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BSG 28.05.2019 - B 1 A 1/18 R
BSG 28.05.2019 - B 1 A 1/18 R - Krankenversicherung - Gewährung von zusätzlichen Satzungsleistungen - Koppelung an ungekündigte Mitgliedschaft ist rechtswidrig
Normen
Art 3 Abs 1 GG, § 40 Abs 1 SGB 1, § 19 S 1 SGB 4, § 11 Abs 6 S 1 SGB 5 vom 23.10.2012, § 11 Abs 6 S 2 SGB 5 vom 22.12.2011, § 13 Abs 2 SGB 5, § 19 Abs 1 SGB 5 vom 20.12.1988, § 175 SGB 5, § 194 Abs 1 Nr 3 SGB 5, § 194 Abs 2 Nr 2 SGB 5, § 195 Abs 1 SGB 5
Vorinstanz
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 20. März 2018, Az: L 5 KR 394/16 KL, Urteil
Leitsatz
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Krankenkassen dürfen die Gewährung von zusätzlichen Satzungsleistungen nicht an eine ungekündigte Mitgliedschaft knüpfen.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. März 2018 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
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Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 50 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Genehmigung einer Satzungsänderung.
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Die klagende, bundesweit zuständige Krankenkasse (KK) regelt in ihrer Satzung als Kostenerstattungszuschüsse konzipierte Gestaltungsleistungen. Art I § 12 Abs VIII S 1 und 2 der Satzung lautet: "Die BKK Wirtschaft und Finanzen gewährt ihren Versicherten Leistungen gemäß § 11 Abs 6 SGB V. Die Kostenerstattung muss dabei jeweils bis zum 31. März des Folgejahres beantragt werden. (…)". Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss als 29. Nachtrag zur Satzung ua Ziff 4 Buchst a zu Art I § 12 Abs VIII S 2 (21.6.2016). Danach sollten in S 2 nach den Worten "beantragt werden" die Worte "und ist an eine ungekündigte Mitgliedschaft geknüpft" eingefügt werden. Die Änderung sollte am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft treten (Ziff 10 zu Art II). Die beklagte Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt (BVA), genehmigte den beschlossenen übrigen 29. Nachtrag zur Satzung, lehnte es aber ab, die Ergänzung in Ziff 4 Buchst a zu Art I § 12 Abs VIII S 2 zu genehmigen: Die geplante Satzungsänderung sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 11 Abs 6 SGB V nicht gedeckt. Die Klägerin müsse zusätzliche Leistungen allen Versicherten unabhängig von ihrem mitgliedschaftsrechtlichen Status gewähren (Bescheid vom 29.7.2016). Während des Klageverfahrens hat der Verwaltungsrat der Klägerin den 30. Nachtrag zur Satzung beschlossen. Danach sollte ua in Art I § 12 Abs VIII S 2 nach den Worten "beantragt werden" die Worte "und ist zum Zeitpunkt der Antragstellung an eine ungekündigte Mitgliedschaft geknüpft" eingefügt werden (Ziff 4). Die Änderung sollte am 1.1.2017 in Kraft treten (Ziff 16 zu Art II; 8.12.2016). Die Beklagte lehnte es ebenfalls ab, diesen Teil des 30. Nachtrags zur Satzung zu genehmigen (Bescheid vom 16.1.2017). Das LSG hat die Klage abgewiesen, gerichtet auf Genehmigung von Ziff 4 Buchst a zu Art I § 12 Abs VIII S 2 in der beschlossenen Fassung des 29., hilfsweise des 30. Nachtrags zur Satzung: Die beabsichtigte Koppelung von zusätzlichen Leistungen gemäß § 11 Abs 6 SGB V an eine ungekündigte Mitgliedschaft sei mit zwingendem Recht nicht vereinbar. § 19 SGB V regele die Auswirkungen der Beendigung der Mitgliedschaft auf die Leistungsansprüche Versicherter abschließend (Urteil vom 20.3.2018).
