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BVerfG 06.02.2024 - 2 BvE 6/23, 2 BvR 994/23
BVerfG 06.02.2024 - 2 BvE 6/23, 2 BvR 994/23 - Erfolglose Organklage und Verfassungsbeschwerde gegen Zustimmungsgesetz zum Direktwahlakt 2018 (RIS: EUBes 2018/994), insb zur Einführung einer 2%-Sperrklausel für Wahlen zum Europäischen Parlament
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 21 Abs 1 GG, Art 23 Abs 1 GG, Art 79 Abs 3 GG, Art 2 Abs 2 AEUV, Art 2 Abs 4 AEUV, Art 223 Abs 1 AEUV, Art 5 Abs 1 S 2 EU, Art 5 Abs 3 EU, Art 10 Abs 1 EU, Art 10 Abs 2 EU, Art 10 Abs 4 EU, Art 14 Abs 1 EU, Art 3 Abs 2 EUBes 2018/994, Art 38 Abs 1 EUGrdRCh, EuWG, § 3 Abs 1 IntVG, § 3 Abs 2 IntVG
Tenor
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1. Die Verfahren 2 BvE 6/23 und 2 BvR 994/23 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
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2. Der Antrag im Organstreitverfahren und die Verfassungsbeschwerde werden verworfen.
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3. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden damit gegenstandslos.
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4. Die Anträge auf Erstattung der notwendigen Auslagen der Antragstellerin und des Beschwerdeführers werden abgelehnt.
Gründe
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A.
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Das Organstreitverfahren und die Verfassungsbeschwerde betreffen das Gesetz zum Beschluss (EU, Euratom) 2018/994 des Rates der Europäischen Union vom 13. Juli 2018 zur Änderung des dem Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments (ABl EU Nr. L 178 vom 16. Juli 2018, S. 1 ff.), mit welchem dem Änderungsbeschluss zugestimmt werden soll, soweit sich diese Zustimmung auf Art. 3 des geänderten Beschlusses (im Folgenden: Direktwahlakt 2018) bezieht. In Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 ist vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten, in denen die Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament im Wege der Listenwahl stattfindet, für Wahlkreise, in denen es mehr als 35 Sitze gibt, eine Sperrklausel in Höhe von mindestens zwei Prozent und von nicht mehr als fünf Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen festlegen. Die Bundesrepublik Deutschland ist von dieser Neuregelung betroffen. Danach ist der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, spätestens vor der Europawahl, die der ersten Wahl nach dem Inkrafttreten des Beschlusses folgt (vgl. Art. 3 Abs. 3 Direktwahlakt 2018), rechtzeitig eine Mindestsperrklausel im Umfang von zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen vorzusehen.
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I.
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1. Die Stellung des Europäischen Parlaments als Organ der Europäischen Union ist in der Vergangenheit kontinuierlich gestärkt worden. Insbesondere wird es heute gemeinsam mit dem Rat als Gesetzgeber tätig (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 EUV) und wählt den Präsidenten der Europäischen Kommission (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 3 EUV). Die im Einvernehmen mit dem gewählten Präsidenten der Kommission vom Rat vorgeschlagenen Mitglieder der Kommission haben sich als Kollegium einem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments zu stellen, auf dessen Grundlage die Kommission durch den Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt wird (vgl. Art. 17 Abs. 7 UAbs. 2 und 3 EUV). Für die Funktion des Parlaments als gleichberechtigter Mitgesetzgeber ist das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (vgl. Art. 289 Abs. 1 AEUV) vorgesehen, welches das Regelverfahren im Bereich der Gesetzgebung darstellt (vgl. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl. 2023, Art. 289 AEUV Rn. 1). Anhörungs- und Zustimmungsverfahren spielen auch weiterhin in den speziell geregelten besonderen Gesetzgebungsverfahren (vgl. Art. 289 Abs. 2 AEUV) eine Rolle (vgl. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl. 2023, Art. 289 AEUV Rn. 1, 4); ferner übt das Europäische Parlament zusammen mit dem Rat die Haushaltsbefugnisse aus (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 EUV). Daneben nimmt es Funktionen parlamentarischer Kontrolle wahr (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EUV; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 14 EUV Rn. 14 ff.).
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2. Die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments folgt dem Grundsatz der degressiven Proportionalität, wobei auf die einzelnen Mitgliedstaaten mindestens sechs, höchstens jedoch 96 der maximal 751 Abgeordnetensitze entfallen (vgl. Art. 14 Abs. 2 EUV). Gemäß Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018 (Beschluss <EU> 2018/937, ABl EU Nr. L 165 vom 2. Juli 2018, S. 1 ff.) stellt Deutschland in der aktuellen Legislaturperiode (2019 bis 2024) auch nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union 96 Abgeordnete. Seit Februar 2020 verteilen sich die übrigen Sitze wie folgt: Frankreich und Italien erhalten 79 beziehungsweise 76 Sitze, Spanien 59, Polen 52, Rumänien 33, die Niederlande 29, Belgien, Tschechien, Griechenland, Ungarn, Portugal und Schweden jeweils 21, Österreich 19, Bulgarien 17, Dänemark, Slowakei und Finnland jeweils 14, Irland 13, Kroatien 12, Litauen 11, Lettland und Slowenien jeweils 8, Estland 7, Zypern, Luxemburg und Malta jeweils 6 Sitze. Insgesamt gehören dem Europäischen Parlament derzeit 705 Mitglieder an. Nach Art. 3 des Beschlusses <EU> 2023/2061 des Europäischen Rates vom 22. September 2023 über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments (ABl EU Nr. L 238 vom 27. September 2023, S. 114 ff.) werden in der kommenden Legislaturperiode von 2024 bis 2029 Belgien, Dänemark, Irland, Lettland, Österreich, Polen, Finnland, Slowenien und die Slowakei jeweils einen weiteren Sitz, Frankreich, Spanien und die Niederlande jeweils zwei weitere Sitze erhalten. Bei den übrigen Mitgliedstaaten bleibt die Sitzzahl unverändert. Insgesamt werden somit 720 Mandate zu vergeben sein.
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3. a) Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments werden seit 1979 jeweils auf fünf Jahre direkt gewählt; hierfür wurde 1976 der sogenannte Direktwahlakt verabschiedet (Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 20. September 1976, ABl EU Nr. L 278 vom 8. Oktober 1976, S. 5 ff.). Durch Beschlüsse des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (ABl EU Nr. L 283 vom 21. Oktober 2002, S. 1 ff. - im Folgenden für den Beschluss in seiner geänderten Fassung: Direktwahlakt 2002) wurde der Direktwahlakt geändert und dahingehend ergänzt, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments in jedem Mitgliedstaat nach dem Verhältniswahlsystem gewählt werden (vgl. Art. 1 Abs. 1 Direktwahlakt 2002). Die Wahl erfolgt allgemein, unmittelbar, frei und geheim (Art. 1 Abs. 3 Direktwahlakt 2002). Seit dem Vertrag von Lissabon sind diese Wahlgrundsätze und die Dauer der Wahlperiode von fünf Jahren auch primärrechtlich verankert (vgl. Art. 14 Abs. 3 EUV).
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b) Von der in Art. 223 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Ermächtigung für die Schaffung eines einheitlichen Wahlrechts hat der Unionsgesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht, sondern sich vielmehr auf einzelne Schritte auf dem Weg zu einer Vereinheitlichung beschränkt. Einen solchen Schritt stellt auch der Direktwahlakt 2018 dar. Art. 223 Abs. 1 AEUV sieht für die Gesetzgebung im Bereich des Wahlrechts verfahrensrechtliche Besonderheiten vor. Danach erstellt das Europäische Parlament einen Entwurf der erforderlichen Bestimmungen für die allgemeine unmittelbare Wahl seiner Mitglieder nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten oder im Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen. Der Rat erlässt die erforderlichen Bestimmungen einstimmig gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, die mit der Mehrheit seiner Mitglieder erteilt wird (Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 AEUV). Diese Bestimmungen treten nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft (Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 AEUV).
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Auf europäischer Ebene sind die Bestimmungen des Wahlverfahrens damit weiterhin im Direktwahlakt geregelt, der von den Mitgliedstaaten umzusetzen ist. Soweit dieser keine Regelungen enthält, bestimmt sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften (vgl. Art. 8 Abs. 1 Direktwahlakt 2002). Aufgrund der nur unvollständigen Regelungen des Direktwahlakts verfügen die Mitgliedstaaten noch über erhebliche Spielräume, das Wahlverfahren zum Europäischen Parlament durch innerstaatliche Vorschriften auszugestalten. In Deutschland wurde das Wahlverfahren durch das Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahlgesetz - EuWG) vom 16. Juni 1978 (BGBl I S. 709) normiert, das am 22. Juni 1978 in Kraft trat und durch Gesetz vom 8. März 1994 (BGBl I S. 423) neugefasst sowie zuletzt durch Gesetz vom 11. Januar 2023 (BGBl I Nr. 11) geändert wurde.
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4. a) Nach Art. 3 Direktwahlakt 2002 dürfen die Mitgliedstaaten für die Sitzvergabe eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landesweit nicht mehr als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen betragen darf.
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b) Von dieser Möglichkeit haben derzeit 15 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gebrauch gemacht. Die Länder Frankreich, Belgien, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechien, Rumänien, Kroatien, Lettland und Ungarn verfügen über Sperrklauseln von fünf Prozent; in Österreich, Italien und Schweden gilt eine Schwelle von vier, in Griechenland von drei und in Zypern von 1,8 Prozent (vgl. Europäisches Parlament, Das Europäische Parlament: Wahlmodalitäten, Stand: November 2023, www.europarl.europa.eu/fact-sheets/de/sheet/21/das-europaische-parlament-wahlmodalitaten). In den übrigen Mitgliedstaaten sind explizite Sperrklauseln nicht vorgesehen. Allerdings bestehen in diesen Staaten bereits aus rein rechnerischen, dem Verhältniswahlsystem inhärenten Gründen sogenannte faktische Sperrklauseln, deren Höhe je nach Sitzzahl, Wahlbeteiligung und Wahlergebnis schwankt und damit nicht im Vorhinein exakt bestimmt werden kann (vgl. zu diesen faktischen Hürden Nohlen, Wahlrecht und Parteiensystem. Zur Theorie und Empirie der Wahlsysteme, 8. Aufl. 2023, S. 99 ff., 122 ff.).
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c) In Deutschland sah ursprünglich § 2 Abs. 6, später dann § 2 Abs. 7 EuWG zunächst eine Sperrklausel in Höhe von fünf Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen vor. Diese erklärte der Zweite Senat mit Urteil vom 9. November 2011 (BVerfGE 129, 300) für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG und daher nichtig, weil unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen der mit der Sperrklausel verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit politischer Parteien nicht zu rechtfertigen sei. Die verfassungsrechtliche Prüfung der deutschen Sperrklauselregelung sei nicht durch verbindliche europarechtliche Vorgaben eingeschränkt; der Direktwahlakt 2002 eröffne den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe vorzusehen, und lasse daher die Reichweite der innerstaatlichen Überprüfung der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit den durch das Grundgesetz verbürgten Wahlrechtsgrundsätzen unberührt (vgl. BVerfGE 129, 300 317>).
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Die in der Folge durch Art. 1 Nr. 2 Buchstabe d des Fünften Gesetzes zur Änderung des Europawahlgesetzes vom 7. Oktober 2013 (BGBl I S. 3749) eingeführte Sperrklausel von drei Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen hatte vor dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls keinen Bestand (BVerfGE 135, 259). Auch insoweit sah der Zweite Senat eine Verletzung der Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit politischer Parteien in Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG. Die in einer Sperrklausel liegenden Beschränkungen dieser Grundsätze seien weiterhin nicht gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 135, 259 291 ff. Rn. 64 ff.>). Die rechtlichen und tatsächlichen Umstände hätten sich seit 2011 nicht wesentlich geändert. Insbesondere bestehe nach wie vor keine zwingende Vorgabe für eine Sperrklausel im Unionsrecht mit der Folge, dass die verfassungsrechtliche Prüfung weiterhin nicht durch verbindliche europarechtliche Vorgaben eingeschränkt sei (vgl. BVerfGE 135, 259 283 f. Rn. 40 ff.>). Auch ließen sich die im Verfahren vorgetragene Zunahme der Belastung des Europäischen Parlaments mit Legislativaufgaben und die zukünftige politische und institutionelle Entwicklung, soweit sie von dem Europäischen Parlament hinsichtlich der Wahl des Kommissionspräsidenten aus einem Kreis von den europäischen Parteien benannter Spitzenkandidaten bei der Europawahl 2014 angestoßen worden sei, nicht zur Rechtfertigung einer Sperrklausel heranziehen. Denn deren Auswirkungen für die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments seien nicht absehbar, sodass für die Prognose des Gesetzgebers, es drohe ohne eine Drei-Prozent-Sperrklausel eine Funktionsbeeinträchtigung des Parlaments, die Grundlage fehle (vgl. BVerfGE 135, 259 293 ff. Rn. 70 ff.>).
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5. a) Bei der achten Direktwahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 traten in Deutschland 25 Parteien an. Die 96 zu vergebenden Mandate verteilten sich auf 14 Parteien. Zur Vergabe eines Mandats genügten bereits 0,6 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Sieben Parteien, die Mandate erringen konnten, erreichten jeweils nicht mehr als 1,5 Prozent der abgegebenen Stimmen (vgl. Bundeswahlleiter, Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014, Heft 3, Endgültige Ergebnisse nach kreisfreien Städten und Landkreisen, 2014, S. 8 ff., 188 f.).
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Europaweit bildeten sich nach der Europawahl 2014 sieben Fraktionen: Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP): 221 Sitze, Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D): 191 Sitze, Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR): 70 Sitze, Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten in Europa (ALDE): 67 Sitze, Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nor-dische Grüne Linke (GUE/NGL): 52 Sitze, Fraktion der Grünen/Europäischen Freien Allianz (Grüne/EFA): 50 Sitze, Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD): 48 Sitze. Fraktionslos blieben zunächst 52 Mitglieder des Europäischen Parlaments (vgl. hierzu Europäisches Parlament, Ergebnisse der Europawahl 2014, www.europarl.europa.eu/elections2014-results/de/election-results-2014.html).
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b) An der neunten Direktwahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 nahmen in Deutschland 41 Parteien teil. Wiederum konnten 14 Parteien zumindest ein Mandat gewinnen. Zur Vergabe eines Sitzes genügten 0,7 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Fünf Parteien, die ein Mandat errangen, erhielten jeweils weniger als 1,5 Prozent der Stimmen. Zwei weitere Parteien erreichten mehr als zwei, aber weniger als 2,5 Prozent der Stimmen und erhielten zwei Mandate; die übrigen Parteien, denen Mandate zugeteilt wurden, konnten Stimmenanteile von mehr als fünf Prozent erzielen (vgl. Bundeswahlleiter, Europawahl 2019, Heft 3, Endgültige Ergebnisse nach kreisfreien Städten und Landkreisen, 2019, S. 8, 251 ff.).
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Im Europäischen Parlament wurden wiederum sieben Fraktionen gebildet: Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP): 182 Sitze, Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D): 154 Sitze, Fraktion Renew Europe: 108 Sitze, Fraktion der Grünen/Europäischen Freien Allianz (Grüne/EFA): 74 Sitze, Fraktion Identität und Demokratie (ID): 73 Sitze, Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR): 62 Sitze, Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL): 41 Sitze. Erstmals verfügten die Fraktionen der EVP und S&D gemeinsam nicht über eine absolute Mehrheit der Mandate. Fraktionslos blieben zunächst 57 Mitglieder des Europäischen Parlaments (vgl. Europäisches Parlament, Ergebnisse der Europawahl 2019, www.europarl.europa.eu/election-results-2019/de). Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs und durch weitere innerparlamentarische Wechsel haben sich die Fraktionsgrößen zwischenzeitlich geändert, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse grundsätzlich verschoben hätten (EVP: 177 Sitze, S&D: 141 Sitze, Renew Europe: 101 Sitze, Grüne/EFA: 72 Sitze, EKR: 67 Sitze ,ID: 59 Sitze, GUE/NGL: 37 Sitze). Zurzeit sind 51 Abgeordnete fraktionslos, davon drei aus der Bundesrepublik Deutschland (vgl. zur aktuellen Zusammensetzung des Parlaments www.europarl.europa.eu/meps/de/ search/table).
