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EuGH 09.09.2021 - C-546/18
EuGH 09.09.2021 - C-546/18 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 9. September 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Gesellschaftsrecht – Übernahmeangebote – Richtlinie 2004/25/EG – Art. 5 – Pflichtangebot – Art. 4 – Aufsichtsstelle – Rechts- bzw. bestandskräftige Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots festgestellt wird – Bindungswirkung dieser Entscheidung in einem späteren, von derselben Behörde eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren – Unionsrechtlicher Effektivitätsgrundsatz – Allgemeine Grundsätze des Unionsrechts – Verteidigungsrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47 und 48 – Aussageverweigerungsrecht – Unschuldsvermutung – Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht“
Leitsatz
In der Rechtssache C-546/18
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 16. August 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 23. August 2018, in dem Verfahren
FN,
GM,
Adler Real Estate AG,
HL,
Petrus Advisers LLP
gegen
Übernahmekommission
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra (Berichterstatter), D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von GM, vertreten durch Rechtsanwälte M. Gall und W. Eigner,
der Adler Real Estate AG, vertreten durch Rechtsanwalt S. Hödl,
von HL, vertreten durch Rechtsanwalt C. Diregger,
der Übernahmekommission, vertreten durch M. Winner als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, H. Støvlbæk und H. Krämer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. März 2021
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 4 und 17 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. 2004, L 142, S. 12) in der durch die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 (ABl. 2014, L 173, S. 190) geänderten Fassung im Licht des Effektivitätsgrundsatzes sowie die Auslegung von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen FN, GM, der Adler Real Estate AG (im Folgenden: Adler), HL und Petrus Advisers LLP (im Folgenden: Petrus) auf der einen Seite und der Übernahmekommission (Österreich) auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit der Sanktionen, die gegen FN, GM und HL wegen Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots verhängt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Erwägungsgründe 5, 7 und 8 der Richtlinie 2004/25 lauten:
Jeder Mitgliedstaat sollte eine oder mehrere Stellen bestimmen, die die in dieser Richtlinie geregelten Aspekte von Übernahmeangeboten überwachen und sicherstellen, dass die Parteien des Angebots den gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften nachkommen. Alle diese Stellen sollten zusammenarbeiten.
…
Stellen der freiwilligen Selbstkontrolle sollten die Aufsicht führen können.
Im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des … [R]echts [der Europäischen Union] und insbesondere dem Anspruch auf rechtliches Gehör sollten die Entscheidungen einer Aufsichtsstelle gegebenenfalls von einem unabhängigen Gericht überprüft werden können. Die Entscheidung darüber, ob Rechte vorzusehen sind, die in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen eine Aufsichtsstelle oder zwischen Parteien des Angebots geltend gemacht werden können, sollte jedoch den Mitgliedstaaten überlassen werden.“
Art. 4 („Aufsichtsstelle und anwendbares Recht“) Abs. 1, 5 und 6 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten benennen eine Stelle oder mehrere Stellen, die für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs zuständig sind, soweit er durch gemäß dieser Richtlinie erlassene oder eingeführte Vorschriften geregelt wird. Als Aufsichtsstelle muss entweder eine Behörde benannt werden oder aber eine Vereinigung oder eine private Einrichtung, die nach den nationalen Rechtsvorschriften oder von den Behörden, die dazu nach den nationalen Rechtsvorschriften ausdrücklich befugt sind, anerkannt ist. Die Mitgliedstaaten teilen der [Europäischen] Kommission die von ihnen benannten Aufsichtsstellen und gegebenenfalls jede besondere Aufgabenverteilung mit. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Aufsichtsstellen ihre Aufgaben unparteiisch und unabhängig von allen Parteien des Angebots erfüllen.
…
(5) Die Aufsichtsstellen verfügen über alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Befugnisse; im Rahmen ihrer Aufgaben haben sie auch dafür Sorge zu tragen, dass die Parteien des Angebots die gemäß dieser Richtlinie erlassenen oder eingeführten Vorschriften einhalten.
…
(6) Diese Richtlinie berührt weder die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Gerichte oder Behörden zu benennen, die für die Streitbeilegung und für Entscheidungen im Fall von Unregelmäßigkeiten im Verlauf des Angebotsverfahrens zuständig sind, noch die Befugnis der Mitgliedstaaten festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können. Die Richtlinie berührt insbesondere nicht die etwaige Befugnis der Gerichte eines Mitgliedstaats, die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens abzulehnen sowie darüber zu entscheiden, ob durch ein solches Verfahren der Ausgang des Angebots beeinflusst wird. Diese Richtlinie berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Rechtslage in Bezug auf die Haftung von Aufsichtsstellen oder im Hinblick auf Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien des Angebots zu bestimmen.“
Art. 5 („Schutz der Minderheitsaktionäre, Pflichtangebot und angemessener Preis“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Hält eine natürliche oder juristische Person infolge ihres alleinigen Erwerbs oder des Erwerbs durch gemeinsam mit ihr handelnde Personen Wertpapiere einer Gesellschaft im Sinne des Artikels 1 Absatz 1, die ihr bei Hinzuzählung zu etwaigen von ihr bereits mittels solcher Wertpapiere gehaltenen Beteiligungen und den Beteiligungen der gemeinsam mit ihr handelnden Personen unmittelbar oder mittelbar einen bestimmten, die Kontrolle begründenden Anteil an den Stimmrechten dieser Gesellschaft verschaffen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Person zum Schutz der Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft zur Abgabe eines Angebots verpflichtet ist. …“
In Art. 17 („Sanktionen“) dieser Richtlinie heißt es:
„Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. …“
Österreichisches Recht
ÜbG
Die Richtlinie 2004/25 wurde durch das Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (BGBl. I Nr. 127/1998, im Folgenden: ÜbG) in österreichisches Recht umgesetzt.
