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BAG 14.03.2012 - 10 AZR 778/10
BAG 14.03.2012 - 10 AZR 778/10 - (Sparkassensonderzahlung - Pfändbarkeit - § 850a Nr 4 ZPO)
Normen
§ 850a Nr 4 ZPO, § 44 Abs 1 S 2 TVöD BT-S
Vorinstanz
vorgehend ArbG Dortmund, 10. März 2010, Az: 8 Ca 169/10, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 28. Oktober 2010, Az: 17 Sa 623/10, Urteil
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. Oktober 2010 - 17 Sa 623/10 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten darüber, ob der garantierte Anteil der Sparkassensonderzahlung (SSZ) nach Maßgabe von § 850a Nr. 4 ZPO unpfändbar ist.
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Die Klägerin ist für die Beklagte als Teilzeitkraft tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TVöD einschließlich seines Besonderen Teils Sparkassen (TVöD BT-S) Anwendung. Die Klägerin bezog im November 2008 ein Grundentgelt nebst Zulagen iHv. 1.598,00 Euro brutto sowie den garantierten Anteil der SSZ iHv. 1.277,34 Euro brutto. Von dem sich errechnenden Nettobetrag zahlte die Beklagte auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 447,05 Euro an einen Gläubiger aus.
-
§ 44 TVöD BT-S enthält zur Sparkassensonderzahlung folgende Regelungen:
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„(1)
Bankspezifisch Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf eine Sparkassensonderzahlung (SSZ). Sie besteht aus einem garantierten und einem variablen Anteil. Der garantierte Anteil in Höhe eines Monatstabellenentgelts steht jedem Beschäftigten zu. Der variable Anteil ist individuell-leistungsbezogen und unternehmenserfolgsbezogen. Er bestimmt sich nach den Absätzen 3 und 4. Alle ausgezahlten Anteile sind zusatzversorgungspflichtiges Entgelt. Voraussetzung für die SSZ ist, dass der Beschäftigte am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres im Arbeitsverhältnis steht. Die SSZ vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt, Entgelt im Krankheitsfall (§ 22) oder Fortzahlung des Entgelts während des Erholungsurlaubs (§ 26) haben. Die Verminderung unterbleibt für Kalendermonate,
1.
für die Beschäftigte kein Entgelt erhalten haben wegen
a)
Ableistung von Grundwehrdienst oder Zivildienst, wenn sie diesen vor dem 1. Dezember beendet und die Beschäftigung unverzüglich wieder aufgenommen haben,
b)
Beschäftigungsverboten nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes,
c)
Inanspruchnahme der Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bis zum Ende des Kalenderjahres, in dem das Kind geboren ist, wenn am Tag vor Antritt der Elternzeit Entgeltanspruch bestanden hat,
2.
in denen Beschäftigten Krankengeldzuschuss gezahlt wurde oder nur wegen der Höhe des zustehenden Krankengeldes ein Krankengeldzuschuss nicht gezahlt worden ist.
...
(5)
Der garantierte Anteil der SSZ wird mit dem Entgelt des Monats November, der variable Anteil gemäß Absatz 3 wird spätestens mit dem Entgelt für den Monat April des folgenden Kalenderjahres ausgezahlt.
...“
- 4
-
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der garantierte Anteil der SSZ sei Weihnachtsvergütung iSv. § 850a Nr. 4 ZPO und deshalb teilweise unpfändbar.
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Die Klägerin hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 400,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2008 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der garantierte Teil der SSZ sei der „Leistungssockel“ einer einheitlichen Leistungsvergütung und keine Weihnachtsvergütung.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Anspruch der Klägerin aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S auf den garantierten Anteil der SSZ ist in Höhe der Klageforderung durch Zahlung der Beklagten an den Pfändungsgläubiger erfüllt worden. Der garantierte Anteil der SSZ ist kein nach § 850a Nr. 4 ZPO (teilweise) unpfändbarer Bezug.
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I. Unpfändbar nach § 850a Nr. 4 ZPO sind „Weihnachtsvergütungen“ bis zum Betrage der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500,00 Euro. „Weihnachtsvergütung“ in diesem Sinne ist nicht nur die klassische „Weihnachtsgratifikation“, die der Arbeitgeber als Beitrag zu den erhöhten Aufwendungen des Arbeitnehmers leistet, sondern kann auch eine Sondervergütung für erbrachte Arbeit sein, sofern sie aus Anlass des Weihnachtsfests gezahlt wird. Dies ergibt die Auslegung der Norm.
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1. Der Wortlaut nimmt auf Weihnachten Bezug; dies spricht dafür, dass die Zuwendung aus diesem Anlass geleistet sein muss (vgl. MünchKommZPO/Smid 3. Aufl. § 850a Rn. 16; Stein/Jonas/Brehm ZPO 22. Aufl. § 850a Rn. 26; Boewer Handbuch der Lohnpfändung 1. Aufl. Rn. 507). Der Wortteil „Vergütung“ lässt darauf schließen, dass auch Zuwendungen mit Vergütungscharakter wie zB Abschluss- oder Jahresprämien oder ein 13. Monatsgehalt dem Pfändungsschutz unterfallen können (vgl. Boewer Handbuch der Lohnpfändung Rn. 507; Bengelsdorf Pfändung und Abtretung von Lohn 2. Aufl. Rn. 358).
