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BVerfG 10.02.2022 - 2 BvR 2247/19
BVerfG 10.02.2022 - 2 BvR 2247/19 - Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Freiheitsgrundrechts (Art 2 Abs 2 S 2 GG) iVm Art 104 Abs 2 S 1 GG durch zu Unrecht auf § 62 Abs 5 AufenthG aF gestützte vorläufige Ingewahrsamnahme eines ausreisepflichtigen Ausländers auf Anordnung der Ausländerbehörde - geplante Festnahme erfordert richterliche Haftanordnung
Normen
Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 104 Abs 2 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 62 Abs 5 S 1 Nr 2 AufenthG 2004, § 427 Abs 2 FamFG
Vorinstanz
vorgehend LG Düsseldorf, 20. November 2019, Az: 25 T 592/19, Beschluss
vorgehend AG Düsseldorf, 18. September 2019, Az: 152 A XIV (B) 61/18, Beschluss
vorgehend LG Düsseldorf, 29. März 2019, Az: 25 T 148/19, Beschluss
Tenor
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Der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 18. September 2019 - 152 A XIV (B) 61/18 - und der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 20. November 2019 - 25 T 592/18 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
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Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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1. Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein, stellte aber keinen Asylantrag. Der Landkreis Diepholz - Ausländerbehörde - (nachfolgend: die Ausländerbehörde) entschied mit Bescheid vom 22. September 2017 dahingehend, dass der Beschwerdeführer zur Ausreise verpflichtet sei, wobei eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt werde. Die Abschiebung werde nach Zustellung des Bescheides eingeleitet. Die Abschiebung konnte in der Folgezeit nicht durchgeführt werden, da der Beschwerdeführer untergetaucht war.
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Im März 2018 wurde der Beschwerdeführer in den Niederlanden aufgegriffen. Eine geplante Rücküberstellung nach Deutschland scheiterte, da der Beschwerdeführer erneut untergetaucht war.
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2. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: das BAMF) teilte der zuständigen Ausländerbehörde am 11. Juli 2018 mit, dass der Beschwerdeführer am 24. Juli 2018 aus der Schweiz nach Deutschland überstellt werde. Am 24. Juli 2018 um 8.06 Uhr beantragte die Ausländerbehörde bei dem Amtsgericht Düsseldorf (nachfolgend: das Amtsgericht) die Anordnung von Sicherungshaft gegen den Beschwerdeführer. In dem Haftantrag heißt es insbesondere, für den Fall, dass über den Antrag nicht sofort entschieden werden könne, werde beantragt, Sicherungshaft im Wege einstweiliger Anordnung anzuordnen. Weiter heißt es wörtlich:
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"Da der Antragsgegner am 24.07.2018 von der Schweiz zurück überstellt wird, ist Eile geboten. Für eine Festnahme ist daher der vorherige Beschluss über die Sicherungshaft, mindestens jedoch die Anordnung der Sicherungshaft im Wege der einstweiligen Anordnung durch das zuständige Amtsgericht erforderlich."
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In dem Haftantrag heißt es außerdem, die zuständige Landesaufnahmebehörde habe bereits mitgeteilt, dass die marokkanischen Behörden die Identität des Beschwerdeführers bestätigt und die Ausstellung von Passersatzpapieren zugesichert hätten. Zudem habe das Landeskriminalamt bereits bestätigt, dass die begleitete Abschiebung am 12. September 2018 stattfinden könne. Das Amtsgericht beschied den Antrag zunächst nicht.
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Am 24. Juli 2018 wurde der Beschwerdeführer gegen 10.10 Uhr überstellt, am Flughafen in behördlichen Gewahrsam genommen und im Anschluss daran - gegen 13.15 Uhr - dem Haftrichter des Amtsgerichts vorgeführt. Mit Beschluss vom selben Tage ordnete das Amtsgericht in der Hauptsache Abschiebungshaft bis zum 12. September 2018 an.
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3. Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 4. September 2018 die Aufhebung der Haft und die Feststellung, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts vom 24. Juli 2018 ihn in seinen Rechten verletzt habe. Außerdem beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung, dass die Ingewahrsamnahme am 24. Juli 2018 bis zum Erlass der Haftanordnung des Amtsgerichts rechtswidrig gewesen sei.
