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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 24.06.2020 - B 11 AL 3/19 R
BSG 24.06.2020 - B 11 AL 3/19 R
Vorinstanz
vorgehend SG München, 1. Juli 2015, Az: S 36 AL 1054/13
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 15. Mai 2018, Az: L 9 AL 202/15
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist ein Anspruch auf Alg über den 8.10.2013 hinaus.
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Der 1965 geborene Kläger steht seit Oktober 1991 bei einem Klinikum in einem Arbeitsverhältnis als Küchenhelfer. Ab dem 13.4.2012 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog vom 25.5.2012 bis einschließlich 28.8.2013 Krankengeld, unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld während einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation im Zeitraum 27.6.2012 bis 29.8.2012. Bei Entlassung aus dieser Maßnahme wurde dem Kläger vorübergehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, jedoch sei aus sozialmedizinischer Sicht auf Dauer sowohl für die letzte Tätigkeit als Küchenhilfe als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von einem Leistungsvermögen von täglich über sechs Stunden auszugehen.
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Ein Antrag des Klägers auf Erwerbsminderungsrente vom 25.3.2013, gegen dessen Ablehnung er Klage erhoben hatte, blieb wegen des festgestellten Leistungsvermögens erfolglos.
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Bereits am 11.7.2013 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Er erklärte, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, sowie seine Bereitschaft, sich im Rahmen eines durch den Ärztlichen Dienst festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Der Kläger gab außerdem an, weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein und reichte in der Folgezeit weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seiner behandelnden Ärzte ein. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Alg ab (Bescheid vom 23.9.2013). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei seit dem 4.3.2013 arbeitsunfähig und stehe der Arbeitsvermittlung daher nicht zur Verfügung.
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Ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 27.9.2013 bescheinigte dem Kläger, dass er weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Erwerbstätigkeit in der Lage sei. Diese Prognose gelte für einen Zeitraum von sechs Monaten. Bei Eröffnung des Gutachtens am 8.10.2013 gab der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten an, krank zu sein und nicht arbeiten zu können. Der Widerspruch des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2013). Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Gutachten vom 27.9.2013 und die Äußerungen des Klägers vom 8.10.2013.
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Das SG hat die Beklagte verurteilt, Alg vom 29.8.2013 bis 8.10.2013 zu leisten (Urteil vom 1.7.2015). Es bestehe ein Anspruch auf Alg bis zur persönlichen Vorsprache am 8.10.2013. Danach fehle es an der subjektiven Verfügbarkeit, denn der Kläger habe sich tatsächlich nicht mehr der Arbeitsvermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt, weil er nach Arbeitslosmeldung weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt habe.
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Gegen dieses Urteil hat nur der Kläger Berufung eingelegt. Auf Nachfrage hat der Personalleiter des Arbeitgebers telefonisch gegenüber dem LSG erklärt, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger habe wegen dessen Erkrankung lediglich vorübergehend geruht. Am 28.4.2015 habe der Kläger seine Arbeit wieder aufgenommen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.5.2018). Es fehle an der Beschäftigungslosigkeit des Klägers. Der Arbeitgeber habe nicht auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet. Hierfür spreche, dass der Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung gegenüber der Beklagten keine Angaben zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gemacht, sondern handschriftlich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hingewiesen habe. Der Kläger habe auch seine Arbeit am 28.4.2015 tatsächlich wieder aufgenommen, was Beleg für eine fortbestehende Dienstbereitschaft sei. Auch die Einleitung eines betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements im Mai 2013 spreche für ein fortbestehendes Beschäftigungsverhältnis.
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Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III. Er macht geltend, ein Beschäftigungsverhältnis sei jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich oder konkludent auf sein Direktionsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer verzichte. Sein Arbeitgeber habe es abgelehnt, ihn auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz oder auf dem bisherigen Arbeitsplatz nach Durchführung technischer oder organisatorischer Änderungen weiter zu beschäftigen. Dies führe zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. Die Beschäftigung sei nur leere Hülse zwischen den Arbeitsvertragsparteien und es bestehe Beschäftigungslosigkeit iS von § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 2018 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. Juli 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 8. Oktober 2013 hinaus Arbeitslosengeld zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 SGG), ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Es besteht kein Anspruch auf Alg für die Zeit ab 9.10.2013.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid der Beklagten vom 23.9.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013, soweit dadurch (auch) für die Zeit ab 9.10.2013 ein Anspruch auf Alg abgelehnt worden ist. Alleine dieser (Teil-)Zeitraum ist noch streitbefangen, nachdem das SG die Beklagte unter Änderung des genannten Bescheides verurteilt hat, für den Zeitraum 29.8.2013 bis 8.10.2013 Alg zu leisten und das Urteil insoweit mangels Berufung der Beklagten rechtskräftig geworden ist. Ansprüche für die Zeit vor dem 29.8.2013 hat der Kläger bereits im Klageverfahren nicht geltend gemacht. Er verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG), gerichtet auf die Aufhebung des Ablehnungsbescheides und Erbringung von Alg dem Grunde nach ab dem 9.10.2013.