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c) Die Arbeit des Europäischen Parlaments ist einerseits geprägt von der Notwendigkeit, mit den anderen Organen der Europäischen Union, insbesondere dem Rat der Europäischen Union, Kompromisse auszuhandeln (vgl. für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 219; zur Praxis des sogenannten informellen Trilogs, in dessen Rahmen Rat, Parlament und Kommission über den Inhalt der zu erlassenden Rechtsakte verhandeln, vgl. v. Achenbach, DÖV 2018, S. 1025 ff.). Hierbei muss es danach streben, die Berücksichtigung seiner im Wege fraktionsübergreifender Verhandlungen erarbeiteten Standpunkte (vgl. Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 124, 127) zu erreichen. Die Position des Parlaments ist umso einflussreicher, je stabiler die Grundlage für sie ist. Ohne fraktionsübergreifende Zusammenarbeit und Konsenssuche wäre das Europäische Parlament nicht handlungsfähig. Für die Effizienz der politischen Entscheidungsfindung kommt es maßgeblich auf die Integrationskraft und Fähigkeit zu politischer Einheitsbildung sowohl innerhalb der Fraktion als auch fraktionsübergreifend an. Die Rolle der Fraktionen für die Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben ist daher zentral.
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Andererseits wird das Wirken des Parlaments durch ein hohes Maß an innerer Heterogenität bestimmt. In der vergangenen Wahlperiode waren etwa 200 verschiedene nationale Parteien im Europäischen Parlament vertreten und zu Fraktionen zusammengeschlossen (vgl. Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 127 ff.). Daneben gibt es eine hohe Zahl fraktionsloser Abgeordneter. Die Fraktionen selbst gelten als weniger homogen als Fraktionen in nationalen Parlamenten (vgl. Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 151). Die Bandbreite an politischen Überzeugungen, die innerhalb einer Fraktion vertreten werden, ist hoch. Sie beruht nicht nur darauf, dass Parteien aus den verschiedenen Mitgliedstaaten zusammenfinden; hinzu kommen die Unterschiede zwischen mehreren Parteien desselben Mitgliedstaates. Die Stabilität der Fraktionen wird dadurch in besonderer Weise herausgefordert (vgl. zu den komplexen Bedingungen der Stabilität der Fraktionen Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 124 f.). Innerhalb der Fraktionen schließen sich die Abgeordneten der nationalen Parteien zu sogenannten nationalen Delegationen zusammen (vgl. Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 151; Karas, Die europäische Demokratie. Grenzen und Möglichkeiten des Europäischen Parlaments, 2018, S. 79), die Einfluss auf die Arbeit der Fraktionen nehmen; in der politikwissenschaftlichen Literatur wird dies als Faktor betrachtet, der zur Heterogenität innerhalb der Fraktionen beitragen kann (vgl. Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 151 ff.). So wird beispielsweise die Vergabe der einer Fraktion zustehenden parlamentarischen Ämter zwischen diesen Delegationen ausgehandelt (vgl. Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 155).
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Neben den vielfältigen politischen Positionen spielt die Haltung zur europäischen Integration eine besondere Rolle (vgl. zu den politischen Konfliktlinien im Europäischen Parlament Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 152; Karas, Die europäische Demokratie. Grenzen und Möglichkeiten des Europäischen Parlaments, 2018, S. 78). Zu beobachten und für die Zukunft zu erwarten ist eine zunehmende Vertiefung der Differenzen in den grundsätzlichen Anschauungen der Fraktionen zum Zweck und zur Berechtigung des Voranschreitens der europäischen Integration, was die Konsensbildung zusätzlich erschweren dürfte.
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6. a) Am 11. November 2015 nahm das Europäische Parlament auf Grundlage des Art. 223 Abs. 1 AEUV eine Entschließung zur Reform des Wahlrechts zum Europäischen Parlament an und unterbreitete dem Rat der Europäischen Union einen Vorschlag zur Änderung des Direktwahlakts 2002 (Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2015 - 2015/2035 <INL> -, ABl EU Nr. C 366 vom 27. Oktober 2017, S. 7 ff.). Er sah für Wahlkreise und für Mitgliedstaaten mit nur einem Wahlkreis, in denen eine Listenwahl stattfindet und es mehr als 26 Sitze gibt, eine Sperrklausel in Höhe von mindestens drei und höchstens fünf Prozent aller im Wahlkreis beziehungsweise im Mitgliedstaat abgegebenen Stimmen vor. In seiner Entschließung führte das Parlament aus, die Einführung einer Mindestschwelle diene der Vereinheitlichung des Wahlrechts, denn in 15 Mitgliedstaaten gelte bereits eine Sperrklausel und in den kleineren Mitgliedstaaten, in denen eine solche nicht vorgesehen sei, bestünden faktische Sperrklauseln von etwa drei Prozent. Die Sperrklausel beuge zudem einer Zersplitterung des Parlaments vor und sichere seine Arbeitsfähigkeit (vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2015 - 2015/2035 <INL> -, ABl EU Nr. C 366 vom 27. Oktober 2017, S. 9, 12). Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments hob in seiner Beschlussempfehlung den Aspekt der Angleichung der Wahlbedingungen hervor und erklärte, die Mindestschwelle sorge für ein höheres Maß an Vereinheitlichung der Wahlbedingungen für die politischen Parteien in allen Mitgliedstaaten. Sie führe auch zu mehr Gleichheit in Bezug auf das Gewicht, das einzelnen Stimmen zukomme (vgl. Europäisches Parlament, Empfehlung des Ausschusses für konstitutionelle Fragen vom 2. Juli 2018, A8-0248/2018, S. 7). Der Juristische Dienst des Rates führte in seinem Gutachten vom 15. März 2016 zur Entschließung des Europäischen Parlaments zur Reform des Wahlrechts aus, der Direktwahlakt sei nach der früheren Rechtslage als Akt der Mitgliedstaaten eingestuft worden, nunmehr unter Geltung des Art. 223 AEUV jedoch als ein besonders gearteter Akt des Sekundärrechts der Union anzusehen (vgl. Juristischer Dienst des Rates, Gutachten vom 15. März 2016, Ratsdokument 7038/16, S. 3). Sein Erlass unterliege den Beschränkungen des Subsidiaritätsgrundsatzes (vgl. Juristischer Dienst des Rates, Gutachten vom 15. März 2016, Ratsdokument 7038/16, S. 5). Die Festlegung einer verbindlichen Mindestschwelle für die Europawahl werfe keine speziellen Fragen der Vereinbarkeit mit den Verträgen auf. Eine solche Regelung sei ein zentraler Aspekt des Wahlverfahrens und falle daher in die Zuständigkeit der Europäischen Union. Was die Beschränkungen hinsichtlich des Stimmrechts angehe, nimmt das Gutachten auf die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug: Danach falle insbesondere die Festlegung von Sperrklauseln in das weite Ermessen, über das der Gesetzgeber diesbezüglich verfüge, und entspreche dem legitimen Ziel der Vermeidung einer übermäßigen Zersplitterung des Parlaments (vgl. Juristischer Dienst des Rates, Gutachten vom 15. März 2016, Ratsdokument 7038/16, S. 14).
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b) Am 13. Juli 2018 beschloss der Rat der Europäischen Union unter Abänderung des Vorschlags des Parlaments mit dessen Zustimmung die hier streitige Änderung des Direktwahlakts 2002. In Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 ist nunmehr unter anderem die Einführung einer obligatorischen Sperrklausel in Höhe von nicht weniger als zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen vorgesehen, die für Mitgliedstaaten mit Wahlkreisen von mehr als 35 Sitzen gilt. Abweichend von der Regelung in Art. 3 Direktwahlakt 2002 wird die Schwelle der Sperrklausel in Art. 3 Abs. 1 und 2 Direktwahlakt 2018 nun nicht mehr anhand der "abgegebenen", sondern der "abgegebenen gültigen" Stimmen berechnet. Die notwendige Stimmenzahl ist damit von einem in der Regel niedrigeren Ausgangswert aus festzusetzen. Die Vorschrift des Art. 3 Direktwahlakt 2018 lautet:
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(1) Für die Sitzvergabe können die Mitgliedstaaten eine Mindestschwelle festlegen. Diese Schwelle darf auf nationaler Ebene nicht mehr als 5 % der abgegebenen gültigen Stimmen betragen.
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(2) Die Mitgliedstaaten, in denen eine Listenwahl stattfindet, legen für Wahlkreise, in denen es mehr als 35 Sitze gibt, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest. Diese Schwelle darf nicht weniger als 2 % und nicht mehr als 5 % der abgegebenen gültigen Stimmen in dem betreffenden Wahlkreis, einschließlich eines einen einzigen Wahlkreis bildenden Mitgliedstaats betragen.
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(3) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um der Verpflichtung gemäß Absatz 2 spätestens vor der Wahl zum Europäischen Parlament, die der ersten Wahl nach dem Inkrafttreten des Beschlusses (EU, Euratom) 2018/994 des Rates folgt, rechtzeitig nachzukommen.
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c) Dem Beschluss des Rates vom 13. Juli 2018 haben mittlerweile 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugestimmt (vgl. Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 AEUV). Neben der Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland steht nur noch die Annahme durch das Königreich Spanien aus.
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d) Mit Schreiben vom 10. März 2023 leitete die Bundesregierung den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu dem Beschluss des Rates vom 13. Juli 2018 an den Bundesrat weiter (vgl. BRDrucks 104/23). In der Begründung des Gesetzentwurfs hieß es unter anderem, Rechtsgrundlage für das Zustimmungsgesetz sei Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG. Dem Inhalt nach werde eine Änderung des Grundgesetzes bewirkt, da ohne eine europarechtliche Vorgabe eine Sperrklausel für die Europawahl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl und dem Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit unvereinbar sei (vgl. BRDrucks 104/23, S. 3 der Begründung). Mit Inkrafttreten des Direktwahlakts 2018 sei die Bundesrepublik Deutschland künftig unionsrechtlich verpflichtet, eine Sperrklausel von nicht weniger als zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen einzuführen. Die verfassungsrechtliche Prüfung sei - anders als bei den vom Bundesverfassungsgericht 2011 und 2014 entschiedenen Sachverhalten - dementsprechend zukünftig durch verbindliche europarechtliche Vorgaben des Direktwahlakts 2018 eingeschränkt (vgl. BRDrucks 104/23, S. 2 der Begründung).
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Der Bundesrat beschloss am 12. Mai 2023, keine Einwendungen gegen das Gesetz zu erheben (vgl. BR-Plenarprotokoll 1033, S. 142).
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Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde sodann dem Deutschen Bundestag zugeleitet (vgl. BTDrucks 20/6821). Nach erster Lesung am 25. Mai 2023 führte der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages am 12. Juni 2023 eine Sachverständigenanhörung durch. Während die Sachverständigen Mayer und Sauer den Anwendungsbereich von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG nicht als eröffnet ansahen (vgl. Wortprotokoll der 41. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union am 12. Juni 2023, Protokoll-Nr. 20/41, S. 8 f.), gingen die Sachverständigen Grzeszick und Hilbert von der Notwendigkeit eines solchen verfassungsändernden Gesetzes aus (vgl. Wortprotokoll der 41. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union am 12. Juni 2023, Protokoll-Nr. 20/41, S. 5 ff.). Die Sachverständigen nahmen, soweit sie sich hierzu äußerten, übereinstimmend an, dass das Zustimmungsgesetz zum Direktwahlakt 2018 keinen Bedenken im Hinblick auf die in Art. 23 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Integrationsgrenzen unterliege. Ein Verstoß gegen die Verfassungsidentität scheide aus (vgl. Wortprotokoll der 41. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union am 12. Juni 2023, Protokoll-Nr. 20/41, S. 6 ff.).
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Dem Bundesrat und Deutschem Bundestag zugeleiteten Gesetzentwurf beigefügt war eine Sprachfassung des Direktwahlakts 2018, die hinsichtlich der in den Direktwahlakt einzufügenden Vorschrift des - vorliegend nicht streitigen - Art. 3a fehlerhaft lautete (fehlerhafte Formulierung kursiv gesetzt):
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Ist in innerstaatlichen Vorschriften eine Frist für die Einreichung von Bewerbungen für die Wahl zum Europäischen Parlament festgelegt, muss diese Frist mindestens drei Wochen vor dem vom betreffenden Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 1 festgelegten Termin für die Abhaltung der Wahl zum Europäischen Parlament betragen.
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Diese Fassung ging auf eine fehlerhafte Übersetzung der deutschen Sprachfassung in Art. 1 Nr.3 des Beschlusses des Rates über den Direktwahlakt 2018 zurück. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages vom 14. Juni 2023 (vgl. BTDrucks 20/7250, S. 5) wurde mitgeteilt, dass dieser Fehler in der deutschen ebenso wie in fünf weiteren Sprachfassungen am 23. November 2018 "aufgrund eines offensichtlichen Fehlers in Artikel 1 Nummer 3 korrigiert (Ratsdokument 13511/18)" worden sei. Allerdings sei diese Korrektur in der im Anhang des vorliegenden Gesetzentwurfs wiedergegebenen Fassung des Beschlusses noch nicht enthalten gewesen. Laut der Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet die korrekte Sprachfassung (korrekte Fassung kursiv gesetzt):
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Ist in innerstaatlichen Vorschriften eine Frist für die Einreichung von Bewerbungen für die Wahl zum Europäischen Parlament festgelegt, muss diese Frist mindestens drei Wochen vor dem vom betreffenden Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 1 festgelegten Termin für die Abhaltung der Wahl zum Europäischen Parlament enden.
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Nach zweiter und dritter Lesung am 15. Juni 2023 nahm der Deutsche Bundestag das Gesetz mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln seiner Mitglieder an: Für das Gesetz stimmten 567, dagegen 111 Abgeordnete (vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13307). Der Bundesrat stimmte dem Entwurf am 7. Juli 2023 ebenfalls mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der Stimmen (56 Stimmen) zu (vgl. BRDrucks 276/23; BR-Plenarprotokoll 1035, S. 219 f.). Bislang ist das Gesetz noch nicht in Kraft getreten (vgl. Rn. 73).
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II.
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Die Antragstellerin hat am 10. Juli 2023 ein Organstreitverfahren gegen den Deutschen Bundestag und den Bundesrat eingeleitet. Der Beschwerdeführer, der auch der Vorsitzende der Antragstellerin ist, hat am 20. Juli 2023 Verfassungsbeschwerde erhoben. Beide erachten das Zustimmungsgesetz als verfassungswidrig, soweit Art. 3 Direktwahlakt 2018 betroffen ist. Darüber hinaus begehren sie jeweils mit Eilanträgen, dass das Zustimmungsgesetz bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Hauptsache nicht ausgefertigt und verkündet werde.
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1. Die Antragstellerin und der Beschwerdeführer halten ihre Rechtsbehelfe für zulässig. Antragsgegenstand im Organstreitverfahren könnten gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG alle rechtserheblichen Maßnahmen sein, wie etwa der Erlass eines Gesetzes oder die Mitwirkung an einem Normsetzungsakt. Für das Organstreitverfahren und die Verfassungsbeschwerde führen sie übereinstimmend aus, dass, wenngleich das Gesetz vor Ausfertigung und Verkündung keine rechtliche Wirkung entfalte, es sich um ein Gesetz ähnlich einem Ratifizierungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag handele. In einem solchen Fall sei eine vorbeugende Prüfung möglich, da die Bundesrepublik Deutschland mit der Ratifizierung völkerrechtliche Bindungen eingehe, von denen sie sich, sollten später Verfassungsverstöße festgestellt werden, nicht aus eigener Kraft lösen könne. Von der Möglichkeit, sich durch eine Rechtsänderung der Verpflichtung zur Einführung einer Sperrklausel zu entziehen, habe der Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Diese Option sei bloß hypothetisch und damit nicht relevant. Der drohende Rechtsverlust werde allein durch das Inkrafttreten des Direktwahlakts 2018 herbeigeführt; einen Vollzugsakt müsse man nicht abwarten.
