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BVerfG 09.11.2022 - 1 BvR 523/21
BVerfG 09.11.2022 - 1 BvR 523/21 - Stattgebender Kammerbeschluss: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde einer Zeitungsherausgeberin gegen die gerichtliche Untersagung einer Meinungsäußerung - hier: Mangelnde Einordnung als eigene Äußerung oder Verbreitung einer Äußerung Dritter; überhöhte Anforderungen an Tatsachengrundlage, mangelnde Berücksichtigung des Informationswerts der Berichterstattung - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 5 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 193 StGB
Vorinstanz
vorgehend OLG Frankfurt, 22. Dezember 2020, Az: 16 W 83/20, Beschluss
Tenor
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1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Dezember 2020 - 16 W 83/20 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes.
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2. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.
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3. Das Land Hessen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
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4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen eine einstweilige Verfügung, durch die es ihr untersagt wurde, in Bezug auf den Antragsteller des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragsteller) die Äußerung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, "Den Staat lehne (…) […] ab".
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1. Die Beschwerdeführerin ist Herausgeberin der Tageszeitung (…), in deren Onlineausgabe sie am 4. September 2020 einen Beitrag mit dem Titel "Aussteiger packen aus: So geht es in der Guru-Gemeinschaft zu" veröffentlichte. Der Bericht beleuchtet kritisch inhaltliche Ausrichtung, Strukturen und Hierarchien innerhalb einer aus Sicht ehemaliger Mitglieder sektenähnlichen Gemeinschaft, die der Antragsteller unterhalte. Nach den in dem Artikel wörtlich wiedergegebenen Äußerungen der "Aussteiger" arbeite dieser mit einem "universellen, religiösen Erklärungsmodell für alle Ereignisse des Lebens". Es handele sich um eine geschlossene Gemeinschaft, bei der die meisten "neuen Schüler" über Freunde hinzukämen, die bereits "in der Arbeit" seien, und unverfängliche offene Seminare besuchten, die zunächst wie Selbsterfahrungsseminare aussähen. Der Antragsteller sehe sich als "Vertreter von Gott und der absoluten Wahrheit". Innerhalb der Gemeinschaft gebe es eine Petz- und Denunzierungskultur und Hierarchien. Ihm als "Meister" folgten seine Schüler, "Eingeweihte" in mehreren "Einweihungsstufen" und Schüler in Ausbildungsgruppen. Außerdem gebe es sporadische Teilnehmer, Neuankömmlinge und die "Sozialheimer", das seien für den Antragsteller Schüler, die, durch ihr Karma selbst verursacht, kein Geld hätten. Der Antragsteller bilde Schüler auch zu Medien aus, die Botschaften aus dem Jenseits empfingen.
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Was das Verhältnis des Antragstellers zum Staat betrifft, berichtet der Beitrag unter Bezugnahme auf die Aussage einer ehemaligen "Schülerin":
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"Den Staat lehne (…) - der sich seine Seminargebühren auch in bar bezahlen lässt - ab, was dieser auf Anfrage dieser Zeitung mit einem Bibelzitat zu relativieren versucht: 'So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gott gehört.' Bestimmte staatliche Regularien seien erforderlich, so (…) dazu, aber jeder müsse seine Überzeugungen selbst verantworten. Nach Darstellung der Aussteigerin war geplant, dass 'die Sozialheimer' gemeinsam in ein Haus in einem Nachbarort von (...)) ziehen."
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Der Berichterstattung vorausgegangen war eine dem Antragsteller übersandte E-Mail der Beschwerdeführerin, die unter anderem folgende Frage enthielt:
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"Welches Verhältnis haben Sie zum Staat und seinen Institutionen? Lehnen Sie den Staat ab?",
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die der Antragsteller wie folgt beantwortete:
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"In der Bibel gibt es auch eine Stelle, die auf das Verhältnis von persönlicher Überzeugung und Staat antwortet, die für mich richtungsweisend ist: Mt 22, 15-22: Jesus erkannte die böse Absicht der Pharisäer und antwortete: 'Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern zahlt. Darauf ist des Kaisers Bild und Aufschrift. So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gott gehört.' Das bedeutet: Jeder muss seine persönlichen Überzeugungen selbst verantworten. Dennoch gibt es ganz bestimmte erforderliche staatliche Regularien, um das Zusammenleben von Menschen zu regeln. Auch in dieser Antwort stelle ich mich nicht auf eine Stufe mit Jesus, sondern nehme ihn mir nur zum Vorbild."