Der Begriff „gemeinsam vorgehende Rechtsträger“ wird in § 1 Z 6 ÜbG definiert als „natürliche oder juristische Personen, die mit dem Bieter auf der Grundlage einer Absprache zusammenarbeiten, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen oder auszuüben, insbesondere durch Koordination der Stimmrechte, oder die aufgrund einer Absprache mit der Zielgesellschaft zusammenarbeiten, um den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. Hält ein Rechtsträger eine unmittelbare oder mittelbare kontrollierende Beteiligung (§ 22 Abs. 2 und 3) an einem oder mehreren anderen Rechtsträgern, so wird vermutet, dass alle diese Rechtsträger gemeinsam vorgehen; …“
§ 22 Abs. 1 ÜbG lautet:
„Wer eine unmittelbare oder mittelbare kontrollierende Beteiligung an einer Zielgesellschaft erlangt, muss dies der Übernahmekommission unverzüglich mitteilen und innerhalb von 20 Börsetagen ab Kontrollerlangung ein den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechendes Angebot für alle Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft anzeigen.“
Gemäß § 22a Z 1 ÜbG besteht die „Angebotspflicht nach § 22 Abs. 1 … auch, wenn … eine Gruppe gemeinsam vorgehender Rechtsträger begründet wird, die zusammen eine kontrollierende Beteiligung erlangen“.
§ 23 („Hinzurechnung von Beteiligungen und Erstreckung der Bieterpflichten“) Abs. 1 ÜbG sieht vor, dass „[g]emeinsam vorgehenden Rechtsträgern“ im Sinne von § 1 Z 6 bei der Anwendung der §§ 22 bis 22b die von ihnen gehaltenen Beteiligungen wechselseitig zuzurechnen sind.
Nach § 28 Abs. 3 und 4 ÜbG ist die Übernahmekommission eine Kollegialbehörde, deren Mitglieder für jeweils fünf Jahre bestellt werden, wobei eine Wiederbestellung zulässig ist, und die in Ausübung ihres Amtes unabsetzbar und an keine Weisungen gebunden sind. § 28 Abs. 5 und 6 ÜbG regeln die Unvereinbarkeiten bei der Bestellung der Mitglieder der Übernahmekommission bzw. die vorzeitige Beendigung ihrer Funktion.
Nach § 30 Abs. 2 ÜbG ist das Verfahren vor der Übernahmekommission nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (im Folgenden: AVG) zu führen.
§ 33 („Besondere Vorschriften über das Pflichtangebot, die Preisbildung und zivilrechtliche Sanktionen“) Abs. 1 Z 2 ÜbG sieht vor, dass die Übernahmekommission „von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei mit Wirkung für und gegen den Bieter, die gemeinsam mit ihm vorgehenden Rechtsträger (§ 1 Z 6), die Zielgesellschaft und die Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft feststellen [kann], ob … ein Pflichtangebot zu Unrecht nicht gestellt oder nicht angeordnet wurde oder eine gebotene Mitteilung unterlassen wurde (§§ 22 bis 25)“.
Nach § 30a und § 35 Abs. 3 ÜbG kann gegen Bescheide der Übernahmekommission in Feststellungsverfahren der Oberste Gerichtshof (Österreich) als Rekursgericht angerufen werden, während gegen Bescheide der Übernahmekommission in Verwaltungsstrafsachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Österreich) erhoben werden kann.
AVG
§ 38 AVG lautet:
„Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Mit Bescheid vom 22. November 2016 vertrat die Übernahmekommission, die gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/25 als die für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs zuständige Stelle benannt worden ist, die Auffassung, dass Adler, Petrus und GM sowie zwei weitere Gesellschaften (Mountain Peak Trading Limited LLP und Westgrund AG) im Herbst 2015 im Sinne von § 1 Z 6 ÜbG „gemeinsam vorgegangen“ seien, um Conwert Immobilien SE (im Folgenden: Conwert) zum Abschluss einer Transaktion zu bewegen. Diese hätte zu einer tiefgreifenden Änderung der Unternehmensstruktur und folglich zu einem erheblichen Ausbau der Beteiligung ihres größten Aktionärs geführt. Nach Ansicht der Übernahmekommission waren die mit den Beteiligungen von Adler, Petrus und GM an Conwert verbundenen Stimmrechte ihnen nach § 23 ÜbG erstmals am 29. September 2015 – dem Zeitpunkt, zu dem die Absprache zur Durchführung der Transaktion teilweise umgesetzt worden sei – wechselseitig zuzurechnen. Zu diesem Zeitpunkt hätten diese Parteien 31,36 % der Stimmrechte an Conwert gehalten, was ihnen eine kontrollierende Beteiligung im Sinne von § 22 ÜbG verschafft habe. Die Übernahmekommission vertrat die Ansicht, dass ein solcher Erwerb die betreffenden Parteien dazu hätte veranlassen müssen, innerhalb von 20 Börsentagen ein Übernahmeangebot abzugeben.
Mit Beschluss vom 1. März 2017 wies der Oberste Gerichtshof den gegen den Bescheid vom 22. November 2016 erhobenen Rekurs ab, womit dieser Bescheid rechtskräftig wurde.