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a) Die Antragstellerin erklärt, als politische Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GG sei sie im Organstreitverfahren antragsberechtigt. Sie sei vorliegend auch antragsbefugt. Mit der Ratifizierung des Direktwahlakts 2018 und der völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, eine Sperrklausel von mindestens zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen in das Europawahlgesetz einzufügen, drohe - durch den Verstoß gegen den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsatz der Demokratie - die Verletzung von Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Die Chancengleichheit der Parteien sei ein Recht, das dem von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Demokratieprinzip zu entnehmen sei und im Übrigen auch einen menschenrechtlichen Kern aufweise. Daneben sei auch das zum verfassungsrechtlichen Status der Antragstellerin gehörende Recht auf Gleichheit der Wahl bedroht. Eine wahlrechtliche Sperrklausel ziele gerade darauf ab, die mandatsverschaffende Wirkung der abgegebenen Stimmen danach zu differenzieren, ob sie für einen Listenvorschlag abgegeben worden seien, auf den ein Stimmenanteil unterhalb oder oberhalb der jeweiligen Sperrklausel entfalle. Darüber hinaus stehe ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 23 Abs. 1 GG in Rede, weil das Zustimmungsgesetz eine Regelung auf Ebene der Europäischen Union ermögliche, die nur für zwei Mitgliedstaaten, nämlich Spanien und Deutschland, einschlägig sei.
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b) Der Beschwerdeführer hält seine Verfassungsbeschwerde für zulässig. Das Zustimmungsgesetz betreffe ihn selbst, unmittelbar und gegenwärtig. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es das dem Kerngehalt des Demokratieprinzips und der Menschenwürde zugehörige Recht auf Gleichheit der Wahl verletze. Seine Rechte seien durch das Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes unmittelbar gefährdet, denn es entstehe trotz der Notwendigkeit eines weiteren Umsetzungsakts die Verpflichtung, eine Sperrklausel von wenigstens zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen einzuführen. Der Weg zur Beschneidung seiner Rechte sei damit in jedem Fall vorgezeichnet. In einer Höhe von wenigstens zwei Prozent sei die Änderung des mitgliedstaatlichen Rechts genau determiniert.
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2. Die Anträge in der Hauptsache seien jeweils begründet. Nahezu gleichlautend führen Antragstellerin und Beschwerdeführer hierzu aus, die Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes verstoße gegen die im Demokratieprinzip wurzelnden Rechte der Antragstellerin auf Chancengleichheit der Parteien und das Recht des Beschwerdeführers auf Gleichheit der Wahl.
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a) Das Zustimmungsgesetz sei am Maßstab des Grundgesetzes, insbesondere den Vorschriften der Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 Satz 3, Art. 79 Abs. 2 und 3 GG, zu messen. Mit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes erteile die Bundesrepublik Deutschland ihre Zustimmung zu einer Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union, die als eine einer Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union vergleichbare Regelung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG einzuordnen sei. Da aufgrund des Inkrafttretens des Direktwahlakts 2018 eine Änderung des Europawahlgesetzes und die Einführung einer Sperrklausel erforderlich seien, was das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt habe, werde inhaltlich eine Verfassungsänderung bewirkt.
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b) Das Zustimmungsgesetz sei bereits formell verfassungswidrig. Die Bundesregierung habe dem Bundesrat am 10. März 2023 ihren Entwurf übersandt, diesem aber eine fehlerhafte Fassung des Beschlusses des Rates der Europäischen Union beigefügt. Der Wortlaut von Art. 3a Direktwahlakt 2018 betreffend die Fristen zur Einreichung von Bewerbungen für die Europawahl sei unrichtig gewesen. Die strikt einzuhaltende Frist des Art. 76 Abs. 2 Satz 5 GG sei damit nicht in Gang gesetzt worden. Der hier begangene Fehler sei nicht unwesentlich und auch nicht offenkundig. Er sei über einen Zeitraum von viereinhalb Jahren nicht aufgefallen und betreffe eine Fristberechnungsvorschrift, die besonders sensibel für Variationen des Wortlauts sei.
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c) Das Zustimmungsgesetz sei auch materiell verfassungswidrig. Es verstoße gegen die Verfassungsidentität des Grundgesetzes (aa) und verhelfe einem Rechtsakt der Europäischen Union zur Wirksamkeit, der den Subsidiaritätsgrundsatz und damit die Kompetenzordnung der Europäischen Union verletze (bb).
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aa) Die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nach Art. 23 Abs. 1 GG sei nur in den Grenzen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 79 Abs. 3 GG zulässig. Art. 79 Abs. 3 GG untersage Verfassungsänderungen, die das Demokratieprinzip berührten. Die Bestimmung sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Jedenfalls aber stellten willkürliche und sachlich nicht gerechtfertigte Modifikationen einen Verstoß dar. Zudem gewährleiste Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei der Übertragung von Hoheitsrechten.
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(1) Die Gleichheit der Wahl folge für Wahlen zum Europäischen Parlament aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Sie unterfalle dem Schutz der Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 79 Abs. 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zum Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon die Bedeutung der Freiheit und Gleichheit der Wahl hervorgehoben sowie aus dem Demokratieprinzip und der Menschenwürdegarantie abgeleitet. Diese Einschätzung werde von den Verfassungsgerichten der Länder geteilt. Von der Menschenwürdegarantie und dem Demokratieprinzip sei die Gleichheit der Wahl als formale und strenge Gleichheit erfasst. Diese mache einen wesentlichen Kernbestand der politischen Freiheit aus.
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Auch das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG sei Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes. Dies folge aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG. Denn Art. 10 Abs. 1 EUV verpflichte die Union auf eine repräsentative Demokratie, die ohne politische Parteien nicht denkbar sei.
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Eine sachgrundlose Beschneidung der Wahlrechtsgleichheit komme einem willkürlichen Ausschluss eines Teils des Wahlvolks von der Wahl gleich, schmälere die legitimationsstiftende Wirkung der Wahl und unterminiere das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in den demokratischen Prozess. Einschränkungen seien jedenfalls rechtfertigungsbedürftig und dürften nicht übermäßig schwer sein. Der Schweregrad einer Einschränkung bestimme sich primär nach seinen quantitativen Auswirkungen auf die Gleichheit der Mandatsverschaffungsmacht der Stimmen. Aufgrund ihrer Höhe könnten Sperrklauseln dazu führen, dass Stimmen für Parteien, die nicht unbedeutende Stimmenanteile für sich hätten gewinnen können, nicht bei der Mandatsverteilung berücksichtigt würden. Sperrklauseln könnten aber auch bei moderater Höhe in die Breite wirken und dazu führen, dass eine relativ hohe Anzahl an Stimmen im Parlament nicht repräsentiert sei. Bereits eine sehr niedrige Sperrklausel könne eine erhebliche Zahl der Wählerstimmen ineffektiv machen.
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Der europäische Rechtsvergleich sei nicht ergiebig. Die Wahlsysteme der Mitgliedstaaten der Europäischen Union seien zu unterschiedlich und die Sperrklauseln - falls vorhanden - wiesen eine zu große Spannbreite auf, um sie zueinander ins Verhältnis setzen zu können. Daneben seien aber auch qualitative Gründe zu berücksichtigen. Sachgerechte Gründe für eine Sperrklausel lägen dann vor, wenn diese nach einer nachvollziehbaren Prognose des Gesetzgebers geeignet sei, die Funktionsfähigkeit des gewählten Parlaments zu sichern. Diese Prognose müsse auf einer genauen Analyse der Funktionen und Funktionsbedingungen des jeweiligen Parlaments beruhen. Sie müsse jedenfalls vertretbar und dürfe nicht fernliegend oder gar willkürlich sein. Schließlich wirke sich auch der Umstand, ob und unter welchen Umständen eine fehlerhafte oder veraltete Prognose korrigiert werden könne, auf die Einschätzung aus, ob die Einführung einer Sperrklausel die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Grundsätze berühre. Der Gesetzgeber sei darüber hinaus verpflichtet, das "Ob" und das "Wie" einer Sperrklausel zu begründen. Grundsätzlich gehe das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass der Gesetzgeber lediglich ein verfassungsmäßiges Gesetz und nicht auch ein "verfassungsmäßiges Nachdenken" über das Gesetz schulde. Es gebe aber eine Reihe von Konstellationen, in denen Begründungs- und Prozeduralisierungspflichten angenommen worden seien. Ein Beispiel sei die Beamtenbesoldung. Soweit die Wahl- und Parteiengleichheit verletzt sei, müsse ebenfalls von einer derartigen Pflicht ausgegangen werden. Denn Entscheidungen in diesem Bereich würden gerade von denen getroffen, die selbst am politischen Wettbewerb teilnähmen.
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(2) Nach diesen Maßstäben sei eine Sperrklausel von wenigstens zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen bei Wahlen zum Europäischen Parlament nicht verfassungsgemäß. Wahlrechtliche Sperrklauseln schränkten die demokratische Gleichheit ein und führten zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der Stimmen. Ihnen komme eine delegitimierende Wirkung zu, die die Repräsentationsfunktion des Parlaments beeinträchtige. Neben dem Effekt, dass Stimmen bei der Mandatsverteilung nicht berücksichtigt würden, habe eine Sperrklausel auch psychologische Wirkungen. Für Wählerinnen und Wähler, die mit einer kleinen politischen Partei sympathisierten, gewinne die Einschätzung über die Erfolgschancen der Partei besondere Bedeutung. Taktisches Denken und nicht politische Präferenzen beeinflussten demnach die Stimmabgabe wesentlich. Auch die Berichterstattung über kleine Parteien werde von einer Sperrklausel geprägt. Bereits eine Sperrklausel von zwei Prozent habe schwere Konsequenzen. Bei der Europawahl 2019 wären sieben Prozent der in Deutschland abgegebenen Stimmen wirkungslos geblieben. Die Abschätzung der Wirkungen für die Zukunft sei mit erheblichen Schwierigkeiten belastet. Durch die mit dem Zustimmungsgesetz begründete Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, eine Sperrklausel in der genannten Höhe einzuführen, sei der Gesetzgeber in der Zukunft aber daran gehindert, seiner Beobachtungs- und Anpassungspflicht nachzukommen. Selbst wenn man eine Sperrklausel zum gegenwärtigen Zeitpunkt grundsätzlich für rechtfertigungsfähig hielte, so wäre sie nicht als verfassungsgemäß anzusehen, da der Gesetzgeber sie im Bedarfsfalle nicht mehr eigenständig abändern könnte.
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Im Übrigen sei die Sperrklausel auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt. Es sei im gesamten Rechtsetzungsverfahren kein nachvollziehbarer Grund genannt oder ersichtlich geworden, weshalb eine Sperrklausel eingeführt werden solle. Der Ablauf des Rechtsetzungsverfahrens auf europäischer Ebene und die Stellungnahme zahlreicher Akteure zeigten vielmehr, dass die Änderung des Direktwahlakts, die sich hinsichtlich der Sperrklausel faktisch im Wesentlichen nur auf die Bundesrepublik Deutschland auswirke, allein durch die Absicht motiviert sei, kleinere Parteien von der Mandatsvergabe auszuschließen. Im Deutschen Bundestag sei lediglich pauschal auf die Funktionsfähigkeit des Parlaments und eine drohende Zersplitterung verwiesen worden. Die Organe der Europäischen Union hätten im Rechtsetzungsverfahren auf faktische Sperrklauseln in Mitgliedstaaten mit weniger als 35 Abgeordneten von etwa zwei Prozent abgestellt. Darüber hinaus sei angeführt worden, dass die Einführung einer Mindestsperrklausel ein Mehr an Gleichheit für die politischen Parteien in den Mitgliedstaaten und eine Angleichung des Gewichts schaffe, das jeder Wählerstimme zukomme. Letzteres sei kein ernst zu nehmendes Argument für die Rechtfertigung einer Sperrklausel. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments bedroht wäre, würde auf eine Sperrklausel weiterhin verzichtet. Die Bundesrepublik Deutschland entsende 96 Abgeordnete in das Europäische Parlament. Bei der Europawahl 2014 seien sieben dieser Mandate an kleinere Parteien gegangen. Lediglich zwei dieser Abgeordneten seien keiner Fraktion beigetreten. Bei der Europawahl 2019 seien neun Mandate auf kleine Parteien entfallen. Wiederum seien zunächst nur acht Abgeordnete fraktionslos geblieben; nach einem Fraktionsaustritt seien derzeit zwei Mitglieder des Europaparlaments fraktionslos. Insgesamt seien nach der Wahl 2019 46 von 705 Abgeordneten fraktionslos. Es sei nicht erkennbar, dass die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments hierdurch beeinträchtigt werde.
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bb) Das Zustimmungsgesetz verstoße auch gegen den Subsidiaritätsgrundsatz; die unionsrechtliche Regelung einer Sperrklausel sei nicht erforderlich. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG stelle schon die - vorliegend einschlägige - Übertragung von Hoheitsrechten unter den Vorbehalt der Subsidiarität. Hiergegen verstoße das Zustimmungsgesetz. Betroffen von der Regelung der Mindestsperrklausel seien nur Spanien und Deutschland, hypothetisch auch Frankreich und Italien. Schon wegen der Beschränkung auf diese geringe Zahl von Mitgliedstaaten sei nicht erkennbar, weshalb eine europaweit einheitliche Regelung erforderlich sei. Der Umstand, dass eine Spanne von zwei bis fünf Prozent und damit weitere Differenzierungen möglich seien, verschärfe dieses Problem. Da der Subsidiaritätsgrundsatz auch bei der Ausübung übertragener Kompetenzen zu beachten sei, stehe zudem fest, dass die Union mit der Einführung einer obligatorischen Sperrklausel im Direktwahlakt 2018 ihre Kompetenzen überschritten habe. Auch hierdurch würden die Rechte der Antragstellerin und des Beschwerdeführers verletzt.
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3. Die Anträge im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes seien zulässig und begründet. Die hier ausnahmsweise vorzunehmende summarische Prüfung deute auf die Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes hin. Die negativen Folgen einer Ratifizierung der Änderung des Direktwahlakts 2018 überwögen die Konsequenzen eines vorübergehenden Aufschubs.
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III.
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Der Senat hat die Verfassungsbeschwerdeschrift und die Antragsschrift im Organstreitverfahren sowie die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dem Bundespräsidenten, dem Bundesrat, dem Deutschen Bundestag, der Bundesregierung und allen Landesregierungen zugestellt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon Gebrauch gemacht haben der Deutsche Bundestag (1.) und die Bundesregierung (2.).
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1. Der Deutsche Bundestag beantragt, den Antrag im Organstreitverfahren beziehungsweise die Verfassungsbeschwerde nach § 24 Satz 1 BVerfGG in der Hauptsache zu verwerfen und festzustellen, dass sich die Eilanträge damit erledigt hätten.
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a) Zum Rechtsetzungsverfahren auf der Ebene der Europäischen Union führt der Deutsche Bundestag aus, dass sich die Reform des Direktwahlakts nicht auf die Einführung einer Mindestsperrklausel beschränke. Bezweckt werde nach dem Vorschlag des Europäischen Parlaments vom 11. November 2015 die Vereinheitlichung des Wahlverfahrens und die Stärkung des demokratischen und länderübergreifenden Aspekts der Wahl, um somit die demokratische Legitimation des Entscheidungsprozesses der Union zu stärken. Zur Vereinheitlichung der Sperrklauseln habe das Parlament erklärt, dass die tatsächliche Schwelle für die Mandatsvergabe in kleineren Mitgliedstaaten und in den Mitgliedstaaten, die ihr Wahlgebiet in Wahlkreise unterteilt hätten, auch dann mehr als drei Prozent betrage, wenn im Wahlrecht keine Sperrklausel vorgesehen sei. Zudem habe es die Erwägung geäußert, dass die Einführung einer verbindlichen Mindestschwelle für die Mandatsvergabe traditionell als rechtmäßige Methode anerkannt werde, die ordnungsgemäße Arbeitsweise von Parlamenten sicherzustellen. Der Auftrag des Art. 223 Abs. 1 AEUV, auf ein einheitliches Verfahren für die Wahl zum Europäischen Parlament hinzuwirken, stehe in langer Tradition seit dem Jahr 1957. Die Vorschrift ermögliche ebenso eine weitreichende und grundlegende Reform wie auch eine Vergemeinschaftung in Teilschritten. Mit dem anspruchsvollen Verfahrensrecht, das Art. 223 Abs. 1 AEUV vorgebe, seien Zwischenschritte und Kompromisse vorgezeichnet. Das Europäische Parlament habe nach fast drei Jahren intensiver Verhandlungen auch eine Mindestschwelle von zwei Prozentpunkten akzeptiert und festgestellt, dass diese für eine Angleichung der Wahlbedingungen für die politischen Parteien in allen Mitgliedstaaten sorge. Hierbei sei die Änderung des Direktwahlakts als erster Schritt, nicht als Endpunkt der Debatte anzusehen.