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2. Der Antragsteller beantragte am 6. Oktober 2020 beim Landgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beschwerdeführerin unter anderem untersagt werden sollte, die Äußerung "Den Staat lehne (…) […] ab" zu verbreiten. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 gab das Landgericht dem Antrag teilweise statt, untersagte aber nicht die Verbreitung der hier verfahrensgegenständlichen Passage.
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3. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers änderte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den erstinstanzlichen Beschluss mit angegriffenem Beschluss vom 22. Dezember 2020 teilweise ab und untersagte der Beschwerdeführerin die Verbreitung der angegriffenen Passage. Zwar handele es sich um eine Meinungsäußerung. Gleichwohl ergebe die auch bei einer Meinungsäußerung vorzunehmende Abwägung zwischen Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und allgemeinem Persönlichkeitsrecht andererseits, dass die Verbreitung dieser Meinung in der geschehenen Form rechtswidrig sei. Es handele sich um eine abschätzige Meinung, die geeignet sei, den Antragsteller in der öffentlichen Wahrnehmung, insbesondere auch als Anbieter von Kursen herabzusetzen. Die Eingriffsintensität werde in dem Beitrag noch erhöht, da mitgeteilt werde, der Antragsteller lasse sich für seine Seminare in bar bezahlen, was die Annahme nahelege, dass er die staatliche Besteuerung zu vermeiden suche. Trotz des grundsätzlichen Vorrangs freier Meinungsäußerung sei die Äußerung einer abschätzigen Meinung dann unzulässig, wenn gemessen an der Eingriffsintensität kein Mindestbestand an tatsächlichen Anknüpfungstatsachen festzustellen sei.
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Vorliegend fehle es an Anknüpfungstatsachen, die ansatzweise die Meinung belegten, dass der Antragsteller tatsächlich in einem weiten Sinne den Staat ablehne. Beispielsweise finde sich nichts dazu, ob er sich entsprechend in seinen Seminaren geäußert habe. Auch würden keine Handlungen mitgeteilt, aus denen dies ansatzweise geschlossen werden könne. Der Bericht teile nicht mit, woraus der Aussteiger diese Einschätzung entnehme. Allein der nicht bestrittene Umstand der Barzahlung sei dafür kein Anhaltspunkt, weil er die eventuelle Steuerehrlichkeit, nicht aber die Haltung zum Staat insgesamt betreffe. Nach der eidesstaatlichen Versicherung der Redakteurin habe der Informant lediglich gesagt: "Den Staat und staatliche Sozialleistungen lehnt (…) ab". Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn man davon ausgehe, die Beschwerdeführerin nehme mit ihrer Reportage ein öffentliches Interesse im Sinne von § 193 StGB wahr. Dies rechtfertigte nur dann die Verbreitung der geäußerten Wahrnehmung, wenn sie davon habe ausgehen dürfen, über hinreichende Anknüpfungstatsachen zu verfügen. Dafür hätte sie sich durch Nachfragen davon überzeugen müssen, dass der Informant für seine Bewertung über tatsächliche Anhaltspunkte verfüge, dass der Antragsteller tatsächlich die Haltung habe, "den Staat" abzulehnen.
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4. Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der sie eine Verletzung ihrer Meinungs- und Pressefreiheit rügt. Soweit das Oberlandesgericht im Kern sage, dass die angegriffene Äußerung zwar eine Meinungsäußerung sei, im Hinblick auf ihren "Schweregrad" aber nicht gut genug begründet, laufe dies darauf hinaus, dass nicht hinreichend begründete Meinungsäußerungen unzulässig seien, was mit den Grundrechten der Presse schlechterdings unvereinbar sei.