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a) aa) Mit angegriffenem Beschluss vom 8. Januar 2019 wies das Amtsgericht den Antrag auf Haftaufhebung und den Antrag auf Feststellung, dass die Entscheidung des Amtsgerichts vom 24. Juli 2018 den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt habe, zurück. In der Begründung der Entscheidung heißt es insbesondere, die Ausländerbehörde habe auch eine einstweilige Anordnung zum Zwecke der Festnahme beantragt. Soweit das Amtsgericht nicht über diesen Antrag entschieden habe, sei die Ausländerbehörde nach § 62 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (nachfolgend: AufenthG) berechtigt gewesen, den Beschwerdeführer vorläufig in Gewahrsam zu nehmen. Eine Entscheidung über den Antrag auf Feststellung, dass die Ingewahrsamnahme am 24. Juli 2018 bis zum Erlass der Haftanordnung des Amtsgerichts rechtswidrig gewesen sei, tenorierte das Amtsgericht jedoch nicht.
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bb) Die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts erhobene Beschwerde wies das Landgericht Düsseldorf (nachfolgend: das Landgericht) mit angegriffenem Beschluss vom 29. März 2019 zurück. Die vorläufige Ingewahrsamnahme am 24. Juli 2018 sei rechtmäßig gewesen. Eine richterliche Entscheidung "konnte nicht vorher eingeholt werden (…)". Zudem sei der Beschwerdeführer "sodann sehr zeitnah am 24. Juli 2018 dem Richter zur Entscheidung über die Haftanordnung vorgeführt [worden]."
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b) Der Beschwerdeführer wies das Landgericht darauf hin, dass seiner Auffassung nach eine Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme noch ausstehe. Zur Entscheidung sei zunächst das Amtsgericht berufen.
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aa) Daraufhin wies das Amtsgericht den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme mit angegriffenem Beschluss vom 18. September 2019 zurück. Der Ausländerbehörde sei zwar schon am 11. Juli 2018 bekannt gewesen, dass der Beschwerdeführer am 24. Juli 2018 um 10.10 Uhr rücküberstellt werden solle. Ob diese Rücküberstellung aber auch tatsächlich stattfinden würde, sei ungewiss gewesen. So sei eine vormals geplante Rücküberstellung aus den Niederlanden gescheitert. Erst mit der tatsächlichen Kenntnis darüber, dass sich der Beschwerdeführer im Flugzeug befinde und in Düsseldorf landen werde, sei die Ausländerbehörde in der Lage gewesen, eine richterliche Entscheidung über eine Ingewahrsamnahme herbeizuführen. Eine solche habe die Ausländerbehörde am 24. Juli 2018 "auf schnellstmöglichem Wege" beantragt. Da das Amtsgericht offenbar nicht rechtzeitig über diesen Antrag entschieden habe, sei die Ausländerbehörde gemäß § 62 Abs. 5 AufenthG a.F. berechtigt gewesen, die Ingewahrsamnahme selbst anzuordnen. Eine unverzügliche Vorführung vor das zuständige Gericht sei nach der Ingewahrsamnahme erfolgt.
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Der gegen die amtsgerichtliche Entscheidung erhobenen Beschwerde half das Amtsgericht mit Beschluss vom 4. Oktober 2019 nicht ab. Angesichts der Ungewissheit, ob eine Rückführung stattfinde, sei ein vorheriger richterlicher Haftbeschluss "unnötig" gewesen.
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bb) Das Landgericht wies die Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 20. November 2019 zurück. Bereits mit Beschluss vom 29. März 2019 habe die Kammer festgestellt, dass die vorläufige Ingewahrsamnahme am 24. Juli 2018 rechtmäßig gewesen sei. Eine richterliche Entscheidung "konnte nicht vorher eingeholt werden (…)". Zudem sei der Beschwerdeführer "sodann sehr zeitnah am 24. Juli 2018 dem Richter zur Entscheidung über die Haftanordnung vorgeführt" worden.
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Der Beschwerdeführer rüge, dass der Ausländerbehörde bereits seit dem 11. Juli 2018 die geplante Überstellung bekannt gewesen sei. Es habe sich daher um eine vom Tatbestand (gemeint: des § 62 Abs. 5 AufenthG a.F.) nicht erfasste planbare Festnahme gehandelt. Insoweit habe indessen das Amtsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass "die tatsächliche Durchführung" aus Sicht der Ausländerbehörde sowie auch bei objektiver Betrachtung ungewiss gewesen sei. Dies ergebe sich aus den "konkreten vorherigen Abläufe[n], unter anderem der vorherigen gescheiterten Rücküberstellung aus den Niederlanden".
