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BSG 31.08.2017 - B 2 U 2/16 R
BSG 31.08.2017 - B 2 U 2/16 R - Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - Handlungstendenz - Startpunkt des versicherten Weges - Vorgang des "Sichfortbewegens" in Richtung Zielort - öffentlicher Verkehrsraum - Freiheit der Routenwahl, der Fortbewegungsart und des Fortbewegungsmittels - verbotswidriger Weg - versperrter direkter bzw unmittelbarer Weg zur Außenhaustür - versperrte Wohnungstür - Klettern aus dem Dachfenster
Normen
§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7, § 7 Abs 2 SGB 7
Vorinstanz
vorgehend SG Gelsenkirchen, 29. April 2014, Az: S 37 U 329/13, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. September 2015, Az: L 17 U 313/14, Urteil
Leitsatz
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Startpunkt des unfallversicherten Weges kann jede Gebäudeöffnung sein, wenn der direkte, unmittelbare Weg durch die Außenhaustür versperrt ist.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2015 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. April 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 17. März 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.
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Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 17.3.2012 einen Wegeunfall erlitten hat, als er seine Wohnung durch ein Fenster verließ.
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Der Kläger betrieb ein Unternehmen der Fahrzeugaufbereitung, dessen Betriebsstätte zwei Kilometer von seiner Dachgeschosswohnung entfernt lag. Die Wohnung befindet sich in einem 2 ½-stöckigen Mehrfamilienhaus. Das Erdgeschoss ist größer als die darüber liegenden Geschosse und springt zu einem Stichweg hin vor. Dieser Vorsprung hat ein Flachdach, das etwa 2,60 m über dem Niveau des Stichweges liegt. Mehrere Fenster der Wohnung im Obergeschoss gehen auf dieses Flachdach hinaus. Etwa 2,60 m oberhalb des Flachdaches liegt die Dachgeschosswohnung des Klägers, deren Fenster in einer Schleppgaube im Satteldach liegen. Unterhalb dieser Fenster befinden sich vier Ziegelreihen der Dachschräge mit abschließender Dachrinne.
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Am Unfalltag war der Kläger um 15.30 Uhr an seiner Betriebsstätte geschäftlich verabredet. Als er die verriegelte Wohnungstür von innen aufschließen wollte, um zu seinem Geschäftstermin zu gelangen, brach der Wohnungstürschlüssel ab. Der Weg durch diese Tür war mithin versperrt, sodass er die Außentür des Hauses auf normalem Wege nicht erreichen konnte. Um den Geschäftstermin einzuhalten, verließ er - in Arbeitsmontur mit Overall und Sicherheitsschuhen - die Dachgeschosswohnung über ein Fenster, um sich auf das Flachdach vor der Obergeschosswohnung herabzulassen. Er stürzte jedoch ab, fiel auf das Flachdach und brach sich den rechten Unterschenkel. Die Blutuntersuchung ergab einen positiven Kokain-Befund. Eine konkrete Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit im Unfallzeitpunkt ließ sich nicht feststellen.
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Die Beklagte lehnte Ansprüche auf Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 17.3.2012 ab, weil kein Arbeitsunfall vorliege (Bescheid vom 12.4.2013 und Widerspruchsbescheid vom 20.9.2013). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.4.2014). Nach Durchführung eines Ortstermins hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.9.2015) und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen versicherten Wegeunfall und damit auch keinen Arbeitsunfall erlitten, weil der versicherte Weg im Unfallzeitpunkt noch nicht begonnen habe. Der Versicherungsschutz auf Wegen beginne grundsätzlich erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, durch die der häusliche Bereich verlassen werde. Sei die Außentür nicht erreich- oder benutzbar, so seien Fenster (auch im oberen Geschoss) der Außentür ausnahmsweise gleichzustellen, wenn der häusliche Bereich durch ein Fenster tatsächlich verlassen werde. Der Kläger habe sich auf dem Weg vom Dachgeschoss zu seinem "Zwischenziel" Flachdach aber noch im unversicherten häuslichen Bereich aufgehalten und den öffentlichen Raum - anders als beim Durchschreiten der Außentür - noch nicht erreicht gehabt. Ein solcher "öffentlicher Raum" setze in Abgrenzung zum "häuslichen Bereich" zumindest voraus, dass er von außen auf normalem Wege - ohne Betreten des Hauses - aufgesucht werden könne. Dies sei bei einer Dachfläche, wie auch zB bei einem Balkon, nicht der Fall. Als Teil des Hauses sei diese Fläche deshalb noch dem häuslichen Bereich zuzuordnen. Den häuslichen Bereich hätte er deshalb frühestens mit dem Überschreiten der Dachkante zum weiteren Abstieg von der Dachfläche in Richtung "Weg vor dem Haus" verlassen. Hierzu sei es nicht mehr gekommen. Die Grenzziehung müsse im Interesse der Rechtssicherheit nach klaren objektiven Kriterien erfolgen.