In der Folge leitete die Übernahmekommission Verwaltungsstrafverfahren gegen GM, HL (als Vorstandsmitglied von Adler im Tatzeitraum) und FN (als Direktor von Petrus im Tatzeitraum) ein.
Mit Erkenntnissen vom 29. Januar 2018 verhängte die Übernahmekommission Geldstrafen gegen GM, HL und FN und verpflichtete Adler und Petrus zur akzessorischen Haftung für die HL und FN auferlegten Geldstrafen. Diese Entscheidungen beruhen auf den Tatsachenfeststellungen im Bescheid vom 22. November 2016, insbesondere auf der Feststellung, dass die betreffenden Parteien aufgrund einer am 29. September 2015 getroffenen Absprache „gemeinsam vorgehende Rechtsträger“ im Sinne von § 1 Z 6 ÜbG gewesen seien. Indem sie es versäumt hätten, der Übernahmekommission innerhalb der vorgegebenen Frist ein Pflichtangebot anzuzeigen, hätten GM, HL und FN gegen § 22a Z 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 ÜbG verstoßen.
Das Bundesverwaltungsgericht hält es für seine Entscheidung über die bei ihm anhängigen Beschwerden gegen die Straferkenntnisse der Übernahmekommission vom 29. Januar 2018 für erforderlich, seine Zweifel an der Vereinbarkeit der innerstaatlichen Verwaltungspraxis, auf die die Übernahmekommission ihre Erkenntnisse, mit denen Verwaltungsstrafen verhängt worden seien, gestützt habe, mit dem Unionsrecht auszuräumen.
Dieses Gericht weist darauf hin, dass nach österreichischem Recht, insbesondere nach § 38 AVG, ein Bescheid wie der vom 22. November 2016, mit dem ein Verstoß festgestellt worden sei, mit Eintritt der Rechtskraft nicht nur die Behörde, die ihn erlassen habe, sondern auch die anderen Verwaltungsbehörden und Gerichte, die in anderen Verfahren über dieselbe Sach- und Rechtslage zu entscheiden hätten, binde, sofern die betroffenen Parteien identisch seien.
In Bezug auf GM hält das vorlegende Gericht die Parteiidentität in dem dem Bescheid vom 22. November 2016 zugrunde liegenden Feststellungsverfahren und dem Verwaltungsstrafverfahren für gegeben.
In Bezug auf HL und FN hat das vorlegende Gericht jedoch Zweifel an der Identität der Parteien in diesen beiden Verfahren. HL und FN seien im Verfahren zur Feststellung des Verstoßes (im Folgenden auch: Feststellungsverfahren) nicht jeweils als „Partei“ in Erscheinung getreten, sondern hätten lediglich als Vertreter von Adler bzw. Petrus gehandelt. Die Rechtsstellung als „Partei“ habe sich für HL und FN (als natürliche Personen) lediglich im Verwaltungsstrafverfahren bestätigt. Dennoch habe die Übernahmekommission im Verwaltungsstrafverfahren dem Bescheid vom 22. November 2016 auch in Bezug auf HL und FN eine „erweiterte Bindungswirkung“ beigemessen.
Das vorlegende Gericht hält daher die Auffassung für möglich, dass der Bescheid vom 22. November 2016 angesichts seiner Rechtskraft Bindungswirkung für das spätere Verwaltungsstrafverfahren entfalte, und zwar sowohl dann, wenn die Parteien in beiden Verfahren identisch seien, als auch dann, wenn der natürlichen Person, gegen die das spätere Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden sei, nicht die Stellung einer „Partei“ im Feststellungsverfahren zuerkannt worden sei, so dass sie sich nicht auf alle einer „Partei“ zustehenden Verfahrensrechte, einschließlich des Aussageverweigerungsrechts, habe berufen können, unbeschadet des Rechtswegs zum Obersten Gerichtshof, der es beiden Personengruppen ermögliche, eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte im Feststellungsverfahren geltend zu machen.
Hierzu stellt das vorlegende Gericht klar, dass nach der nationalen Verfassungsrechtsprechung der Zugang zu einem unabhängigen Gericht, das über eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verfüge, im Fall der Übernahmekommission insofern sichergestellt sei, als diese eine unabhängige Behörde sei, die als Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten eingestuft werden könne. Folglich stehe die Beschränkung der Befugnis des Obersten Gerichtshofs hinsichtlich der Kontrolle des Feststellungsbescheids der Übernahmekommission auf Rechtsfragen im Einklang mit den Anforderungen von Art. 2 des 7. Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Da die Übernahmekommission jedoch sowohl im Feststellungsverfahren als auch im Verwaltungsstrafverfahren in Anwendung des Unionsrechts gehandelt habe, sei dieses Recht einschließlich der durch die Charta, insbesondere deren Art. 47, garantierten Grundrechte bei der Entscheidung über solche Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen.
Für das vorlegende Gericht ist fraglich, ob eine innerstaatliche Praxis, nach der ein rechts- bzw. bestandskräftiger, ein Feststellungsverfahren abschließender Bescheid in einem späteren Verwaltungsstrafverfahren Bindungswirkung entfaltet, mit den unionsrechtlich garantierten Verteidigungsrechten vereinbar ist. Die Zweifel des vorlegenden Gerichts rühren daher, dass das von der Übernahmekommission geführte Feststellungsverfahren nicht strafrechtlicher Natur sei und folglich den betroffenen Parteien – selbst GM – nicht alle einem Strafverfahren eigene Garantien, darunter insbesondere die Unschuldsvermutung, zugutegekommen seien. Dem vorlegenden Gericht zufolge bestehen solche Zweifel erst recht in Bezug auf HL und FN, die an dem dem Verwaltungsstrafverfahren vorangegangenen Feststellungsverfahren nicht als Parteien beteiligt gewesen seien.
