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BAG 13.10.2021 - 5 AZR 270/20
BAG 13.10.2021 - 5 AZR 270/20 - Auslegung TV-L (Vergütung von Umkleide- und Rüstzeiten, Zeitgutschrift für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage)
Normen
§ 611 Abs 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB, § 287 Abs 2 ZPO, § 286 ZPO, § 287 Abs 1 S 1 ZPO, § 287 Abs 1 S 2 ZPO, § 37 Abs 1 TV-L, § 7 Abs 8 Buchst c TV-L, § 6 Abs 3 S 3 TV-L
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 19. Dezember 2018, Az: 56 Ca 13559/17, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 13. Februar 2020, Az: 10 Sa 232/19, Urteil
Tenor
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I. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Februar 2020 - 10 Sa 232/19 - teilweise unter Zurückweisung der Revision des beklagten Landes im Übrigen im Tenor Ziff. I. aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
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1. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2018 - 56 Ca 13559/17 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
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a) Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 1. März 2017 jeweils für das beklagte Land im betrieblichen Bereich erbrachte zusätzliche Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) in den dienstlichen Umkleideräumen und das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten) im Umfang von insgesamt zehn Minuten (bestehend aus fünf Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und fünf Minuten nach dem offiziellen Dienstende) für die Tage, an denen der Kläger tatsächlich mit Dienstantritt in der Thomas-Dehler-Straße 4, 10787 Berlin gearbeitet hat, zu vergüten.
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b) Das beklagte Land wird verurteilt, dem für den Kläger geführten PuZMan-Konto in der Spalte „Zeitkonto“ 16 Stunden und 47 Minuten gutzuschreiben.
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2. Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.
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II. Von den Kosten der Revision haben das beklagte Land 75 % und der Kläger 25 % zu tragen. Im Übrigen verbleibt es bei den Kostenentscheidungen der Vorinstanzen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revision über die Verpflichtung des beklagten Landes, Umkleide- und Rüstzeiten zu vergüten und Zeitgutschriften für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage sowie Vorfeiertage zu gewähren.
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Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-L Anwendung. Der Kläger ist als sog. Basiskraft in einer Objektschutzstreife eingesetzt, einer motorisierten Streife, die verschiedene diplomatische Schutzobjekte anfährt. Dienst- und Schichtbeginn ist für den Kläger jeweils in der ZOS-Nebenwache in der T-Straße, B (iF ZOS-Nebenwache).
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Die Arbeitszeit des Klägers richtet sich seit dem 25. Juni 2015 ua. nach der „Geschäftsanweisung Dir ZA Nr. 3/2015 über die Einführung neuer Arbeitszeitregelungen in der Direktion Zentrale Aufgaben Zentraler Objektschutz (ZOS)“ vom 5. Juni 2015. Wachpolizisten im ZOS arbeiten danach im Dreischichtsystem von 06:30 Uhr bis 14:45 Uhr (Frühdienst), 14:30 Uhr bis 22:45 Uhr (Spätdienst) und 22:30 Uhr bis 06:45 Uhr (Nachtdienst). Das System sieht eine feste Schichtfolge mit zwei Früh-, zwei Spät- sowie zwei Nachtschichten und anschließend eine Ruhezeit von ungefähr 72 Stunden vor, dh. 42 Schichten in neun Wochen. Jede Schicht dauert acht Stunden 15 Minuten, wobei sich die Nachtschicht auf 1,5 Stunden zum Ende des einen und 6,75 Stunden zu Beginn des neuen Tages erstreckt. In einem Siebentageszeitraum fallen Schichtzeiten im Umfang von 49,5 Stunden an.