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Unabhängig davon habe die Ausländerbehörde unmittelbar nach Kenntniserlangung davon, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich im Flugzeug befinde, noch rechtzeitig vor der Festnahme einen entsprechenden Antrag bei dem Amtsgericht angebracht und für eine unverzügliche Vorführung vor den Haftrichter Sorge getragen.
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II.
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Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Regelung verlange für jede geplante Festnahme eine vorangehende richterliche Entscheidung. Hier sei der Beschwerdeführer geplant festgenommen worden, ohne dass zuvor eine richterliche Entscheidung eingeholt worden sei.
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III.
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1. Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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2. Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Stellungnahme nach § 82 Abs. 4 BVerfGG in Verbindung mit § 41 GOBVerfG mitgeteilt, dass Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Richtervorbehalt aus § 415 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (nachfolgend: FamFG) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang keine Bedeutung erlangt hätten. Zur Rechtslage hat der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ausgeführt, dass das Anhörungserfordernis in Freiheitsentziehungssachen (§ 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG) einer richterlichen Haftanordnung vor der Festnahme eines Betroffenen nicht entgegenstehe. In den Fällen des § 427 Abs. 2 FamFG gelte eine Ausnahme von der Anhörungspflicht. Die Vorschrift sei gerade auch für geplante Festnahmen durch die Verwaltungsbehörden konzipiert. Bei geplanten Festnahmen sei eine vorherige richterliche Haftanordnung erforderlich. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der Aufenthaltsort des Betroffenen der Ausländerbehörde bekannt und dieser greifbar sei. Nicht erforderlich sei eine vorherige richterliche Haftanordnung dann, wenn die Festnahme eines Betroffenen beabsichtigt sei, aber nicht abgeschätzt werden könne, wo und wann man ihn aufgreifen werde.
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3. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (nachfolgend: das Bundesinnenministerium) hatte nach § 27a BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme. Zur Rechtslage hat das Bundesinnenministerium mitgeteilt, dass eine vorläufige Ingewahrsamnahme nach § 62 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nur dann erfolgen dürfe, wenn die Maßnahme nicht auch aufgrund einer richterlichen Anordnung der Sicherungshaft habe erfolgen können. Eine richterliche Haftanordnung könne nach § 427 Abs. 2 FamFG auch ohne vorherige Anhörung ergehen. Bei geplanten Festnahmen liege ein Fall des § 62 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vor. In diesen Fällen sei vielmehr eine richterliche Haftanordnung erforderlich, die auch nach § 427 Abs. 2 FamFG und damit ohne vorherige Anhörung ergehen könne. Ob eine Freiheitsentziehung geplant oder ungeplant sei, sei eine Frage des Einzelfalls. Wenn der Betroffene untergetaucht sei, handele es sich bei der späteren Ingewahrsamnahme allerdings nicht um eine geplante Festnahme.
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4. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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IV.
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Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 8. Januar 2019 und des Landgerichts vom 29. März 2019 richtet, ist sie unzulässig und daher nicht zur Entscheidung anzunehmen (unter 1.). Soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 18. September 2019 und des Landgerichts vom 20. November 2019 richtet, nimmt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt (unter 2.).
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1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Januar 2019 sowie gegen den Beschluss des Landgerichts vom 29. März 2019 wendet, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil es mit Blick auf den Streitgegenstand der Verfassungsbeschwerde an einer Beschwer durch die angegriffenen Entscheidungen fehlt.
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Der Beschwerdeführer rügt alleine die Verletzung des Richtervorbehalts aus Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Ingewahrsamnahme am 24. Juli 2018. Die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 8. Januar 2019 und des Landgerichts vom 29. März 2019 enthalten in den Gründen zwar Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme. Sie haben über diese - wovon auch der Beschwerdeführer ausgeht - jedoch nicht befunden. Er hat daher insoweit eine (ausdrückliche) Entscheidung erbeten.
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2. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 18. September 2019 und des Landgerichts vom 20. November 2019 wendet, ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden und die Verfassungsbeschwerde ist insoweit offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG.
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a) Für den schwersten Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem Vorbehalt des (förmlichen) Gesetzes aus Art. 104 Abs. 1 GG den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht (vgl. BVerfGE 10, 302 323>). Das dient der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Art. 104 Abs. 2 GG ist unmittelbar geltendes und anzuwendendes Recht (vgl. BVerfGE 10, 302 329>; 149, 293 332 f. Rn. 95>). Alle staatlichen Organe sind daher verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird (vgl. BVerfGE 103, 142 151 f.>; 105, 239 248>; 139, 245 267 f. Rn. 64>; 149, 293 333 Rn. 96>).
