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BSG 16.05.2018 - B 6 KA 3/18 B
BSG 16.05.2018 - B 6 KA 3/18 B - Vertragsärztliche Versorgung - Bewertungsausschuss - Rechtsprechung des BSG zur Vergütung von ambulanten Notfallbehandlungen im Krankenhaus - Reduzierung des Ermessensspielraums einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) - Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Bewertungsausschuss - keine Erfüllungsgehilfen einer beklagten KÄV
Normen
§ 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, § 87 Abs 3 SGB 5, § 44 Abs 2 S 2 SGB 10, § 278 BGB, Nr 01215 EBM-Ä 2008, Nr 01217 EBM-Ä 2008, Nr 01219 EBM-Ä 2008
Vorinstanz
vorgehend SG Kiel, 8. Dezember 2015, Az: S 2 KA 568/14, Urteil
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, 12. Dezember 2017, Az: L 4 KA 2/16, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 38 674,14 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die klagende Krankenhaus-GmbH begehrt gegenüber der beklagten KÄV eine nachträgliche Korrektur bestandskräftiger Honorarbescheide für die Quartale IV/2008 bis I/2013 zu ihren Gunsten. In den genannten Quartalen hatte die Klägerin nach ihren Angaben für die in ihrer Notfallambulanz erbrachten Leistungen ua die Gebührenordnungspositionen (GOP) 01211, 01215, 01217 und 01219 des damals geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) abgerechnet. Die genannten GOP bezogen sich auf die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw im organisierten Notfalldienst. Die Beklagte gewährte der Klägerin keine Vergütung nach den genannten GOP. Die entsprechenden Honorarbescheide wurden bestandskräftig.
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Nachdem das BSG mit Urteilen vom 12.12.2012 (B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 und B 6 KA 4/12 R - Juris) entschieden hatte, dass der Ausschluss der Krankenhäuser von der Abrechnung der die Besuchsbereitschaft betreffenden GOP rechtswidrig sei, beantragte die Klägerin am 29.11.2013 eine Änderung der Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale zu ihren Gunsten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.6.2014 und Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014). Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg (SG Kiel Urteil vom 8.12.2015 - S 2 KA 568/14; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 12.12.2017 - L 4 KA 2/16). In seiner Begründung ist das LSG davon ausgegangen, dass die Beklagte das ihr nach § 44 Abs 2 S 2 SGB X eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt habe. Die Entscheidung, die bestandskräftigen Bescheide nicht zurückzunehmen, sei rechtmäßig.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, zu deren Begründung sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht.
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II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsanforderungen für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in jeder Hinsicht erfüllt (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht vorliegt.
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Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 28.4.2005 - B 9a/9 VG 15/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG Beschluss vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG Beschluss vom 30.3.2000 - B 12 KR 2/00 B - SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben in BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG <Kammer> Beschluss vom 15.2.2006 - 1 BvR 2597/05 - SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff).
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Die Klägerin fragt:
"1. Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor, wenn ein Krankenhaus einen Antrag gem. § 44 Abs. 2 SGB X mit dem Ziel stellt, eine Nachvergütung für Notfallleistungen wegen der Änderung des EBM mit Beschluss des Bewertungsausschusses vom 17.12.2014 (341. Sitzung) zu erwirken, weil der Bewertungsausschuss trotz Kenntnis der Rechtsprechung des BSG in der Neuregelung des EBM die Vertragsärzte gegenüber Notfallambulanzen wiederholt bevorteilt hat.
2. Müssen sich die Kassenärztlichen Vereinigungen rechtswidriges Handeln des Bewertungsausschusses anrechnen lassen?"
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Soweit diese Fragen entscheidungserheblich sind, bedarf es zu ihrer Klärung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
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1. Der in der ersten Rechtsfrage angesprochene Umstand, dass dem Bewertungsausschuss die Rechtsprechung des BSG bekannt sei, ist für sich genommen zweifellos nicht geeignet, eine Reduzierung des Ermessensspielraums der KÄV zu bewirken. Das will die Klägerin auch erkennbar nicht geltend machen. Ihr geht es nach dem Inhalt der Begründung darum, dass dem Bewertungsausschuss aufgrund seiner Kenntnis der Rechtsprechung des BSG bekannt gewesen sein müsse, dass die getroffenen Regelungen zur Besuchsbereitschaft nicht mit dieser Rechtsprechung vereinbar seien. Es sei "kaum von der Hand zu weisen, dass mit der Einführung der Besuchsbereitschaftspauschalen sogar bewusst die Vorgaben, die das BSG in dem zitieren Urteil gemacht hat, umgangen werden sollten." Auf dieser Grundlage hält sie die unter 2. genannten Frage für klärungsbedürftig, ob sich die KÄV "rechtswidriges Handeln des Bewertungsausschusses anrechnen lassen" muss.
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Auf die Beantwortung der zu 1. formulierten Frage käme es danach nur an, wenn dem Bewertungsausschuss die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung bekannt gewesen wäre und er diese "dennoch missachtet" (so S 6 der Beschwerdebegründung) hätte. Mit der so verstandenen Formulierung im letzten Halbsatz der 1. Rechtsfrage ("weil der Bewertungsausschuss trotz Kenntnis der Rechtsprechung des BSG in der Neuregelung des EBM die Vertragsärzte gegenüber Notfallambulanzen wiederholt bevorteilt hat") unterstellt die Klägerin jedoch eine Bewertung, die das LSG seiner Entscheidung gerade nicht zugrunde gelegt hat. Vielmehr ist das LSG davon ausgegangen, dass der Bewertungsausschuss zum 1.1.2008 ein ganz neues System der Vergütung von Notfallbehandlungen eingeführt habe, das mit dem System, das Gegenstand der damals bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG war, nicht vergleichbar sei. Vor diesem Hintergrund sei nicht von vornherein absehbar gewesen, dass das BSG die getroffenen Regelungen zur Besuchsbereitschaft als rechtswidrig bewerten würde. Aufgrund der in der ersten der beiden formulierten Rechtsfragen enthaltenen Unterstellung eines der Entscheidung des LSG so nicht zugrundeliegenden Sachverhalts wird die Entscheidungserheblichkeit nicht in der erforderlichen Weise begründet.