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Die Wachpolizisten müssen den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung (iF PSA) und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „POLIZEI“ aufgebracht. Es ist den Wachpolizisten freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen. In der ZOS-Nebenwache steht dem Kläger eine Umkleidemöglichkeit nebst Spind zur Verfügung. Der Kläger legt die Uniform nebst PSA dort an und ab. Die Dienstwaffe ist nach einer Geschäftsanweisung des beklagten Landes über den Umgang mit Faustfeuerwaffen im streifenfertigen Zustand zu führen. Ein Waffenschließfach ist in der ZOS-Nebenwache für den Kläger nicht vorhanden. Ein solches ist ihm vom beklagten Land in der wohnortnahen Polizeidienststelle in der G Straße, B angeboten worden. Wachpolizisten ist es gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Auf dem Weg zum und vom Dienst ist es den Wachpolizisten freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen. Der Kläger bewahrt seine Dienstwaffe zu Hause auf und legt sie dort auch an und ab.
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An den gesetzlichen Feiertagen bzw. Vorfeiertagen 21. Mai 2018 (Pfingstmontag), 3. Oktober 2018 (Tag der Deutschen Einheit), 24. Dezember 2018 (Heilig Abend), 1. Januar 2019 (Neujahrstag) und 19. April 2019 (Karfreitag) hatte der Kläger dienstplanmäßig frei. Das beklagte Land hat dem Kläger für den 21. Mai 2018, den 24. Dezember 2018 und den 1. Januar 2019 Gutschriften von jeweils sechs Stunden und elf Minuten auf dem für ihn geführten Arbeitszeitkonto, dem sog. PuZMan-Konto, in der Spalte „Zeitkonto“ eingetragen.
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Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit diese in die Revision gelangt ist - die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA und für die von ihm aufgewandte Zeit zum Entnehmen, Laden und Entladen und An- und Ablegen sowie Wegschließen der Dienstwaffe seit dem 1. März 2017 verlangt. Er hat gemeint, das An- und Ablegen der Uniform sowie das Rüsten mit der PSA und Dienstwaffe nehme er nur im Interesse des beklagten Landes vor, weshalb die dafür erforderlichen Zeiten zu vergütende Arbeitszeit seien. Das beklagte Land habe zudem seinem Arbeitszeitkonto Zeitgutschriften für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage bzw. Vorfeiertage im Umfang von jeweils 7,07 Stunden gutzuschreiben.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,
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1.
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 1. März 2017 zusätzlich im betrieblichen Bereich erbrachte Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) in den dienstlichen Umkleideräumen und das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten) im Umfang von insgesamt zehn Minuten (bestehend aus fünf Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und fünf Minuten nach dem offiziellen Dienstende) für die Tage, an denen der Kläger tatsächlich gearbeitet hat, zu vergüten,
2.
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 1. März 2017 zusätzlich im häuslichen Bereich erbrachte Arbeitszeit für das Entnehmen, Laden und Anlegen sowie das Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe im Umfang von insgesamt vier Minuten an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, zu vergüten,
3.
das beklagte Land zu verurteilen, dem für den Kläger geführten PuZMan-Konto in der Spalte „Zeitkonto“ 16 Stunden und 47 Minuten gutzuschreiben.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat, soweit für die Revision von Belang, das beklagte Land zu einer Zeitgutschrift auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto im Umfang von einer Stunde und 39 Minuten für den 21. Mai 2018 verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Soweit für die Revision von Bedeutung, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufungen der Parteien - unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen - eine Vergütungspflicht des beklagten Landes für das Umkleiden und Rüsten mit der PSA im Umfang von insgesamt zehn Minuten sowie für das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe im Umfang von insgesamt vier Minuten, jeweils seit dem 1. März 2017 für die Tage, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, festgestellt und das beklagte Land verurteilt, 16 Stunden und 47 Minuten dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Das beklagte Land begehrt mit seiner Revision die Abweisung der Klage auch in Bezug auf die Feststellung der Vergütungspflichten und die Verurteilung zur Zeitgutschrift.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des beklagten Landes ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft eine Vergütungspflicht von Rüstzeiten mit der Dienstwaffe im häuslichen Bereich festgestellt, insoweit ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Klage abzuweisen. Zu Recht hat es jedoch die Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA im betrieblichen Bereich festgestellt und das beklagte Land zur Zeitgutschrift verurteilt.
