene Reduzierung des Arbeitseinkommens um mehr als 1/4, vgl. § 6 Absatz 3a und § 6a Absatz 3) erreicht. Durch die Verankerung der Änderungen in § 226 Absatz 2 SGB V gelten diese nicht nur für versicherungspflichtig Beschäftigte, sondern auch für die anderen versicherungspflichtigen Personenkreise (insbesondere für Rentnerinnen und Rentner), für die diese Vorschrift für anwendbar erklärt wird. Im Ergebnis hat die gesetzliche Änderung zu einer weitgehenden Gleichbehandlung von versicherungspflichtigen und freiwillig versicherten Mitgliedern in Bezug auf das 2-stufige Verfahren der Festsetzung von Beiträgen aus Arbeitseinkommen geführt.
(3) Der (ausschließliche) Verweis auf § 240 Absatz 1 Satz 1 SGB V führt jedoch dazu, dass die Festsetzung der Beiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze bei fehlender Mitwirkung des Mitglieds im Rahmen der vorläufigen Beitragsfestsetzung (nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift) bei den Pflichtversicherten nicht zur Anwendung kommt. Mit dem Verweis auf § 240 Absatz 4a SGB V existiert jedoch bereits eine ausreichende rechtliche Grundlage dafür, dass die endgültige Beitragsfestsetzung nach der Beitragsbemessungsgrenze als Ultima Ratio (nach Satz 4 dieser Vorschrift) Anwendung findet. Da bei diesem Personenkreis die Beiträge aus den den jeweiligen versicherungsrechtlichen Status prägenden sowie ggf. sonstigen beitragspflichtigen Einnahmen bereits durch Dritte gezahlt wurden, haben die Krankenkassen bei der Anwendung des § 240 Absatz 4a Satz 4 SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbemessung insgesamt die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreitet.
(4) Als verlässlicher Nachweis über die Höhe des Arbeitseinkommens kommt — wie bei freiwillig Versicherten — in der Regel nur der Einkommensteuerbescheid in Betracht. Auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides werden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus Arbeitseinkommen ab Beginn des auf dessen Ausfertigung folgenden Monats vorläufig festgesetzt. Damit wird die Einkommenssituation in Bezug auf die selbständige Tätigkeit im Rahmen der vorläufigen Beitragsfestsetzung zeitversetzt abgebildet.
(5) Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides werden die vorläufig festgesetzten Beiträge aus Arbeitseinkommen auf der Grundlage der tatsächlich erzielten und in dem Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen entsprechenden Einkünfte für das jeweilige Kalenderjahr endgültig festgesetzt. In der Folge kann es zur Erstattung oder Nachforderung von Beiträgen kommen. Gleichzeitig bildet der Einkommensteuerbescheid die Grundlage für die weitere zukunftsbezogene vorläufige Beitragsfestsetzung.
(6) In den Fällen, bei denen das Mitglied in der Phase der vorläufigen Beitragsfestsetzung ein höheres Arbeitseinkommen erzielt, als das aus dem letzten Einkommensteuerbescheid hervorgehenden Arbeitseinkommen, haben die Krankenkassen die Möglichkeit, auf Wunsch des Mitglieds zukunftsbezogen und bis zur Vorlage des nächsten Einkommensteuerbescheides das nachgewiesene aktuelle (höhere) Arbeitseinkommen der vorläufigen Beitragsbemessung zugrunde zu legen (Niederschrift zur Fachkonferenz Beiträge am 14. 6. 2018, TOP 2).
(7) Durch Änderungen des § 39 Absatz 2 und des § 45 Absatz 2 KVLG 1989 wurden die vorgenannten Änderungen durch das GVWG ab 20. 7. 2021 in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen aus außerland- und außerforstwirtschaftlicher selbständiger Tätigkeit von pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmern, mitarbeitenden Familienangehörigen und sog. Altenteilern entsprechend nachvollzogen — mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Regelungen in den BVSzGs des GKV-Spitzenverbandes die Regelungen der Satzung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau gelten. Davor unterlagen die Beiträge aus dem vorgenannten Einkommen ausschließlich der endgültigen Beitragsfestsetzung.
(8) Durch eine Anpassung in § 57 Absatz 1 Satz 1 SGB XI gelten die Änderungen durch das GVWG ab 20. 7. 2021 zudem für die Bemessung der Beiträge zur Pflegeversicherung entsprechend.
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