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Die Freiheitsentziehung erfordert grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung (vgl. nur BVerfGE 10, 302 321>; 22, 311 317>; 105, 239 248>), sodass die - zunächst - allein durch die Exekutive veranlasste Freiheitsentziehung eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme darstellt (vgl. Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Januar 2021, Art. 104 Rn. 76; vgl. auch Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 104 Rn. 43; Radtke, in: BeckOK GG, Art. 104 Rn. 20, Mai 2021). Eine nachträgliche richterliche Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck andernfalls nicht erreichbar wäre (vgl. BVerfGE 22, 311 317>; 105, 239 248>; 149, 293 334 Rn. 98>).
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Ob der Zweck der Freiheitsentziehung bei Abwarten einer richterlichen Entscheidung nicht erreicht werden kann und daher die Freiheitsentziehung ausnahmsweise ohne vorherige gerichtliche Anordnung erfolgen darf, bestimmt sich danach, ab wann die Ausländerbehörde eine Haftanordnung frühestmöglich hätte erwirken können. Maßgeblich ist, ob bezogen auf diesen Zeitpunkt der Zweck der Freiheitsentziehung gefährdet worden wäre, wenn die Ausländerbehörde sogleich eine richterliche Entscheidung beantragt hätte und diese zeitnah ergangen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Mai 2009 - 2 BvR 475/09 -, Rn. 18; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Mai 2009 - 2 BvR 2367/07 -, Rn. 19). Umgekehrt wird der Richtervorbehalt nicht ausgelöst, wenn und solange unklar ist, ob die Abschiebungs- und Abschiebungshaftvoraussetzungen vorliegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Mai 2009 - 2 BvR 475/09 -, Rn. 19).
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b) Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts vom 18. September 2019 und des Landgerichts vom 20. November 2019 nicht gerecht.
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aa) Dem Beschwerdeführer ist die Freiheit entzogen worden, ohne dass die Freiheitsentziehung zuvor von einem Richter angeordnet worden ist. Zwar hatte die Ausländerbehörde die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung cirka zwei Stunden vor der Ingewahrsamnahme beantragt. Zu einer Entscheidung über diesen Antrag kam es vor der Ingewahrsamnahme aber nicht mehr.
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bb) Die Ingewahrsamnahme des Beschwerdeführers ohne richterliche Anordnung war hier nicht ausnahmsweise zulässig. Nach Maßgabe des Fachrechts ist eine behördliche Ingewahrsamnahme nach § 62 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nur dann zulässig, wenn die richterliche Entscheidung über die Anordnung von Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden konnte. Dabei ist den norminternen Direktiven von Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG Rechnung zu tragen. Ob eine vorherige richterliche Entscheidung eingeholt werden konnte, ist daher danach zu bestimmen, ob dadurch der Zweck gefährdet worden wäre, dem die Freiheitsentziehung zu dienen bestimmt ist. Das war hier nicht der Fall.
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(1) Die Ausländerbehördebeabsichtigte, den Beschwerdeführerin Sicherungshaft zu nehmen. Aus der gesetzlichen Regelung des § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ergibt sich, dass die Anordnung der Haft "zur Sicherung der Abschiebung" erfolgt. Die Sicherung der Abschiebung ist danach der Zweck, dessen Gefährdung es erlauben kann, von einer vorherigen richterlichen Entscheidung abzusehen.
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(2) Weder das Amts- noch das Landgericht haben sich ausdrücklich mit der Frage befasst, ob dieser Zweck der Freiheitsentziehung durch eine vorherige richterliche Entscheidung gefährdet worden wäre. Das Amts- und das Landgericht stützen ihre ablehnenden Entscheidungen allerdings darauf, es sei "ungewiss" gewesen, ob die Überstellung des Beschwerdeführers aus der Schweiz nach Deutschland auch tatsächlich stattfinden würde. Diese Ausführungen sind zwar einem konkreten Tatbestandsmerkmal oder Obersatz nicht zugeordnet. Bei verständiger Würdigung gehen die Fachgerichte aber davon aus, es habe sich hier um eine ungeplante Festnahme oder jedenfalls um eine solche Situation gehandelt, die mit der ungeplanten Festnahme vergleichbar sei.