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I. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht der Zeit zum Entnehmen, Laden und Anlegen sowie zum Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe, jeweils im häuslichen Bereich, ist zulässig, jedoch unbegründet. Bei diesen Zeiten handelt es sich im Streitfall nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeit.
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1. Der Feststellungsantrag einer Vergütungspflicht von Rüstzeiten mit der Dienstwaffe ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Eine Feststellungsklage muss sich nicht auf ein Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sie kann sich vielmehr auch, wie im vorliegenden Fall, auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr., zB BAG 23. September 2020 - 5 AZR 193/19 - Rn. 13). Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht, weil das beklagte Land eine Vergütungspflicht von Rüstzeiten mit der Dienstwaffe in Abrede stellt. Der Feststellungsantrag ist geeignet, diese Streitpunkte zu klären. Der zeitliche Umfang wird vom Kläger konkret angegeben und das beklagte Land hat Kenntnis davon, an welchen Tagen der Kläger an welchem Objekt eingesetzt war. Welche Dienste der Kläger absolviert hat, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Gleichermaßen ist der nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Gegenwartsbezug gegeben. Das gilt auch, soweit sich der Feststellungsantrag auf bereits vergangene Zeiträume bezieht. Insoweit erstrebt der Kläger rechtliche Vorteile in Form weiterer Vergütung aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (vgl. BAG 18. November 2020 - 5 AZR 21/20 - Rn. 18 mwN).
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2. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Rüstzeiten mit der Dienstwaffe ist unbegründet. Die dafür vom Kläger im häuslichen Bereich aufgewendeten Zeiten sind keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten iSv. § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1. April 2017 iSv. § 611a Abs. 2 BGB.
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a) Zu den versprochenen Diensten iSd. § 611 BGB bzw. zu der im Dienste eines anderen erbrachten Arbeitsleistung iSv. § 611a Abs. 1 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. März 2020 - 5 AZR 25/19 - Rn. 17).
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b) Zur Arbeit eines Wachpolizisten gehört auch das An- und Ablegen sowie das Laden und Entladen der Dienstwaffe, wenn diese Handlungen auf der Weisung des Arbeitgebers beruhen, den Dienst mit streifenfertiger Dienstwaffe anzutreten (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 148/20 - Rn. 45). Nutzt der Arbeitnehmer zur Aufbewahrung der Dienstwaffe die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Möglichkeit eines dienstlichen Waffenschließfachs, zählen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit auch die innerbetrieblich vorgenommenen Zusammenhangstätigkeiten, die mit dem Auf- und Abrüsten der Dienstwaffe verbunden sind. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich jedoch bei der vom Kläger aufgewandten Zeit zum An- und Ablegen, zum Laden und Entladen sowie zum Entnehmen und Wegschließen der Dienstwaffe im häuslichen Bereich nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Eine Weisung des beklagten Landes, diese Tätigkeiten zu Hause vorzunehmen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat sich vielmehr eigenständig entschieden, von der angebotenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen und sie dort an- und abzulegen, obwohl ihm in der wohnortnahen Polizeidienststelle in der G Straße, B ein dienstliches Waffenschließfach zur Verfügung steht. Das An- und Ablegen der Dienstwaffe zu Hause ist damit nicht ausschließlich fremdnützig und deshalb nicht vergütungspflichtig (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 292/20 - Rn. 25).
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II. Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht eine Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA in den dienstlichen Umkleideräumen seit dem 1. März 2017 festgestellt und deren Umfang geschätzt hat.
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1. Der Feststellungsantrag ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. Rn. 12).
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2. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA seit dem 1. März 2017 ist begründet. Diese Zeiten sind entgegen der Auffassung des beklagten Landes als Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1. April 2017 nach § 611a Abs. 2 BGB vergütungspflichtig. Zwar durfte das Landesarbeitsgericht dem Antrag nicht mit der gegebenen Begründung stattgeben. Die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar, womit die Revision insoweit zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).
