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BSG 22.04.2024 - B 9 SB 31/23 B
BSG 22.04.2024 - B 9 SB 31/23 B
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. September 2023 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die (auch rückwirkende) Feststellung eines höheren Grads der Behinderung als 80 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen G, B, H und Gl. Ihre Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die bereits vom SG ermittelten bei der Klägerin vorliegenden Funktionsstörungen rechtfertigten den Klageantrag nicht (Urteil vom 13.9.2023).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil der allein behauptete Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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1. Soweit die Klägerin eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 103 SGG) durch das LSG rügt (allgemein zu den Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge BSG Beschluss vom 9.1.2023 - B 9 SB 24/22 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 105/22 B - juris RdNr 6, jeweils mwN), hat sie bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet, den sie im Berufungsverfahren gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten hat.
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Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen, muss sie daher einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter - wie die Klägerin - einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und zumindest hilfsweise noch aufrechterhalten hat (zB BSG Beschluss vom 10.3.2023 - B 9 SB 43/22 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 11.6.2022 - B 9 V 5/22 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 13 R 40/20 B - juris RdNr 5). Denn ein solcher Antrag hat Warnfunktion. Er soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht für noch nicht erfüllt hält. Diese Warnfunktion verfehlen bloße Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, weil es sich insoweit nur um Hinweise oder bloße Anregungen handelt (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 27.11.2023 - B 9 V 11/23 B - juris RdNr 11 mwN).
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Daran fehlt es hier. Sowohl bezüglich der Anträge auf mündliche Anhörung der gerichtlichen Sachverständigen P (Rüge Nr 2) und D (Rüge Nr 5) als auch hinsichtlich der Anträge auf Einholung eines internistischen, eines kardiologischen und eines gefäßchirurgischen Gutachtens (Rüge Nr 3) verweist die Klägerin lediglich auf ihren diesbezüglichen wiederholten Vortrag bis hin zur Berufungsbegründung. Dagegen lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, dass das LSG dementsprechende Beweisanträge im Protokoll der mündlichen Verhandlung oder in seiner Entscheidung (vgl BSG Beschluss vom 2.1.2024 - B 5 R 134/23 B - juris RdNr 8 mwN) wiedergegeben hat. Der bloße Pauschalverweis auf den gesamten Akteninhalt zur Ergänzung des Urteils reicht dafür nicht aus (vgl BSG Beschluss vom 22.11.2023 - B 9 SB 18/23 R - juris RdNr 10 mwN); zumal ihm nicht zu entnehmen ist, ob auch nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung noch ein Beweisantrag (zumindest hilfsweise zum Sachantrag) gestellt worden ist.
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2. Soweit die Klägerin die vom LSG unterlassene Beweiserhebung auch als Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ansieht (Rügen Nr 4 und Nr 6), genügt ihr diesbezügliches Vorbringen den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels ebenfalls nicht. Denn die Beschwerdebegründung lässt schon nicht erkennen, was die Klägerin im Berufungsverfahren selbst unternommen hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen BSG Beschluss vom 24.1.2024 - B 2 U 107/23 B - juris RdNr 7 f mwN). Insbesondere hat sie auch insoweit nicht aufgezeigt, ihre Beweisanträge bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten zu haben (dazu im Kontext der Gehörsrüge BSG Beschluss vom 18.10.2023 - B 9 V 9/23 B - juris RdNr 21). Ohnehin können die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (vgl BSG Beschluss vom 19.10.2021 - B 5 R 204/21 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 12).
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Schließlich ist ein Gehörsverstoß auch nicht mit dem Beschwerdevorbringen hinreichend bezeichnet, das LSG habe den unter Beweis gestellten Sachvortrag der Klägerin übergangen, sie sei geschäftsunfähig und pflegebedürftig nach Pflegegrad 3 (Rüge Nr 1). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei ist allerdings grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, auch wenn das Vorbringen in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich erwähnt wird, weil das Gericht nach Art 103 Abs 1 GG nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden. Art 103 Abs 1 GG ist nur verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (siehe zum Ganzen BSG Beschluss vom 25.10.2012 - B 9 SB 51/12 B - juris RdNr 8 mit Hinweisen auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung).
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Solche Umstände zeigt die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auf. Sie lässt insbesondere nicht erkennen, dass das LSG stillschweigend vom gegenteiligen Sachverhalt ausgegangen wäre, also die Klägerin als geschäftsfähig oder als nicht pflegebedürftig angesehen hätte. Ebenso wenig macht sie deutlich, dass und warum es sich um den wesentlichen Kern ihres Tatsachenvortrags zu einer Frage gehandelt hätte, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist (zu einer solchen Konstellation BSG Beschluss vom 21.3.2018 - B 13 R 254/15 B - juris RdNr 5 f). Überdies bietet der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (vgl BSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 12 mwN unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 - juris RdNr 43). Er gewährleistet nur, dass jeder Beteiligte "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, dem Vortrag eines Beteiligten zu folgen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 16). Welche Rechtsfolgen das LSG - ausgehend von seiner materiellen Rechtsansicht - aus den Umständen der Pflegebedürftigkeit und der Geschäftsunfähigkeit zu ziehen verpflichtet gewesen wäre, zeigt die Beschwerde nicht substantiiert auf, sodass auch unklar bleibt, inwieweit das Berufungsurteil auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen kann.
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Soweit die Klägerin letztlich rügen will, dass das LSG von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, kritisiert sie im Kern dessen Beweiswürdigung, die jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der Beurteilung durch das BSG im Beschwerdeverfahren vollständig entzogen ist. Diese Regelung, wonach ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Entscheidung des Gerichts nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung) gestützt werden kann, kann auch nicht im Wege einer Gehörsrüge umgangen werden (BSG Beschluss vom 30.3.2023 - B 10 ÜG 2/22 B - juris RdNr 36; BSG Beschluss vom 13.7.2023 - B 11 AL 8/23 B - juris RdNr 9). Dasselbe gilt für die bei Rüge Nr 4 zugeordnete Kritik der Klägerin, das LSG habe ihr Vorbringen zu den Wechselwirkungen ihrer verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen nicht beschieden.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Kaltenstein
Othmer
B. Schmidt
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