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BSG 25.03.2013 - B 5 R 424/12 B
BSG 25.03.2013 - B 5 R 424/12 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Beweisnotstand
Normen
§ 103 SGG, § 122 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 202 S 1 SGG, § 160 Abs 4 S 1 ZPO, § 295 Abs 1 ZPO, § 444 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 27. Oktober 2009, Az: S 4 R 6171/07, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 27. September 2012, Az: L 7 R 5488/09, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. September 2012 wird als unzulässig verworfen.
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Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und eine Rechtsanwältin beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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Mit Urteil vom 27.9.2012 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 30.11.2010 verneint.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S. J. aus S. beizuordnen. In der Beschwerdebegründung macht sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (1.) und einen Verfahrensmangel (2.) geltend.
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Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
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Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
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Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 160a RdNr 41).
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Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob bei Anerkennung einer rückwirkend festgestellten, zu einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer führenden, Erkrankung im Hinblick auf die Festlegung des Beginns des Vorliegens der Voraussetzungen von dem Grundsatz der objektiven Beweislast abzuweichen ist".
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Mit dieser Frage hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Denn sie lässt schon völlig offen, welches (anspruchsbegründende) Tatbestandsmerkmal welcher materiell-rechtlichen Bundesnorm (§ 162 SGG) überhaupt in Rede steht und mit Blick auf die Beweislastverteilung ausgelegt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden. Angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltskonstellationen, bei denen es im Rahmen von Erwerbsminderungsrenten auf die rückschauende Feststellung anspruchsbegründender oder -hindernder Tatsachen ankommen kann, lässt sich die Frage keinesfalls mit einem klaren "ja" oder "nein" beantworten, wie dies an sich erforderlich wäre (vgl dazu Senatsbeschlüsse vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10 und vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7 sowie BAG Beschluss vom 8.12.2011 - 6 AZN 1371/11 - NJW 2012, 1613 RdNr 5 und BAGE 121, 52), sondern liefe allenfalls auf ein unzureichendes "vielleicht" bzw "kann sein" hinaus (vgl dazu BAG NJW 2012, 1613 aaO).
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Soweit sich die Klägerin darüber hinaus auf einen "unverschuldeten Beweisnotstand" beruft, weil es aufgrund "der Dauer der Verfahren" mit zunehmendem Zeitablauf für den Anspruchsteller immer schwieriger werde, den in der Vergangenheit liegenden "Eintritt des Zeitpunkts des Leistungsfalls nachweisen zu können", versäumt sie es, die Klärungsbedürftigkeit dieser Problematik darzulegen. Hierfür hätte sie aufzeigen müssen, ob und inwieweit die höchstrichterliche Rechtsprechung zum "Beweisnotstand" bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet hat, dass sich die aufgeworfene Frage damit nicht beantworten lässt und inwiefern die bereits bestehenden Rechtsgrundsätze für die Entscheidung des Rechtsstreits erweitert, geändert oder ausgestaltet werden müssen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 65 f). In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass die einfache Beweislosigkeit (non liquet) nicht zur Annahme eines Beweisnotstandes führt. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen können die Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts das Tatsachengericht veranlassen, aufgrund eines qualifizierten Beweisnotstandes verminderte Anforderungen an den Beweis zu stellen, so dass der Tatrichter schon auf Basis weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann (BSG Urteile vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - USK 2000-95, vom 31.5.1996 - 2 RU 24/95 - USK 96105, vom 12.6.1990 - 2 RU 58/89 - USK 90150, vom 29.9.1965 - 2 RU 61/60 - BSGE 24, 25, 28 = SozR Nr 75 zu § 128 SGG und vom 29.3.1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO). Beruht die Beweisnot gar auf einer Beweisvereitelung der Gegenseite, so darf daraus auf die Wahrheit der festzustellenden Tatsache geschlossen werden. Dieser für den Zivilprozess in § 444 ZPO normierte Grundsatz gilt auch im Sozialgerichtsprozess (BSG Urteil vom 10.8.1993 - SozR 3-1750 § 444 Nr 1 S 2). Andererseits führt der Beweisnotstand - auch wenn er auf einer fehlerhaften Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung der Gegenseite beruht - keinesfalls zu einer Umkehr der Beweislast (BSG Urteile vom 27.5.1997 - 2 RU 38/96 - SozR 3-1500 § 128 Nr 11 S 19 f und vom 29.9.1965 - 2 RU 61/60 - BSGE 24, 25, 28 = SozR Nr 75 zu § 128 SGG sowie Beschluss vom 4.2.1998 - B 2 U 304/97 B - Juris RdNr 4). Mit diesen bereits existenten Rechtsgrundsätzen hat sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt und auch nicht angegeben, inwieweit diese Rechtsprechung für die Entscheidung ihres Falles noch einer weiteren Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung bedarf. Hierfür hätte sie zumindest schildern müssen, welchen Sachverhalt das LSG für das BSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die angesprochene Problematik entschieden werden muss. Damit fehlt es zusätzlich an ausreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit.
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2. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend macht, lässt sie die besonderen Anforderungen dieser Rüge unbeachtet. Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein Verfahrensmangel "auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist". Der Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21 und Nr 31 S 52). Diese Warnfunktion des Beweisantrags verfehlen "Beweisantritte" und sonstige Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (BSG SozR 1500 § 160 Nr 67 S 73; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21 und Nr 35 S 73). Sie sind nur als Hinweise oder bloße Anregungen zu verstehen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21 und Nr 35 S 73). Um die Warnfunktion zu aktivieren, muss ein rechtskundig vertretener Berufungskläger sein Beweisbegehren deshalb in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG als prozessordnungskonformen "Beweisantrag" iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG wiederholen und protokollieren lassen (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 4 S 1 ZPO). Ohne eine solche förmliche Antragstellung ist regelmäßig davon auszugehen (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 295 Abs 1 ZPO), dass er sein Beweisverlangen nicht mehr weiterverfolgt, sondern fallengelassen hat. Deshalb hätte die Beschwerdebegründung darlegen müssen, die im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Klägerin habe einen prozessordnungskonformen Beweisantrag - im hier maßgeblichen Sinn der ZPO - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch einen entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten. Dies ist indes nicht geschehen. Die nachgelagerte Frage, ob sich eine Beweisaufnahme aufdrängte, stellt sich erst, wenn das LSG keinen hinreichenden Grund hatte, einen (aufrechterhaltenen) Beweisantrag zu übergehen, ohne den im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch nicht gerügt werden kann, dass § 103 SGG verletzt sei.
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Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann der Klägerin für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. nicht gewährt werden (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 S 1, § 121 Abs 1 ZPO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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