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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 12.05.2017 - B 8 SO 103/16 B
BSG 12.05.2017 - B 8 SO 103/16 B
Vorinstanz
vorgehend SG Gotha, 13. August 2014, Az: S 14 SO 1169/13, Gerichtsbescheid
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 6. April 2016, Az: L 8 SO 1251/14, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 6. April 2016 - L 8 SO 1251/14 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Im Streit sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1967 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger beantragte bei der Beklagten, die er für den örtlich zuständigen Leistungsträger hält, für die Zeit ab 1.6.2012 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sowie die Übernahme von Mietschulden, ein ergänzendes Darlehen und Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Der Antrag blieb ohne Erfolg (Bescheide vom 19.4.2012, 7.6.2012, 19.7.2012; Widerspruchsbescheid vom 11.12.2012). Das Sozialgericht (SG) Gotha hat den Beigeladenen unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten verurteilt, ab Juni 2012 Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu gewähren, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen (Gerichtsbescheid des SG vom 13.8.2014).
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Im Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht (LSG) hat der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30.3.2016 bestimmt. Der Kläger hat am 29.3.2016 unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines behandelnden Arztes vom selben Tag, mit der eine Arbeitsunfähigkeit unter Bezugnahme auf den Diagnoseschlüssel ICD-10-GM 2016 B34.9 G (Virusinfektion, nicht näher bezeichnet) bis einschließlich 1.4.2016 attestiert worden ist, eine Verlegung des Termins beantragt. Der Vorsitzende hat den Termin auf den 6.4.2016 verlegt und dem Kläger zugleich mitgeteilt, für den Fall einer erneuten Erkrankung sei ein Attest wie das vorgelegte nicht ausreichend. Maßgeblich sei die Verhandlungsunfähigkeit; aus einem Attest müsse sich nachvollziehbar ergeben, warum er - der Kläger - nicht verhandlungsfähig sei. Dazu reiche ein einfacher Infekt nicht aus. Am 4.4.2016 hat der Kläger erneut die Verlegung beantragt und auf ein Attest des Arztes verwiesen, der bereits das erste Attest ausgestellt hatte, wonach er, der Kläger, seit dem 29.3. bis zum 15.4.2016 verhandlungsunfähig aufgrund verordneter Bettruhe sei. Der Vorsitzende hat mitgeteilt, die Verhandlung werde nicht verlegt, weil keine Diagnose mitgeteilt worden sei, die eine Bettruhe erforderlich mache. Eine Viruserkrankung begründe keine Verhandlungsunfähigkeit. Soweit der Kläger weiterhin auf einer Verhandlungsunfähigkeit bestehe, werde nur ein Nachweis mittels amtsärztlicher Bescheinigung akzeptiert (Schreiben vom 5.4.2016). Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen. Das LSG hat den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.4.2016).
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Verfahrens-fehler geltend. Das LSG habe gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, indem es dem Antrag auf erneute Verlegung nicht nachgekommen sei. Er habe am 4.4.2016 ein Attest vorgelegt, das seine Verhandlungsunfähigkeit ausreichend im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) glaubhaft gemacht habe. Das LSG habe die entsprechenden Anforderungen überspitzt, weil es nunmehr nur noch ein amtsärztliches Attest habe akzeptieren wollen. Ein solches sei objektiv einen Tag vor dem Termin (bei Übergabe des Schreibens am Nachmittag des 5.4.2016 durch Boten) nicht mehr zu erlangen gewesen. Im Übrigen sei er nicht (lediglich) verhandlungsunfähig gewesen, sondern (weiterhin) prozessunfähig wegen psychischer Erkrankungen (multiple Somatisierungsstörung, hypochondrisch depressive Fehlentwicklung mit histrionischen Zügen und einer schizoid strukturierten Persönlichkeit mit erheblichen sozialen Anpassungsstörungen). Daneben sei auch die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) im LSG-Verfahren verfahrensfehlerhaft gewesen.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig; sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, § 62 Sozialgerichtsgesetz <SGG>, Art 103 Grundgesetz <GG>) den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 mwN; SozR 3-1750 § 227 Nr 1 mwN; BSG, Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R) erübrigen sich bei diesem Verfahrensmangel regelmäßig Ausführungen dazu, welches inhaltliche Vorbringen im Einzelnen infolge der Ablehnung des Verlegungsantrags durch das LSG verhindert worden ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Gründe, die ausnahmsweise die Ursächlichkeit des gerügten Verfahrensmangels der Verletzung des rechtlichen Gehörs für das angefochtene Urteil ausschließen könnten (dazu: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 56; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16d mwN), sind nicht ersichtlich.