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Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 11 Abs 6 und § 19 SGB V. Die geplante Satzungsergänzung sei zu genehmigen. Sie regele nicht das Erlöschen von Leistungsansprüchen, sondern als weitere Voraussetzung für die Gewährung von Zusatzleistungen die ungekündigte Mitgliedschaft im Zeitpunkt der Antragstellung.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. März 2018 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 29. Juli 2016 und 16. Januar 2017 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, Ziff 4 Buchst a zu Art I § 12 Abs VIII S 2 in der beschlossenen Fassung des 29. Nachtrags der Satzung zu genehmigen,
hilfsweise,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. März 2018 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 29. Juli 2016 und 16. Januar 2017 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, Ziff 4 Buchst a zu Art I § 12 Abs VIII S 2 in der beschlossenen Fassung des 30. Nachtrags der Satzung zu genehmigen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der klagenden KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Recht hat das LSG die zulässige Klage (dazu 1.) abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die beantragten Satzungsänderungen der Klägerin zu genehmigen. Die Beklagte lehnte deren Genehmigung rechtmäßig ab. Sie stehen nicht mit höherrangigem Recht in Einklang (dazu 2.).
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1. Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei der Klage um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) oder um eine Aufsichtsklage (§ 54 Abs 3 SGG) handelt. Im Verhältnis zum Versicherungsträger ist die begehrte Genehmigung ein Verwaltungsakt (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2200 § 700 Nr 1 S 2; BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 12; BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 10; BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 9 mwN). Auch mit der Aufsichtsklage kann die Vornahme einer begünstigenden Aufsichtsanordnung begehrt werden, nämlich die Erteilung einer beantragten Satzungsgenehmigung, wenn die Aufsichtsbehörde dies abgelehnt hat und der Versicherungsträger geltend macht, dass er auf die Vornahme dieses Akts einen Rechtsanspruch habe (stRspr, vgl zB BSGE 69, 72, 73 = SozR 3-2500 § 241 Nr 1 S 2; BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 11; BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 9; BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 8; BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr 5, RdNr 9). So liegt es hier.
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Das LSG hat auch rechtmäßig die Ablehnung der Beklagten, einen Teil des 30. Nachtrags der beschlossenen Satzungsänderung zu genehmigen, in das Klageverfahren einbezogen (vgl § 96 Abs 1 SGG idF durch Art 1 Nr 16 Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444, mWv 1.4.2008).
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2. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die beantragten Satzungsänderungen zu genehmigen. Nach § 195 Abs 1 SGB V bedarf die Satzung einer KK der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Dies gilt auch für Satzungsänderungen. Ist eine verfahrensmäßig ordnungsgemäß zustande gekommene Satzungsänderung mit höherrangigem Recht vereinbar, besteht nach § 195 Abs 1 SGB V ein Anspruch auf die Genehmigung (stRspr, vgl zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 12; BSGE 106, 199 = SozR 4-2500 § 53 Nr 1, RdNr 11; BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 10; BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 9). Die Satzung darf Leistungen nur vorsehen, soweit das SGB V sie zulässt (§ 194 Abs 2 S 2 SGB V). Daran fehlt es. Die nach dem Gesamtzusammenhang der LSG-Feststellungen (§ 163 SGG) dem Verfahren nach ordnungsgemäß beschlossenen Ergänzungen des Art I § 12 Abs VIII S 2 genügen indes nicht den Anforderungen des § 11 Abs 6 S 1 und S 2 SGB V (idF durch Art 3 Nr 1 Buchst b Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung <Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG> vom 23.10.2012, BGBl I 2246 mWv 30.10.2012). Danach kann die KK in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Abs 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Abs 1 S 1), mit Heilmitteln (§ 32) und Hilfsmitteln (§ 33), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln.
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Die beschlossenen Satzungsbestimmungen sind nach Wortlaut (dazu a), Entstehungsgeschichte (dazu b), Regelungssystem (dazu c) und -zweck (dazu d) nicht von der Ermächtigung des § 11 Abs 6 S 1 und 2 SGB V zum Erlass von Satzungsbestimmungen (zu diesem Erfordernis vgl BSGE 89, 227, 231 = SozR 3-2500 § 194 Nr 1 S 5; BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 18 f) gedeckt. Die Satzungsergänzungen fordern unzulässig für eine Kostenübernahme für zusätzliche Leistungen, dass eine ungekündigte Mitgliedschaft besteht oder hilfsweise zum Zeitpunkt der Antragstellung besteht.