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b) Der Antrag in der Hauptsache im Organstreitverfahren sei unzulässig.
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aa) Die Antragstellerin habe die Möglichkeit eines Subsidiaritätsverstoßes nicht substantiiert dargelegt. Die vonseiten der Antragstellerin behauptete Gebundenheit an die Subsidiaritätsregel bestehe nicht, soweit die Mitgliedstaaten die demokratischen und institutionellen Grundlagen der Union ausbauten. Die Europäische Union verfüge über einen institutionellen Rahmen, dessen Gestaltung und Weiterentwicklung in strikter Übereinstimmung mit dem Integrationsprogramm das Subsidiaritätsprinzip nicht berühre. Die Subsidiaritätsnorm beziehe sich inhaltlich auf die Wahrnehmung begründeter Kompetenzen, nicht auf Kreation, Legitimation und Formation der wahrnehmungsberechtigten Unionsorgane. Dieser allgemeine Befund habe auch Geltung für das Europäische Parlament und sein Organisationsrecht. Art. 223 Abs. 1 AEUV bestätige die eigenständige Konzeption der Organisationsgewalt und ihre Ausrichtung auf Harmonisierung. Das Vereinheitlichungsmandat sei seit Art. 138 EWGV und Art. 138 EGV Maastricht als Gesetzgebungsauftrag auf dem im Primärrecht angelegten Weg der Emanzipation und Defragmentierung konzipiert. Ein Subsidiaritätsverdikt gegen die primärrechtlich ermöglichte und politisch konsentierte Harmonisierung stünde dem entgegen. Das Anliegen des Art. 223 AEUV und aller Vorgängerbestimmungen gehe dahin, ein zentrales Wahlrecht zu ermöglichen, das schrittweise entwickelt werde. Die Subsidiaritätsrüge könne daher von vornherein nicht durchdringen. Aus deutscher Verfassungsperspektive sei auf Unionsebene legitimiert, was Deutscher Bundestag und Bundesrat als Integrationsprogramm festgelegt hätten. Im Zugriff auf das institutionelle Design des Europäischen Parlaments gehe es um ein gemeineuropäisches Hoheitsrecht, das allein auf der rechtlichen Existenz und der Organisation der Europäischen Union beruhe und deshalb nicht "übertragen", sondern von den Unionsstaaten in der gemeinsamen Trägerschaft zur gesamten Hand in Anspruch genommen werde.
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bb) Auch die Identitätsrüge genüge nicht den prozessualen Begründungsanforderungen. Diesbezüglich bestünden besondere Substantiierungslasten. Es werde nicht erörtert, ob und inwieweit der deutsche Integrationsgesetzgeber als europäischer Akteur den Maßstäben verpflichtet sein könne, die für die innerstaatliche Rechtserzeugung Geltung hätten. Die Rückverweise auf die innerstaatlichen Maßstäbe für staatliche Wahlgesetzgebung könnten nichts zur Substantiierung beitragen. Der streitbefangene Zustimmungsakt sei ein Mitwirkungsakt der suprastaatlichen Integration. Das Integrationsverfassungsrecht der Mitwirkung (Art. 23 GG) und interne Anforderungen aus Art. 21 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 3 GG seien nicht identisch. Die Kontrollvorbehalte der negativen Integrationsverantwortung seien Ultima-ratio-Instrumente, die an die Prinzipien der Zurückhaltung und Europarechtsfreundlichkeit gebunden seien. Es hätte Stellung genommen werden müssen zu einer Mitwirkungs- und Kontrolldogmatik, die dem Gestaltungsauftrag des Art. 23 GG gerecht werde. Die unionsrechtliche Wahlrechtsgleichheit und der grundrechtliche Kontrollvorbehalt würden nicht erörtert.
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Nicht erläutert werde auch der Status der Subsidiaritätsrüge. Die Verknüpfung mit Art. 79 Abs. 3 GG lege nahe, dass zugleich eine Identitätsverletzung behauptet werde. Dann sei aber zu klären, inwieweit sich die Maßstäbe der Ultra-vires-Kontrolle auf die Identitätskontrolle auswirkten. Es genüge nicht, darauf hinzuweisen, dass die Standards der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit im Demokratieprinzip wurzelten. Aufzuzeigen wäre vielmehr, dass der Integrationsgesetzgeber nicht an der Entwicklung einer den Grundsätzen der Demokratie verpflichteten Union, sondern an einem Manöver der "Ent-demokratisierung" mitwirke. Soweit gerügt werde, der Direktwahlakt 2018 führe zu einer Erosion mitgliedstaatlicher Kompetenzen, hätte gezeigt werden müssen, inwieweit die Gestaltungsmacht des Deutschen Bundestages betroffen sei.
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c) Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass der Antrag unbegründet sei. Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Änderung des Direktwahlakts bewirke keine Inhaltsänderung des Grundgesetzes, wohl aber einen "Anwendbarkeitsverlust" im Zuge der Verlagerung maßstäblicher Herrschaft. Soweit das Unionsrecht eine Materie vollständig determiniere, seien allein die Unionsgrundrechte maßgeblich. Das Grundgesetz fordere Ermächtigungsgrundlagen, die das Handeln der Union legitimierten. Hierauf stütze sich der Ultra-vires-Kontrollvorbehalt. Nach der Vergemeinschaftung erwarte das Grundgesetz einen im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz und für alle Phasen sowohl der mitgliedstaatlichen Mitwirkung wie auch der Vertragsanwendung, dass Integrationspolitik und Unionsgewalt die Rechtsgüter des Art. 79 Abs. 3 GG schützten. Nach diesen Maßstäben könne die Antragstellerin mit ihrem Begehren nicht durchdringen.
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aa) Die Union könne sich mit Art. 223 Abs. 1 AEUV auf eine Rechtsgrundlage berufen, deren Programm gerade die Europäisierung des Wahlrechts sei. Eine Verletzung dieses Programms durch den Direktwahlakt 2018 sei nicht erkennbar.
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bb) Auf Unionsebene sei ein äquivalenter Schutz der Wahlrechtsgleichheit gewährleistet. Dieses Recht sei unionsprimärrechtlich anerkannt. Eingriffe stünden unter Rechtfertigungsdruck. Die Zwei-Prozent-Sperrklausel sei ein Eingriff in die unionsprimärrechtlich gewährleistete Wahlrechtsgleichheit und zugleich ein Eingriff in die Parteiengleichheit. Dass die Festlegung einer Mindestschwelle bei zwei Prozent das legislative Gestaltungs-, Bewertungs- und Prognoseermessen überschreite, sei nicht ersichtlich. Primärrechtlich sei ein Gestaltungsermessen verbürgt. Der Unionsgesetzgeber habe mit Rücksicht auf die rechtlichen und faktischen Sperrklauseln im mitgliedstaatlichen Europawahlrecht entschieden. Dass er das Spektrum mitgliedstaatlicher Varianten hinnehme und zugleich eine Mindestschwelle festsetze, sei nicht zu beanstanden. Zu respektieren seien insbesondere tatsächliche Einschätzungen und Prognosen, die die Handlungsfähigkeit des Europäischen Parlaments beträfen.
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cc) Auch die Identitätsrüge dringe nicht durch. Es genüge nicht, Standards des Grundgesetzes im Schutzbereich des Art. 79 Abs. 3 GG zu verankern und dann zu transferieren. Erforderlich sei es, Rücksicht zu nehmen auf die Organisationsverfassung der Union. Auch die Offenheit des Grundgesetzes für suprastaatliche Einrichtungen und deren Verfasstheit sei Teil der deutschen Verfassungsidentität. Die grundrechtskonforme Mitwirkung an der Änderung des Direktwahlakts 2018 widerspreche nicht, sondern entspreche dem Auftrag, die demokratischen Grundlagen der Union schrittweise auszubauen. Identität im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG markiere die unverrückbare Bastion an der Außengrenze politischer Gestaltungsfreiheit. Dass die Mitwirkung an einem Vergemeinschaftungsschritt mit Einführung einer Sperrklausel bei gleichzeitiger Festlegung einer absoluten Obergrenze von fünf Prozent das Demokratieprinzip im unverfügbaren Kern oder den Menschenwürdekern des Wahlrechts verletze, sei weder dargetan noch ersichtlich.
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d) Zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreitverfahren trägt der Deutsche Bundestag vor, dieser sei im Falle einer Verwerfung des Hauptantrages gegenstandslos. Im Übrigen sei er wegen mangelnder Substantiierung unzulässig und auch unbegründet.
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e) Im Hinblick auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren führt der Deutsche Bundestag aus, der Beschwerdeführer sei nicht beschwerdebefugt. Es werde nicht deutlich, ob er den Integrationsgesetzgeber an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden sehe oder ob er eine Verletzung des Integrationsverfassungsrechts andeute. Nach jeder Lesart sei die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht substantiiert dargetan. In jedem Fall sei die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Das Integrationsprogramm und Grundrechte seien nicht verletzt worden. Auch ein Identitätsverstoß liege nicht vor. Insoweit werde auf die Stellungnahme zum Antrag im Organstreitverfahren Bezug genommen. Mit der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde erledige sich der Antrag auf eine einstweilige Anordnung.
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2. Die Bundesregierung führt aus, die Anträge im Organstreit- und im Verfassungsbeschwerdeverfahren seien unzulässig, jedenfalls unbegründet. Soweit die Prüfung ergebe, dass wegen Unzulässigkeit und offenkundiger Unbegründetheit keine Erfolgsaussichten bestünden, komme eine Entscheidung nach § 24 BVerfGG in Betracht. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung würden sich damit erledigen.
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a) Die Vereinheitlichung des europäischen Wahlrechts sei als Integrationsauftrag in Art. 223 AEUV angelegt und andauernde Forderung des Europäischen Parlaments. Auf europäischer Ebene habe ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren stattgefunden. Die Einigung im Rat, die 2018 erzielt worden sei, enthalte nicht nur eine Regelung zur Sperrklausel, sondern auch Bestimmungen zur Vermeidung der doppelten Stimmabgabe, zur Briefwahl und elektronischen Stimmabgabe sowie zu weiteren Materien des Wahlrechts.
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Das europäische Wahlrecht sei noch immer nur in Teilen durch zwingende europarechtliche Vorgaben determiniert, jedoch grundsätzlich auf eine zunehmende Wahlrechtsvereinheitlichung auf Unionsebene angelegt. Insoweit sei dem Unionsrecht ein dynamisches Integrationsprogramm zur Europäisierung des Wahlrechts zu entnehmen. Das Verfahren zur Verabschiedung einheitlicher Bestimmungen für das europäische Wahlrecht sei mehrstufig angelegt; sämtliche Mitgliedstaaten müssten einer Änderung zustimmen. Insofern sei noch nicht absehbar, ob die Verpflichtung zur Einführung einer Sperrklausel schon für die Europawahl 2029 oder erst für die im Jahr 2034 stattfindende Wahl gelten werde.
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b) An welchen rechtlichen Maßstäben der Beschluss zum Direktwahlakt 2018 zu messen sei, hänge von seiner Rechtsnatur ab. Bei dem ursprünglichen Direktwahlakt 1976 habe es sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten gehandelt. In der Literatur werde er teilweise als "gemischter Rechtsakt" angesehen. Die Novellen des Direktwahlakts von 2002 und 2018 würden überwiegend als Unionsrecht eingeordnet. Das Rechtsetzungsverfahren weise Parallelen zum Eigenmittelbeschluss der Europäischen Union auf. Dieser sei vom Bundesverfassungsgericht nicht als neuerliche Hoheitsrechtsübertragung behandelt worden.
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c) Die Anträge im Organstreit- und Verfassungsbeschwerdeverfahren seien bereits unzulässig. Es fehle schon an einer gegenwärtigen und unmittelbaren Beschwer; weiter fehle es an der Antragsbefugnis und dem Rechtsschutzbedürfnis. Der Beschluss zur Änderung des Direktwahlakts sei noch nicht in Kraft getreten und das deutsche Zustimmungsgesetz ändere daran nichts, weil die Zustimmung weiterer Mitgliedstaaten noch ausstehe. Zudem bestehe je nach dem Zeitpunkt des noch offenen Inkrafttretens des Änderungsbeschlusses 2018/994 eine Pflicht zur Einführung einer Sperrklausel erst für die Europawahl 2029 oder gar 2034.
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Darüber hinaus fehle es an einer unmittelbaren Beschwer. Denn der Beschluss zum Direktwahlakt 2018 sei nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfe der Umsetzung in nationales Recht. Erst durch das deutsche Europawahlgesetz, das die Änderung umsetze, seien Antragstellerin und Beschwerdeführer unmittelbar beschwert. Dem nationalen Gesetzgeber verbleibe im Hinblick auf die Einführung einer Sperrklausel ein weiter Gestaltungsspielraum. Welchen konkreten Rahmenbedingungen sich der deutsche Europawahlgesetzgeber gegenübersehe, könne noch nicht sicher prognostiziert werden.
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d) Die vorgetragenen Subsidiaritätseinwände seien nicht substantiiert dargelegt. Subsidiarität im Sinne des Art. 5 Abs. 3 EUV sei als Prinzip und Grenze der Ausübung der Kompetenzen der Union aufzufassen. Antragstellerin und Beschwerdeführer stützten ihren Einwand auf ein Verständnis des Subsidiaritätsgrundsatzes als Prinzip der Kompetenzverteilung, das allenfalls bei einer neuen Übertragung von Kompetenzen, die hier nicht vorliege, gelten könne. Art. 23 Abs. 1 GG statuiere auch kein auf die Kompetenzverteilung bezogenes Subsidiaritätsprinzip. Art. 5 Abs. 3 EUV sehe die Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes nur für Gesetzgebungsakte der Union vor. Der Subsidiaritätsgrundsatz lasse sich zudem nicht als Organrecht einer politischen Partei im Organstreitverfahren oder als subjektives Recht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde geltend machen.
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Höchst vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass die Sperrklauselregelung im Direktwahlakt 2018 unter dem Aspekt der Kompetenzausübungsschranke des Art. 5 Abs. 3 EUV keinen Bedenken begegne. Es erscheine bereits sehr fraglich, ob der Anwendungsbereich dieser Norm überhaupt eröffnet sei. Jedenfalls aber gebe es keine durchgreifenden Einwände. Der Juristische Dienst des Rates gehe im Ergebnis davon aus, dass Art. 223 AEUV seiner Entstehungsgeschichte nach eine geteilte Zuständigkeit statuiere, deren Ausübung an die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit geknüpft sei. Genau betrachtet gehe die Frage nach der Subsidiarität allerdings ins Leere, weil die Errichtung und Ausgestaltung von europäischen Einrichtungen und Organen der Kompetenzfrage vorgelagert seien. Die Frage, ob ein Europäisches Parlament und das Kreationsverfahren zur Errichtung dieses Organs nicht ausreichend auf mitgliedstaatlicher Ebene und besser auf unionaler Ebene geregelt werden könnten, sei nicht sinnvoll. Zudem treffe die Annahme der Antragstellerin und des Beschwerdeführers, die Sperrklauselregelung sei nur auf zwei Mitgliedstaaten anwendbar, nicht zu. Neben Deutschland und Spanien wählten auch Italien, Frankreich und Polen mehr als 35 Abgeordnete. Prinzipiell gelte die Sperrklausel- regelung auch für diese Länder.