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts: Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156) sei das Besteigen einer an ein Wohnungsfenster gelehnten Leiter auf dem Weg zur Arbeitsstätte bereits versichert, obwohl der "öffentliche Bereich" im Sinne der Definition des LSG noch nicht erreicht sei. Dass es im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, eine Leiter anzustellen, dürfe keinen Unterschied machen.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2015 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. April 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 17. März 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Zu Recht habe das LSG entschieden, dass sich der Unfall noch vor Beginn des versicherten Weges ereignet habe, weil der Unfallort noch nicht zum öffentlichen Verkehrsraum zähle. Davon abgesehen sei der Kläger nicht auf dem Weg zur Wahrnehmung eines geschäftlichen Termins in seiner Werkstatt gewesen. Dass er im Unfallzeitpunkt seine Arbeitsmontur getragen habe, sei insofern kein tragfähiges Indiz. Soweit der Zeuge L. schriftlich bestätigt habe, dass dieser mit dem Kläger am Unfalltag um 15.30 Uhr geschäftlich verabredet gewesen sei, habe es das LSG versäumt, sich durch eine Vernehmung von der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen zu überzeugen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist begründet, sodass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).
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Zu Unrecht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Denn der Bescheid vom 12.4.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.9.2013 (§ 95 SGG) ist rechtswidrig. Die hiergegen zulässigerweise erhobene, kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Var 1 und 3, § 56 SGG) ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, das Ereignis vom 17.3.2012 als Arbeitsunfall festzustellen, weil sich der Kläger bei dem Sturz auf einem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg nach dem Ort der Tätigkeit befand. Soweit der Kläger vorinstanzlich auch beantragt hatte, "Entschädigungsleistungen zu erstatten" bzw "das Ereignis vom 17.3.2012 … zu entschädigen", hat er diese Begehren im Revisionsverfahren nicht mehr weiterverfolgt, sodass darüber nicht mehr zu entscheiden war.
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Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 S 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; stRspr; vgl zuletzt BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 12, vom 15.11.2016 - B 2 U 12/15 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 37 RdNr 14 und vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 9, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen "Unfall" (1.) als "Versicherter" (2.) infolge einer versicherten Tätigkeit - dem Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit - erlitten. Das Sichfortbewegen erfolgte mit der (objektivierten) Handlungstendenz, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen (3.). Schließlich war die Verrichtung des Klägers auch rechtlich wesentlich für den eingetretenen Erfolg. Der Sturz vom Dach war vom Schutzzweck der Norm des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII umfasst, weil sich insofern eine "typische Wegegefahr" realisierte, bei deren Eintritt die Wegeunfallversicherung Schutz bieten soll (4.).
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1. Der Kläger erlitt einen "Unfall", als er nach den unangegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG am 17.3.2012 auf das Flachdach unterhalb seiner Dachgeschosswohnung stürzte und sich dabei den rechten Unterschenkel brach. Bei dem Aufprall wirkte das Flachdach - als Teil der Außenwelt (BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14 und vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 10) - zeitlich begrenzt auf seinen rechten Unterschenkel ein und diese Einwirkung führte zu einer Unterschenkelfraktur als Gesundheitserstschaden.
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2. Im Zeitpunkt dieses Unfalls war der Kläger gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 44 Abs 1, § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 2 Ziffer 1.5 ("Autowäsche und -pflege") der Satzung der BG für Transport und Verkehrswirtschaft idF des 3. Nachtrages (vom 10.10.2011) als selbständiger Betreiber eines Unternehmens der Fahrzeugaufbereitung "Versicherter" in der gesetzlichen Unfallversicherung.
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3. Ferner legte der Kläger im Unfallzeitpunkt den unmittelbaren Weg nach dem Ort der Tätigkeit objektiv zurück (a) und seine Handlungstendenz war darauf auch subjektiv ausgerichtet (b).