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a) Schon der Wortlaut des § 11 Abs 6 S 1 und 2 SGB V lässt es nicht zu, Satzungsleistungen von einer ungekündigten Mitgliedschaft abhängig zu machen. Die Regelung gestattet es lediglich, in der Satzung "zusätzliche Leistungen … vorzusehen". Das Gesetz beschränkt die Regelungskompetenz des Satzungsgebers auf "zusätzliche" Leistungen (vgl BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 12). Es ermächtigt nicht dazu, zusätzliche Leistungen statusabhängig nur für den Teil der Versicherten vorzusehen, der seine Mitgliedschaft nicht gekündigt hat. Die Ausgestaltung der Leistungen hat vielmehr sachbezogen zu erfolgen. In diesem Sinne sieht § 11 Abs 6 S 2 SGB V in Einklang mit § 194 Abs 1 Nr 3 SGB V vor, dass die Satzung "insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang" der zusätzlichen Leistung bestimmen muss. Die "Dauer (…) der Leistung" betrifft hierbei ihren zeitlichen Umfang. Die Formulierung "insbesondere" eröffnet nicht die Möglichkeit, statusabhängige Regelungen zu treffen.
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b) Die Entstehungsgeschichte unterstreicht ebenfalls, dass die Ermächtigung zu Gestaltungsleistungen kraft Satzung nicht die Möglichkeit statusabhängiger Regelungen umfasst. Die Gesetzesmaterialien heben hervor, dass eine Differenzierung zwischen Versicherten nicht gewollt war. Es sollte vielmehr um Leistungen gehen, die eine KK zusätzlich zum allgemeinen Leistungsangebot der GKV "allen ihren Versicherten" gewähren könne (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV-Versorgungsstrukturgesetzes - GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 53, Zu Nr 2 <§ 11>, Zu Buchst b; vgl auch Becker/Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl 2018, § 11 RdNr 37).
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c) Das Regelungssystem unterstreicht dieses Ergebnis. Grundsätzlich legt das Gesetz selbst die Leistungen der GKV fest (§§ 11 ff SGB V), mag sich der konkrete Individualanspruch des Versicherten (vgl dazu BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, LS 1) auch erst in seiner Reichweite und Gestalt aus dem Zusammenspiel mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen ergeben (vgl dazu BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 8 mwN; BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 13; BSGE 124, 1 = SozR 4-2500 § 27 Nr 29, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 137c Nr 10 RdNr 12 und BSG SozR 4-2500 § 137e Nr 1 RdNr 10, beide auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Soweit die einzelne KK selbst ausnahmsweise Leistungen ausgestalten darf, will der Gesetzgeber damit keinen Freibrief ausstellen, um ein gesetzesunabhängiges Leistungsrecht kraft Satzung zu schaffen. Der Satzungsgeber hat aufgrund gesetzlicher Öffnungen für Gestaltungsleistungen vielmehr jeweils nur ein begrenztes, vom Gesetz eröffnetes Gestaltungsfeld. Grundlegende Umgestaltungen bleiben dem Gesetzgeber vorbehalten (vgl zum Ganzen BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 19). Um eine solche grundlegende Umgestaltung handelt es sich jedoch, wenn die Klägerin den Anspruch auf eine Satzungsleistung generell von einer ungekündigten Mitgliedschaft oder speziell von einer solchen im Zeitpunkt der Antragstellung auf Kostenerstattung abhängig machen will.
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Das Regelungsziel der Satzungsänderungen, "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, die entstehen, wenn Versicherte einmalig gewährte Zusatzleitungen in Anspruch nehmen und anschließend kündigen, verstößt gegen die abschließend gesetzlich geregelten Vorgaben des Kassenwahlrechts Versicherter (vgl § 175 SGB V). Weder die bisherige noch die gewählte KK darf die Wahl gesetzeswidrig erschweren oder unterlaufen (vgl zur Einfügung eines Abs 2a in § 175 SGB V durch Art 1 Nr 64 Buchst b GKV-VStG, um der Beeinflussung der Wahl einer KK durch die abgebende oder die aufnehmende KK oder durch Dritte stärker entgegenzutreten, Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 94, Zu Nr 64 <§ 175>). Die Voraussetzungen für eine Kündigung regelt das Gesetz zwingend und vollständig (vgl § 175 Abs 4 SGB V). Die Pflichten der betroffenen KKn beschränken sich nicht etwa nur auf zutreffende vollständige Informationen über die Kündigungsmöglichkeiten und die Beiträge und Leistungen wählbarer KKn (vgl zu diesen sozialen, vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit einklagbaren Rechten zB §§ 14 und 15 SGB I und hierzu BSGE 113, 114 = SozR 4-1500 § 54 Nr 33, RdNr 23 mwN) sowie die erforderlichen Mitwirkungshandlungen (vgl zB Ausstellen einer Kündigungsbestätigung, § 175 Abs 4 S 3 SGB V). Die KKn dürfen vielmehr die Wahlrechte auch nicht dadurch beschränken, dass sie Gestaltungsleistungen von der Nichtausübung von Kündigungsrechten abhängig machen. § 11 Abs 6 SGB V sieht nicht vor, durch die Satzung gleichsam Wahltarife für Mitglieder einzuführen, die ihre Kündigungsrechte nicht ausüben (vgl auch Becker/Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl 2018, § 11 RdNr 37; Grötschel in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 11 SGB V RdNr 16; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 11 SGB V RdNr 18; Peick in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl 2018, § 10 RdNr 13b).