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e) Nicht substantiiert sei auch der Vortrag zu Verfahrensfehlern im Gesetzgebungsverfahren. Die deutsche Sprachfassung des Direktwahlakts 2018 sei nachträglich korrigiert und die korrigierte Fassung dem weiteren Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt worden. Die Richtigstellung eines offenkundigen Fehlers, wie dem hier vorliegenden, im Gesetzgebungsverfahren sei ohne Weiteres möglich.
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f) Jedenfalls seien die Anträge unbegründet. Durch das Tätigwerden des Europäischen Gesetzgebers hätten sich die rechtlichen Verhältnisse maßgeblich geändert. Es seien nun andere Maßstäbe der nationalen verfassungsgerichtlichen Überprüfung als 2011 und 2014 einschlägig. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Leitplanken ergäben sich vorliegend aus dem Aspekt der Integrationsverantwortung und der Einhaltung des Integrationsprogramms. Hier erkenne das Bundesverfassungsgericht einen weiten Spielraum an. Die mitgliedstaatliche Zustimmung zum Direktwahlakt 2018 richte sich in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG). Den Verfassungsorganen sei es dabei verwehrt, am Zustandekommen und an der Umsetzung von Sekundärrecht mitzuwirken, das die Grenzen des Integrationsprogramms überschreite. Auch seien die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG zu beachten.
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Ein Ultra-vires-Akt liege nicht vor. Die Europäisierung des Wahlrechts zum Europäischen Parlament sei seit dem Jahr 1957 Teil des Integrationsprogramms. Die verfahrensmäßige Ausgestaltung sei mit Art. 223 AEUV bereits vorgezeichnet. Der Direktwahlakt 2018 halte sich innerhalb der Grenzen des in dieser Vorschrift angelegten Integrationsprogramms.
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Für die verfassungsgerichtliche Prüfdichte im Hinblick auf das "Wie" der Weiterentwicklung des Europawahlrechts komme es auf die europaweite Verbindlichkeit der unionsweiten Vorgaben an. In seiner Entscheidung zur Sperrklausel aus dem Jahr 2014 sei das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, dass im Fall verbindlicher europarechtlicher Vorgaben nur eine eingeschränkte verfassungsgerichtliche Prüfung erfolge. Soweit der europäische Gesetzgeber unionsweit verbindliche Vorgaben mache, seien diese vorrangig an den Gewährleistungen des Primärrechts zu messen. Wegen des Vorrangs des Unionsrechts komme dann allenfalls noch eine weit zurückgenommene Reservekontrolle auf mitgliedstaatlicher Ebene in Betracht.
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Das Unionsrecht enthalte etliche Gewährleistungen, die auf grundrechtlicher und struktureller Ebene Konkretisierungen des demokratischen Prinzips böten. Zu den zu beachtenden Vorgaben zählten nach Art. 51 Abs. 1 GRCh die Garantien der Charta, die im Vertrag über die Europäische Union, im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und den hierzu vereinbarten Protokollen getroffenen Festlegungen und die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Im Schrifttum werde eine Sperrklausel auf unionsrechtlicher Ebene für zulässig gehalten. Auch der Juristische Dienst des Rates sei in seinem Gutachten vom März 2016 davon ausgegangen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe zwar noch keine Gelegenheit gehabt, zur Vereinbarkeit von nationalen Sperrklauseln bei den Wahlen zum Europäischen Parlament mit der Europäischen Menschenrechtskonvention Stellung zu nehmen. Aus seiner Rechtsprechung ergebe sich aber, dass Sperrklauseln jedenfalls nicht grundsätzlich unvereinbar mit den konventionsrechtlichen Garantien seien. In den Mitgliedstaaten seien Sperrklauseln als Korrektiv bei der Verhältniswahl weit verbreitet und anerkannt.
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Die wahlrechtsbezogenen Grundsätze des Unionsrechts seien auch als den Garantien des Grundgesetzes im Wesentlichen vergleichbar anzusehen. Art. 39 GRCh enthalte zwar keine ausdrückliche Verbürgung der Wahlrechtsgleichheit. Ein allgemeiner Gleichheitssatz finde sich indessen in Art. 20 GRCh. Gleichheitsgehalte würden auch in Art. 20 Abs. 2 Buchstabe b AEUV abgesichert. In allgemeiner Form seien solche Garantien in Art. 9 Abs. 1 EUV normiert.
- 71
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Die Verfassungsidentität des Grundgesetzes sei nicht berührt. Die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 GG dürften in ihrem Kern dem Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG unterfallen. Differenzierungen bei der Wahlrechtsgleichheit, die evident unzulässig seien, enthalte der Direktwahlakt 2018 nicht. Offensichtliche Verfahrens- oder Begründungsdefizite seien nicht erkennbar. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments als Begründung für die Sperrklausel herangezogen worden sei.
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IV.
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Der Deutsche Bundestag hat mit Schriftsatz vom 25. September 2023 den Beitritt zum Verfassungsbeschwerdeverfahren erklärt. Antragstellerin und Beschwerdeführer haben mit übereinstimmenden Schreiben vom 6. Dezember 2023 auf die Stellungnahmen von Deutschem Bundestag und Bundesregierung repliziert und halten an ihrem bisherigen Vortrag, den sie vertiefen, fest.
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V.
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Der Bundespräsident hat - der ständigen Staatspraxis entsprechend (vgl. BVerfGE 123, 267 304>; 132, 195 195 ff. Rn. 1 ff.>; 153, 74 131 Rn. 90> - Einheitliches Patentgericht; 158, 210 227 Rn. 44> - Einheitliches Patentgericht II - eA; 163, 165 210 Rn. 73> - ESM-ÄndÜG, m.w.N.) - auf Bitte des Senats vom 7. Juli 2023 die Ausfertigung des Zustimmungsgesetzes zum Direktwahlakt 2018 bis zur Entscheidung über die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgesetzt.
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B.
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Der Beitritt des Deutschen Bundestages zum Verfassungsbeschwerdeverfahren ist zulässig (§ 94 Abs. 5 Satz 1 BVerfGG).
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Der Antrag im Organstreitverfahren und die Verfassungsbeschwerde werden verworfen. Sie sind unzulässig. Die gesetzliche Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zum Direktwahlakt 2018 ist ein tauglicher Verfahrensgegenstand und kann grundsätzlich mit der Organklage und der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (I.). Der Antrags- beziehungsweise Beschwerdebefugnis steht nicht entgegen, dass die hier angegriffene Vorgabe des Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 in nationales Recht umgesetzt werden muss (II.). Der Antrag im Organstreitverfahren und die Verfassungsbeschwerde bleiben jedoch erfolglos, da die Antragstellerin und der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung der jeweils geltend gemachten verfassungsmäßigen Rechte nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben (III.).
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I.
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1. Bei dem Gesetz zur Zustimmung zum Direktwahlakt 2018 handelt es sich um ein Gesetz nach Art. 23 Abs. 1 GG, § 3 Abs. 1 und 2 IntVG. Ein solches kann, wie ein Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag (vgl. BVerfGE 1, 396 410>; 6, 290 294 f.>; 15, 337 348>; 16, 220 226>; 24, 33 53>; 40, 141 156>; 84, 90 113>; 89, 155 171 ff.>; 123, 148 170>; 153, 74 131 Rn. 93>), als Akt der öffentlichen Gewalt mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden (vgl. BVerfGE 89, 155 171 ff.>; 112, 363 366 f.>; 123, 267 329>; 135, 317 384 f. Rn. 122>; 163, 165 211 Rn. 77>; 164, 193 272 Rn. 104> - ERatG - NGEU). Ebenso kann der Beschluss über ein Zustimmungsgesetz (vgl. BVerfGE 1, 208 220>; 4, 144 148>; 82, 322 335>; 92, 80 87>; 102, 224 234>; 103, 164 169>) eine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG darstellen und Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein (vgl. Bethge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 34 f. <Jan. 2017>).
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2. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen ausnahmsweise (vgl. zum Grundsatz BVerfGE 11, 339 342>; 112, 363 367>; 131, 47 52>) bereits vor ihrem Inkrafttreten tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein können, wenn das Gesetzgebungsverfahren mit Ausnahme der Ausfertigung und Verkündung durch den Bundespräsidenten abgeschlossen ist und der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung geltend machen kann (vgl. BVerfGE 1, 396 413>; 24, 33 53 f.>; 112, 363 366 f.>; 123, 267 329>; 131, 47 52 f.>; 153, 74 132 Rn. 94>; 157, 332 378 Rn. 76> - ERatG - eA; 163, 165 211 Rn. 78>). Dies gilt auch für den Fall, dass, wie vorliegend, in einem Organstreitverfahren die Verletzung organschaftlicher Rechte durch den Beschluss über das Zustimmungsgesetz gerügt wird. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass völkerrechtliche Verpflichtungen für die Bundesrepublik Deutschland begründet würden, die diese nur unter Verstoß gegen ihre Verfassung erfüllen könnte (vgl. BVerfGE 1, 396 413>; 153, 74 132 Rn. 94>; 157, 332 378 Rn. 76>; 163, 165 211 Rn. 78>).
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Dieselben Maßstäbe gelten für den Fall eines Zustimmungsgesetzes, für das Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV eine ratifikationsähnliche Zustimmung der Mitgliedstaaten gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften vorsieht und der deutsche Gesetzgeber in der Folge des Lissabon-Urteils (vgl. BVerfGE 123, 267 387, 434>) in § 3 Abs. 1 und 2 IntVG die Zustimmung in Form eines Gesetzes festgelegt hat. Auch in diesem Fall besteht die Gefahr, dass mit der unionsrechtlich wirksamen Zustimmung, das heißt der Ausfertigung und Verkündung des Zustimmungsgesetzes durch den Bundespräsidenten und der entsprechenden Mitteilung an den Generalsekretär des Rates gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses (EU, Euratom) 2018/994 des Rates der Europäischen Union vom 13. Juli 2018, eine Verletzung von Schutzgütern des Art. 79 Abs. 3 GG erfolgt, die nicht mehr ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 157, 332 376 Rn. 71, 378 Rn. 76 f.>). Damit könnte die verfassungsgerichtliche Überprüfung ihren Zweck verfehlen, durch Klärung der verfassungsrechtlichen Lage dem Rechtsfrieden zu dienen und ein Auseinanderfallen unions- und verfassungsrechtlicher Bindungen zu vermeiden. Es entspricht daher dem Gebot effektiven Rechtsschutzes und der Staatspraxis, schon zu diesem Zeitpunkt eine vorbeugende Prüfung künftiger Regelungen zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 157, 332 378 Rn. 76>).
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II.
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Die für die Antrags- beziehungsweise Beschwerdebefugnis erforderliche unmittelbare Rechtsbetroffenheit (vgl. § 64 Abs. 1, § 90 Abs. 1 BVerfGG) liegt im hier gegebenen Fall des vorbeugenden Rechtsschutzes vor. Mit dem Inkrafttreten des Direktwahlakts 2018 entsteht für die Bundesrepublik Deutschland die Verpflichtung, für Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments eine Sperrklausel von nicht weniger als zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018) in ihr nationales Recht einzuführen. Die Umsetzung dieser Verpflichtung stellt sich als Erfüllung einer zwingenden unionsrechtlichen Vorgabe dar, der sich die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Zustimmung unterwirft und der sie sich infolgedessen nicht ohne Weiteres entziehen kann. Dass diese Verpflichtung erst mit dem Inkrafttreten des Direktwahlakts 2018 entsteht, ändert daran nichts. Insofern gilt das oben Ausgeführte zur Eröffnung der verfassungsgerichtlichen Überprüfung des Zustimmungsgesetzes bereits vor dem Eintreten der für die unionsrechtlich wirksame Zustimmung notwendigen Voraussetzungen (vgl. Rn. 77 f.). Antragstellerin und Beschwerdeführer können insoweit nicht auf nachträglichen Rechtsschutz gegen das deutsche Umsetzungsgesetz zur Einführung der Mindestsperrklausel in Höhe von zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen verwiesen werden. Soweit Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum eröffnet und die Einführung einer über die Mindestsperrklausel hinausgehenden Hürde von bis zu fünf Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen ermöglicht, gilt dies jedoch nicht; diesbezüglich führt die Zustimmung zum Direktwahlakt 2018 nicht zum Entstehen einer zwingenden unionsrechtlichen Vorgabe.
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Die unmittelbare Betroffenheit von Antragstellerin und Beschwerdeführer entfällt auch nicht deswegen, weil der Gesetzgeber, etwa durch Unterteilung des deutschen Wahlgebietes in mehrere Wahlkreise, der unionsrechtlichen Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 entgehen könnte. Weder ist erkennbar, dass der Gesetzgeber derartige Absichten verfolgt, noch könnten Antragstellerin und Beschwerdeführer darauf verwiesen werden, das weitere Verhalten des Gesetzgebers abzuwarten. Ausgangspunkt der Beurteilung ist allein die aktuelle Rechtslage, die der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung auch beizubehalten wünscht und die Grundlage für die entstehende unionsrechtliche Verpflichtung zur Einführung der Sperrklausel im Umfang von mindestens zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen ist.
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Die Unmittelbarkeit der Rechtsbetroffenheit wird schließlich nicht dadurch infrage gestellt, dass der konkrete Zeitpunkt des Inkrafttretens des Direktwahlakts 2018 noch offen und es dementsprechend unklar ist, ob die Verpflichtung zur Einführung einer Sperrklausel von nicht weniger als zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen bereits für die Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 2029 oder erst für die nachfolgende Wahl im Jahr 2034 besteht (Art. 3 Abs. 3 Direktwahlakt 2018). Dieser Umstand ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes die notwendigen Voraussetzungen für die Ratifikation des Änderungsbeschlusses und das Inkrafttreten des Direktwahlakts 2018 geschaffen hat.
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III.
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1. Antragsteller im Organstreitverfahren (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 64 Abs. 2 BVerfGG) und Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) haben darzulegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert. Auf der Grundlage ihrer Ausführungen muss die behauptete Rechtsverletzung nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheinen. Liegt zu den aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, ist der behauptete Verstoß gegen die geltend gemachten Rechte in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. für das Organstreitverfahren BVerfGE 24, 252 258 f.>; 80, 188 209>; 93, 195 203>; 94, 351 362 f.>; 99, 19 28>; 102, 224 231 f.>; 129, 356 365>; 151, 191 199 Rn. 22> - Bundesverfassungsrichterwahl II; stRspr; für das Verfassungsbeschwerdeverfahren BVerfGE 78, 320 329>; 99, 84 87>; 115, 166 179 f.>; stRspr). Werden im Rahmen eines Organstreit- oder Verfassungsbeschwerdeverfahrens - wie vorliegend - Ultra-vires- oder Identitätsrügen erhoben, obliegt es dem Antragsteller beziehungsweise dem Beschwerdeführer, am Maßstab der verfassungsgerichtlichen Kontrollvorbehalte substantiiert darzulegen, inwieweit der angegriffene Rechtsakt das Integrationsprogramm des Art. 23 Abs. 1 GG durch Überschreitung der Kompetenzen der Union oder durch Preisgabe der integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzt.
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2. Nach diesen Maßstäben fehlen der Antragstellerin und dem Beschwerdeführer die Antrags- beziehungsweise die Beschwerdebefugnis. Sie legen nicht substantiiert dar, inwieweit die mit der Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zum Direktwahlakt 2018 einhergehende Verpflichtung zur Einführung einer Sperrklausel in Höhe von nicht weniger als zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen ihre verfassungsmäßigen Rechte verletzt. In der Sache rügen sie die Verletzung ihrer Rechte auf Chancengleichheit der politischen Parteien (Art. 21 Abs. 1 GG) und auf Gleichheit der Wahl (Art. 3 Abs. 1 GG) bei den Wahlen der deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Diese Rügen sind im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Direktwahlakt 2018 zum einen wegen Verstoßes gegen den Subsidiaritätsgrundsatz in Art. 5 Abs. 3 EUV die Kompetenzen der Union überschreite und zum anderen das in Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Demokratieprinzip und damit die Verfassungsidentität der Bundesrepublik Deutschland berühre. Die Zustimmung des Gesetzgebers stelle sich mithin als eine Verletzung der dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat obliegenden Integrationsverantwortung dar und könne den Eingriff in die betroffenen verfassungsmäßigen Rechte nicht legitimieren.