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a) "Weg" ist die Strecke zwischen einem Start- und Zielpunkt. Bei allen (Hin-)Wegen setzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest ("nach"), lässt aber zugleich den Startpunkt offen, sodass anstelle der Wohnung auch ein anderer (sog "dritter") Ort Ausgangspunkt sein kann, sofern sich der Versicherte an diesem dritten Ort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN). Zwischen dem in jedem Einzelfall zu ermittelnden Startpunkt und dem gesetzlich festgelegten Zielpunkt ist nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf der Strecke zwischen beiden Punkten mit der Handlungstendenz, den jeweils versicherten Ort zu erreichen (grundlegend zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 47, vom 25.1.1977 - 2 RU 57/75 - SozR 2200 § 550 Nr 24 S 52 und vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156, 157). Dabei steht nur das "Sichfortbewegen" auf dem direkten Weg bzw das Zurücklegen des direkten Weges nach dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz, wie sich aus dem Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ergibt (zu den sog "Abwegen" grundlegend zuletzt BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60).
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Startpunkt des versicherungsrechtlich geschützten direkten Weges zur Betriebsstätte des Klägers (als Zielpunkt) ist grundsätzlich die Außenhaustür des Mehrfamilienhauses, die von der Dachgeschosswohnung durch das Treppenhaus erreichbar war. Die Außenhaustür als Startpunkt des Weges und zugleich Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Zurücklegen eines Weges wird im Interesse der Rechtssicherheit bewusst als "starre" Größe behandelt, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen leicht feststellbar sind. Zugleich wird hierdurch die größere Einwirkungsmöglichkeit der Hausbewohner auf die innerhalb des Hauses liegenden Räumlichkeiten und ihre Gefahren berücksichtigt (vgl zum Ganzen zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 5/15 R - BSGE <vorgesehen> = SozR 4-2700 § 2 Nr 35 RdNr 21). Ist die Außentür des Wohnhauses - wie hier wegen der durch den abgebrochenen Schlüssel versperrten Wohnungstür - nicht erreichbar, kann ausnahmsweise auch eine sonstige Gebäudeöffnung (zB ein Fenster) die mit der Außenhaustür vergleichbare Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen und dem versicherten öffentlichen Bereich bilden und damit Startpunkt des versicherten Weges sein (ebenso BSGE 11, 156, 157 zum Sturz von einer an ein Fenster angelehnten Leiter), was auch das LSG nicht verkennt.
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Nachdem der Kläger mit dem Durchsteigen der (Gauben-)Fensteröffnung den Startpunkt des versicherten Weges passiert und damit zugleich den häuslichen Bereich verlassen hatte, bewegte er sich im Unfallzeitpunkt bereits auf den (Ziel-)Ort der versicherten Tätigkeit zu, als er versuchte, sich auf das Flachdach vor der Wohnung des Obergeschosses herabzulassen. Da die Außenhaustür aufgrund der versperrten Wohnungstür nicht erreichbar war, befand er sich auf dem einzig verfügbaren und damit direkten Weg zu seiner Betriebsstätte, sodass er im Unfallzeitpunkt den unmittelbaren Weg nach dem Ort der Tätigkeit zurücklegte. Der Kläger befand sich damit auch nicht auf einem sog "Abweg", sodass insofern auch nicht zu klären war, ob die Voraussetzungen vorlagen, unter denen auch Abwege (etwa bei einem irrtümlichen "Verfahren" wegen Dunkelheit pp) versichert sein können (hierzu eingehend BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60).
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Nur wenn der gewählte Weg - bei objektiver Betrachtungsweise - schlechthin ungeeignet gewesen wäre, den Ort der Tätigkeit zu erreichen, hätte er nicht mehr als unmittelbarer Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII qualifiziert werden können. Bei den hier gegebenen räumlichen Umständen und einem Höhenunterschied von ca 2,60 m zwischen den Etagen durfte ein objektiver Beobachter aber noch annehmen, dem Kläger werde das Herabklettern aus dem Dachgeschossfenster unfallfrei gelingen.
