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BSG 02.12.2014 - B 14 AS 241/14 B
BSG 02.12.2014 - B 14 AS 241/14 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzliche Bedeutung - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Überprüfungsantrag zu einem Zeitpunkt ohne Leistungsbezug
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 40 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 24.03.2011
Vorinstanz
vorgehend SG Nordhausen, 15. Mai 2013, Az: S 12 AS 4701/10, Urteil
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 17. April 2014, Az: L 9 AS 1180/13, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 17. April 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Der Beklagte hat der Beschwerdegegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 17.4.2014 hat das Landessozialgericht (LSG) das beklagte Jobcenter verurteilt, der Klägerin, die nach Vortrag des Beklagten bis Juli 2010 im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) stand, auf einen im Februar 2010 gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für Dezember 2008 zusätzliches Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von 1 Euro zu gewähren. In dieser Höhe seien der Klägerin, die im streitbefangenen Zeitraum mit Mutter, Stiefvater sowie drei Geschwistern in Bedarfsgemeinschaft gelebt habe, Leistungen für Unterkunft und Heizung zu Unrecht nicht gewährt worden; die Heizkostenabrechnung sei fehlerhaft und Kindergeld zu Unrecht nach dem Durchschnittskindergeld angerechnet worden. Keine Bedeutung habe, ob die Klägerin noch im Leistungsbezug stehe; § 44 SGB X sei auch anwendbar, wenn der Leistungsbezug bei Stellung des Überprüfungsantrags beendet gewesen sei.
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Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
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II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie der Divergenz der Entscheidung des LSG von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargetan sind.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sich ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfrage erwarten lässt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 63 ff).
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Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie es zunächst, "ob ein Wegfall bzw. Nichtbestehen der Hilfebedürftigkeit im Zeitpunkt der Beantragung nach § 44 SGB X oder gar zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz die Anwendbarkeit des § 44 SGB X dergestalt einschränkt, dass weitere Ansprüche nach dem SGB II bei nicht mehr bestehender Hilfebedürftigkeit nicht gewährt werden können". Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dessen hätte es besonderer Ausführungen im Hinblick auf die zwischenzeitliche Rechtsänderung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden RBEG) bedurft, wonach die rückwirkende Korrektur nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X im Geltungsbereich des SGB II seit dem 1.4.2011 abweichend von § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X auf ein Jahr begrenzt ist (§ 40 Abs 1 Satz 2 SGB II idF des RBEG). Mit dieser Änderung ist ein den Besonderheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende Rechnung tragender Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und dem Interesse des Leistungsberechtigten an materieller Gerechtigkeit für den Fall bezweckt, dass eine Verwaltungsentscheidung zu seinem Nachteil rechtswidrig war; hierfür sei der Vierjahreszeitraum nach § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X unter Beachtung des Aktualitätsgrundsatzes zu lang und eine Dauer von einem Jahr angemessen (vgl BT-Drucks 17/3404 S 114). Vor diesem Hintergrund hätte es besonderer Ausführungen dazu bedurft, inwiefern der Auslegung von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in der hier noch maßgeblichen alten Rechtslage Bedeutung zukommen kann für das neue Recht; daran fehlt es aber.
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Weiterhin als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet der Beklagte die Frage, "wie die Anrechnung des Kindergeldes zu erfolgen hat", wenn in Bedarfsgemeinschaften Kindergeld in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird. Dazu hätte zunächst zur Klärungsbedürftigkeit ausgehend vom Gesetzeswortlaut dargetan werden müssen, inwieweit grundsicherungsrechtlich ernstlich in Frage stehen kann, dass das Kindergeld in jeweiliger Höhe dem Kind als Einkommen zugerechnet wird, für das es gezahlt wird; wenn nach § 11 Abs 1 Satz 4 iVm § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II als Einkommen "dem jeweiligen Kind zuzurechnen" ist ua "das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird", dann liegt es jedenfalls nicht unmittelbar nahe, das Kindergeld - wie der Beklagte geltend macht - grundsicherungsrechtlich einem "familiären Zweck" entsprechend der gesamten Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen (ebenso im Ergebnis BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11 R - BSGE 110, 204 = SozR 4-4200 § 9 Nr 10 RdNr 15 mit RdNr 5, 15). Das kann indes dahinstehen, weil es jedenfalls an Ausführungen dazu fehlt, inwieweit es auf die bezeichnete Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren rechtlich überhaupt ankommt und inwiefern dies demzufolge Einfluss auf die Rechtsstellung des Beklagten hatte. Damit mangelt es an jeder näheren Angabe zu den entscheidungserheblichen tatsächlichen Umständen, die dem Senat allein anhand der Beschwerdebegründung eine Beurteilung von Entscheidungserheblichkeit und Grundsätzlichkeit der aufgeworfenen Frage erlaubt (zu dieser Darlegungsanforderung Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 13e mwN).
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Auch eine Abweichung (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist nicht formgerecht bezeichnet. Dazu hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 67; SozR 4-1500 § 160 Nr 13). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die obergerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67).
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Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar benennt der Beklagte Entscheidungen des BSG, von denen das LSG im dargelegten Sinne abgewichen sein soll. Jedoch sind keine Rechtssätze herausgearbeitet, auf die das LSG seine Entscheidung tragend gestützt hat und die in Widerspruch zu ebenfalls ausdrücklich bezeichneten tragenden Rechtssätzen des BSG stehen. Vielmehr leitet der Beklagte jeweils aus Entscheidungen des BSG Aussagen ab, die seiner Ansicht nach für die hier im Streit stehende Frage ebenfalls Geltung beanspruchen ("das Urteil [des BSG] setzt sich vordergründig mit der hier streitgegenständlichen Frage für den Bereich des Asylbewerberleistungsrechts auseinander"; "diese Grundsätze haben auch im Grundsicherungsbereich Anwendung zu finden"). Dem Vorbringen ist jedoch nicht zu entnehmen, inwieweit sich das LSG in Widerspruch zu einem tragenden Rechtssatz des BSG gestellt hätte, der für die hier zu beurteilende Konstellation - Antrag auf Überprüfung einer Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II während des Bezugs von Alg II - eine rückwirkende Fehlerkorrektur schlechterdings ausgeschlossen hätte. Dazu hätte auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens besonderer Anlass allerdings schon deshalb bestanden, weil die von ihm zitierten Entscheidungen des BSG entweder zum Sozialhilferecht bzw zum Asylbewerberleistungsrecht oder zu allgemeinen Fragen der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II ergangen sind und deshalb zumindest auf den ersten Anschein nicht erwartet werden kann, dass ihnen Ausführungen zu möglichen Grenzen der Geltung von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu entnehmen sein könnten. Erst recht hätte es solcher Ausführungen deshalb bedurft, als in den angeführten Entscheidungen ausdrücklich darauf verwiesen ist, dass bei dieser Frage den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung zu tragen ist. Inwieweit unter Berücksichtigung dessen vom BSG, dem GmSOGB oder dem BVerfG zur hier entscheidenden Frage für das Grundsicherungsrecht ein vom LSG im Grundsätzlichen verkannter Rechtssatz aufgestellt worden ist, kann dem Vorbringen nicht entnommen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
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