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Bei dem Zustimmungsgesetz handelt es sich um die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an einem Rechtsakt der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 2 IntVG (a), der einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung nach Maßgabe der im Rahmen des Art. 23 Abs. 1 GG anerkannten Vorbehalte der Ultra-vires- und der Identitätskontrolle unterliegt (b). Insoweit zeigen Antragstellerin und Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert die Möglichkeit auf, dass das Zustimmungsgesetz einem Ultra-vires-Akt zur Wirksamkeit verhilft (c) (aa) oder die integrationsfeste Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzt (c) (bb). Soweit sie geltend machen, das Zustimmungsgesetz sei insgesamt formell verfassungswidrig, ist ihr Vortrag ebenfalls unsubstantiiert (d).
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a) aa) Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist. Die Bundesrepublik Deutschland darf hierzu Kompetenzen an die Europäische Union übertragen und an der Ausübung übertragener Kompetenzen, beispielsweise im Rahmen des Rates der Europäischen Union, mitwirken. Die Wirksamkeit und der Vorrang der Rechtsakte der Europäischen Union werden anerkannt; Art. 23 Abs. 1 GG enthält insoweit auch ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das unionale Recht (vgl. BVerfGE 126, 286 301 f.>; 140, 317 335 Rn. 37>; 142, 123 186 f. Rn. 117>; 158, 210 239 f. Rn. 73>).
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Grenzen für die Öffnung deutscher Staatlichkeit ergeben sich insbesondere aus der in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG). Nur bei Wahrung der änderungs- und integrationsfesten Identität der Verfassung ist die Geltung und Anwendung von Unionsrecht in Deutschland demokratisch legitimiert (vgl. BVerfGE 142, 123 187 f. Rn. 120>; 160, 208 274 Rn. 172> - CETA - Vorläufige Anwendung). Darüber hinaus dürfen sich deutsche Staatsorgane am Zustandekommen von Maßnahmen der Europäischen Union, die als Ultra-vires-Akte zu qualifizieren sind, weil sie die Kompetenzen der Union offenkundig überschreiten und zu einer strukturellen Verschiebung im Kompetenzgefüge führen (vgl. BVerfGE 142, 123 200 Rn. 147>; 154, 17 85 Rn. 99, 90 Rn. 110> - PSPP-Programm der EZB), nicht beteiligen und an ihrer Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 188>; 126, 286 302 ff.>; 134, 366 387 f. Rn. 30>; 140, 317 336 Rn. 42>; 142, 123 207 Rn. 162>; 154, 17 151 Rn. 234>; 160, 208 274 Rn. 173>; 164, 193 280 f. Rn. 122>).
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bb) Das Zustimmungsgesetz zum Direktwahlakt 2018 unterfällt als Gesetz nach § 3 Abs. 1 und 2 IntVG dem Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG. Mit ihm stimmt die Bundesrepublik Deutschland einem Rechtsakt der Europäischen Union nach Art. 223 Abs. 1 AEUV zu und trägt damit zur Verwirklichung des Integrationsprogramms im Sinne einer weiteren Vereinheitlichung des Wahlverfahrens zum Europäischen Parlament bei (vgl. zur strukturgleichen Vorschrift des Art. 311 Abs. 3 AEUV BVerfGE 164, 193 275 Rn. 112>). Mit der gesetzlichen Zustimmung nehmen der Deutsche Bundestag und der Bundesrat ihre Integrationsverantwortung wahr (vgl. § 1 IntVG). Hierbei hat sich der Integrationsgesetzgeber innerhalb des in den europäischen Verträgen niedergelegten Integrationsprogramms und seiner verfassungsrechtlichen Grenzen nach Maßgabe der Art. 23 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 GG zu halten.
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b) aa) Das Bundesverfassungsgericht prüft die Einhaltung des im Zustimmungsgesetz zu den europäischen Verträgen niedergelegten Integrationsprogramms im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. BVerfGE 151, 202 296 Rn. 140> - Europäische Bankenunion; 154, 17 88 ff. Rn. 105 ff.>; 164, 193 283 Rn. 128>). Es trägt so zur Sicherstellung eines hinreichenden demokratischen Legitimationsniveaus bei dessen Vollzug und damit der Rahmenbedingungen für das Unionsrecht und seines Anwendungsvorrangs (vgl. BVerfGE 142, 123 199 Rn. 145>; 158, 210 239 ff. Rn. 73 f.>) sowie zur Gewährleistung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit bei.
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Die Ultra-vires-Kontrolle setzt eine hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung voraus, weil nur dann davon die Rede sein kann, dass die Bürgerinnen und Bürger in Ansehung einer Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union einer politischen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen (vgl. BVerfGE 142, 123 200 Rn. 147>; 154, 17 85 Rn. 99, 90 Rn. 110>). Damit wird zugleich die Aufgabenzuweisung an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV gewahrt (vgl. BVerfGE 126, 286 307>; 142, 123 200 f. Rn. 149>; 154, 17 92 Rn. 112>). Eine qualifizierte Kompetenzüberschreitung muss offensichtlich und für die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten von struktureller Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 154, 17 90 Rn. 110>; 164, 193 283 f. Rn. 129>).
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bb) Im Rahmen der Identitätskontrolle wacht das Bundesverfassungsgericht über die Wahrung der nach Art. 1, 20 und Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes. Soweit Maßnahmen eines Organs oder einer sonstigen Stelle der Europäischen Union Auswirkungen zeitigen, die die durch Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit den in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätzen geschützte Verfassungsidentität berühren, gehen sie über die grundgesetzlichen Grenzen offener Staatlichkeit hinaus. Auf einer primärrechtlichen Ermächtigung kann eine derartige Maßnahme nicht beruhen, weil auch der mit der Mehrheit des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG entscheidende Integrationsgesetzgeber der Europäischen Union keine Hoheitsrechte übertragen kann, mit deren Inanspruchnahme eine Berührung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität einherginge (vgl. BVerfGE 113, 273 296>; 123, 267 348>; 134, 366 384 Rn. 27>; 140, 317 336 f. Rn. 42>; 142, 123 195 Rn. 138>). Auf eine Rechtsfortbildung zunächst verfassungsmäßiger Einzelermächtigungen kann sie ebenfalls nicht gestützt werden, weil das Organ oder die Stelle der Europäischen Union damit ultra vires handeln würde (vgl. BVerfGE 134, 366 384 Rn. 27>; 140, 317 336 f. Rn. 42>). Im Rahmen der Identitätskontrolle ist zu prüfen, ob die durch Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Grundsätze durch eine Maßnahme der Europäischen Union berührt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 344, 353 f.>; 126, 286 302>; 129, 78 100>; 134, 366 384 f. Rn. 27>; 140, 317 337 Rn. 43>; 142, 123 195 Rn. 138>). Diese Prüfung kann - wie der Solange-Vorbehalt (vgl. BVerfGE 37, 271 277 ff.>; 73, 339 387>; 102, 147 161 ff.>) oder die Ultra-vires-Kontrolle (vgl. BVerfGE 58, 1 30 f.>; 75, 223 235, 242>; 89, 155 188>; 123, 267 353 ff.>; 126, 286 302 ff.>; 134, 366 382 ff. Rn. 23 ff.>) - im Ergebnis dazu führen, dass Unionsrecht in der Bundesrepublik Deutschland in eng begrenzten Einzelfällen für unanwendbar erklärt werden muss (vgl. BVerfGE 140, 317 337 Rn. 43>).
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cc) Die dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltenen Kontrollbefugnisse sind zurückhaltend und europarechtsfreundlich auszuüben (vgl. BVerfGE 126, 286 303>). Soweit erforderlich, legt es seiner Prüfung dabei die Maßnahme in der Auslegung zugrunde, die ihr in einem Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV durch den Gerichtshof der Europäischen Union gegeben wurde (vgl. BVerfGE 123, 267 353>; 126, 286 304>; 134, 366 385 Rn. 27>; 140, 317 339 Rn. 46>; 164, 193 283 Rn. 128, 287 f. Rn. 139>).
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c) Die Antragstellerin und der Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihrer in Art. 21 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Rechte auf Chancengleichheit der politischen Parteien und auf Gleichheit der Wahl. Im Ausgangspunkt zutreffend gehen sie davon aus, dass gesetzliche Regelungen, die Sperrklauseln für Wahlen zum Europäischen Parlament vorsehen, die Grundsätze der Chancengleichheit der politischen Parteien und der Wahlrechtsgleichheit beschränken und einer Rechtfertigung etwa im Hinblick auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments bedürfen (vgl. BVerfGE 129, 300 319 ff.>; 135, 259 285 ff. Rn. 49 ff.>). Sie zeigen indes nicht die Möglichkeit auf, dass der mit dem Zustimmungsgesetz gebilligte Direktwahlakt 2018 das Kompetenzgefüge der Europäischen Union in hinreichend qualifizierter Weise verletzt (aa) oder die änderungs- und integrationsfeste Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührt (bb) und daher die mit der Einführung einer Mindestsperrklausel verbundene Beeinträchtigung der von ihnen geltend gemachten Rechte aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu tragen vermag.
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aa) Aufgrund des Vortrags der Antragstellerin und des Beschwerdeführers ist eine Verletzung der Regeln der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten bereits im Ansatz nicht erkennbar.
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(1) Soweit die Antragstellerin und der Beschwerdeführer anführen, die Änderung des Direktwahlakts stelle eine Übertragung von Hoheitsrechten dar, der der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG von vornherein entgegenstehe, verkennen sie, dass durch die Änderung des Direktwahlakts keine Hoheitsrechte übertragen werden. Vielmehr beruht der Direktwahlakt 2018 auf der in Art. 223 Abs. 1 AEUV verankerten Kompetenz der Europäischen Union zur Vereinheitlichung des Wahlverfahrens zum Europäischen Parlament (vgl. zum strukturell vergleichbaren Fall der Zustimmung zur Festlegung der Eigenmittel der Europäischen Union nach Art. 311 Abs. 3 AEUV BVerfGE 157, 332 378 f. Rn. 79 f.>). Mit der Entscheidung über die deutsche Zustimmung zum Vertrag von Lissabon hat das Bundesverfassungsgericht diese Kompetenzübertragung gebilligt (vgl. BVerfGE 123, 267).
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(2) Inwieweit der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EUV der Ausübung der Kompetenzen aus Art. 223 Abs. 1 AEUV Grenzen setzen kann, legen Antragstellerin und Beschwerdeführer ebenfalls nicht nachvollziehbar dar.
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(a) Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt für die Ausübung der zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeiten im Sinne der Art. 2 Abs. 2, Art. 4 AEUV. Ob die Kompetenz zum Erlass einheitlicher Bestimmungen für das Wahlrecht zum Europäischen Parlament als eine solche geteilte Zuständigkeit im Sinne dieser Vorschriften einzuordnen ist, ist nicht abschließend geklärt. In seiner Entschließung vom 11. November 2015 vertrat das Europäische Parlament ohne nähere Begründung die Auffassung, dass der Subsidiaritätsgrundsatz im Rahmen des Art. 223 AEUV Anwendung finde (vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2015 - 2015/2035 <INL> -, ABl EU Nr. C 366 vom 27. Oktober 2017, S. 8). Der Juristische Dienst des Rates der Europäischen Union schloss sich dieser Auffassung in seinem Gutachten vom 15. März 2016 an (vgl. Juristischer Dienst des Rates, Gutachten vom 15. März 2016, Ratsdokument 7038/16, S. 6). Die Kompetenz zur Regelung des Wahlrechts sei eine zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit. Dabei stützte er sich auf das Argument, die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des Art. 223 AEUV zeige, dass beabsichtigt gewesen sei, den Mitgliedstaaten weitreichenden Einfluss und verbleibende Gestaltungsspielräume zu sichern, sodass nicht von einer ausschließlichen Zuständigkeit der Europäischen Union ausgegangen werden könne (vgl. Juristischer Dienst des Rates, Gutachten vom 15. März 2016, Ratsdokument 7038/16, S. 5).
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(b) Letztlich kann die Frage der Einordnung der Regelungskompetenz aus Art. 223 AEUV dahinstehen. Denn die Norm zielt erkennbar darauf ab, eine Vereinheitlichung des Wahlrechts zum Europäischen Parlament zu ermöglichen. Art. 223 AEUV enthält einen Vereinheitlichungsauftrag (vgl. Haug, ZParl 2014, S. 467 467 f.>). Sie ermächtigt zum Erlass der erforderlichen Bestimmungen für die Wahl nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten (vgl. Art. 223 Abs. 1 UAbs. 1 1. Alt. AEUV). Das Ziel einer - stärkeren - Vereinheitlichung kann auch im Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen im Wege der schrittweisen Weiterentwicklung der unionsrechtlichen Regelungen erreicht werden (vgl. Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 223 AEUV Rn. 8). Ein auf der Grundlage des Art. 223 Abs. 1 AEUV erlassener Rechtsakt kann erst in Kraft treten, wenn ihm alle Mitgliedstaaten gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften zugestimmt haben. Auf diese Weise werden die Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten in besonderer Weise gesichert. Inwieweit vor diesem Hintergrund Raum für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bleiben soll, die der verbindlichen Vorgabe einer Mindestsperrklausel entgegengehalten werden könnte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
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(c) Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem von der Antragstellerin und dem Beschwerdeführer vorgebrachten Umstand, dass die im Direktwahlakt 2018 vorgegebene Mindestsperrklausel konkreten Umsetzungsbedarf nur für Deutschland und Spanien auslösen würde. In der Tat existieren in allen übrigen Mitgliedstaaten rechtliche oder sogenannte faktische Sperrklauseln beziehungsweise äquivalente Regelungen (vgl. Rn. 8). Dies ändert aber nichts daran, dass Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 die Einführung einer unionsrechtlich verbindlichen Mindestsperrklausel in bevölkerungsstarken Mitgliedstaaten vorsieht, das heißt in solchen, in denen ein Wahlkreis mit 35 Sitzen gebildet werden kann und eine Listenwahl stattfindet; damit zielt diese Regelung auf eine Angleichung der Bedingungen demokratischer Repräsentation in der gesamten Europäischen Union. Dass angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltung des nationalen Wahlrechts in den Mitgliedstaaten, das im Rahmen der vom Direktwahlakt vorgegebenen Rahmenbedingungen im Übrigen jederzeit geändert werden könnte, rechtliche oder faktische Sperrklauseln beziehungsweise äquivalente Regelungen bestehen, die in ihrer Wirkung einer Zwei-Prozent-Klausel nicht nachstehen, vermag an dem generellen Regelungsanliegen des Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 nichts zu ändern. Dieses Anliegen einer Annäherung der in den Mitgliedstaaten entweder ausdrücklich angeordneten oder faktisch wirkenden Sperrklauseln verfolgt der Unionsgesetzgeber mit Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 in einer Weise, die den jeweiligen Regelungsbedarf in den Blick nimmt. Gelten in kleinen Wahlkreisen mit deutlich weniger als 35 zu vergebenden Mandaten hohe faktische Sperrklauseln, so sinken in großen Wahlkreisen die faktischen Hürden bis auf ein Minimum von weniger als einem Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Diese sehr niedrigen Hürden sollen durch eine Mindestsperrklausel von mindestens zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen angehoben werden. Auf diesem Weg wird bewirkt, dass sich die Bandbreite der in den Mitgliedstaaten zu überwindenden Hürden in einem insgesamt verkleinerten Korridor bewegt, dessen Untergrenze durch die Mindestsperrklausel von zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen definiert wird.