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5. Dem Hessischen Ministerium der Justiz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen im Bereich des Äußerungsrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits entschieden (vgl. BVerfGE 85, 1; 99, 185; 114, 339). Dies gilt namentlich für die notwendige, unter interpretationsleitender Berücksichtigung der Grundrechte stattfindende Erfassung des Sinngehalts einer Äußerung (vgl. BVerfGE 82, 43 52>; 85, 1 13>; 93, 266 295 f.>; 114, 339 348>; 152, 152 185 f. Rn. 78>), für die Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen (vgl. BVerfGE 85, 1 14 ff.>; 90, 241 247>; 93, 266 295>), für das Gebot einer Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungs- und Pressefreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits (vgl. BVerfGE 85, 1 14 ff.>; 93, 266 293 ff.>; 99, 185 196 ff.>; 114, 339 348>; 152, 152 201 Rn. 114>) sowie für die bei Tatsachenbehauptungen an ihren Wahrheitsgehalt zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerfGE 90, 241 247 f., 254>; 97, 391 403 f.>; 99, 185 196 ff.>; 114, 339 353 f.>). Danach ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.
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1. Hinsichtlich des Inhalts der Berichterstattung ergeben sich Umfang und Grenzen des grundrechtlichen Schutzes aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, die die Verbreitung von Meinungen und Tatsachen ohne Rücksicht auf Form und Kommunikationsmittel schützt (vgl. BVerfGE 152, 152 193 Rn. 94>). Allerdings gehört es gerade zu den Aufgaben der Presse, die Öffentlichkeit über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu informieren (vgl. BVerfGE 7, 198 208>; 12, 113 125>), was eine Verstärkung des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Schutzes begründen kann (vgl. BVerfGE 152, 152 193 Rn. 94; 200 Rn. 111>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2020 - 1 BvR 1240/14 -, Rn. 12). Mit der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Presse über die Meinungsäußerungsfreiheit hinaus in ihrer institutionellen Eigenständigkeit geschützt. Sie reicht von der Beschaffung der Informationen bis zu deren Verbreitung (vgl. BVerfGE 10, 118 121>; 62, 230 243>; stRspr) und gewährleistet insbesondere das Recht, ein Presseerzeugnis in inhaltlicher und formaler Hinsicht nach eigenen Vorstellungen zu gestalten (vgl. BVerfGE 95, 28 35 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Dezember 2020 - 1 BvR 704/18 -, Rn. 15). Die Gestaltungsfreiheit umfasst sowohl die Bestimmung, welche Themen behandelt und welche Beiträge in eine Ausgabe aufgenommen werden sollen, als auch die Entscheidung über die äußere Darbietung der Beiträge sowie ihre Platzierung innerhalb einer Ausgabe (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Erstens Senats vom 9. Dezember 2020 - 1 BvR 704/18 -, Rn. 15).
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2. Beide Grundrechte sind allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern finden ihre Schranken unter anderem gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Hierzu gehören auch die im Streitfall vom Oberlandesgericht herangezogenen zivilrechtlichen Bestimmungen der § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, die dem von einer Berichterstattung Betroffenen im Fall der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Unterlassung der ihn beeinträchtigenden Berichterstattung gewähren. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist indes nicht vorbehaltlos garantiert, sondern wird nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer beschränkt, zu denen auch die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gehört. Die Zivilgerichte verstehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht daher in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2022 - VI ZR 141/21 -, Rn. 35; BGHZ 222, 196 204 Rn. 20>; 73, 120 124>; 50, 133 143 f.>; 45, 296 307 f.>; BVerfGE 99, 185 196>; 114, 339 348>).
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Das einschlägige Fachrecht im Einzelfall auszulegen und anzuwenden ist dabei Aufgabe der Fachgerichte, die die betroffenen Grundrechte hierbei jedoch interpretationsleitend zu berücksichtigen haben, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 205 ff.>; 85, 1 13>; 114, 339 348>; 152, 152 185 Rn. 76 ff.>; stRspr). Ob der Einfluss des Grundrechts auf die Auslegung der zivilrechtlichen Normen und auf die Abwägung der kollidierenden Schutzgüter hinreichend beachtet ist, ist dabei nicht schon deshalb zu verneinen, weil das Ergebnis auch anders hätte ausfallen können (vgl. BVerfGE 120, 180 200, 210>). Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, liegt erst vor, wenn eine gerichtliche Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 93>; 42, 143 149>; 85, 1 13>; 120, 180 199 f.>).
