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BSG 06.10.2011 - B 14 AS 55/11 B
BSG 06.10.2011 - B 14 AS 55/11 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Zulässigkeit der Berufung - kein Versäumnis der Berufungsfrist - unrichtige Rechtsmittelbelehrung - Widerspruch zum Tenor - Jahresfrist
Normen
§ 151 Abs 1 SGG, § 66 Abs 1 SGG, § 66 Abs 2 S 1 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Gotha, 12. September 2007, Az: S 39 AS 3431/06, Gerichtsbescheid
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 27. Januar 2011, Az: L 9 AS 799/08, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerde der Kläger wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 27. Januar 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Die Kläger wenden sich dagegen, dass das Landessozialgericht (LSG) ihre Berufung als unzulässig verworfen hat. Sie waren mit einer Klage beim Sozialgericht (SG) gegen eine Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid des Beklagten vorgegangen, diese Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 12.9.2007 abgewiesen. Im Tenor der Entscheidung ist ausgesprochen worden, dass die Berufung nicht zugelassen wird. In der beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist der Hinweis enthalten, der Gerichtsbescheid könne mit der Berufung angefochten werden.
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Die Kläger haben sodann gegen den am 22.10.2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 30.10.2007 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und mit Schriftsatz vom 22.5.2008 auf Nachfrage des LSG mitgeteilt, dass bei einer Kostentragungspflicht des Beklagten für das Widerspruchsverfahren Kosten in Höhe von 595 Euro geltend gemacht werden würden.
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Der 7. Senat des Thüringer LSG hat sodann mit Beschluss vom 15.7.2008 die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des SG Gotha vom 12.9.2007 als unzulässig verworfen. Nach Zustellung dieses Beschlusses haben die Kläger mit am 1.8.2008 beim LSG eingegangenem Schriftsatz Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Gotha eingelegt. Sie haben die Auffassung vertreten, die Nichtzulassung der Berufung im Tenor des Gerichtsbescheids sei fehlerhaft gewesen, da nach dem Beschluss des Thüringer LSG vom 15.7.2008 feststehe, dass die Berufung das zutreffende Rechtsmittel sei. Aufgrund der unrichtigen Tenorierung betrage die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels ein Jahr.
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Diese Berufung hat der 9. Senat des Thüringer LSG mit dem hier angegriffenen Urteil vom 27.1.2011 als unzulässig verworfen und die Revision nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde. Die Kläger machen einen Verfahrensmangel geltend.
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II. Auf die zulässige Beschwerde der Kläger war gemäß § 160a Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen. Die Kläger haben zutreffend einen Verfahrensmangel gemäß § 160a Abs 2 Nr 3 SGG gerügt, auf dem das Urteil des LSG beruhen kann. Als Mangel des Verfahrens gilt eine Verwerfung der Berufung als unzulässig, wenn eine Entscheidung in der Sache hätte ergehen müssen (stRspr, vgl BSGE 1, 283 286>; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kapitel, RdNr 87 mwN).
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Das LSG hat die Berufung zu Unrecht wegen Versäumung der Berufungsfrist nach § 151 Abs 1 SGG verworfen. Entgegen der Ansicht des LSG ist vorliegend für die Rechtzeitigkeit der eingelegten Berufung nicht die Monatsfrist des § 151 Abs 1 SGG maßgeblich, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG. Die Voraussetzungen der letztgenannten Norm liegen vor, denn die Rechtsmittelbelehrung in dem Gerichtsbescheid des SG muss bei einer Gesamtschau als unrichtig eingestuft werden. Eine Rechtsmittelbelehrung muss vollständig, richtig und widerspruchsfrei sein, sonst setzt sie die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf. Sie ist nicht ordnungsgemäß, wenn sie bei isolierter Betrachtung zwar richtige Angaben enthält, denen an anderer Stelle im Urteil aber widersprochen wird (vgl auch BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 3 P 24/07 B).
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Vorliegend ist die Rechtsmittelbelehrung - mag sie auch bei einem angegebenen Streitwert von 595 Euro nach damaliger Rechtslage zutreffend auf eine Berufungsmöglichkeit hingewiesen haben - jedenfalls irreführend, denn sie steht im Widerspruch zum Tenor der Entscheidung (vgl dazu Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 66 RdNr 4). Dieser ist aber maßgeblich, denn durch ihn wird sowohl die Entscheidung in der Hauptsache, als auch die Kostenentscheidung und der Ausspruch über die Zulassung der Berufung und der Revision geregelt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 136 RdNr 5 ff). Das LSG hätte daher die Berufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sondern in der Sache entscheiden müssen, was nunmehr nachzuholen sein wird. Der Senat hat deshalb von der in § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, wegen des aufgetretenen Verfahrensfehlers das Urteil des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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