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bb) Soweit die Antragstellerin und der Beschwerdeführer geltend machen, mit der Zustimmung zu Art. 3 Direktwahlakt 2018 habe der Gesetzgeber die änderungs- und integrationsfeste Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 79 Abs. 3 GG verletzt, sind ihre Darlegungen ebenfalls nicht hinreichend substantiiert. Zunächst messen sie das Zustimmungsgesetz zum Direktwahlakt 2018 nicht am einschlägigen Maßstab des Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG (1). In der Sache ist ausgehend von ihrem Vorbringen eine Verletzung der Verfassungsidentität durch die Preisgabe wesentlicher von Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützter demokratischer Grundprinzipien im Rahmen der Wahlen zum Europäischen Parlament nicht zu erkennen (2).
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(1) Die Antragstellerin und der Beschwerdeführer verkennen schon den für das Zustimmungsgesetz zum Direktwahlakt 2018 einschlägigen Maßstab des Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG.
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(a) Nach Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG sind die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze der Verfügung durch den Integrationsgesetzgeber entzogen. Neben der in Art. 1 Abs. 1 und 2 GG statuierten Garantie der Menschenwürde, der Bindung der staatlichen Gewalt an diese und neben den in Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG genannten Grundsätzen des Bundesstaates, des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips bezieht sich Art. 79 Abs. 3 GG über die in Art. 1 Abs. 3 GG enthaltene Verweisung auf die nachfolgenden Grundrechte auch auf deren Verbürgungen, soweit sie zur Aufrechterhaltung einer dem Art. 1 Abs. 1 und 2 GG entsprechenden Ordnung unverzichtbar sind (vgl. BVerfGE 84, 90 120 f.>; 94, 49 102 f.>; 109, 279 310>). Allerdings ist Art. 79 Abs. 3 GG nicht auf einen umfassenden Bestandsschutz aller konkret verwirklichten Ausprägungen der genannten Prinzipien, sondern nur auf die Wahrung der Kernelemente der dadurch etablierten verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet (vgl. BVerfGE 30, 1 24>; BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19 -, Rn. 207 - Finanzierungsausschluss NPD/Die Heimat). Die Vorschrift hat den Sinn zu verhindern, dass die geltende Verfassungsordnung in ihrer Substanz im Wege eines verfassungsändernden Gesetzes beseitigt wird (vgl. BVerfGE 30, 1 24>; BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19 -, Rn. 207). Es handelt sich dabei um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift (vgl. BVerfGE 109, 279 310>; BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19 -, Rn. 207). Im Ergebnis sind daher hohe Anforderungen an einen Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG zu stellen. Die Norm gewährleistet, dass der Staat unter dem Grundgesetz die grundlegenden Werte der staatlichen Ordnung anerkennt und sie weder aufgibt noch sich für gegenläufige Prinzipien entscheidet. Die Mitwirkung an der europäischen Integration darf mithin nicht dazu führen, dass einer der in Bezug genommenen Grundsätze in seinem substantiellen Gehalt beeinträchtigt oder beseitigt wird (vgl. BVerfGE 30, 1 24>). Eine Verletzung des Art. 79 Abs. 3 GG scheidet von vornherein aus, wenn nur untergeordnete Ausprägungen der genannten Prinzipien betroffen sind, ihr Kernbereich aber unangetastet bleibt (vgl. BVerfGE 30, 1 24 f.>). Art. 79 Abs. 3 GG ist in seinem Schutzgehalt nicht betroffen, wenn einzelne Modifikationen der genannten Grundsätze erfolgen, ohne dass deren prägende Bedeutung für die Verfassungsordnung berührt wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19 -, Rn. 208).
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(b) Mit diesem Maßstab setzen sich die Antragstellerin und der Beschwerdeführer nicht in der gebotenen Weise auseinander. Sie verweisen nur knapp auf Art. 79 Abs. 3 GG und übertragen im Übrigen die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Einführung einer Sperrklausel für die Wahlen zum Europäischen Parlament durch das Europawahlgesetz, das heißt durch ein einfaches, nicht auf unionsrechtlichen Vorgaben beruhendes Bundesgesetz. Sie berücksichtigen nicht, dass es sich bei dem Zustimmungsgesetz zum Direktwahlakt 2018 um ein Integrationsgesetz gemäß § 3 Abs. 1 und 2 IntVG handelt, das gemäß Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG nur einer eingeschränkten verfassungsrechtlichen Prüfung unterliegt. Dementsprechend wäre von ihnen zu erörtern gewesen, in welcher Weise die Grundsätze der Chancengleichheit politischer Parteien und der Wahlrechtsgleichheit bei der Wahl zum Europäischen Parlament Anteil haben können an dem besonderen Schutz des Demokratieprinzips in Art. 79 Abs. 3 GG und unter welchen Voraussetzungen diese Rechte in ihrem Kerngehalt berührt und preisgegeben werden. Allein die Anwendung der Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen (Un-)Zulässigkeit nationaler Sperrklauseln für die Europawahl und die daran anknüpfende Behauptung einer Verletzung der in Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität genügen dafür nicht.
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(2) Gemessen am Maßstab des Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG erschließt sich auf der Grundlage des Vortrags der Antragstellerin und des Beschwerdeführers nicht, inwieweit die Zustimmung des deutschen Gesetzgebers zur Schaffung einer unionsrechtlichen Mindestsperrklausel im Umfang von zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Hinblick auf die deutsche Verfassungsidentität, namentlich den von dieser umfassten Grundsatz der Demokratie, prinzipiell ausgeschlossen sein sollte.
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Die Verwirklichung und Wahrung demokratischer Legitimation auch auf der Ebene der Europäischen Union ist Voraussetzung der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der europäischen Integration (a). Insofern ist maßgeblich, dass die Europäische Union selbst dem Grundsatz der Demokratie verpflichtet ist, der im Primärrecht der Union auch mit Blick auf die fundamentalen Wahlrechtsgrundsätze und die Parteiengleichheit verankert und ausgeformt ist (b) und durch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention abgestützt wird (c). Die Europäische Union hat nach Art. 223 Abs. 1 AEUV die Befugnis, das Wahlrecht zum Europäischen Parlament in Übereinstimmung mit den in allen Mitgliedstaaten anerkannten Grundsätzen zu regeln. Sperrklauseln sind dabei als das System der Verhältniswahl ergänzende Gestaltungsmittel grundsätzlich anerkannt (d). Der Unionsgesetzgeber hat bei der Abwägung der Belange der demokratischen Gleichheit und der Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Europäischen Parlaments einen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum in Anspruch genommen. Dafür, dass dies in einer die Verfassungs-identität des Grundgesetzes berührenden Weise erfolgt wäre, ist vorliegend nichts dargelegt (e).
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(a) Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Entwicklung der Europäischen Union mit, die insbesondere demokratischen Grundsätzen verpflichtet ist. Der Preisgabe von Kerngehalten demokratischer Legitimation steht diese Vorschrift ebenso entgegen wie Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 363 f.>). Für die Ausgestaltung der Organisation der Europäischen Union bedeutet dies, dass ein hinreichend effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden muss (vgl. BVerfGE 83, 60 72>; 89, 155 182>). Die supranationale öffentliche Gewalt darf grundlegende demokratische Anforderungen nicht verfehlen. Dies stellt insbesondere Anforderungen an die organisatorische und verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 356>).
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Im Rahmen einer supranationalen Organisation wie der Europäischen Union, die auf völkerrechtlicher Basis durch den Zusammenschluss ihrer Mitgliedstaaten entstanden ist, wird demokratische Legitimation nicht in der Form hergestellt, wie dies innerhalb einer durch eine Staatsverfassung einheitlich und abschließend geregelten Staatsordnung der Fall ist (vgl. BVerfGE 89, 155 182>; 123, 267 368>). Die Ermächtigung zur europäischen Integration erlaubt eine andere organisationsrechtliche Gestaltung, als sie das Grundgesetz für die deutsche Verfassungsordnung vorschreibt (vgl. BVerfGE 123, 267 344>).
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(b) Das Recht der Europäischen Union selbst verfügt über eine Reihe von Sicherungen zur Gewährleistung demokratischer Herrschaft, in deren Rahmen sich eine Sperrklausel bei der Wahl zum Europäischen Parlament einzufügen hat. Mit diesen Sicherungen und ihrer Bedeutung für die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG setzen sich die Antragstellerin und der Beschwerdeführer nicht auseinander.
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(aa) Art. 10 Abs. 1 EUV legt der Arbeitsweise der Europäischen Union das Prinzip der repräsentativen Demokratie zugrunde. Hierzu gehört unter anderem auch eine parlamentarische Legitimation und Kontrolle der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 151, 202 294 Rn. 135>). Im Europäischen Parlament sind die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar vertreten (vgl. Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 EUV), im Europäischen Rat beziehungsweise im Rat der Europäischen Union werden sie durch ihre auf nationaler Ebene unmittelbar oder mittelbar gewählten Regierungen repräsentiert (vgl. Art. 10 Abs. 2 UAbs. 2 EUV). Institutionell werden damit zwei demokratische Legitimationsstränge begründet, die zusammenwirken und sich wechselseitig stützen (vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 10 EUV Rn. 5).
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Um seiner legitimierenden Funktion gerecht werden zu können, bedarf das Europäische Parlament eines Wahlrechts, das fundamentale Wahlrechtsgrundsätze wahrt. Insbesondere sind die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl zentrale Bestandteile eines demokratischen Wahlverfahrens (vgl. BVerfGE 6, 84 91>; 41, 399 413>; 51, 222 234>; 85, 148 157 f.>; 123, 267 340 f., 368>).
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(bb) Das Primärrecht der Europäischen Union enthält Gewährleistungen, die auf struktureller und grundrechtlicher Ebene das demokratische Prinzip im Hinblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament konkretisieren und sichern. Nach Art. 9 Satz 1 EUV achtet die Europäische Union in ihrem gesamten Handeln den Grundsatz der Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger. Hierdurch werden grundlegende demokratische Gleichheitsrechte gewährleistet (vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 9 EUV Rn. 30 ff.; Geiger/Kirchmair, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl. 2023, Art. 9 EUV Rn. 2). Gemäß Art. 14 Abs. 3 EUV werden die Mitglieder des Europäischen Parlaments in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl gewählt. Die Vorschrift schreibt grundlegende Anforderungen fest, denen eine demokratische Wahl genügen muss. Art. 39 Abs. 2 GRCh sichert die in Art. 14 Abs. 3 EUV genannten Wahlrechtsgrundsätze auch auf der grundrechtlichen Ebene ab. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl im Sinne einer Erfolgswertgleichheit kann wegen des supranationalen Charakters der Europäischen Union und des dem Prinzip der degressiv-proportionalen Zusammensetzung folgenden Aufbaus des Parlaments (vgl. Art. 14 Abs. 2 UAbs. 2 EUV), mit dem auch dem im Völkerrecht zentralen Grundsatz der Staatengleichheit Rechnung getragen werden soll, nur eingeschränkt verwirklicht werden (vgl. BVerfGE 123, 267 371 ff.>; Geiger/Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl. 2023, Art. 14 EUV Rn. 19, 23). Entscheidend und nach der gegenwärtigen kompetenz- und organisationsrechtlichen Ausgestaltung ausreichend ist es danach, dass dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl im Rahmen der Wahl jedes einzelnen nationalen Sitzkontingents Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 129, 300 318 f.>; 135, 259 284 f. Rn. 44 ff.>; vgl. zur Anerkennung des Gleichheitsgrundsatzes als allgemeiner Rechtsgrundsatz Schroeder, EuR 2023, S. 517 528 f.>).
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Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b und Art. 22 Abs. 2 Satz 1 AEUV bestimmen, dass den Unionsbürgern in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht zum Europäischen Parlament zusteht; dies gilt auch dann, wenn sie keine Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaates sind. Art. 39 Abs. 1 GRCh vermittelt einen Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber den Staatsangehörigen des jeweiligen Mitgliedstaates (vgl. Jarass, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 39 Rn. 2) und sichert die Garantien der Art. 20 und 22 AEUV grundrechtlich ab.
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(cc) Auch die Stellung der politischen Parteien ist im Primärrecht der Europäischen Union verankert. Art. 10 Abs. 4 EUV betont, dass politische Parteien auf europäischer Ebene zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union beitragen. Die Norm enthält eine Institutsgarantie (vgl. Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 10 EUV Rn. 56) und hebt die Bedeutung der Parteien bei der Vermittlung demokratischer Legitimation hervor (vgl. zur Bedeutung der Parteien Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 10 EUV Rn. 14). Der Grundsatz der Gleichheit der Parteien ist Teil des unionsrechtlichen Demokratieprinzips des Art. 14 EUV (vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 224 AEUV Rn. 4). Art. 224 AEUV gibt der Europäischen Union das Recht, im Rahmen von Verordnungen Regelungen zu politischen Parteien festzulegen. Art. 12 Abs. 2 GRCh gewährleistet die Freiheit der Gründung und Betätigung von Parteien (vgl. zur Reichweite des Schutzbereichs in Bezug auf Parteien Jarass, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 16a f.).
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(dd) Über die Einhaltung dieser primärrechtlichen Bindungen wacht der Gerichtshof der Europäischen Union (vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV). Er ist dazu berufen, über die Auslegung und Wirksamkeit von Sekundärrecht der Europäischen Union zu entscheiden. Der Direktwahlakt unterliegt als Rechtsakt des Sekundärrechts dieser Überprüfung. Gemäß Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 AEUV erlässt der Rat nach Zustimmung des Parlaments in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren die zur Vereinheitlichung des Wahlrechts erforderlichen Regelungen. Der Wortlaut des Art. 223 AEUV zeigt, dass auf Grundlage dieser Bestimmung erlassene Rechtsakte abgeleiteter Art sind, die den Bindungen des höherrangigen Primärrechts unterliegen. Dies entspricht auch der Auffassung des Juristischen Dienstes des Rates (vgl. Juristischer Dienst des Rates, Gutachten vom 15. März 2016, Ratsdokument 7038/16, S. 5) sowie weiter Teile des Schrifttums (vgl. Sauer, EuZW 2023, S. 792 793>; Fremuth, ZRP 2018, S. 207 209>; Felten, EUR 2014, S. 298 311 ff.>; Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 223 AEUV Rn. 1, 4, spricht insoweit von einer "sekundärrechtliche(n) 'Zwischenschicht'"; Mayer, Wortprotokoll der 41. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union am 12. Juni 2023, Protokoll-Nr. 20/41, S. 7; a.A. Hilbert, Wortprotokoll der 41. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union am 12. Juni 2023, Protokoll-Nr. 20/41, S. 6). An dieser Einordnung ändert der in Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 AEUV vorgesehene Ratifizierungsvorbehalt nichts. Er stellt lediglich eine spezielle verfahrensrechtliche Maßgabe dar, mit der der besonderen Bedeutung der Bestimmungen des Wahlrechts Rechnung getragen werden soll (vgl. zur Einordnung der strukturgleichen Bestimmung des Art. 311 Abs. 3 AEUV BVerfGE 164, 193 275 Rn. 112>).
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(c) Die angeführten unionsrechtlichen Verbürgungen zum Wahlrecht erfahren eine grundrechtliche Abstützung durch die Europäische Menschenrechtskonvention (vgl. Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, 2. Aufl. 2023, Art. 39 GRCh Rn. 32). Art. 14 EMRK normiert ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Art. 3 ZP I EMRK garantiert das Recht auf freie und geheime Wahlen, in deren Rahmen die freie Äußerung der Meinung des Volkes gewährleistet ist. Die Norm schreibt charakteristische Grundprinzipien eines demokratischen Regierungssystems fest (vgl. EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, § 105) und sichert das Bestehen eines offenen politischen Meinungsbildungs- und Wahlprozesses (vgl. EGMR, Melnychenko v. Ukraine, Urteil vom 19. Oktober 2004, Nr. 17707/02, § 53; EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, §§ 105 ff.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verbürgt sie das aktive und passive Wahlrecht (vgl. EGMR, Melnychenko v. Ukraine, Urteil vom 19. Oktober 2004, Nr. 17707/02, § 54; EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, § 109; EGMR, Partei Die Friesen v. Germany, Urteil vom 28. Januar 2016, Nr. 65480/10, § 33). In Verbindung mit Art. 14 EMRK schützt die Norm vor Diskriminierung (vgl. EGMR, Partei Die Friesen v. Germany, Urteil vom 28. April 2016, Nr. 65480/10, § 36). Sperrklauseln ordnet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als legitimierungsbedürftige Eingriffe in Art. 3 ZP I EMRK ein (vgl. EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, § 117). In seiner Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass das Europäische Parlament ein Legislativorgan im Sinne des Art. 3 ZP I EMRK ist und Wahlen hierzu dem Anwendungsbereich dieser Bestimmung unterfallen (vgl. EGMR, Matthews v. The United Kingdom, Urteil vom 18. Februar 1999, Nr. 24833/94, §§ 43 f.).