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a) Entscheidet sich der Arbeitnehmer, verpflichtend zu tragende Dienstkleidung vor Beginn der eigentlichen Tätigkeit in den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten zumutbaren Umkleideräumen anzulegen und nach Arbeitsende abzulegen, ist die hierfür aufgewandte Zeit ausschließlich fremdnützig und daher vom Arbeitgeber zu vergüten. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (vgl. BAG 15. Juli 2021 - 6 AZR 207/20 - Rn. 31; 31. März 2021 - 5 AZR 292/20 - Rn. 23). Das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist dagegen - zusammengefasst formuliert - nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Das Umkleiden außerhalb des Betriebs beruht in diesem Fall nicht auf einer Weisung des Arbeitgebers und dient nicht ausschließlich einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer sich aus selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet und keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss (vgl. BAG 25. April 2018 - 5 AZR 245/17 - Rn. 24; 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 13, BAGE 160, 167).
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b) Danach ist die für das An- und Ablegen der Uniform und der PSA in den Diensträumen der ZOS-Nebenwache benötigte Zeit vergütungspflichtige Arbeitszeit. Der Kläger ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Tragen der Uniform und der PSA aufgrund Weisung des beklagten Landes verpflichtet (vgl. dazu BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 13, BAGE 160, 167). Soweit das Berufungsgericht abweichend von diesen tatbestandlichen Feststellungen in den Entscheidungsgründen angenommen hat, der Kläger lege Uniform und PSA im häuslichen Bereich an, beruht dies auf einem tatsächlichen Irrtum und entspricht nicht dem Vortrag der Parteien. Rechtsfehlerhaft ist der vom Landesarbeitsgericht daraus gezogene Schluss, das Umkleiden im häuslichen Bereich sei ausschließlich fremdnützig. Das steht nicht im Einklang mit der oben (Rn. 19) wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Da auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen jedoch von einem Umkleiden in der ZOS-Nebenwache und somit im betrieblichen Bereich auszugehen ist, erweist sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO).
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3. Das Landesarbeitsgericht hat den zeitlichen Umfang der vergütungspflichtigen Umkleide- und Rüstzeiten zutreffend unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt. Die Angriffe der Revision des beklagten Landes veranlassen keine andere Bewertung.
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a) Vergütungspflichtig ist die Zeit, die für das Umkleiden und Rüsten erforderlich ist. Zur Ermittlung der Zeitspanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist nur die Zeit, die der einzelne Arbeitnehmer für das Umkleiden und Rüsten im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt. Bei Ermittlung der erforderlichen Zeit gilt es, die Variablen des Umkleidevorgangs, ua. in Bezug auf die Privatkleidung je nach Jahreszeit, zu berücksichtigen (vgl. BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 27, BAGE 160, 167; 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 28, BAGE 157, 116). Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Umkleide- und Rüstzeiten angefallen sind, vom Arbeitgeber veranlasst wurden und im geltend gemachten Umfang erforderlich waren (vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 30 mwN, BAGE 157, 116).
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b) Steht fest (§ 286 ZPO), dass Umkleide- und Rüstzeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und Rüstzeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen.
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aa) § 287 ZPO dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Forderungshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Zudem reicht bei der Entscheidung über die Höhe einer Forderung - im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO - eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus. Eine Schätzung hat nur zu unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss derjenige, der den Erfüllungsanspruch geltend macht, darlegen und beweisen. Nach § 287 Abs. 2 ZPO gelten die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten entsprechend. Die Vorschrift erlaubt damit auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen, wenn unter den Parteien die Höhe der Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen, verbunden oder unmöglich ist. Eine vom Tatsachengericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nach freier Überzeugung vorzunehmende Schätzung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Ob das Tatsachengericht das Mindestmaß der erforderlichen Umkleide- und Rüstzeiten zutreffend geschätzt hat, ist nur auf Ermessensüberschreitung dahingehend zu überprüfen, ob das Tatsachengericht wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige oder unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat und damit die Schätzung mangels konkreter Anhaltspunkte völlig „in der Luft hängt“, also willkürlich ist (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 148/20 - Rn. 34 mwN).
