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BVerfG 12.02.2022 - 1 BvR 1853/19
BVerfG 12.02.2022 - 1 BvR 1853/19 - Nichtannahmebeschluss: Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit im sozialgerichtlichen Verfahren nicht hinreichend substantiiert dargelegt
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 22. Mai 2019, Az: L 19 AS 90/19, Beschluss
Tenor
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht, das zwischenzeitlich durch Rücknahme der Berufung erledigt ist.
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1. Die Beschwerdeführenden forderten für den Zeitraum von Februar 2016 bis Januar 2017 höhere Bedarfe nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Regelbedarfsstufe 2. Sie vertreten die Auffassung, dass die Regelbedarfe ab Januar 2016 auf der Grundlage der veröffentlichten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 gemäß § 28 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) neu zu berechnen seien, nicht aber nach § 28a SGB XII in Verbindung mit der Regelbedarfsstufenfortschreibungs-Verordnung 2016 fortgeschrieben werden dürften. Auch entsprächen die ab Januar 2017 neu berechneten Regelbedarfe nicht den verfassungsrechtlichen Maßgaben. Damit hatten sie vor dem Sozialgericht keinen Erfolg. Das Sozialgericht auferlegte den Beschwerdeführenden Verschuldenskosten von insgesamt 250 Euro, weil sie den Rechtsstreit missbräuchlich fortgesetzt hätten.
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2. Im Berufungsverfahren lehnte das Landessozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, weil keine hinreichenden Erfolgsaussichten in der Sache bestünden. Die Entscheidung schloss mit der Belehrung: "Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht angefochten werden, § 177 SGG." Zudem drohte das Landessozialgericht Verschuldenskosten in Höhe von mindestens 225 Euro an, wenn das Verfahren fortgesetzt würde. Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge blieb erfolglos. Sodann nahmen die Beschwerdeführenden die Berufung zurück, um die Auferlegung von Verschuldenskosten zu vermeiden.
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3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügen sie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG).
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II.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie ist unzulässig. Zwar ist die Belehrung des Landessozialgerichts, dass die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht mit einer Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht überprüft werden könne, offensichtlich fehlerhaft, denn § 177 SGG regelt ausdrücklich den Ausschluss der Beschwerde an das Bundessozialgericht.
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2. Doch legt die Verfassungsbeschwerde die Möglichkeit einer Verletzung der gerügten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte nicht in der gesetzlich geforderten, hinreichend substantiierten Weise dar (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG; vgl. BVerfGE 140, 229 232 Rn. 9> m.w.N.).
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Das Vorbringen lässt nicht erkennen, dass die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren den Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfGE 81, 347 356 ff.>) im sozialgerichtlichen Verfahren verletzt hätte. Das ist zwar nicht ausgeschlossen, wenn ein Gericht eine Frage bereits im summarischen Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe durchentscheidet, die verfassungsrechtlich umstritten ist. Mit einer solchen Deutung wären die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorausgesetzten "hinreichenden Erfolgsaussichten" (§ 114 Zivilprozessordnung - ZPO - in Verbindung mit § 73a SGG) des Berufungsverfahrens überspannt.
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Die Entscheidung des Landessozialgerichts beruht darauf, dass die Beschwerdeführenden keine substantiellen Zweifel an der verfassungskonformen Ermittlung der Regelbedarfe für das Jahr 2016 und 2017 erweckt haben. Die Verfassungsbeschwerde legt jedoch nicht dar, dass die Beschwerdeführenden im Berufungsverfahren hinreichend konkret vorgetragen haben, dass der Gesetzgeber für den streitigen Zeitraum den verfassungsrechtlichen, in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung konkretisierten Maßgaben nicht genügt hätte. Nur dann hätte das Landessozialgericht über diese Fragen nicht im Verfahren der Prozesskostenhilfe, sondern erst in der Hauptsache entscheiden dürfen. Auf der Grundlage des Vorbringens kann dies jedoch nicht festgestellt werden.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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