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BSG 28.09.2018 - B 9 V 22/18 B
BSG 28.09.2018 - B 9 V 22/18 B - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - soziales Entschädigungsrecht - Gewaltopferentschädigung - Vollmacht der Mutter für einen Entschädigungsantrag ihres volljährigen, behinderten Sohnes - Nachweis der Bevollmächtigung - unterstellte Vollmacht in Analogie zu § 73 Abs 3 S 6 SGG - Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Geschädigten - berechtigter Anlass zur weiteren Prüfung durch die Versorgungsverwaltung - Revisibilität - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - kurzfristiger Antrag auf Terminverlegung - gesteigerte Darlegungsanforderungen - Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit - bloße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend
Normen
§ 13 Abs 1 S 3 SGB 10, § 13 Abs 1 S 1 SGB 10, § 73 Abs 6 S 3 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 202 S 1 SGG, § 1 Abs 1 S 1 OEG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 227 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Leipzig, 26. März 2013, Az: S 5 VE 24/12, Gerichtsbescheid
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 10. April 2018, Az: L 9 VE 4/17, Urteil
Tenor
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Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. April 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im oben bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass sie dazu berechtigt sei, für ihren 1974 geborenen und an einer Cerebralparese leidenden Sohn einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wirksam zu stellen und diesen in einem solchen Verfahren zu vertreten.
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Der Beklagte hat den von der Klägerin für ihren Sohn gestellten Antrag vom 11.10.2011 auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nach dem OEG abgelehnt. Es liege keine wirksame Antragstellung vor, weil die Klägerin trotz Aufforderung keine Vollmacht von ihrem Sohn vorgelegt habe (Bescheid vom 15.5.2012, Widerspruchsbescheid vom 15.10.2012). Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage hat das SG abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.3.2013). Das LSG hat den von der Klägerin sinngemäß geltend gemachten Anspruch auf Feststellung, dass der Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG vom 11.10.2011 wirksam gestellt worden und sie berechtigt sei, ihren Sohn in einem solchen Verfahren zu vertreten, verneint (Urteil vom 10.4.2018). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sofern die Klägerin angebliche Willkürmaßnahmen der ehemaligen DDR gegenüber ihrem Sohn mit der Folge gesundheitlicher Störungen nach dem OEG geltend machen wolle, handele es sich um einen möglichen Anspruch ihres Sohnes. Dieser Anspruch sei höchstpersönlich. Es sei ein eigenes Recht des Sohnes und könne auch nur durch diesen gemäß § 1 Abs 1 OEG geltend gemacht werden. Zwar könne ein Beteiligter sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB X). Der Bevollmächtigte müsse allerdings auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachweisen (§ 13 Abs 1 S 3 SGB X). Da die Klägerin auf Verlangen des Beklagten keine Vollmacht vorgelegt habe, habe der Beklagte zutreffend die Eröffnung des von der Klägerin angestrebten Verwaltungsverfahrens abgelehnt. Im Fall der Klägerin sei auch nicht die Vertretung in entsprechender Anwendung des § 73 Abs 6 S 3 SGG zu unterstellen, da dem Beklagten die Lebensumstände des Sohnes der Klägerin unbekannt seien.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem am 19.4.2018 zugestellten Urteil hat die Klägerin mit von ihr persönlich unterzeichnetem Schreiben vom 17.5.2018 - beim BSG eingegangen am 19.5.2018 - Beschwerde eingelegt und Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. gestellt. Auf den weiteren Inhalt ihrer Schreiben vom 17.5., 17.6. und 10.7.2018 wird Bezug genommen.
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II. Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.
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Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall.
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Im Verfahren der als Rechtsmittel gegen das LSG-Urteil allein statthaften Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 160, 160a SGG) geht es nicht darum, ob das Urteil des LSG inhaltlich richtig oder falsch ist. Vielmehr ist gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in ihren oben genannten Schreiben nicht zu erkennen.
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Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hätte die Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage mit Breitenwirkung aufwürfe. Eine solche ist jedoch nicht ersichtlich. Rechtsfragen, die allgemeine, über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende Bedeutung besitzen, von der angestrebten Entscheidung der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass sie in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das Interesse der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird, sind nicht ersichtlich.