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Im Übrigen spricht vieles für die Richtigkeit der Sichtweise des LSG. Zur Begründung ihrer Auffassung, dass der Bewertungsausschuss mit der Einführung der Vergütungstatbestände zur Besuchsbereitschaft bewusst Vorgaben aus der Rechtsprechung des BSG umgangen habe, hat die Klägerin auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses bereits vorliegende Rechtsprechung des Senats und insbesondere auf das Urteil vom 17.9.2008 (B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8) verwiesen, nach der ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus grundsätzlich nicht geringer vergütet werden dürfen als vergleichbare Behandlungen im organisierten vertragsärztlichen Notfalldienst. Dass der Bewertungsausschuss aus der zum damaligen Zeitpunkt bereits vorliegenden Rechtsprechung auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelungen zur Besuchspauschale hätte schließen müssen, hat die Klägerin in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht näher dargelegt, sondern nur allgemein geltend gemacht, dass dies "kaum von der Hand zu weisen" sei und es sich bei den Zusatzpauschalen um eine Bevorzugung "durch die Hintertür" gehandelt habe. Gegen die Richtigkeit dieser Bewertung, spricht neben den im Urteil des LSG angesprochenen Gesichtspunkten der Umstand, dass die Rechtslage vor der Entscheidung des Senats vom 12.12.2012 (B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13) von den Instanzgerichten nicht einheitlich bewertet wurde. Die Vorinstanz (SG Magdeburg Urteil vom 2.11.2011 - S 1 KA 59/09 und S 1 KA 33/09, das die Sprungrevision zugelassen hatte) hatte die getroffenen Regelungen zur Besuchspauschale ebenso als rechtmäßig angesehen wie eine Reihe anderer Sozialgerichte (vgl zB SG Düsseldorf Urteil vom 2.5.2012 - S 2 KA 154/08 - KRS 12.034 - Juris; SG Dresden Urteile vom 15.2.2012 - S 11 KA 169/10 ua - Juris; SG Stuttgart Urteil vom 23.8.2011 - S 10 KA 418/10 - Juris; anders dagegen bereits SG Hamburg Urteil vom 26.10.2011- S 27 KA 132/08 - KH 2012, 612 - Juris).
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2. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die zu 1. formulierte Rechtsfrage nur dann als entscheidungserheblich angesehen werden könnte, wenn die behauptete schuldhaft rechtswidrige Normsetzung des Bewertungsausschusses Einfluss auf die Ausübung des Ermessens durch die Beklagte hätte haben müssen. Dazu verweist die Klägerin in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde inhaltlich auf die 2. Rechtsfrage und macht geltend, dass klärungsbedürftig sei, ob die regionale KÄV für eine rechtswidrige Normsetzung des Bewertungsausschusses "haftbar" gemacht werden könne. Dass es unabhängig von einer solchen "Haftung" der KÄV auf die zu 1. formulierte Frage ankommen könnte, wird in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls nicht dargelegt.
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Dass die unter 2. formulierte Frage zu verneinen ist, ergibt sich aber ohne Weiteres aus den vorliegenden Rechtsvorschriften, sodass es an deren Klärungsbedürftigkeit fehlt: Als Rechtsgrundlage einer möglichen "Haftung" der KÄV für ein Verschulden des Bewertungsausschusses wird von der Klägerin eine analoge Anwendung des § 278 BGB ins Feld geführt. Soweit die Klägerin im Weiteren auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 14.3.2002 - III ZR 302/00 - BGHZ 150, 172 = NJW 2002, 1793) zur Haftung der KÄBV für ihre an der Beschlussfassung beteiligten Vertreter im Bewertungsausschuss Bezug nimmt, kann damit jedoch nicht nachvollziehbar begründet werden, dass die regionale KÄV für Fehler der KÄBV "haftbar" gemacht werden könne oder sich "das Handeln des Bewertungsausschusses gem. § 278 BGB analog zurechnen lassen" muss (vgl S 7 der Beschwerdebegründung). Die Vertreter der KÄBV im Bewertungsausschuss sind zweifellos keine Erfüllungsgehilfen der beklagten KÄV und die KÄV hat im Übrigen - anders als die KÄBV (vgl BSG Urteil vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26) - auch keine Möglichkeit, unmittelbar gegen einen von ihr als rechtswidrig bewerteten Beschluss des Bewertungsausschusses vorzugehen (vgl BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 46/13 R - SozR 4-5555 § 22 Nr 1 RdNr 32 mwN).
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Soweit die Klägerin in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im Zusammenhang mit der 2. formulierten Rechtsfrage ua die Frage aufwirft, ob "der Vertragsarzt unmittelbar gegen den Bewertungsausschuss Ansprüche etwa aus Amtshaftung" habe, kommt es darauf für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren, das allein die Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide und die Gewährung höheren Honorars zum Gegenstand hat, ersichtlich nicht an.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Honorarnachzahlung, die der Kläger hätte beanspruchen können, wenn er mit seinem Begehren Erfolg gehabt hätte.
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