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bb) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu Recht bejaht.
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(1) Das Umkleiden von Privat- in Dienstkleidung vor Dienstbeginn und umgekehrt nach Dienstende ist ebenso wie das Auf- und Abrüsten mit den konkret benannten Bestandteilen der PSA (Reservemagazin mit Tasche, Handfesseln mit Tragevorrichtung, Reizstoffsprühgerät mit Tragevorrichtung, Schlagstock mit Tragevorrichtung und Schutzweste) als die für eine Schätzung unerlässlichen Anknüpfungstatsachen festgestellt und stehen als solche außer Streit. Die Parteien streiten allein über die hierfür erforderliche Umkleide- und Rüstzeit, die sich nachträglich nicht genau belegen lässt.
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(2) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung der Umkleide- und Rüstzeiten auf jeweils fünf Minuten vor Dienstantritt und nach Dienstende ausgehend von den Uniform- und Ausrüstungsbestandteilen ist frei von Rechtsfehlern. Die Schätzung beruht auf der Angabe der einzelnen anzulegenden Komponenten, die zwischen den Parteien nicht im Streit stehen, sowie auf den Erfahrungen anderer Kammern des Landesarbeitsgerichts im Selbstversuch des Umkleidens und Rüstens, dies auch unter Berücksichtigung jahreszeitlich unterschiedlicher Privatkleidung. Die Revision zeigt keine Umstände auf, die die Schätzung als willkürlich gegriffen erscheinen ließe. Soweit das beklagte Land rügt, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass dem Kläger pro Schicht 15 Minuten zusätzliche Arbeitszeit vergütet würden, die zwar zur Übergabe gedacht seien, jedoch auch regelmäßig für das Umkleiden und Rüsten genutzt würden, steht dies mit den getroffenen Feststellungen nicht in Einklang. Eine zulässige Verfahrensrüge kann darin nicht erkannt werden. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.
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4. Der Kläger hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für die erhobenen Ansprüche auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten ab dem 1. März 2017 gewahrt.
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a) Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar. Die Klausel ist wirksam einbezogen. Die Bezugnahmeklausel genügt insbesondere dem Transparenzgebot iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen sind bestimmbar (vgl. BAG 18. September 2019 - 5 AZR 240/18 - Rn. 32, BAGE 168, 25).
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b) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Satz 2 der Regelung reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus. Der Anspruch auf weitere Vergütung ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.
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c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass nach dem 1. März 2017 entstandene Ansprüche des Klägers auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten nicht verfallen sind.
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aa) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und seine Höhe sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht. Dies ist bei Entgeltklagen regelmäßig der Fall; hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung regelmäßig eher in der Lage als der Arbeitnehmer (vgl. BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 24, BAGE 144, 210).
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bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht für Ansprüche, die nach dem 1. März 2017 entstanden sind, zu Recht eine rechtzeitige Geltendmachung angenommen. Der Kläger hat mit der Klageschrift Vergütung für Umkleide- und Rüstzeiten begehrt. Diese Zeiten waren hinreichend spezifiziert.
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(1) Die Fälligkeit der vorliegend im Streit befindlichen Entgeltbestandteile richtet sich nach § 24 Abs. 1 Satz 4 TV-L. Danach werden ua. Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig. Zahltag ist nach § 24 Abs. 1 Satz 2 TV-L der letzte Tag des Monats. Bei den vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Arbeitszeiten handelt es sich um sog. ungeplante Überstunden gemäß § 7 Abs. 8 Buchst. c TV-L, weil diese im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus angeordnet worden sind bzw. im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden. Überstunden entstehen dann, wenn zu den im Schichtplan festgesetzten „täglichen“ Arbeitsstunden zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet werden. Die zusätzlichen Umkleide- und Rüstzeiten sind nicht im Schichtplanturnus eingerechnet worden.