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Die Ausübung von Kündigungsrechten lässt nach dem gesetzlichen Regelungssystem Leistungsrechte des SGB V unberührt. Das SGB V kennt keine Regelungen, die die Entstehung oder den Fortbestand von Leistungsansprüchen an eine ungekündigte Mitgliedschaft knüpfen. Erst der Kassenwechsel des Versicherten lässt Ansprüche erlöschen. Grundsätzlich erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit keine abweichenden Bestimmungen entgegenstehen (vgl § 19 Abs 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 3 GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2011, 2983 mWv 1.5.2011). Die Norm findet auch bei einem Kassenwechsel Anwendung (vgl BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4, RdNr 12 mwN; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 9). Die Regelung der nachgehenden Leistungsansprüche (§ 19 Abs 2 und 3 SGB V) schiebt diese Rechtsfolge um längstens einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft hinaus. § 19 Abs 1a SGB V trifft Sonderregelungen zur Fortgeltung von Leistungsentscheidungen der früheren KK für den Fall des KK-Wechsels aufgrund einer Schließung oder Insolvenz der KK. Die Leistungspflicht der KK für eine konkrete Behandlungsmaßnahme hängt allein von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung ab (stRspr BSG, vgl zB BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4, RdNr 12; BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, LS 2 und RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 19 Nr 9 RdNr 15). Dementsprechend führt § 19 Abs 1 SGB V nach seinem Sinn und Zweck bei einem KK-Wechsel nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren KK (vgl BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 9 ff), nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie etwa einem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige KK zu Unrecht abgelehnte und vom Versicherten selbst beschaffte Leistung (vgl BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 9 mwN; vgl auch BSGE 121, 32 = SozR 4-3250 § 17 Nr 4, RdNr 26 für die Kostenerstattung bei Bewilligung eines persönlichen Budgets; vgl allgemein auch E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand Januar 2019, § 13 SGB V RdNr 82 ff mwN). Vergleichbares gilt für entstandene Ansprüche aufgrund gewillkürter oder als Zusatzleistung konzipierter Kostenerstattung für Leistungen, bei denen im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung Versicherungsschutz bestand. Solche Ansprüche entstehen im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung.
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Ansprüche auf gebundene Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl § 40 Abs 1 SGB I). Inwieweit die für das Verfahren notwendige Antragstellung zu den materiellen Anspruchsvoraussetzungen gehört, ist jeweils im Wege der Auslegung der Leistungsnorm zu ermitteln. Allerdings entscheidet die KK über den Anspruch eines Versicherten grundsätzlich auf Antrag (§ 19 S 1 SGB IV) durch Verwaltungsakt (vgl zum Grundsatz zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 11; BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 140 Nr 1 RdNr 21 mwN). Dabei hat der Antrag teilweise eine Doppelfunktion als Verfahrenshandlung und als materiell-rechtliche Voraussetzung (stRspr, vgl zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 11; BSGE 124, 251 = SozR 4-2500 § 13 Nr 39, RdNr 20; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 17, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 42 vorgesehen; aA, aber nicht die aktuelle Rechtslage einbeziehend Frehse in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand Januar 2019, Vor § 11 SGB V, RdNr 35). Soweit nicht ohnehin Ermessensleistungen betroffen sind, dient der Antrag als materiell-rechtliche Voraussetzung etwa der Absicherung einer Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen (vgl zB BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 32 ff; BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 13; BSGE 124, 1 = SozR 4-2500 § 27 Nr 29, RdNr 10 mwN) oder als Grundlage einer Genehmigungsfiktion (vgl § 13 Abs 3a SGB V).