In diesem Zusammenhang fragt das vorlegende Gericht jedoch, ob der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz – der die Grundsätze der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsentscheidungen und der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen umfasse, die zur Rechtssicherheit beitrügen – es dazu verpflichtet, die fraglichen Vorschriften auf Personen anzuwenden, die sich in der Lage von GM bzw. von HL und FN befinden.
Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Stehen die Art. 4 und 17 der Richtlinie 2004/25 – gelesen im Lichte des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes – einer Auslegung entgegen, nach der einer rechtskräftigen Entscheidung der Aufsichtsstelle gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/25, mit der ein Verstoß einer natürlichen Person gegen innerstaatliche Vorschriften, die in Umsetzung der Richtlinie 2004/25 ergangen sind, festgestellt wurde, im Rahmen eines von dieser Aufsichtsstelle anschließend geführten Verwaltungsstrafverfahrens gegen dieselbe Person keine Bindungswirkung zuerkannt wird, womit dieser Person neuerlich alle tatsächlichen und rechtlichen Einreden und Beweismittel zur Verfügung stehen, um die in der bereits rechtskräftigen Entscheidung festgestellte Rechtsverletzung zu bestreiten?
Stehen die Art. 4 und 17 der Richtlinie 2004/25 – gelesen im Lichte des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes – einer Auslegung entgegen, nach der einer rechtskräftigen Entscheidung der Aufsichtsstelle gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/25, mit der ein Verstoß einer juristischen Person gegen innerstaatliche Vorschriften, die in Umsetzung der Richtlinie 2004/25 ergangen sind, festgestellt wurde, im Rahmen eines von dieser Aufsichtsstelle anschließend geführten Verwaltungsstrafverfahrens gegen das vertretungsbefugte Organ dieser juristischen Person keine Bindungswirkung zuerkannt wird, womit dieser Person (dem Organ) alle tatsächlichen und rechtlichen Einreden und Beweismittel zur Verfügung stehen, um die in der bereits rechtskräftigen Entscheidung festgestellte Rechtsverletzung zu bestreiten?
Bei Verneinung der ersten Frage: Steht Art. 47 der Charta einer innerstaatlichen Praxis entgegen, nach der einer rechtskräftigen Entscheidung der Aufsichtsstelle gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/25, mit der ein Verstoß einer Person gegen innerstaatliche Vorschriften, die in Umsetzung der Richtlinie 2004/25 ergangen sind, festgestellt wurde, im Rahmen eines von dieser Aufsichtsstelle anschließend geführten Verwaltungsstrafverfahrens gegen dieselbe Person Bindungswirkung zukommt, so dass diese Person gehindert ist, die bereits rechtskräftig festgestellte Rechtsverletzung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu bestreiten?
Bei Verneinung der zweiten Frage: Steht Art. 47 der Charta einer innerstaatlichen Praxis entgegen, nach der einer rechtskräftigen Entscheidung der Aufsichtsstelle gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/25, mit der ein Verstoß einer juristischen Person gegen innerstaatliche Vorschriften, die in Umsetzung der Richtlinie 2004/25 ergangen sind, festgestellt wurde, im Rahmen eines von dieser Aufsichtsstelle anschließend geführten Verwaltungsstrafverfahrens gegen das vertretungsbefugte Organ dieser juristischen Person Bindungswirkung zuerkannt wird, so dass diese Person (das Organ) gehindert ist, die bereits rechtskräftig festgestellte Rechtsverletzung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu bestreiten?
Zu den Vorlagefragen
Mit seinen vier Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 4 und 17 der Richtlinie 2004/25 im Licht der durch das Unionsrecht garantierten Verteidigungsrechte sowie der Art. 47 und 48 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer Praxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der eine rechts- bzw. bestandskräftige Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Richtlinie festgestellt wurde, in einem späteren, wegen Verletzung dieser Bestimmungen geführten Verwaltungsstrafverfahren nicht nur hinsichtlich einer natürlichen Person Bindungswirkung entfaltet, die in beiden Verfahren Parteistellung hat, sondern auch hinsichtlich einer natürlichen Person, die im Feststellungsverfahren keine Parteistellung hatte, sondern nur als vertretungsbefugtes Organ einer juristischen Person auftrat, die in diesem Verfahren Parteistellung hatte.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 im Licht ihres fünften Erwägungsgrundes verpflichtet sind, eine Stelle oder mehrere Stellen zu benennen, die für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs zuständig sind, soweit er durch gemäß dieser Richtlinie erlassene oder eingeführte Vorschriften geregelt wird, und die in der Lage sind, ihre Aufgaben unparteiisch und unabhängig von allen Parteien des Angebots zu erfüllen. Aus dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie geht hervor, dass Stellen der freiwilligen Selbstkontrolle die Aufsicht führen können sollten. Außerdem verfügen die Aufsichtsstellen gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie über alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Befugnisse.
Nach Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie 2004/25 sind die Mitgliedstaaten insbesondere befugt, die Gerichte oder Behörden zu benennen, die für die Streitbeilegung und für Entscheidungen im Fall von Unregelmäßigkeiten im Verlauf des Angebotsverfahrens zuständig sind, sowie festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können. Diese Bestimmung ist im Licht des achten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2004/25 zu lesen, nach dem insbesondere im Einklang mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör die Entscheidungen einer Aufsichtsstelle gegebenenfalls von einem unabhängigen Gericht überprüft werden können sollten.