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b) Der Kläger handelte auch mit der Handlungstendenz, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen. Denn die konkrete nach außen beobachtbare Verrichtung des Versicherten wurde auch subjektiv zur Fortbewegung auf dem Weg zur versicherten Tätigkeit durchgeführt (BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 15, vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 und vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Der Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII wird nicht schon dadurch begründet, dass der Versicherte auf dem unmittelbaren Weg zwischen seiner Wohnung und dem Ort der versicherten Tätigkeit verunglückt. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die "objektivierte Handlungstendenz" des Versicherten (BSG vom 20.12.2016, aaO und vom 17.2.2015, aaO, RdNr 14), was bedeutet, dass das objektiv beobachtbare Handeln subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweils versicherten Tätigkeit ausgerichtet sein muss (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Die subjektive Handlungstendenz als von den Tatsachengerichten festzustellende innere Tatsache muss sich mithin im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.12.2015, aaO, RdNr 14 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Als sich der Kläger vom Spitz- auf das Flachdach herabließ, diente diese Verrichtung - nach seiner Vorstellung - allein der Fortbewegung auf der Strecke zum Ort der versicherten Tätigkeit, weil er seine Wohnung durch das Dachgeschossfenster nur deshalb verlassen hatte, um seine Betriebsstätte aufzusuchen und dort einen geschäftlichen Termin wahrzunehmen. Diese tatsächlichen Feststellungen zur Handlungstendenz des Klägers im Unfallzeitpunkt sind für den Senat bindend (§ 163 Halbs 1 SGG), weil die Beklagte in Bezug auf diese Feststellungen innerer Tatsachen keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht hat (§ 163 Halbs 2 SGG). Soweit sie mit der Gegenrüge geltend macht, das Tragen der Arbeitsmontur im Unfallzeitpunkt sei kein tragfähiges Indiz dafür, dass der Kläger auf dem Weg zur Wahrnehmung eines geschäftlichen Termins in seiner Betriebsstätte gewesen sei, macht sie sinngemäß eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) geltend. Eine formgerechte Verfahrensgegenrüge liegt indes nicht vor, weil die Beklagte weder aufzeigt, dass das LSG das "Gesamtergebnis des Verfahrens" unzureichend berücksichtigt habe noch schlüssig darlegt, dass der festgestellte Sachverhalt nur eine Folgerung erlaube, jede andere nicht denkbar sei und das Gericht gerade die einzig denkbare Schlussfolgerung nicht gezogen, mithin gegen Denkgesetze verstoßen habe. Warum aus dem Tragen der Arbeitskleidung als Hilfstatsache schlechthin nicht auf den Willen des Betroffenen (als Haupttatsache) geschlossen werden kann, den Weg zur Arbeit zurückzulegen, erläutert die Revisionserwiderung nicht. Wenn die Beklagte darüber hinaus einwendet, das LSG habe es versäumt, sich durch eine Vernehmung des Zeugen L. von dessen Glaubwürdigkeit zu überzeugen, rügt sie im Kern Verstöße gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 iVm § 153 Abs 1 SGG) und gegen § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 377 Abs 3 S 3 ZPO, wonach das Gericht die Ladung des Zeugen nach erteilter schriftlicher Auskunft anordnet, wenn es dies zur weiteren Klärung der Beweisfrage für notwendig erachtet. Diese Anordnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (§ 398 ZPO iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG), das sich nur ausnahmsweise zur Ladungspflicht verdichtet, wenn die schriftliche Aussage unzulänglich oder einseitig erscheint, der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme auf den Zeugen besteht oder dessen eigene Interessen die Glaubwürdigkeit vermindern (können). Derartige Umstände schildert die Beklagte indessen nicht; sie zeigt auch nicht auf, welche (unbekannten) Tatsachen der Zeuge bei einer Befragung in der mündlichen Verhandlung bekundet hätte und inwiefern die Entscheidung des LSG deshalb auf der unterbliebenen Befragung beruhen kann. Im Übrigen lässt sich dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme kein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen (BVerwG vom 3.1.2012 - 2 B 72/11 - Juris RdNr 10 und vom 28.7.2011 - 2 C 28/10 - BVerwGE 140, 199 = Juris RdNr 17); vielmehr enthält § 117 SGG im Hinblick auf die schriftliche oder mündliche Zeugenvernehmung keine gesetzlich vorgegebene Anwendungsreihenfolge.