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Die Europäische Menschenrechtskonvention schützt auch die Parteienfreiheit. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt politische Parteien als Vereinigungen im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 2. Alt. EMRK an (vgl. EGMR <GK>, United Communist Party of Turkey and others v. Turkey, Urteil vom 30. Januar 1998, Nr. 133/1996/752/951, §§ 24 ff.). Grundrechtlich geschützt ist die Freiheit der Gründung, des Beitritts zu und der Betätigung einer politischen Partei (vgl. Arndt/Engels/von Oettingen, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2022, Art. 11 Rn. 31). Zudem können sich Parteien auf Art. 14 EMRK und Art. 3 ZP I EMRK berufen und diese Bestimmungen gegen eine Sperrklauselregelung geltend machen (vgl. EGMR, Partei Die Friesen v. Germany, Urteil vom 28. Januar 2016, Nr. 65480/10, §§ 33 ff.).
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Die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention gelten nach Art. 6 Abs. 3 EUV als allgemeine Rechtsgrundsätze, die die Europäische Union zu wahren hat (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Oktober 2002, C-94/00, EU:C:2002:603, Rn. 23). Sie stellen einen Mindeststandard europäischen Grundrechtsschutzes dar (vgl. Streinz, in: ders., EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 6 EUV Rn. 25).
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(d) Art. 223 Abs. 1 AEUV ermöglicht die Vereinheitlichung des Europawahlrechts im Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen. Der Blick auf das Wahlrecht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeigt, dass Sperrklauseln als Element eines Verhältniswahlsystems breite Anerkennung gefunden haben. Dort, wo explizite Sperrklauseln nicht gelten, bestehen häufig vergleichbare Mechanismen, die eine sogenannte faktische Sperrwirkung entfalten (aa). Auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt sich, dass Sperrklauseln mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl vereinbar sein können (bb).
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(aa) Der rechtsvergleichende Befund macht deutlich, dass im nationalen Wahlrecht der EU-Mitgliedstaaten, soweit für nationale Wahlen das Verhältniswahlrecht gilt, in weitem Umfang Sperrklauseln oder ähnlich wirkende Mechanismen existieren (vgl. hierzu Nohlen, Wahlrecht und Parteiensystem. Zur Theorie und Empirie der Wahlsysteme, 8. Aufl. 2023, S. 121). Auch in der Bundesrepublik Deutschland gilt für Wahlen zum Deutschen Bundestag eine Fünf-Prozent-Klausel (vgl. § 6 Abs. 3 BWahlG a.F., jetzt § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BWahlG), die vom Bundesverfassungsgericht in ihrer bisherigen Form im Hinblick auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments für verfassungsgemäß gehalten wurde (vgl. BVerfGE 95, 408 419 f.>; 146, 327 354 ff. Rn. 68 ff.>). Für die Wahlen zum Europäischen Parlament sehen 15 Mitgliedstaaten eine Sperrklausel vor (vgl. Europäisches Parlament, Das Europäische Parlament: Wahlmodalitäten, Stand November 2023, www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/21/das-europaische-parlament-wahlmodalitaten). In den Mitgliedstaaten, in denen keine Sperrklausel gilt - es handelt sich häufig um Mitgliedstaaten, die nur wenige Abgeordnete in das Europäische Parlament entsenden -, wirken sogenannte faktische Sperrklauseln, das heißt jede Partei muss rein rechnerisch einen bestimmten Stimmenanteil erreichen, um zumindest ein Mandat zu erlangen (vgl. zu faktischen Hürden Nohlen, Wahlrecht und Parteiensystem. Zur Theorie und Empirie der Wahlsysteme, 8. Aufl. 2023, S. 99 ff., 122 ff.).
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Allein die Verfassung Portugals untersagt ausdrücklich jede Art von Sperrklauseln für die Wahlen zum nationalen Parlament (vgl. Art. 152 Abs. 1 der Verfassung Portugals). Soweit die Verfassungsgerichte beziehungsweise Höchstgerichte der Mitgliedstaaten Gelegenheit zur Äußerung zur Zulässigkeit von Sperrklauseln bei der Europawahl hatten, haben sie diese im Hinblick auf den Schutz der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments für verfassungsgemäß gehalten. Für das französische Wahlrecht zum Europäischen Parlament billigte der Conseil constitutionnel mit Entscheidung vom 25. Oktober 2019 die Regelung einer Sperrklausel von fünf Prozent (vgl. Conseil constitutionnel vom 25. Oktober 2019, 2019-811 QPC, Erwägungsgrund Nr. 10). Diese Auffassung teilte der französische Conseil d'Etat in seiner Entscheidung vom 31. Januar 2020 (vgl. Conseil d'État vom 31. Januar 2020, Nr. 431143, FR:CECHR:2020:431143.20200131, Erwägungsgründe Nr. 9 ff.). Auch die im italienischen Europawahlrecht festgesetzte Sperrklausel von vier Prozent wurde von der Corte costituzionale in ihrer Entscheidung vom 25. Oktober 2018 gebilligt (vgl. Corte costituzionale vom 25. Oktober 2018, 239/2018, IT:COST:2018:239, Rn. 6.4, 6.5 <englische Übersetzung>). Die in Tschechien bestehende Sperrklausel von fünf Prozent für die Europawahl wurde von dem Ústavní soud mit Entscheidung vom 19. Mai 2015 für verfassungsgemäß befunden (vgl. Ústavní soud vom 19. Mai 2015, Pl. ÚS.14/14, CZ:US:2015:Pl. US.14.14.1, Erwägungsgründe Nr. 66 ff. <englische Übersetzung>).
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(bb) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte noch keine Gelegenheit, zur Vereinbarkeit von nationalen Sperrklauseln bei Wahlen zum Europäischen Parlament mit der Europäischen Menschenrechtskonvention Stellung zu nehmen. Er hat sich indessen mehrfach auf der Grundlage der Garantien der Konvention zur Zulässigkeit von Sperrklauseln bei nationalen Wahlen geäußert. Daraus ergibt sich, dass Sperrklauseln nicht grundsätzlich unvereinbar mit den konventionsrechtlichen Garantien sind. Der Gerichtshof ging davon aus, dass die Vertragsstaaten über einen weiten Spielraum bei der Gestaltung des Wahlsystems verfügen (vgl. EGMR, PY v. France, Urteil vom 11. Januar 2005, Nr. 66289/01, § 46; EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, § 110). Er sprach wiederholt aus, dass Art. 3 ZP I EMRK nicht uneingeschränkt gelte (vgl. EGMR, Melnychenko v. Ukraine, Urteil vom 19. Oktober 2004, Nr. 17707/02, § 54; EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, § 109). Sperrklauseln können nach seiner Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn sie verhältnismäßig sind (vgl. EGMR, PY v. France, Urteil vom 11. Januar 2005, Nr. 66289/01, §§ 46 f.; EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, §§ 110 ff.). Insbesondere das Anliegen, einer Fragmentierung des Parlaments vorzubeugen und stabile Mehrheiten zu ermöglichen, hat der Gerichtshof als legitime Zielsetzung für eine Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit anerkannt (vgl. EGMR <GK>, Yumak and Sadak v. Turkey, Urteil vom 8. Juli 2008, Nr. 10226/03, § 125).
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(e) Bei der Gestaltung des Wahlrechts hat der Unionsgesetzgeber die Belange der Chancengleichheit der politischen Parteien und der demokratischen Gleichheit sowie das Anliegen, die Arbeitsfähigkeit des Europäischen Parlaments bei der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Aufgaben zu sichern, miteinander abgewogen. Dass mit der Vorgabe der Mindestsperrklausel im Umfang von zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen in Art. 3 Abs. 2 Direktwahlakt 2018 die demokratischen Grundprinzipien in einer die deutsche Verfassungsidentität berührenden Weise in Frage gestellt würden, wird von der Antragstellerin und dem Beschwerdeführer nicht dargelegt.
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(aa) Der Unionsgesetzgeber hat sich bei dem Direktwahlakt 2018 von der Stellung des Europäischen Parlaments im institutionellen Gefüge der Europäischen Union (vgl. Rn. 2) und den Funktionsbedingungen (vgl. Rn. 15 ff.), denen es als eine supranationale parlamentarische Versammlung unterliegt, leiten lassen.
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Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Kommission verfügt das Europäische Parlament über bedeutsame Kreationsbefugnisse. An der Rechtsetzung der Europäischen Union ist es als gleichberechtigter Mitgesetzgeber neben dem Rat beteiligt, ebenso wie an der Wahrnehmung der Haushaltsbefugnisse. Die effektive Wahrnehmung dieser Aufgaben setzt die Bildung handlungsfähiger Mehrheiten voraus. Deren Zustandekommen wird mit einer wachsenden Zersplitterung des Parlaments, insbesondere durch den Einzug von Kleinstparteien mit nur ein oder zwei Abgeordneten, erschwert. Die letzten Wahlen zum Europäischen Parlament haben gezeigt, dass die Mehrheitsbildung auch angesichts schwächer werdender großer Fraktionen schwieriger geworden ist. Seit der letzten Wahl 2019 verfügen zwei Fraktionen allein nicht mehr über eine absolute Mehrheit der Mandate. Dies macht in jedem Fall die Zusammenarbeit von zumindest drei Fraktionen erforderlich (vgl. zur aktuellen Zusammensetzung des Europaparlaments www.europarl. europa.eu/meps/de/search/table). Angesichts der wachsenden Volatilität des Wählerverhaltens und des Erstarkens integrationskritischer Parteien ist nicht damit zu rechnen, dass sich dieser Befund abschwächt, sondern dass im Gegenteil die Risiken einer weiteren politischen Zersplitterung innerhalb des Europäischen Parlaments zunehmen werden.
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Hinzu kommt, dass das Europäische Parlament und seine Fraktionen durch ein erhebliches Maß an innerer Heterogenität geprägt sind. Im Parlament sind Abgeordnete aus allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vertreten, die ihrem jeweiligen nationalen Parteiensystem entstammen. In der laufenden Legislaturperiode finden sich dort Vertreter von etwa 200 nationalen Parteien. In den sieben Fraktionen, die sich gebildet haben, ist jeweils eine große Zahl von Repräsentanten unterschiedlicher Parteien zusammengeschlossen, die zwar alle einer großen "Parteienfamilie" angehören und damit über ein gewisses Maß an politischer Übereinstimmung verfügen, aber dennoch unterschiedliche politische Traditionen und Sichtweisen aufweisen (vgl. Dialer/Maurer/Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015, S. 124 ff.). Dies erhöht schon innerhalb der Fraktionen den Bedarf an Abstimmung und Ausgleich. Die Fähigkeit der Fraktionen, Vertreter unterschiedlicher Parteien aufzunehmen, zumal wenn diese innerhalb eines Mitgliedstaates miteinander konkurrieren, ist daher begrenzt (vgl. Schönberger, JZ 2012, S. 80 84>).
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Aus welchem Grund der europäische Gesetzgeber vor diesem Hintergrund eine unionsweite obligatorische Mindestsperrklausel im Umfang von zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen auch angesichts der damit verbundenen Beeinträchtigung der Grund-sätze der Chancengleichheit der politischen Parteien und der Gleichheit der Wahl nicht als sachgerechtes Instrument betrachten durfte, um den Risiken einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments entgegenzutreten, wird von der Antragstellerin und dem Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Dass dies die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berühren würde, ist auch angesichts des mit der Einführung einer Sperrklausel verbundenen Anliegens einer Angleichung der Bedingungen demokratischer Repräsentation in der gesamten Europäischen Union nicht dargelegt.
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(bb) Nach Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 AEUV treten Wahlrechtsregelungen erst nach Zustimmung sämtlicher Mitgliedstaaten in Kraft. Den Mitgliedstaaten ist damit zur gesamten Hand eine Mitverantwortung für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments anvertraut. Für die Bundesrepublik Deutschland folgt dies auch aus der in Art. 23 Abs. 1 GG verankerten Integrationsverantwortung. Jeder Mitgliedstaat ist dazu angehalten, die Anforderungen an die Strukturen des Wahlrechts in einer Weise auszugestalten, dass sie zugleich Maxime für die Wahl des gesamten Europäischen Parlaments sein können (vgl. entsprechend im Hinblick auf die nationale Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG BVerfGE 135, 259 306 Rn. 13, abweichende Meinung> unter Hinweis auf BVerfGE 129, 300 352, abweichende Meinung>). Die von Antragstellerin und Beschwerdeführer vertretene Rechtsauffassung würde hingegen dazu führen, dass auf der Ebene der Europäischen Union die Schaffung einer obligatorischen Mindestsperrklausel prinzipiell ausgeschlossen wäre. Sie tragen vor, dass die Bundesrepublik Deutschland wegen Art. 79 Abs. 3 GG gehindert sei, einer entsprechenden unionsrechtlichen Vorgabe im Direktwahlakt 2018 zuzustimmen. Die Folge wäre, dass dieser nicht in Kraft treten könnte. Mit den Konsequenzen eines solchen deutschen "Sonderwegs" (vgl. in diesem Sinne auch die abweichende Meinung zur Entscheidung betreffend die nationale Drei-Prozent-Klausel zur Europawahl BVerfGE 135, 259 299 f. Rn. 1>), die alle anderen Mitgliedstaaten mitzutragen hätten, und dessen Vereinbarkeit mit der Integrationsverantwortung der Bundesrepublik Deutschland für das demokratische Prinzip in der Europäischen Union setzen sich Antragstellerin und Beschwerdeführer indes wiederum nicht auseinander.
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d) Soweit die Antragstellerin und der Beschwerdeführer rügen, das Zustimmungsgesetz sei formell verfassungswidrig, weil dem Bundesrat am 10. März 2023 eine sprachlich unrichtige Version von Art. 3a Direktwahlakt 2018 zugeleitet und damit die Frist des Art. 76 Abs. 2 Satz 5 GG nicht in Gang gesetzt worden sei, sind ihre Ausführungen ebenfalls nicht substantiiert. Dass vorliegend trotz einer im laufenden nationalen Gesetzgebungsverfahren nachgeholten Mitteilung (vgl. Rn. 25) zu einer auf europäischer Ebene vorgenommenen Korrektur einer offenkundigen sprachlichen Unrichtigkeit von Art. 3a Direktwahlakt 2018 von einer formellen Verfassungswidrigkeit des deutschen Zustimmungsgesetzes auszugehen ist, die sich zugleich als Verletzung der hier gerügten verfassungsmäßigen Rechte erweist, wird von Antragstellerin und Beschwerdeführer weder schlüssig dargelegt, noch ist dies sonst ersichtlich.
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C.
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Die Anträge auf Anordnung der Auslagenerstattung sind abzulehnen.
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Gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG steht die Anordnung der Auslagenerstattung in den Fällen der Nichtannahme oder der Verwerfung einer Verfassungsbeschwerde und im Organstreitverfahren im Ermessen des Bundesverfassungsgerichts. Sie setzt voraus, dass besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. BVerfGE 7, 75 77>; 20, 119 133 f.>; 85, 109 114 ff.>; 87, 394 397 f.>; 89, 91 97>; 133, 37 38 f. Rn. 2>; 150, 194 203 Rn. 29>; 154, 320 353 Rn. 97> - Seehofer-Interview auf der Homepage des BMI; stRspr). Solche Gründe sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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