Nach Art. 17 der Richtlinie 2004/25 legen die Mitgliedstaaten die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Die Richtlinie 2004/25 enthält jedoch weder Vorschriften über die Struktur oder den Ablauf der Verfahren, die von den zuständigen Behörden im Fall von Verstößen gegen Vorschriften über Pflichtübernahmeangebote geführt werden, noch Vorschriften, die die Wirkungen regeln, die die gemäß dieser Richtlinie erlassenen rechts- bzw. bestandskräftigen Verwaltungsentscheidungen in späteren Verfahren entfalten.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es dabei mangels einschlägiger Unionsregeln nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe, die zum Schutz der Rechte der Rechtsunterworfenen bestimmt sind, festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (Urteil vom 10. März 2021, Konsul Rzeczypospolitej Polskiej w N., C-949/19, EU:C:2021:186, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Vorbehaltlich dieser beiden Grundsätze steht die Richtlinie 2004/25 als solche nicht dem entgegen, dass die Mitgliedstaaten ein Verwaltungsverfahren einrichten, mit dem die ordnungsgemäße Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften dieser Richtlinie über Übernahmeangebote gewährleistet werden soll und das sich in zwei verschiedene Phasen gliedert, wobei die erste zu einer Verwaltungsentscheidung führt, mit der ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots objektiv festgestellt werden soll, und die zweite zur Feststellung einer individuellen Verantwortlichkeit und zur Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen des begangenen Verstoßes führt.
Im Übrigen steht die Richtlinie einer Praxis der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die rechts- bzw. bestandskräftigen Verwaltungsentscheidungen in späteren Verfahren Bindungswirkung verleiht, grundsätzlich nicht entgegen. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass die Anerkennung der Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten ist, zur Rechtssicherheit beiträgt, die ein tragender Grundsatz des Unionsrechts ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Januar 2004, Kühne & Heitz, C-453/00, EU:C:2004:17, Rn. 24, sowie vom 16. Oktober 2019, Glencore Agriculture Hungary, C-189/18, EU:C:2019:861, Rn. 45).
Außerdem kann, wie der Generalanwalt in Nr. 83 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die Anerkennung der Bindungswirkung einer rechts- bzw. bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung in späteren damit zusammenhängenden Verfahren dazu beitragen, die Effizienz der von den zuständigen Behörden geführten Verwaltungsverfahren, mit denen die Nichtbeachtung der unionsrechtlichen Vorschriften über Pflichtübernahmeangebote festgestellt und geahndet werden soll, und damit die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2004/25 zu gewährleisten.
Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die den betroffenen Parteien durch das Unionsrecht, insbesondere durch die Charta, garantierten Rechte in den beiden in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannten Verfahrensphasen beachtet werden. Jedes innerstaatliche Verfahren, das im Rahmen der Richtlinie 2004/25 geführt wird, muss nämlich mit diesen Rechten vereinbar sein (vgl. entsprechend Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C-419/14, EU:C:2015:832, Rn. 66, und vom 5. Dezember 2017, M.A.S. und M.B., C-42/17, EU:C:2017:936, Rn. 47).
Der Anwendungsbereich der Charta ist, was das Handeln der Mitgliedstaaten betrifft, in ihrem Art. 51 Abs. 1 definiert. Danach gilt sie für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Diese Bestimmung bestätigt die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden (Urteile vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 17 und 19, sowie vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C-585/18, C-624/18 und C-625/18, EU:C:2019:982, Rn. 78).
Dies ist bei einem Verfahren der Fall, das wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25 geführt wird.
Zu den unionsrechtlich garantierten Rechten gehört erstens die Wahrung der Verteidigungsrechte, die nach ständiger Rechtsprechung einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, zu dem das Recht auf Anhörung gehört und der anwendbar ist, wann immer die Verwaltung beabsichtigt, gegenüber einer Person eine sie beschwerende Maßnahme zu erlassen. Nach diesem Grundsatz müssen bei Entscheidungen, die die Interessen ihrer Adressaten spürbar beeinträchtigen, diese Adressaten in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt zu den Gesichtspunkten, auf die die Verwaltung sich zu stützen beabsichtigt, sachdienlich vorzutragen. Diese Verpflichtung besteht für die Verwaltungen der Mitgliedstaaten, wenn sie Maßnahmen treffen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auch dann, wenn die anwendbaren Unionsvorschriften ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Oktober 2019, Glencore Agriculture Hungary, C-189/18, EU:C:2019:861, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zweitens gehört zu den Garantien, die sich aus Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 der Charta ergeben, das Aussageverweigerungsrecht einer „angeklagten“ natürlichen Person im Sinne des zweitgenannten Artikels. Diese Bestimmungen sind in Verfahren anwendbar, die zur Verhängung von Verwaltungssanktionen strafrechtlicher Natur führen können. Für die Beurteilung der strafrechtlichen Natur sind drei Kriterien maßgebend: erstens die rechtliche Einordnung des Verstoßes im innerstaatlichen Recht, zweitens die Art des Verstoßes und drittens der Schweregrad der dem Betroffenen drohenden Sanktion (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 2021, Consob, C-481/19, EU:C:2021:84, Rn. 42).
