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BVerfG 02.10.2023 - 2 BvR 69/23
BVerfG 02.10.2023 - 2 BvR 69/23 - Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde bzgl Zwangsmedikation und Fixierung während einer vorübergehenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - entscheidungserhebliche Unterlagen nicht vorgelegt - Unterbleiben einer fachgerichtlichen Entscheidung mithin nicht überprüfbar
Normen
Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, PsychKG HA
Vorinstanz
vorgehend LG Hamburg, 7. Dezember 2022, Az: 309 T 88/22, Beschluss
vorgehend LG Hamburg, 1. November 2022, Az: 309 T 88/22, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Zwangsmedikation und eine 4- beziehungsweise 3-Punkt-Fixierung über einen Zeitraum von rund 14 Stunden während einer vorübergehenden Unterbringung in der abgeschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik.
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1. Die Beschwerdeführerin wurde aufgrund eines Vorfalls am 22. Juni 2022, bei dem sie von der Polizei in einem Zustand der Orientierungslosigkeit aufgegriffen worden war, gegen ihren Willen zwangsweise in einem Klinikum untergebracht. Noch am Abend des 22. Juni 2022 beantragte das Bezirksamt Altona nach amtsärztlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin beim Amtsgericht Hamburg die Unterbringung auf Grundlage des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten. Das Amtsgericht Hamburg gab dem Antrag mit Beschluss vom 23. Juni 2022 statt und ordnete die vorläufige Unterbringung bis zum 29. Juni 2022 an.
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2. Im Klinikum wurde die Beschwerdeführerin am 22. Juni 2022 im Zeitraum von 22:15 Uhr bis 12:10 Uhr am nächsten Tag gegen ihren Willen fixiert. Zunächst erfolgte eine 4-Punkt-Fixierung für 30 Minuten, während derer ihr gegen ihren Willen angst- und anspannungslösende Medikamente per Injektion in den Muskel verabreicht wurden. Im Anschluss wurde sie für mehr als 13 Stunden 3-Punkt-fixiert. Für diese Maßnahmen wurde - soweit ersichtlich - keine richterliche Entscheidung eingeholt.
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3. Am 25. Juni 2022 erhob die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht sofortige Beschwerde gegen die Unterbringungsanordnung vom 23. Juni 2022 und beantragte darüber hinaus die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung sowie der Fixierung und Zwangsmedikation. Das Amtsgericht entschied mit Beschluss vom 13. September 2022 über den Feststellungsantrag betreffend die Unterbringung, nicht aber über den Feststellungsantrag betreffend die Zwangsmedikation und Fixierung. Gegen diesen Beschluss erhob die Beschwerdeführerin am 28. September 2022 Beschwerde und wiederholte auch ihren Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fixierung und Zwangsmedikation, über den vom Amtsgericht bisher nicht entschieden worden war. Das Landgericht Hamburg wies mit angegriffenem Beschluss vom 1. November 2022 die Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 13. September 2022 betreffend die Unterbringung zurück und verwarf den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fixierung und Zwangsmedikation als unzulässig, weil insoweit noch keine Entscheidung des Amtsgerichts vorliege. Eine Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin gegen diesen Beschluss wies das Landgericht mit Beschluss vom 7. Dezember 2022 zurück.
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4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde vom 7. Dezember 2022 wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidungen des Landgerichts betreffend die Zwangsmedikation und Fixierung und rügt außerdem, das Amtsgericht habe ihren Feststellungsantrag hinsichtlich der Zwangsmedikation und Fixierung zu Unrecht nicht verbeschieden. Soweit sie sich mit ihrer Verfassungsbeschwerdeschrift auch gegen die Unterbringung als solche wendet, ist diese Rüge Gegenstand des abgetrennten Verfahrens zum Aktenzeichen 2 BvR 70/23. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG geltend, da ihr im Hinblick auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Fixierung und Zwangsmedikation der Rechtsweg abgeschnitten worden sei. Das Amtsgericht habe über ihren Feststellungsantrag nicht entschieden und das Landgericht habe ihn zu Unrecht als unzulässig verworfen. Eine nachträgliche gerichtliche Klärung der Maßnahme sei aufgrund des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs zulässig und erforderlich.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht substantiiert begründet ist (vgl. BVerfGE 81, 208 214>; 89, 155 171>; 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>; 113, 29 44>; 129, 269 278>; 130, 1 21>; stRspr). Die Beschwerdeführerin hat es versäumt, sämtliche für eine verantwortliche verfassungsrechtliche Würdigung erforderlichen Unterlagen aus den fachgerichtlichen Verfahren vorzulegen oder inhaltlich umfassend wiederzugeben. Insbesondere fehlen das Schreiben des Amtsgerichts unbekannten Datums an die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin im Nachgang zur Aufhebung des Unterbringungsbeschlusses, mit dem diese wohl über den weiteren Verfahrensgang informiert wurde, die der Sachaufklärung dienenden Verfügungen des Amtsgerichts vom 18., 24. und 30. August 2022, das Schreiben des Amtsgerichts an die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin vom 13. September 2022, das sich wohl auf den Feststellungsantrag hinsichtlich der Fixierung und Zwangsmedikation bezieht, sowie die Beschwerdeschrift mit erneutem Feststellungsantrag vom 28. September 2022. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin bleibt die Behandlung des Feststellungsantrags hinsichtlich der Fixierung und Zwangsbehandlung durch das Amtsgericht im Unklaren.