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Der gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Das LSG ist dem Antrag des Klägers auf Aufhebung des Termins am 6.4.2016 nicht nachgekommen, obwohl "erhebliche" Gründe iS des § 227 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) hierfür vorgelegen haben.
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Gemäß § 62 1. Halbsatz SGG, Art 103 Abs 1 GG ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung des Gerichts rechtliches Gehör zu gewähren. Bei einer Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung und Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben oder nicht, Gelegenheit gegeben werden, sich zur Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung selbst zu äußern. Ein ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substanziiert geltend gemachten Terminsverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 Satz 2; BSG, Urteil vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - RdNr 16 und BSG, Urteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - RdNr 11).
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Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Zutreffend ist das LSG zunächst davon ausgegangen, dass bei einem anwaltlich nicht vertretenen Kläger das Gericht auf besondere Anforderungen, die es an die Glaubhaftmachung eines Grundes für einen Verlegungsantrag stellen wird, hinweisen muss (vgl auch § 227 Abs 2 ZPO). Das anschließend vorgelegte Attest verbunden mit dem weiteren Verlegungsantrag durfte der Kläger aber nach diesen Hinweisen als ausreichend ansehen. Die ärztliche Einschätzung, die diagnostizierte Infektion erfordere im vorliegenden Fall über 14 Tage Bettruhe, daraus folge Verhandlungsunfähigkeit, genügt den vom LSG selbst aufgestellten Anforderungen; dass es sich insoweit um ein einheitliches Krankheitsgeschehen gehandelt hat, wird aus den aufeinander folgenden Attesten desselben Arztes auch ohne Wiederholung der Diagnose im zweiten Attest erkennbar. Die Auffassung des LSG, aus ärztlich angeordneter Bettruhe folge keine Verhandlungsunfähigkeit, ist so nicht nachvollziehbar; ebenso wenig die Auffassung, aus einer diagnostizierten Virusinfektion könne Bettruhe über etwas mehr als zwei Wochen nicht folgen. Inhaltliche Bedenken, die das LSG wegen der Richtigkeit der ärztlichen Einschätzung hatte, durften aber nicht zu Lasten des Klägers gehen. Die Anforderung, die Verhandlungsunfähigkeit sei nun amtsärztlich zu attestieren, konnte der Kläger einen Tag vor dem Termin nicht mehr erfüllen, ebenso wie eigene Nachforschungen des Gerichts ausgeschlossen waren. Aus den Akten ergibt sich auch kein Anhalt dafür, die Anträge könnten in Verschleppungsabsicht gestellt worden sein; die Mitteilung über die Verlegung hat den Kläger an einem Donnerstag erreicht, sein weiterer Antrag ist am darauf folgenden Montag eingegangen. Das LSG musste dem erneuten Verlegungsantrag damit nachkommen.
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Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, das Urteil des LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG wegen des festgestellten Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache zur erneuten Ver-handlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen. Der Senat war auf den Vortrag des Klägers nicht gehalten, selbst wegen der behaupteten Prozessunfähigkeit zu ermitteln; dies mag das LSG überprüfen. Ggf bestehende (partielle) Prozessunfähigkeit des Klägers stellt jedenfalls kein Verfahrenshindernis für die vorliegende Beschwerde dar. Ein Rechtsmittel, in welchem sich ein Beteiligter auf seine Prozessunfähigkeit beruft, ist zunächst ohne Rücksicht darauf zulässig, ob die für die Prozessfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen festgestellt werden; entsprechend ist auch die zur Einlegung des Rechtsmittels erteilte Prozessvollmacht wirksam. Die Prozessfähigkeit ist dann grundsätzlich solange zu unterstellen, bis darüber rechtskräftig entschieden ist (vgl nur BSGE 91, 146 ff RdNr 6 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1). Im vorliegenden Verfahren ist dem Anliegen, dass ein ggf Prozessunfähiger im Verfahren durch einen Prozessfähigen handeln kann, jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten und der Rechtsstreit wegen eines von ihm gerügten Verfahrensmangels ohnehin an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (BSG, aaO, RdNr 24; BSG SozR 4-1500 § 72 Nr 4 RdNr 7). Auch ob ein weiterer Verfahrensmangel durch die Versagung von PKH hinreichend dargelegt ist und auch tatsächlich vorliegt, konnte offen bleiben.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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