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(2) Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) hat der Kläger diese Entgeltbestandteile mit der am 15. November 2017 zugestellten Klageschrift geltend gemacht. Damit hat der Kläger solche Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht, die am 15. Mai 2017 noch nicht verfallen waren. Die Ausschlussfrist ist daher für Ansprüche, die nach dem 1. März 2017 entstanden sind, gewahrt.
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III. Die Revision des beklagten Landes ist auch unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht es verurteilt hat, dem für den Kläger geführten PuZMan-Konto in der Spalte „Zeitkonto“ 16 Stunden und 47 Minuten gutzuschreiben. Insoweit ist die Revision zurückzuweisen.
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1. Der Antrag, auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorzunehmen, ist in der zuletzt gestellten Fassung zulässig. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen. Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. März 2020 - 5 AZR 36/19 - Rn. 12, BAGE 170, 172). Der Kläger hat zuletzt ausreichend konkretisiert, an welcher Stelle in dem unstreitig vom beklagten Land für ihn geführten Arbeitszeitkonto, dem sog. PuZMan-Konto, die geforderte Zeitgutschrift erfolgen soll.
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2. Die Klage auf Zeitgutschrift im Umfang von 16 Stunden und 47 Minuten ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf diese Gutschrift nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L. Das Landesarbeitsgericht legt seiner Berechnung zutreffend zugrunde, dass für jeden dienstplanmäßig freien Arbeitstag 7,07 Stunden gutzuschreiben sind.
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a) Die Regelungen des TV-L zur Arbeitszeit finden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung.
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b) Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit ua. für jeden gesetzlichen Feiertag sowie für den 24. Dezember, sofern diese Tage auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Die Regelung bezweckt, dass jeder Arbeitnehmer, der an einem Wochenfeiertag bzw. Wochenvorfeiertag nicht zu arbeiten braucht, für weniger Arbeit die gleiche Vergütung erhält. Ohne diese Regelung müssten Beschäftigte, die vor-/feiertagsunabhängig allein wegen der Dienstplangestaltung an einem Wochen(vor)feiertag frei haben, ihre regelmäßige Arbeitszeit an einem anderen Tag erbringen. Diese Arbeitnehmer sollen durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L ersatzweise in den Genuss einer dem Feiertag bzw. Vorfeiertag gleichwertigen bezahlten Freizeit kommen, also den Beschäftigten, die infolge des Vor-/Feiertags frei haben und Entgeltfortzahlung erhalten, gleichgestellt werden. Die Rechtsfolge der verminderten regelmäßigen Arbeitszeit des § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L muss vom Arbeitgeber bei der Dienstplangestaltung, der Arbeitszeiterfassung und der Vergütung umgesetzt werden. Geschieht das nicht, entstehen nachgelagerte Ansprüche des Arbeitnehmers auf Beseitigung des tarifwidrigen Zustands. Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611a Abs. 2 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrundeliegenden Abrede verbindlich bestimmt. Eine Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L kann auch dazu führen, dass Überstunden in einem zeitlichen Rahmen entstehen, der ohne die Verminderung noch von der regelmäßigen Arbeitszeit umfasst wäre, denn Überstunden können nach den Vorgaben des TV-L bei den Beschäftigten erst dann entstehen, wenn die geleisteten Arbeitsstunden über die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TV-L hinausgehen (vgl. § 7 Abs. 7 und Abs. 8 TV-L). Reduziert sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L, bewirkt dies eine Absenkung der Stundenzahl, ab deren Erreichen Überstunden geleistet werden. Die Vergütungspflicht umfasst dann die ab dem abgesenkten Schwellenwert geleisteten Stunden als Überstunden unter Berücksichtigung der tariflichen Vergütungsvorgaben (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 292/20 - Rn. 30 mwN).
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c) Danach ist die Klage - soweit sie in die Revision gelangt ist - begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine Zeitgutschrift von jedenfalls 16 Stunden und 47 Minuten.