Nach dieser Rechtsprechung gehört das Aussageverweigerungsrecht, das eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts darstellt, zum Kern des Begriffs des fairen Verfahrens. Dieses Recht kann nicht auf Eingeständnisse von Fehlverhalten oder auf Bemerkungen, die unmittelbar die befragte Person belasten, beschränkt werden, sondern erstreckt sich auch auf Informationen über Tatsachenfragen, die später zur Untermauerung der Anklage verwendet werden und sich damit auf die Verurteilung dieser Person oder die gegen sie verhängte Sanktion auswirken können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 2021, Consob, C-481/19, EU:C:2021:84, Rn. 38 bis 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Drittens ist der in Art. 48 der Charta niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu erwähnen. Dieser Grundsatz ist anwendbar, wenn es darum geht, die objektiven Tatbestandsmerkmale eines unionsrechtlich geregelten Verstoßes zu bestimmen, der zur Verhängung von Verwaltungssanktionen strafrechtlicher Natur führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Dezember 2009, Spector Photo Group und Van Raemdonck, C-45/08, EU:C:2009:806, Rn. 42 und 44).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kennt zwar jede Rechtsordnung Vermutungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, jedoch verpflichtet Art. 48 der Charta die Mitgliedstaaten dazu, auf dem Gebiet des Strafrechts eine bestimmte Schwelle nicht zu überschreiten. Genauer gesagt verpflichtet der in dieser Bestimmung verankerte Grundsatz der Unschuldsvermutung die Mitgliedstaaten dazu, die in Strafgesetzen enthaltenen Vermutungen tatsächlicher oder rechtlicher Art angemessen einzugrenzen, wobei das Gewicht der betroffenen Belange zu berücksichtigen ist und die Verteidigungsrechte zu wahren sind (Urteil vom 23. Dezember 2009, Spector Photo Group und Van Raemdonck, C-45/08, EU:C:2009:806, Rn. 43).
Viertens sieht Art. 47 Abs. 1 der Charta, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf normiert, vor, dass jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen solchen Rechtsbehelf einzulegen. Nach Art. 47 Abs. 2 der Charta hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht in einem fairen Verfahren verhandelt wird.
Nach ständiger Rechtsprechung setzen die Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Gerichts voraus, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit dieser Einrichtung für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen (Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C-896/19, EU:C:2021:311, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Das Erfordernis der Unabhängigkeit, die dem Auftrag des Richters innewohnt, bedeutet vor allem, dass die betreffende Stelle gegenüber der Behörde, die die mit einem Rechtsbehelf angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Eigenschaft eines Dritten hat (Urteile vom 19. September 2006, Wilson, C-506/04, EU:C:2006:587, Rn. 49, und vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 62), und umfasst zwei Aspekte.
Der erste Aspekt verlangt, dass eine solche Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteile vom 19. September 2006, Wilson, C-506/04, EU:C:2006:587, Rn. 51, und vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C-585/18, C-624/18 und C-625/18, EU:C:2019:982, Rn. 125).
Der zweite Aspekt steht mit dem Begriff der Unparteilichkeit in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass den Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen am Streitgegenstand mit dem gleichen Abstand begegnet wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 61).
Wenn eine in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende Entscheidung von einer Behörde getroffen wurde, die diese Voraussetzungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht selbst erfüllt und daher nicht als Gericht im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta eingestuft werden kann, verlangt diese Bestimmung, dass die fragliche Entscheidung einer späteren Kontrolle durch ein Gericht unterliegen kann, das befugt sein muss, alle für den bei ihm anhängigen Rechtsstreit relevanten Sach- und Rechtsfragen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2012, Otis u. a., C-199/11, EU:C:2012:684, Rn. 46, 47 und 49, sowie vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund, C-682/15, EU:C:2017:373, Rn. 55).
Im Licht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob diese unionsrechtlich garantierten Rechte es ausschließen, dass in einem wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinie 2004/25 geführten Verwaltungsstrafverfahren einer in einem früheren Verfahren getroffenen rechts- bzw. bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung, mit der dieser Verstoß festgestellt geworden ist, eine Bindungswirkung zuerkannt wird. Bei dieser Beurteilung ist zwischen den beiden oben in Rn. 31 genannten Fällen zu unterscheiden, nämlich dem Fall, dass das Verwaltungsstrafverfahren Personen betrifft, die bereits Partei des Feststellungsverfahrens waren, das zum Erlass dieser Entscheidung geführt hat, und dem Fall, dass das Verwaltungsstrafverfahren natürliche Personen betrifft, die nicht Partei des Feststellungsverfahrens waren, sondern nur als vertretungsbefugtes Organ einer juristischen Person, die Partei dieses Verfahrens war, gehandelt haben.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben in der Vorlageentscheidung und den Antworten der Parteien des Ausgangsverfahrens auf eine Frage des Gerichtshofs die im österreichischen Recht vorgesehenen Verwaltungsgeldstrafen gegen Personen, die gegen die Bestimmungen des ÜbG zu Übernahmeangeboten verstoßen haben, von 5000 bis 50000 Euro reichen und im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe führen können. Diese Strafen sind auf den ersten Blick im Sinne der oben in Rn. 44 angeführten Rechtsprechung strafrechtlicher Natur. Vorbehaltlich einer endgültigen Beurteilung ihrer Natur durch das vorlegende Gericht sind somit das Aussageverweigerungsrecht und die Unschuldsvermutung, die in Art. 47 Abs. 2 bzw. Art. 48 der Charta garantiert werden, im Ausgangsverfahren anwendbar.