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3. In Fällen der vorliegenden Art ist eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungs- und Pressefreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits vorzunehmen. Im Zuge der Abwägung sind die grundrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Maßgebend sind dabei eine Reihe von Prüfungsgesichtspunkten und Vorzugsregeln, die in der Rechtsprechung entwickelt worden sind, um eine größtmögliche Wahrung der beiderseitigen grundrechtlichen Positionen und Interessen bei der Beurteilung und Entscheidung über Fälle von Meinungsäußerungen zu ermöglichen. Das Ergebnis dieser Abwägung lässt sich wegen der Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls nicht generell und abstrakt vorausbestimmen (vgl. BVerfGE 61, 1 8 ff.>; 85, 1 14 ff.>; 93, 266 293 ff.>; 99, 185 196 ff.>; 114, 339 348>).
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a) Weichenstellend für die Prüfung einer Grundrechtsverletzung ist die Erfassung des Inhalts der beanstandeten Äußerung, insbesondere die Klärung, in welcher Hinsicht sie ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt. Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung. Maßgeblich ist daher weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren (vgl. BVerfGE 82, 43 52>; 93, 266 295>). Mehrdeutige Äußerungen sind auszuscheiden (vgl. BVerfGE 7, 198 227>; 82, 43 52>; 85, 1 19>; 93, 266 295 f.>). Die Anforderungen, die Art. 5 Abs. 1 GG an die Sinnermittlung von Äußerungen richtet, unterliegen dabei der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, und zwar besonders dann, wenn es sich, wie etwa bei Strafurteilen, um einen intensiven Grundrechtseingriff handelt (vgl. BVerfGE 43, 130 136 f.>; 54, 129 136 ff.>; 61, 1 6, 9 f.>; 82, 43 50>; 82, 272 280>; 85, 1 13 f.>; 93, 266 296>). Bereits bei unzutreffender Erfassung oder Würdigung einer Äußerung kann daher ein Verstoß gegen Verfassungsrecht vorliegen, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat (vgl. BVerfGE 18, 85 93>; 42, 143 149>; 85, 1 13>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2021 - 1 BvR 11/20 -, Rn. 14).
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b) Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne einstufen mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 13 f.>; 82, 272 281>; 54, 208 215>; 43, 130 136 f.>). Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. BVerfGE 90, 241 247>; 94, 1 8>), handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist (vgl. BVerfGE 7, 198 210>; 61, 1 8>; 90, 241 247>; 124, 300 320>). In Fällen, in denen beide Äußerungsformen miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (vgl. BVerfGE 61, 1 8 f.>; 85, 1 15 f.>; 90, 241 248>).
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c) Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. BVerfGE 97, 391 403>). Für die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es in der Regel keinen rechtfertigenden Grund. Außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. BVerfGE 61, 1 8>; 90, 1 15>; 90, 241 254>), der Wahrheitsgehalt fällt dann aber bei der Abwägung ins Gewicht (vgl. BVerfGE 94, 1 8>; 99, 185 196 f.>). Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betreffen, dürfen nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB), vorausgesetzt, dass zuvor hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt wurden, wobei für die Medien grundsätzlich strengere Pflichten gelten als für Privatleute (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2022 - VI ZR 95/21 -, AfP 2022, S. 337 339 Rn. 22>; BGHZ 222, 196 221 f. Rn. 50>; 203, 239 246 f. Rn. 15 f.>; 199, 237 250 f. Rn. 26>, jeweils m.w.N.). Gegen die Entwicklung derartiger Pflichten bestehen verfassungsrechtlich keine Einwände, sofern der Umfang dieser Sorgfaltspflichten von den Fachgerichten im Einklang mit den grundgesetzlichen Anforderungen bemessen wird (vgl. BVerfGE 99, 185 198>). Die Fachgerichte dürfen deshalb einerseits an die Wahrheitspflicht im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen stellen, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt einschnürend wirken können (vgl. BVerfGE 54, 208 219 f.>; 85, 1 17>). Sie haben andererseits aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt (vgl. BVerfGE 12, 113 130>; 99, 185 198>; 114, 339 353>).