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aa) Der 21. Mai 2018 (Pfingstmontag), der 3. Oktober 2018 (Tag der Deutschen Einheit), der 1. Januar 2019 (Neujahrstag) und der 19. April 2019 (Karfreitag) sind gesetzliche Feiertage, die in den Jahren 2018 bzw. 2019 auf Werktage fielen. Der 24. Dezember 2018 ist ein Vorfeiertag iSd. § 6 Abs. 3 Satz 1 TV-L. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hatte der Kläger an diesen Tagen dienstplanmäßig frei. Soweit die Revision rügt, der Kläger habe an Tagen der Erkrankung und des Urlaubs nicht dienstplanmäßig frei gehabt, erhebt es keine zulässige Verfahrensrüge. Der Senat hat deshalb seiner Entscheidung die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugrunde zu legen. Folglich wird die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L um die „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ vermindert. Die Erforderlichkeit der Bestimmung der „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ besteht auch bei einer vollständigen dienstplanmäßigen Freistellung am Vor-/Feiertag. Dabei muss individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Vor-/Feiertagsarbeit herangezogen worden wäre, auch wenn dies bei schwankender Dienstplaneinteilung im Einzelfall zu Schwierigkeiten bei der Ermittlung der maßgeblichen Stundenzahl führen kann (vgl. BAG 24. September 2015 - 6 AZR 510/14 - Rn. 25, BAGE 152, 378).
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass ein Ausgleich durch Freistellung im Schichtplanturnus, der im Streitfall neun Wochen beträgt, nicht erfolgt ist. Weiter hat es festgestellt, dass nicht aufklärbar sei, welche Arbeitszeit im hier zugrundeliegenden Schichtmodell maßgeblich gewesen wäre. Hiervon ausgehend hat es zur Ermittlung der maßgeblichen Arbeitszeit rechtsfehlerfrei auf einen Referenzzeitraum abgestellt, der geeignet ist, die regelmäßige Arbeitszeit im Schichtmodell abzubilden. Hierzu hat es zu Recht die feste Schichtfolge innerhalb von sieben Tagen zugrunde gelegt. Nur diese Berechnungsmethode nimmt in den Blick, in welcher Anzahl Arbeitsstunden in der Schichtfolge bestehend aus Früh-, Spät- und Nachtschicht sowie anschließender Ruhezeit täglich anfallen. An den Tagen, an denen der Kläger in der Früh- oder Spätschicht (06:30 Uhr bis 14:45 Uhr bzw. 14:30 Uhr bis 22:45 Uhr) arbeitet, fallen jeweils 8,25 Stunden an, am Tag des Beginns der ersten Nachtschicht (22:30 Uhr bis 24.00 Uhr) 1,5 Stunden, am folgenden Tag der fortdauernden Nachtschicht (0:00 Uhr bis 06:45 Uhr) 6,75 Stunden zuzüglich 1,5 Stunden der beginnenden zweiten Nachtschicht (22:30 Uhr bis 24:00 Uhr) und am darauf folgenden Tag bis zum Ende der zweiten Nachtschicht 6,75 Stunden. Damit leistet der Kläger sechs Schichten zu je 8,25 Stunden an insgesamt sieben Tagen. Dies ergibt einen Durchschnittswert von 7,07 Stunden pro Arbeitstag. Von den für die in der Revision noch streitigen fünf Tage insgesamt geschuldeten 35,35 Stunden hat das beklagte Land nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts durch Zeitgutschrift für den 21. Mai 2018, den 24. Dezember 2018 und den 1. Januar 2019 auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto bereits jeweils sechs Stunden und elf Minuten erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Kläger kann damit jedenfalls noch eine Zeitgutschrift von 16 Stunden und 47 Minuten verlangen.
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d) Der Kläger hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für die in der Revision noch streitigen Ansprüche gewahrt. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Der Anspruch auf Zeitgutschrift ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass Ansprüche des Klägers in Bezug auf die noch streitigen Zeitgutschriften nicht verfallen sind. Der Kläger hat diese mit einer dem beklagten Land am 7. Juni 2018 zugestellten Klageerweiterung geltend gemacht.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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