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Zu den von der Klägerin aufgeworfenen Fragestellungen im Zusammenhang mit der von ihr begehrten "Feststellung und Wirksamkeit des am 11.10.2011 gestellten Antrages auf Opferentschädigung in Auslegung der Anwendung von § 73 Abs. 2 Ziff. 6 SGG" weist der Senat ergänzend zu den insoweit zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen lediglich auf Folgendes hin: Das in § 1 Abs 1 OEG normierte Antragserfordernis dient zum einen dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Geschädigten. Dadurch wird gewährleistet, dass ein Geschädigter nicht nur auf Leistungen nach dem OEG verzichten, sondern vor allem auch unerwünschte Ermittlungen der Versorgungsbehörde in seinem unantastbaren persönlichen Intimbereich verhindern kann. Wenn er keinen Einblick der Versorgungsbehörde in seinen geschützten Persönlichkeitsbereich wünscht und bereit ist, deswegen auch auf Leistungen nach dem OEG zu verzichten, dann darf das Feststellungsverfahren nach dem OEG grundsätzlich nicht durchgeführt werden (Senatsurteil vom 23.2.1987 - 9a RVg 1/85 - BSGE 61, 180, 182 = SozR 3100 § 19 Nr 17 S 51 = Juris RdNr 17).
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Zwar kann sich ein Beteiligter im Verwaltungsverfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB X). Der Bevollmächtigte muss allerdings auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachweisen (§ 13 Abs 1 S 3 SGB X). Eine entsprechende Vollmacht, in der ihr Sohn sie bevollmächtigt, an seiner Stelle Versorgung nach dem OEG zu beantragen, hat die Klägerin auf Verlangen des Beklagten nicht vorgelegt, sodass der Beklagte wegen Fehlens eines wirksamen Versorgungsantrags des Sohnes zur Einleitung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens nicht befugt war. Sofern sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die das sozialgerichtliche Verfahren betreffende Vorschrift des § 73 Abs 6 S 3 SGG beruft, dass bei Verwandten in gerade Linie unterstellt werden kann, dass sie bevollmächtigt seien, bleibt anzumerken, dass selbst wenn man deren "entsprechende Anwendung" im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren bejahen wollte, dies keineswegs bedeutet, dass in jedem Fall zwingend von einer wirksamen Bevollmächtigung auszugehen ist. Vielmehr darf der Frage der Bevollmächtigung weiter nachgegangen werden, wenn Zweifel an der Erteilung einer Vollmacht bestehen (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 73 RdNr 68a mwN). In einem derartigen Fall ist auf Verlangen - wie bei jedem anderen Bevollmächtigten auch - eine Vollmacht vorzulegen. Sollte die Klägerin meinen, dass vorliegend kein berechtigter Anlass für den Beklagten bestanden habe, der Frage der Bevollmächtigung näher nachzugehen, wendet sie sich im Kern gegen die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Dieser Gesichtspunkt vermag die Revisionsinstanz indes nicht zu eröffnen. Die (vermeintliche) sachliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung stellt keinen Revisionszulassungsgrund dar (stRspr; zB BSG Beschluss vom 3.5.2017 - B 5 RS 3/17 B - Juris RdNr 14).
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Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Denn die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen. Vielmehr nimmt sie erkennbar auf die oben zitierte Entscheidung des BSG Bezug.
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Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Das LSG konnte durch die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem der LSG-Senat mit Beschluss vom 7.8.2017 das Berufungsverfahren auf die Berichterstatterin übertragen hatte (vgl § 153 Abs 5 SGG). Schließlich konnte das Berufungsgericht auch in Abwesenheit der Klägerin entscheiden. Auf diese Möglichkeit ist die Klägerin in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl § 110 Abs 1 S 2 SGG). Auch ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) liegt nicht vor. Den Terminverlegungsantrag der Klägerin vom 9.4.2018 hat das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt, weil die Klägerin durch die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihre Verhandlungsunfähigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 227 Abs 1 S 1 und Abs 2 ZPO) und das LSG sie zuvor auf die diesbezügliche Unzulänglichkeit der von ihr eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hingewiesen hat. Aus einer ärztlichen Bescheinigung müssen sich Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung ergeben. Denn nur dann kann das Gericht die Frage der Verhandlungsfähigkeit selbst beurteilen. Gerade bei - wie hier - kurzfristig vor dem Termin gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (vgl Senatsbeschluss vom 16.4.2018 - B 9 V 66/17 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - SozR 4-1500 § 110 Nr 1 RdNr 12). Auch der Umstand, dass das LSG den von der Klägerin für entscheidungserheblich gehaltenen Umständen im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, begründet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass die Klägerin mit ihrem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - Juris RdNr 6 mwN).
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III. Die durch die Klägerin persönlich eingelegte Beschwerde entspricht mangels Vertretung durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 S 1 SGG) nicht der gesetzlichen Form und ist deshalb unzulässig.
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Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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