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d) Von Bedeutung kann innerhalb der Abwägung auch sein, ob Äußerungen vom Äußernden selbst getätigt werden oder er Äußerungen Dritter verbreitet (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2019 - 1 BvR 811/17 -, Rn. 17). So darf bei überwiegendem Informationsinteresse auch über eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung eines Dritten berichtet werden, sofern sich der Verbreiter die berichtete Äußerung nicht zu eigen gemacht hat (BVerfGK 10, 153 156 f.>). Ein solches Zueigenmachen liegt insbesondere vor, wenn die Äußerung eines Dritten in den eigenen Gedankengang so eingefügt wird, dass dadurch die eigene Aussage unterstrichen werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2003 - 1 BvR 865/00 -, Rn. 13). Auch bei der Bemessung etwaiger im Rahmen der Abwägung insoweit maßgeblicher Sorgfalts- oder Distanzierungspflichten haben die Fachgerichte allerdings die Ausstrahlungswirkungen des Grundrechts der Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen und hierbei ferner, dass die Verbürgungen des Art. 10 Abs. 1 EMRK in ihrer Auslegung, die sie durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfahren haben, einer generellen Obliegenheit der Presse, sich von dem Inhalt einer wiedergegebenen Äußerung zu distanzieren, möglicherweise entgegenstehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 -, Rn. 69; EGMR, Thoma v. Luxembourg, Urteil vom 29. März 2001, Nr. 38432/97, § 64; vgl. auch EGMR, Radio France v. France, Urteil vom 30. März 2004, Nr. 53984/00, §§ 37 ff.; Verlagsgruppe News GmbH v. Österreich, Urteil vom 14. Dezember 2006, Nr. 76918/01, §§ 33 ff.).
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4. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung nicht. Bedeutung und Tragweite der betroffenen Grundrechte werden verkannt.
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a) Nicht sicher erkennen lässt das Oberlandesgericht in seinem Ausgangspunkt, ob es die angegriffene Äußerung rechtlich als eigene Äußerung der Beschwerdeführerin betrachtet oder ob es die Verurteilung der Beschwerdeführerin auf die Verbreitung der Äußerung eines Dritten stützt.
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aa) Mit der angegriffenen, in indirekter Rede gehaltenen Äußerung schildert die Beschwerdeführerin die für sich genommen unstreitige Tatsache einer Meinungsäußerung ihrer Informantin, einer "Aussteigerin", mit der diese dem Antragsteller die innere Haltung zuschreibt, er lehne "den Staat" ab. Dem stellt die Beschwerdeführerin die Mitteilung zweier weiterer, ebenfalls unstreitiger Tatsachen zur Seite, wonach sich der Antragsteller "seine Seminargebühren auch in bar bezahlen lässt", und er die Frage der Beschwerdeführerin nach seiner Haltung zum Staat zum einen mit einem Bibelzitat beantwortet habe, zum anderen damit, dass "bestimmte" staatliche Regularien erforderlich seien. Der Art und Weise, wie die Beschwerdeführerin diese ergänzenden Umstände sprachlich in ihren Beitrag einbettet, entnimmt der unvoreingenommene Leser zugleich, dass die Beschwerdeführerin selbst Anhaltspunkte sieht, die für eine staatsablehnende Haltung des Antragstellers sprechen. So folgert der Leser aus dem im Indikativ gehaltenen Einschub "- der sich seine Seminargebühren auch in bar bezahlen lässt -", dass die Beschwerdeführerin jedenfalls die Steuerehrlichkeit des Antragstellers hinterfragt, und aus dem Hinweis auf das Bibelzitat, dass sie die Antwort des Antragstellers auf eine entsprechende Anfrage nicht als Verneinung wertet, sondern als Versuch, die ihm zugeschriebene Haltung "zu relativieren".