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Andere konkurrierende Beweggründe (zB Imponiergehabe, Übermut, Nachweis turnerischer Gewandtheit; vgl dazu BSG vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156, 157 f; RVA, EuM, Bd 36 S 439, 440) für die Wahl der zurückgelegten Strecke über das Sattel- und Flachdach sind nicht festgestellt. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Blutuntersuchung, die nach dem Unfall durchgeführt wurde und einen positiven Kokainbefund ergab. Denn auf dessen Grundlage ließ sich keine konkrete Beeinträchtigung der Wegefähigkeit nachweisen.
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4. Schließlich war der Gesundheitsschaden, den die versicherte Verrichtung bewirkte, auch vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst, denn es realisierte sich eine typische Wegegefahr des vom Kläger hier zulässigerweise gewählten Weges über die Außenfassade des Wohnhauses. Durch die versicherte Verrichtung wurde damit auch rechtlich wesentlich der Körperschaden verursacht.
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Unerheblich ist dabei, dass der Kläger zwischen Dach- und Obergeschoss keinen "öffentlichen Verkehrsraum" im Sinne eines Verkehrsnetzes oder einer Verkehrsinfrastruktur benutzte, denn keinesfalls war das Flachdach noch dem unversicherten häuslichen Bereich zuzuordnen, wie das LSG meint. Der Kläger hatte den umbauten "häuslichen" Raum, in dem sich seine Wohnung befand, durch das Fenster verlassen, stürzte im unbebauten "öffentlichen" Raum zwischen Dach- und Obergeschoss ab und fiel von außen auf den umbauten Raum der Erdgeschosswohnung (das Flachdach). Soweit der Senat in jüngerer Zeit ausgeführt hat, der Versicherungstatbestand des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII schütze "nur gegen Gefahren …, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr … hervorgehen" und trage "allein Gefahren Rechnung, die sich während der gezielten Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem Verhalten, dem Verkehrshandeln anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges ergeben, die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken" (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45 und 47 sowie BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 23, dazu kritisch Molkentin, SGb 2016, 621 ff), ist damit keine Einengung des Versicherungsschutzes auf öffentliche, beschränkt-öffentliche, private oder sonstige dem "Verkehr" gewidmete Wege (iS eines "Verkehrsnetzes" oder einer "Verkehrsinfrastruktur") verbunden. Vielmehr ist der Versicherte in der Wahl der Route, der Fortbewegungsart und des Fortbewegungsmittels frei (BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 19 und vom 31.1.1984 - 2 RU 15/83 - USK 8469, jeweils mwN). Deshalb kann er grundsätzlich - ggf auch verbotswidrig (§ 7 Abs 2 SGB VII) - den unmittelbaren Weg benutzen, auch wenn er über freies Gelände, den Luftraum oder nicht planmäßig angelegte, unbefestigte und erstmals genutzte Pfade führt. Folglich darf der Versicherungsschutz nicht bereits mit der Überlegung verneint werden, der Kläger habe sich im Luftraum zwischen Dach- und Obergeschoss schon begrifflich auf keinem "Weg" befunden (vgl dazu bereits BSG vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156, 157) bzw keinen "öffentlichen Verkehrsraum" benutzt, sodass sich keine "Verkehrsgefahr" verwirklicht habe. Vielmehr hat sich vorliegend gerade diejenige Gefahr realisiert, die sich während der gezielten Fortbewegung des Klägers "im Verkehr" zwischen Dach- und Obergeschoss sowohl aus eigenem Verhalten als auch aus dem gewählten "Verkehrsraum" ergab.
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Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Freiheit der Routenwahl, der Fortbewegungsart und des Fortbewegungsmittels nicht unbegrenzt gilt. Hätte der Kläger seine Wohnungstür öffnen und das Treppenhaus benutzen können, wäre die versicherungsrechtliche Obliegenheit, diese Alternativstrecke als direkten, "unmittelbaren Weg" iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII zurückzulegen, geeignet, erforderlich und auch unter dem Aspekt zumutbar gewesen, dass der deutlich risikoärmere Weg durch das Treppenhaus bis zum Durchschreiten der Außenhaustür nicht (wege-)unfallversichert ist. Nach den bindenden Feststellungen des LSG war dem Kläger der Weg durch die verriegelte Wohnungstür jedoch versperrt, weil sein Schlüssel von innen im Schloss abgebrochen war, sodass er die Außenhaustür durch das Treppenhaus nicht erreichen konnte. Unter diesen Umständen kann der Unfallversicherungsschutz nicht mit dem Hinweis auf eine andere, direkte bzw unmittelbare Alternativroute verneint werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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