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2. Die Systematik der Vollstreckungsschutzvorschriften der §§ 850a ff. ZPO verdeutlicht, dass - unabhängig vom Charakter der Zahlung als Gratifikation oder Vergütung - nur eine zweckgerichtet im Zusammenhang mit Weihnachten geleistete Zuwendung dem Pfändungsschutz nach § 850a Nr. 4 ZPO unterfällt. Arbeitseinkommen ist im Rahmen der Pfändungsgrenzen der §§ 850c ff. ZPO grundsätzlich in vollem Umfang der Pfändung unterworfen. Zusätzlich sind der Pfändung ausnahmsweise nach § 850a Nr. 1 bis Nr. 8 ZPO bestimmte zweckgebundene Gratifikationen, Beihilfen, Entschädigungen und sonstige Zahlungen entzogen. Auch eine „Weihnachtsvergütung“ muss deshalb im Rahmen der Zweckbestimmung des § 850a Nr. 4 ZPO aus Anlass von Weihnachten erbracht worden sein, um (teilweise) der Pfändung entzogen zu sein. Für ein weitergehendes Verständnis der Norm ist nach dieser Systematik des Pfändungsschutzes kein Raum (vgl. Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 850a Rn. 1).
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3. Der Normzweck bestätigt, dass nur eine aus Anlass von Weihnachten geleistete Zahlung dem Pfändungsschutz unterfällt. Mit den in § 850a ZPO aufgeführten Zahlungen wird überwiegend ein bestimmter Aufwand des Arbeitnehmers ausgeglichen. Nur eine typischerweise zur Deckung des erhöhten Aufwands zu Weihnachten geleistete Zuwendung kann deshalb nach Maßgabe von § 850a Nr. 4 ZPO der Pfändung entzogen sein.
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II. Der nach § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S garantierte Anteil der SSZ wird nicht als „Weihnachtsvergütung“ iSv. § 850a Nr. 4 ZPO geleistet.
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1. Der Wortlaut der Tarifnorm, von dem vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Nr. 220), enthält keinen Hinweis darauf, dass der garantierte Anteil der SSZ aus Anlass von Weihnachten gezahlt wird. Die SSZ besteht nach § 44 TVöD BT-S aus einem garantierten und einem variablen, teilweise individuell-leistungs- und teilweise unternehmenserfolgsbezogenen Anteil. Der garantierte Anteil der SSZ ist zwar nicht an das Erreichen bestimmter Ziele geknüpft, hat aber - mit Ausnahme der Fälligkeit nach § 44 Abs. 5 TVöD BT-S - im Übrigen dieselben Anspruchsvoraussetzungen und unterliegt denselben Kürzungsbestimmungen wie der variable Anteil der SSZ. Dies spricht für einen einheitlichen Vergütungscharakter und gegen die Annahme einer zweckbestimmt zu Weihnachten geleisteten Zahlung.
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2. Auch dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist ein durchgreifender Hinweis auf eine solche Zweckbestimmung nicht zu entnehmen.
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a) Die Fälligkeit des garantierten Anteils der SSZ nach § 44 Abs. 5 TVöD BT-S mit dem Entgelt für den Monat November könnte allerdings für eine anlassbezogene Zuwendung zu Weihnachten sprechen, weil die Zahlung in eine Zeitspanne fällt, in der üblicherweise Weihnachtsaufwendungen getätigt werden (vgl. MünchKommZPO/Smid § 850a Rn. 16; Stein/Jonas/Brehm § 850a Rn. 26; Stöber Forderungspfändung 5. Aufl. Rn. 999a). Ohne ergänzende Anhaltspunkte kann die Fälligkeit einer Zahlung in zeitlicher Nähe zu Weihnachten aber nur bei einer reinen Gratifikation durchgreifendes Indiz für das Vorliegen einer „Weihnachtsvergütung“ sein; bei einer Zahlung mit Vergütungscharakter wie der SSZ ist ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte regelmäßig hingegen davon auszugehen, dass geleistete Arbeit zusätzlich honoriert werden soll; damit ist eine andere als die nach § 850a Nr. 4 ZPO erforderliche Zweckbestimmung maßgeblich.
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b) Der Vergütungscharakter auch des garantierten Anteils der SSZ wird dadurch bestätigt, dass nach § 44 Abs. 1 Satz 8 TVöD BT-S beide Teile der SSZ um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat vermindert werden, in dem kein Anspruch auf Entgelt, Entgelt im Krankheitsfall oder Fortzahlung des Entgelts während des Urlaubs besteht. Ist ein Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Entgelt ganzjährig erkrankt, erhält er, sofern nicht die Ausnahmen des § 44 Abs. 1 Satz 8 TVöD BT-S greifen, weder den garantierten noch den variablen Anteil der SSZ. Dies zeigt, dass die SSZ insgesamt nicht zweckgerichtet im Zusammenhang mit Weihnachten geleistet wird.
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c) Dass der Beschäftigte nach § 44 Abs. 1 Satz 7 TVöD BT-S am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres im Arbeitsverhältnis stehen muss, um anspruchsberechtigt zu sein, führt zu keiner anderen Bewertung. Daraus folgt, dass mit der SSZ auch Betriebstreue honoriert wird, nicht aber, dass die Zuwendung zweckbestimmt zu Weihnachten gezahlt wird.
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3. Schließlich führt die Tarifgeschichte zu keinem anderen Ergebnis. Bleiben nach Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, so kann zwar auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden (st. Rspr., BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 29, AP TVG § 1 Nr. 220). Auch wenn die Tarifvertragsparteien mit der SSZ tariflich geregelte Zuwendungen mit anderem Inhalt abgelöst haben, folgt daraus nicht, dass deren Zwecke nunmehr für die SSZ maßgebend sind. Die Tarifvertragsparteien sind frei darin, Zuwendungen neu zu gestalten und ihnen einen neuen Leistungszweck und -inhalt zu geben. Dies ist mit der SSZ geschehen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
W. Guthier
Petri
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