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bb) Mit der Frage, ob die Äußerung, "Den Staat lehne (…) […] ab", bei dieser Sachlage nur als mitgeteilte Äußerung ihrer Informantin zu betrachten ist oder auch als eigene Einschätzung der Beschwerdeführerin, setzt sich das Oberlandesgericht in seinen Gründen nicht auseinander. Vielmehr stellt es der wiederholten - jedoch in beiden Fällen zutreffenden - Formulierung, dass die Meinung der Informantin verbreitet werde, auf einleitender Ebene voran, der Antragsteller könne die Unterlassung der angegriffenen "Äußerung der Antragsgegnerin" beanspruchen. Nicht deutlich wird, ob das Oberlandesgericht bedacht hat, dass es mit seiner Forderung nach einem "Mindestbestand an tatsächlichen Anknüpfungstatsachen" Sorgfaltspflichten formuliert hat, die die Beschwerdeführerin nach dem Vorstehenden - auch als Presseunternehmen - in unterschiedlichem Maße treffen können, je nachdem, ob sie sich die Äußerung ihrer Informantin zu eigen gemacht hat oder lediglich deren Einschätzung dokumentiert. Nicht erörtert hat das Oberlandesgericht die im Zuge der Sinnermittlung hiermit einhergehende Frage, ob sich eine eigene Einschätzung der Beschwerdeführerin auf eine Ablehnung des Staats "in einem weiten Sinne" bezieht oder ob sie sich anders als ihre Informantin darauf beschränkt, lediglich die Steuerehrlichkeit des Antragstellers zu hinterfragen.
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b) Soweit das Oberlandesgericht die angegriffene Äußerung als Meinungsäußerung einstuft, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden, bietet für die nachfolgende Abwägung jedoch einen unvollständigen Ausgangspunkt, soweit es dies damit begründet, dass der Bericht der Beschwerdeführerin keine Tatsachen angebe, aus denen ihre Informantin ihre Meinung herleite, der Antragsteller lehne den Staat ab.
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aa) Ob jemand einen bestimmten Standpunkt vertritt, betrifft eine innere und bei entsprechender - ausdrücklicher oder konkludenter - Kundgabe auch äußere Tatsache. Wer einem anderen einen Standpunkt zuschreibt, behauptet daher in Bezug auf diesen das Bestehen einer inneren Tatsache und gegebenenfalls deren Kundgabe. Da jedoch innere Tatsachen anderen verschlossen bleiben, solange sie nicht kundgetan werden, basiert ihre Behauptung zwangsläufig auf Schlussfolgerungen aus dem Verhalten der betroffenen Person, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens des Äußernden geprägt sind. Wer behauptet, ein anderer vertrete einen bestimmten Standpunkt, äußert deshalb notwendig eine Einschätzung, in der tatsächliche und wertende Elemente miteinander vermengt sind. Als solche wird sie vom Grundrecht der Meinungsfreiheit insgesamt als Meinung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 61, 1 8 f.>; 85, 1 16>; 90, 241 248>).
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bb) Meinungsäußerungen müssen grundsätzlich nicht begründet werden. Sie sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Auf diese persönliche Stellungnahme bezieht sich der Grundrechtsschutz. Er besteht deswegen unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfGE 93, 266 289>). Die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2020 - 1 BvR 2249/19 -, Rn. 15). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinne regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (vgl. BVerfGE 82, 272 283 f.>; 85, 1 16>).
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cc) Dies zugrunde gelegt, kam es für die Qualifizierung der angegriffenen Äußerung als Meinungsäußerung nicht darauf an, ob der Bericht der Beschwerdeführerin auch äußere Tatsachen zur Begründung dieser Meinungsäußerung schilderte. Mit seiner Verengung auf die Beweggründe der Informantin verstellt sich das Oberlandesgericht den Blick dafür, dass die Berichterstattung mit der das Bibelzitat enthaltenden Stellungnahme des Antragstellers eine äußere Tatsache mitteilt, und dass es für die Tatsachenfundierung der von der Beschwerdeführerin geäußerten beziehungsweise verbreiteten Meinungsäußerung irrelevant ist, ob ihrer Informantin diese Stellungnahme bekannt war oder nicht. In den Blick zu nehmen war auch die im Bericht genannte Barzahlungspraxis des Antragstellers als weitere im Zusammenhang geäußerte Tatsache, bei der es zudem nicht darauf ankam, ob das Oberlandesgericht die von der Beschwerdeführerin aus dieser Praxis gezogenen Schlüsse teilt. Der in der Abwägung geäußerte Standpunkt des Oberlandesgerichts, dass diese Praxis "allein die eventuelle Steuerehrlichkeit, nicht aber die Haltung zum Staat insgesamt betrifft", nähme einem weiterreichenden Standpunkt der Beschwerdeführerin nicht den Charakter einer Meinungsäußerung.