Was den ersten oben in Rn. 54 genannten Fall betrifft, steht es den Mitgliedstaaten zur Sicherstellung der Effizienz der von den zuständigen Behörden geführten Verwaltungsverfahren, mit denen die Nichtbeachtung der unionsrechtlichen Vorschriften über Pflichtübernahmeangebote festgestellt und geahndet werden soll, frei, einer Entscheidung, mit der ein Verstoß bestimmter Personen festgestellt wurde, eine Bindungswirkung für ein späteres Verfahren zuzuerkennen, das darauf gerichtet ist, gegen die nämlichen Personen wegen dieses Verstoßes eine Verwaltungsstrafe zu verhängen. Diese Verfahren müssen jedoch so ausgestaltet sein, dass die genannten Personen in dem Verfahren, das zum Erlass einer solchen Feststellungsentscheidung geführt hat, ihre Grundrechte geltend machen konnten.
Dies bedeutet insbesondere, dass diese Personen in der Lage gewesen sein müssen, in diesem Verfahren Folgendes konkret und wirksam geltend zu machen: zum einen die Verteidigungsrechte, einschließlich des Rechts auf Anhörung, und zum anderen das Aussageverweigerungsrecht und die Unschuldsvermutung in Bezug auf die Tatsachen, auf die später der Tatvorwurf gestützt wird und die somit Auswirkungen auf die Verurteilung oder die verhängte Sanktion haben werden.
Anders verhält es sich mit dem zweiten oben in Rn. 54 genannten Fall, auch wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende natürliche Person, die an dem Verfahren, das zum Erlass der rechts- bzw. bestandskräftigen Feststellungsentscheidung geführt hat, nicht als Partei beteiligt war, an diesem Verfahren als vertretungsbefugtes Organ einer juristischen Person, gegen die sich dieses Verfahren richtete, teilnehmen konnte.
Die Verteidigungsrechte haben nämlich – wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – subjektiven Charakter, so dass die betroffenen Parteien selbst in der Lage sein müssen, sie wirksam auszuüben, unabhängig von der Art des Verfahrens, dem sie unterliegen. Dies gilt erst recht, wenn im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, das zur persönlichen Haftung der Leiter oder der Organe einer Gesellschaft wegen eines dieser Gesellschaft zuzurechnenden Verstoßes gegen die Vorschriften über Übernahmeangebote und zur Verhängung strafrechtlicher Sanktionen gegen diese Leiter oder Organe führen kann, nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren persönliche Interessen und die Interessen der Gesellschaft voneinander abweichen.
Daraus folgt, dass die Verwaltungsbehörde im Rahmen eines gegen eine natürliche Person gerichteten Verwaltungsstrafverfahrens die Bindungswirkung außer Acht lassen muss, die mit Beurteilungen verbunden ist, die in einer rechts- bzw. bestandskräftigen Entscheidung enthalten sind, mit der der dieser Person zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, ohne dass diese Person diese Beurteilungen in Wahrnehmung ihrer eigenen Verteidigungsrechte persönlich hätte anfechten können.
Ebenso läuft es in Anbetracht der oben in Rn. 45 angeführten Rechtsprechung dem Aussageverweigerungsrecht zuwider, wenn eine natürliche Person, die persönlich für einen Verstoß, der mit einer Verwaltungsstrafe geahndet werden kann, im Rahmen eines späteren Verwaltungsstrafverfahrens zur Verantwortung gezogen werden kann, dieses Recht nicht in Bezug auf Tatsachen geltend machen konnte, auf die später der Tatvorwurf gestützt wird und die somit Auswirkungen auf die Verurteilung oder die verhängte Sanktion haben werden.
Darüber hinaus steht die Unschuldsvermutung dem entgegen, dass eine natürliche Person im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens für einen Verstoß zur Verantwortung gezogen wird, der durch eine Entscheidung festgestellt worden ist, die am Ende eines Verfahrens, in dem diese Person nicht als Partei die Verteidigungsrechte und das Recht auf ein faires Verfahren geltend machen konnte, erlassen wurde und die rechts- bzw. bestandskräftig geworden ist, ohne dass diese Person sie anfechten konnte, und die von ihr nicht mehr vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht angefochten werden kann.
Was schließlich den Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta betrifft, geht aus der Vorlageentscheidung zwar hervor, dass die Übernahmekommission von der nationalen Verfassungsrechtsprechung als unabhängige, unparteiische und durch Gesetz im Voraus errichtete Behörde eingestuft wird, die selbst die Merkmale eines Gerichts im Sinne dieser Bestimmung aufweist, das zur Entscheidung sowohl in Sach- als auch in Rechtsfragen befugt ist.
In Anbetracht der Angaben in der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und in den Antworten auf eine Frage des Gerichtshofs – und vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Beurteilungen und Überprüfungen – ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Übernahmekommission die oben in Rn. 52 genannten Garantien für die einem Gericht eigene Unparteilichkeit bietet.
Nach § 33 ÜbG ist die Übernahmekommission nämlich zuständig für die Durchführung von Untersuchungen, die einen möglichen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots zum Gegenstand haben, für die Einleitung von Feststellungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren sowie in diesem Rahmen für die Entscheidung über das Vorliegen eines Verstoßes und die Verhängung von Sanktionen. Bei der Anwendung des ÜbG verfügt die Übernahmekommission über weitreichende Befugnisse zur Tätigkeit von Amts wegen, zu denen auch die Befugnis gehört, die für die zu erlassende Entscheidung maßgeblichen Tatsachen nachzuweisen und festzustellen und alle insoweit erforderlichen Beweiserhebungen vorzunehmen.