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2. Vor diesem Hintergrund muss dahinstehen, dass es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, dass bisher wohl noch kein Fachgericht über die Rechtmäßigkeit der Fixierung und Zwangsmedikation entschieden hat.
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a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verleiht dem Einzelnen, der behauptet, durch einen Akt öffentlicher Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein, einen substantiellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 101, 106 122 f.>; 103, 142 156>; 113, 273 310>; 129, 1 20>). Daraus folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Maßnahmen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen (vgl. BVerfGE 84, 34 49>). Dabei haben die Gerichte das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird. Legt ein Gericht den Verfahrensgegenstand in einer Weise aus, die das vom Antragsteller erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel ganz oder in wesentlichen Teilen außer Betracht lässt, verletzt dies den Rechtsanspruch des Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGK 10, 509 513>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2017 - 2 BvR 476/16 -, Rn. 12).
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b) Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Fixierung und Zwangsbehandlung als unzulässig verworfen hat. Zum einen hat die Beschwerdeführerin den Feststellungsantrag im Rahmen ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts vom 23. Juni 2022 und dann erneut im Rahmen der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 13. September 2022 gestellt, so dass es nicht willkürlich, sondern geboten erscheint, dass das Landgericht über diesen Antrag im Zuge der Behandlung der Beschwerden entschieden hat. Zum anderen durfte das Landgericht gar nicht in der Sache entscheiden, weil für den Feststellungsantrag nach § 327 Abs. 1 FamFG ausschließlich das Amtsgericht zuständig ist (vgl. Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2019, § 327 Rn. 5, 8 m.w.N.; Günter, in: Hahne/Schlögel/Schlünder, BeckOK FamFG, § 327 Rn. 10 <Aug. 2023>; Marschner, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 7. Aufl. 2023, § 327 FamFG Rn. 2 f.; Giers, in: Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 327 Rn. 1, 6). Letztlich entsteht der Beschwerdeführerin durch die Entscheidung des Landgerichts auch kein Nachteil im Hinblick auf ihre Rechtsschutzmöglichkeiten, denn diese Entscheidung entfaltet keine Sperrwirkung im Hinblick auf den wohl noch anhängigen Feststellungsantrag beim Amtsgericht, weil das Landgericht nicht in der Sache entschieden hat.
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Allerdings könnte der Vortrag der Beschwerdeführerin, das Amtsgericht habe ihren Feststellungsantrag - seine Richtigkeit unterstellt - ignoriert, Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken geben. Da die Beschwerdeführerin entscheidende Dokumente nicht vorgelegt hat, kann jedoch nicht geprüft werden, ob das Amtsgericht den Antrag entsprechend den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG behandelt hat. Das Amtsgericht hat jedenfalls - soweit ersichtlich - bisher nicht im Beschlusswege darüber entschieden. Mangels Kenntnis insbesondere des Inhalts des amtsgerichtlichen Schreibens an die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin vom 13. September 2022, in dem das Amtsgericht wohl Ausführungen zu dem (noch) nicht entschiedenen Feststellungsantrag gemacht hat, lässt sich die Verfassungsmäßigkeit des amtsgerichtlichen Vorgehens nicht beurteilen.
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Aufgrund des lückenhaften Vortrags der Beschwerdeführerin muss auch offen bleiben, ob das Amtsgericht Rechte der Beschwerdeführerin verletzt hat, indem es die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ausreichend beachtet hat. Denn es kann, wie bereits ausgeführt, nicht nachvollzogen werden, wie das Amtsgericht mit dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fixierung und Zwangsmedikation umgegangen ist.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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