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c) Verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet ist die Verurteilung der Beschwerdeführerin auch, soweit das Oberlandesgericht in seiner Abwägung davon ausgeht, die Äußerung "Den Staat lehne (…) […] ab" enthalte eine "abschätzige Meinung", für die es gemessen an ihrer erhöhten "Eingriffsintensität" an einem "Mindestbestand an tatsächlichen Anknüpfungstatsachen" fehle, die ansatzweise belegten, dass der Antragsteller tatsächlich in einem weiten Sinne den Staat ablehne.
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aa) Allerdings ist der Maßstab, den das Oberlandesgericht hier der Sache nach zugrunde gelegt hat, im Ausgangspunkt grundsätzlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten dient (vgl. BVerfGE 120, 180 200>), hierzu festgestellt hat, dass eine Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen schwierig ist, wenn es sich um Behauptungen über Beweggründe für das Verhalten eines Dritten handelt. Bei Schlussfolgerungen über Beweggründe oder etwaige Absichten Dritter handele es sich eher um Werturteile als um dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen, wobei es auch für eine einem Werturteil gleichkommende Erklärung eine ausreichende Tatsachengrundlage geben müsse (vgl. EGMR, Axel Springer AG v. Deutschland (Nr. 2), Urteil vom 10. Juli 2014, Nr. 48311/10, §§ 63-64; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. August 2016 - 1 BvR 2619/13 -, Rn. 13). Innerhalb der Abwägung macht es daher einen Unterschied, ob es sich bei der Einschätzung von Beweggründen, Absichten oder Standpunkten eines anderen um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung handelt oder um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. August 2016 - 1 BvR 2619/13 -, Rn. 14; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Dezember 2020 - 1 BvR 704/18 -, Rn. 23).
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bb) Den hiernach zu stellenden Anforderungen an eine ausreichende Tatsachengrundlage wird die angegriffene Entscheidung für den Streitfall jedoch nicht in verfassungsrechtlich hinlänglicher Weise gerecht.
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(1) Wie ausgeführt, ist bei Meinungsäußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente so vermengen, dass sie insgesamt als Werturteil anzusehen sind, im Rahmen der Abwägung die Richtigkeit der tatsächlichen Bestandteile von Bedeutung (vgl. BVerfGE 99, 185 196 ff.>; auch EGMR, Axel Springer AG v. Deutschland (Nr. 2), Urteil vom 10. Juli 2014, Nr. 48311/10, § 63). Insoweit war zu berücksichtigen, dass zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens weder die Äußerung der Informantin als solche im Streit stand, noch die Barzahlungspraxis des Antragstellers oder dessen Antwort auf die ihm übermittelte Frage der Beschwerdeführerin, ob er den Staat ablehne.
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(2) Das Oberlandesgericht zieht die Wahrheit der vorgenannten Anknüpfungstatsachen zwar nicht in Zweifel, misst ihnen jedoch im Rahmen der Abwägung mit Ausnahme der Barzahlungspraxis - der es wie dargelegt einen von der Beschwerdeführerin abweichenden Sinn beimisst - keine Bedeutung zu. Die Äußerung der Informantin, wonach der Antragsteller den Staat "und staatliche Sozialleistungen" ablehne, nimmt es zwar zur Kenntnis, erachtet sie im Rahmen seiner Abwägung jedoch als "schlichte Angabe" für bedeutungslos. Das wird der Aussagekraft dieser Anknüpfungstatsache schon deshalb nicht gerecht, weil mit der Ablehnung 'staatlicher Sozialleistungen' nicht nur ein konkreter Bezugspunkt für die behauptete staatsablehnende Haltung benannt war, sondern sich auch aufdrängte, diese Einschätzung im Zusammenhang mit der im Bericht ferner angegebenen - vom Antragsteller ebenfalls nicht in Abrede gestellten - Planung zu betrachten, wonach "'die Sozialheimer' gemeinsam in ein Haus in einem Nachbarort von (...) ziehen" sollten.