Außerdem ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte nicht, dass innerhalb der Übernahmekommission eine funktionale Trennung zwischen den für Ermittlung und Tatvorwurf zuständigen Dienststellen einerseits und den mit der Entscheidung über das Vorliegen eines Verstoßes und der Verhängung von Sanktionen betrauten Dienststellen andererseits besteht. Im Übrigen hat die Übernahmekommission, wenn gegen die Entscheidungen, mit denen sie einen Verstoß festgestellt oder eine Sanktion verhängt hat, ein Rechtsbehelf erhoben wird, im Verfahren vor dem mit einem solchen Rechtsbehelf befassten nationalen Gericht Beklagteneigenschaft.
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 68 und 69 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, lassen diese Gesichtspunkte vorbehaltlich der insoweit dem vorlegenden Gericht zukommenden endgültigen Beurteilungen nicht den Schluss zu, dass die Übernahmekommission als ein unparteiischer Dritter handelt, der zwischen dem Beschuldigten auf der einen Seite und der für die Überwachung der Einhaltung der Pflichtangebotsregeln zuständigen Behörde auf der anderen Seite steht, und dass die Übernahmekommission damit die Anforderungen an ein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta erfüllt.
Folglich sollten die Entscheidungen der Übernahmekommission, um den Anforderungen der oben in Rn. 53 angeführten Rechtsprechung zu genügen, von einem nationalen Gericht überprüft werden können, das zu diesem Zweck zur Prüfung aller relevanten Sach- und Rechtsfragen befugt ist.
Insoweit ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass gegen eine Entscheidung, die die Übernahmekommission am Ende des Verfahrens zur Feststellung eines Verstoßes trifft, Rekurs an den Obersten Gerichtshof (Österreich) erhoben werden kann, in diesem Fall aber die von ihm vorgenommene Überprüfung auf Rechtsfragen beschränkt ist. Somit entfaltet eine solche Entscheidung, sobald sie rechtskräftig geworden ist, in allen späteren Verwaltungs- und Gerichtsverfahren im Fall der Identität der Parteien bzw. gegenüber jeder Person, die am vorangegangenen Verwaltungsverfahren als Vertreterin einer Partei teilgenommen hat, Bindungswirkung – sofern die Tatsachen- und die Rechtslage identisch sind –, ohne dass diese Entscheidung zuvor vor einem Gericht angefochten werden konnte, das zur Entscheidung sowohl in Sach- als auch in Rechtsfragen befugt war.
Ist die Befugnis des nationalen Gerichts, das mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde zu Verstößen gegen die Vorschriften über Pflichtübernahmeangebote betraut ist, auf die Beurteilung von Rechtsfragen beschränkt, genügt dies indessen nicht den oben in Rn. 53 angeführten Anforderungen von Art. 47 Abs. 2 der Charta. Wenn daher die rechtskräftig gewordene Entscheidung, mit der ein Verstoß festgestellt wird, nicht der späteren Überprüfung durch ein zur Entscheidung in Rechts- und in Sachfragen befugtes Gericht unterzogen werden konnte, sollte die Verwaltungsbehörde, um den sich aus dieser Bestimmung der Charta ergebenden Anforderungen Rechnung zu tragen, im Rahmen eines späteren Verwaltungsstrafverfahrens eine Bindungswirkung der in dieser Entscheidung enthaltenen Beurteilungen außer Acht lassen.
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Art. 4 und 17 der Richtlinie 2004/25 im Licht der durch das Unionsrecht garantierten Verteidigungsrechte, insbesondere des Rechts auf Anhörung, sowie der Art. 47 und 48 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer Praxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der eine rechts- bzw. bestandskräftige Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen diese Richtlinie festgestellt wurde, in einem späteren wegen dieses Verstoßes geführten Verwaltungsstrafverfahren Bindungswirkung entfaltet, soweit die Parteien dieses Verfahrens im vorangegangenen Verfahren zur Feststellung dieses Verstoßes die Verteidigungsrechte, insbesondere das Recht auf Anhörung, nicht uneingeschränkt wahrnehmen konnten sowie das Aussageverweigerungsrecht und die Unschuldsvermutung nicht in Bezug auf Tatsachen geltend machen bzw. nutzen konnten, auf die später der Tatvorwurf gestützt wird, oder soweit ihnen gegen eine solche Entscheidung kein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem zur Entscheidung sowohl in Sach- als auch in Rechtsfragen befugten Gericht gewährt wird.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 4 und 17 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote in der durch die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 geänderten Fassung sind im Licht der durch das Unionsrecht garantierten Verteidigungsrechte, insbesondere des Rechts auf Anhörung, sowie der Art. 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer Praxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der eine rechts- bzw. bestandskräftige Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen diese Richtlinie festgestellt wurde, in einem späteren wegen dieses Verstoßes geführten Verwaltungsstrafverfahren Bindungswirkung entfaltet, soweit die Parteien dieses Verfahrens im vorangegangenen Verfahren zur Feststellung dieses Verstoßes die Verteidigungsrechte, insbesondere das Recht auf Anhörung, nicht uneingeschränkt wahrnehmen konnten sowie das Aussageverweigerungsrecht und die Unschuldsvermutung nicht in Bezug auf Tatsachen geltend machen bzw. nutzen konnten, auf die später der Tatvorwurf gestützt wird, oder soweit ihnen gegen eine solche Entscheidung kein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem sowohl in Sach- als auch in Rechtsfragen zuständigen Gericht gewährt wird.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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