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Dagegen gehört der Antrag auf Kostenerstattung bei den Ansprüchen aufgrund gewillkürter (vgl § 13 Abs 2 SGB V) oder als Zusatzleistung konzipierter Kostenerstattung nicht zu den materiellen Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen. Sie müssen bereits im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung entstehen, um den gebotenen Gleichlauf mit den alternativ gegebenen Naturalleistungsansprüchen zu erreichen. Würde man bei den Ansprüchen aufgrund gewillkürter oder als Zusatzleistung konzipierter Kostenerstattung auf den Kostenerstattungsantrag abstellen, wäre eine in Abhängigkeit von Naturalleistung oder Kostenerstattung sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung der Versicherten willkürlich und verstieße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl Art 3 Abs 1 GG). Bei den von den streitigen Satzungsänderungen betroffenen Anträgen geht es gerade um solche auf als Zusatzleistung konzipierte Kostenerstattung.
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Die revisiblen (vgl § 162 SGG) maßgeblichen Satzungsbestimmungen der Klägerin, welche durch die Satzungsänderungen ergänzt werden sollen, betreffen in Einklang mit diesen Grundsätzen nach Wortlaut, Regelungssystem und Zweck Anträge auf Kostenerstattung für zusätzliche Leistungen nach § 11 Abs 6 SGB V (vgl Art I § 12 Abs VIII S 2). Die Satzung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei diesen Kostenerstattungsanträgen um materielle Leistungsvoraussetzungen und nicht bloß um reine Abrechnungsvorschriften handelt. Der Satzungstext unterscheidet klar zwischen Leistungsvoraussetzungen (vgl etwa Art I § 12 Abs VIII Nr 1 <Budget Schwangerschaft> Buchst b Abs 1 S 2: "Weitere Bedingung hierfür ist …"; Art I § 12 Abs VIII Nr 1 <Budget Schwangerschaft> Buchst d S 2: "Voraussetzung für die Kostenübernahme ist …"; Art I § 12 Abs VIII Nr 3 <Budget "Zähne"> Buchst d S 2: "Eine Kostenerstattung der professionellen Zahnreinigung kann nicht erfolgen, wenn …") und der Regelung des bloßen Verfahrens der Kostenerstattung (vgl etwa Art I § 12 Abs VIII Nr 1 <Budget Schwangerschaft> Buchst b Abs 2: "Zur Erstattung sind … vorzulegen"; Art I § 12 Abs VIII Nr 1 <Budget Schwangerschaft> Buchst c Abs 2: "Die Erstattung erfolgt nach Vorlage der …"; Art I § 12 Abs VIII Nr 8 Medizinische Vorsorge <§ 23 SGB V> Abs 3 S 2 "Zur Erstattung sind Originalrechnungen vorzulegen"; ähnlich auch Art I § 12 Abs VI <Kostenerstattung> Nr 4 für die gewillkürte Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V). Der Antrag auf Kostenerstattung gehört auch nach dem Regelungssystem der Satzung lediglich zum Erstattungsverfahren, und zwar zusammen mit punktuell geregelten Anforderungen an den Nachweis der entstandenen Kosten (vgl etwa Art I § 12 Abs VIII Nr 1 <Budget Schwangerschaft> Buchst c Abs 2: Vorlage der Teilnahmebescheinigung und der spezifizierten Originalrechnung der Hebamme). Dies entspricht zudem dem Zweck der Satzungsbestimmungen, das Erstattungsverfahren einfach und effektiv zu gestalten.
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d) Auch der Regelungszweck von § 11 Abs 6 SGB V spricht für eine Gesetzesauslegung, die dem Satzungsgeber keine Verknüpfung der Leistungsgewährung mit einer zum Zeitpunkt der Antragstellung ungekündigten Mitgliedschaft gestattet. Die Ausweitung der Angebotsmöglichkeiten der KK für Satzungsleistungen soll den Leistungswettbewerb zwischen den KKn stärken (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 53, Zu Nr 2 <§ 11>, Zu Buchst b; kritisch hierzu die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 13.10.2011 im BT-Ausschuss für Gesundheit, S 17 ff; vgl auch Schiffner, SGb 2015, 580, 584). Die KKn sollen die Versicherten allein durch ihr Leistungsangebot überzeugen, nicht aber Druck durch Treue- oder Bleibeprämien erzeugen (vgl oben, II 2 b).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt unter Berücksichtigung der bundesweiten Bedeutung der Sache aus § 197a Abs 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, Abs 3 S 1 Nr 2 und S 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 S 1 GKG (vgl auch BSG Urteil vom 19.9.2007 - B 1 A 4/06 R - Juris RdNr 33; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 A 1/14 R - Juris RdNr 18).
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