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Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit ist § 137 SGB III, der Arbeitslosigkeit, eine Arbeitslosmeldung und die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraussetzt. Arbeitslos ist nach § 138 Abs 1 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Ein Anspruch auf Alg scheitert hier bereits daran, dass der Kläger in dem streitbefangenen Zeitraum ab dem 9.10.2013 weiterhin in einem Beschäftigungsverhältnis stand und schon deshalb nicht arbeitslos war.
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Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ist, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung betont hat, kontextabhängig und funktionsdifferent auszulegen (zusammenfassend BSG vom 12.9.2019 - B 11 AL 20/18 R - RdNr 16 mwN). Funktion des für die Dauer und die Höhe des Alg-Anspruchs maßgebenden Begriffs des versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist es, den Versicherungsschutz in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung zu gewährleisten. Deshalb ist das Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinn auch bei tatsächlicher Nichtbeschäftigung nicht beendet, wenn und solange eine Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht. Dies gilt etwa in Fallgestaltungen rechtlich unwirksamer Kündigungen von Arbeitsverträgen, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, der Arbeitgeber sie aber nicht annimmt und dadurch in Annahmeverzug gerät (vgl BSG vom 12.9.2019 - B 11 AL 20/18 R - RdNr 16).
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Dagegen hat die hier relevante Anspruchsvoraussetzung des Nichtbestehens eines leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses, also die Beschäftigungslosigkeit iS des § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III, die Funktion, das durch Leistungen der Arbeitslosenversicherung erfasste Risiko zu bestimmen und zu begrenzen. Der Arbeitnehmer steht - unbesehen des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses - regelmäßig (erst) dann nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis, wenn die Beschäftigung faktisch ein Ende gefunden hat, dh wenn die dieses Beschäftigungsverhältnis prägende persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten von seinem Arbeitgeber entfällt. Dazu muss entweder der Arbeitgeber auf seine faktische Verfügungsgewalt, das sog Direktionsrecht, verzichten oder der Arbeitnehmer seine Dienstbereitschaft aufgeben. Dies ist nach einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen. Erklärungen der Parteien des Arbeitsverhältnisses haben als Anzeichen für die weiter bestehenden Bindungen eine hervorgehobene Bedeutung. Sie können jedoch auch unbeachtlich sein, wenn sie nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen, auf die es maßgeblich ankommt, und sich das Beschäftigungsverhältnis deshalb als "leere Hülse" erweist (vgl BSG vom 12.9.2019 - B 11 AL 20/18 R - juris RdNr 17 mwN).
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Anders als die Revision meint, liegt Beschäftigungslosigkeit nicht zwingend schon dann vor, wenn der Arbeitgeber es ablehnt, den bisherigen Arbeitsplatz des langfristig, aber nicht dauerhaft arbeitsunfähig erkrankten Klägers leidensgerecht zu gestalten bzw den Kläger auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Dieses Verhalten begründet - wie vom LSG zu Recht angenommen - allein noch keinen Verzicht auf die Ausübung des Direktionsrechts, sodass es der Gesamtwürdigung auch unter diesen Umständen bedarf. Das BSG hat gerade für Fallgestaltungen langfristig erkrankter bzw leistungsgeminderter Arbeitnehmer, die tatsächlich nicht beschäftigt werden, bereits entschieden, dass auch hier Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien zu einem Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses als innere Tatsachen unter Berücksichtigung der nicht abschließend bestimmbaren tatsächlichen Umstände von Bedeutung sind. In diesem Kontext können eine lange Dauer des Krankengeldbezugs, längere eingeschränkte gesundheitliche Leistungsfähigkeit, Arbeitslosmeldung, Rentenantragstellung und fehlende betriebliche Einsatzmöglichkeiten zwar für eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses sprechen (BSG vom 12.9.2019 - B 11 AL 20/18 R - RdNr 20). Arbeits- und Eingliederungsversuche deuten hingegen auf seinen Fortbestand über die Dauer der faktischen Beschäftigungslosigkeit hinaus hin (vgl BSG vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 15, juris RdNr 14).
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Vorliegend ist das LSG von einem zutreffenden Verständnis des Rechtsbegriffs des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen und hat die geforderte Gesamtwürdigung der von ihm festgestellten tatsächlichen Umstände ohne Rechtsfehler vorgenommen. In Übereinstimmung mit der dargelegten Rechtsprechung hat es neben den Erklärungen der Parteien und der Auskunft des Personalleiters des Arbeitgebers auch die relevanten tatsächlichen Umstände des Einzelfalls in seine Überlegungen einbezogen. Es hat eine fehlende Beschäftigungslosigkeit ua darauf gestützt, dass der Kläger am 28.4.2015 seine Arbeit auf der bisherigen Stelle wieder aufgenommen hat. Die sozialmedizinische Beurteilung der Reha-Klinik, aus der gerade keine dauerhafte Leistungseinschränkung zu entnehmen war, und den Versuch, mittels des betrieblichen Eingliederungsmanagements im Mai 2013 die ursprüngliche Tätigkeit wieder aufzunehmen, hat das LSG ebenfalls berücksichtigt. An die Tatsachenfeststellungen ist der Senat gemäß § 163 SGG gebunden, weil der Kläger diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat. Auch eine Verletzung der Grenzen freier richterlichen Beweiswürdigung, § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, sind nicht gerügt und auch nicht zu erkennen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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