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cc) Verkürzt wird der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit auch, soweit das Oberlandesgericht der angegriffenen Äußerung eine 'erhöhte Eingriffsintensität' beimisst. Zwar zielt die Frage nach einer ausreichenden Tatsachengrundlage darauf ab, ob die Zuschreibung von Beweggründen, Absichten oder Standpunkten eines anderen im Einzelfall übermäßig ist, womit auch das Gewicht der geäußerten Einschätzung von Bedeutung ist (vgl. EGMR, Axel Springer AG v. Deutschland (Nr. 2), Urteil vom 10. Juli 2014, Nr. 48311/10, §§ 61, 65; EGMR, Annen v. Deutschland (Nr. 2), Urteil vom 20. September 2018, Nr. 3682/10, § 34). Nicht nachvollziehbar begründet hat das Oberlandesgericht jedoch, inwieweit die Einschätzung, der Antragsteller lehne "den Staat" ab, überhaupt "abschätzig", also von Geringschätzung, Abwertung oder Ablehnung zeugen oder geeignet sein soll, ihn "in der öffentlichen Wahrnehmung" und "in seiner Rolle als Anbieter von Kursen" herabzusetzen. Aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums verliert sich der Aussagegehalt der Mitteilung, "Den Staat lehne (…) […] ab", weitgehend im Spekulativen und bleibt deshalb über den Informationsgehalt der Berichterstattung hinaus, wonach sich eine religiöse Splittergruppe von der Außenwelt abzugrenzen sucht und von einer Person geführt wird, die absolute Wahrheit für sich in Anspruch nimmt, substanzarm. Die mitgeteilte Barzahlungspraxis mag zwar die Steuerehrlichkeit des Antragstellers in Frage stellen, wurde von diesem aber nicht in Abrede gestellt und betrifft im Übrigen thematisch - wie sämtliche übrigen aufgeführten Äußerungen beziehungsweise Verhaltensweisen - die Sozialsphäre des Antragstellers. Hiervon ausgehende belastende Wirkungen - auch in seinem privaten Umfeld - muss der Antragsteller aber weitergehend hinnehmen als gegenüber Beiträgen über sein privates Verhalten (vgl. BVerfGE 152, 216 268 Rn. 128>).
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d) Verfassungsrechtlich keinen Bestand haben kann die angegriffene Entscheidung schließlich aber auch insoweit, als das Oberlandesgericht bei seinen Überlegungen nicht den Informationswert der Berichterstattung für die Öffentlichkeit in den Blick nimmt, sondern hierzu im Rahmen seiner Hilfserwägung meint, selbst die Wahrnehmung eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 193 StGB könne die Verbreitung der geäußerten Wahrnehmung nur dann rechtfertigen, wenn die Beschwerdeführerin durch Nachfrage bei ihrer Informantin davon habe ausgehen dürfen, über hinreichende Anknüpfungstatsachen für die Haltung des Antragstellers zu verfügen, "den Staat" abzulehnen. Einer Abwägung bedarf es zwar ausnahmsweise nicht bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Angriffe auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen, sowie bei erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen (vgl. BVerfGE 99, 185 196>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2021 - 1 BvR 1073/20 -, Rn. 29). Dass eine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen gegeben wäre, ist in der angefochtenen Entscheidung allerdings weder dargelegt noch ersichtlich. Damit entzieht sie in verfassungsrechtlich nicht tragbarer Weise den Informationswert der angegriffenen Berichterstattung von vornherein jeder Abwägung und verkürzt überdies Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit im öffentlichen Meinungskampf, die bei öffentlich zur Diskussion gestellten, gesellschaftliches Interesse erregenden Beiträgen selbst mit scharfen Äußerungen gebraucht werden darf (vgl. BVerfGE 54, 129 138>; 68, 226 231 f.>; 82, 236 260>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2021 - 1 BvR 11/20 -, Rn. 18).
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e) Die angegriffene Entscheidung beruht auf diesen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung kommt.
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III.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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