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(3) Dass eine vorherige richterliche Haftanordnung in Fällen der ungeplanten Festnahme eines untergetauchten Betroffenen nicht erforderlich ist, ist fachrechtlich anerkannt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. August 2009 - 3 W 129/09 -, juris, Rn. 8 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 15. Dezember 2009 - I-15 Wx 333/09 -, juris, Rn. 4 ff.; Bergmann/Putzar-Sattler, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 62 Rn. 45; Drews, in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 428 Rn. 3; Göbel, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 427 Rn. 12). Gegen diese Rechtsauffassung bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, solange das Untertauchen des Betroffenen mit Unklarheiten hinsichtlich des Vorliegens der Abschiebungs- oder Abschiebungshaftvoraussetzungen, insbesondere der Möglichkeit einer zeitnahen Abschiebung, einhergeht. Die Situation einer ungeplanten Festnahme stellt sich unter dieser Voraussetzung als eine solche Situation dar, bei der die Einholung einer richterlichen Haftanordnung vor der Festnahme den Zweck der Maßnahme - die Sicherung der Abschiebung - gefährden würde: Erst in diesem und für diesen Moment verdichtet sich die Erkenntnislage für die zuständige Behörde dahingehend, dass das Vorliegen der Abschiebungs- und Abschiebungshaftvoraussetzungen feststeht. Gleichzeitig kann die Behörde des Betroffenen typischerweise nur in diesem Moment habhaft werden. Der Umstand allein, dass eine Festnahme ungeplant erfolgt, rechtfertigt die Ingewahrsamnahme verfassungsrechtlich jedoch noch nicht. Vielmehr bleibt maßgeblich, ob der Zweck der Freiheitsentziehung durch die Einholung einer richterlichen Entscheidung gefährdet worden wäre.
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(4) Im vorliegenden Fall wäre der Zweck der Freiheitsentziehung durch eine vorherige richterliche Anordnung nicht gefährdet worden. Abzustellen ist dabei auf einen Zeitpunkt deutlich vor dem 24. Juli 2018 (unter (a)). Bezogen auf diesen Zeitpunkt ergeben sich für eine Zweckgefährdung keine Anhaltspunkte (unter (b)).
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(a) Die Ausländerbehörde hätte eine Haftanordnung bereits deutlich vor dem 24. Juli 2018 erwirken können. Maßgeblich ist dabei die Situation, die sich bei einer frühzeitigen Stellung des Haftantrags ergeben hätte.
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Die Erkenntnislage der Ausländerbehörde und ihre Festnahmeabsicht hatten sich hier bereits in der Zeit ab dem 11. Juli 2018 dahingehend verdichtet, dass der Beschwerdeführer nach der Überstellung festgenommen werden sollte. Am 11. Juli 2018 hatte das BAMF der Ausländerbehörde mitgeteilt, dass die Schweiz die Überstellung des Beschwerdeführers beabsichtige. Die Ausländerbehörde hatte im Anschluss an diese Mitteilung bereits organisatorische Anstrengungen unternommen, um nach erfolgter Überstellung des Beschwerdeführers die Abschiebung durchzuführen. So ergibt sich aus dem Haftantrag, dass die Ausländerbehörde mit anderen Behörden in Kontakt stand. Dort heißt es insbesondere, die Landesaufnahmebehörde habe bereits mitgeteilt, dass die marokkanischen Behörden die Identität des Beschwerdeführers bestätigt und die Ausstellung von Passersatzpapieren zugesichert hätten. Zudem habe das Landeskriminalamt bereits bestätigt, dass die begleitete Abschiebung am 12. September 2018 stattfinden könne. Auch ist dem Haftantrag nicht zu entnehmen, dass sich zwischen der Mitteilung der Überstellungsabsicht durch das BAMF am 11. Juli 2018 und dem 24. Juli 2018 an der Erkenntnislage der Ausländerbehörde über die tatsächliche Durchführung der Überstellung etwas geändert hätte.
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Die Erkenntnislage der Ausländerbehörde und ihre Festnahmeabsicht waren auch nicht deswegen mit rechtlich relevanten Zweifeln behaftet, weil die Überstellung noch hätte scheitern können. Wenn eine richterliche Haftanordnung vor der Ingewahrsamnahme eines Betroffenen ergeht, ist vielmehr typischerweise unsicher, ob die Vollstreckung der Haftanordnung gelingen wird. Dies ändert aber nichts daran, dass die Ausländerbehörde hier eine nach Zeit und Ort konkret bestimmte Festnahmeabsicht verfolgt hat, bei der die vorherige Einholung einer richterlichen Entscheidung möglich war.
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(b) Es ergeben sich keine Anhaltpunkte dafür, dass eine vorherige richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung deren Zweck gefährdet hätte, wenn der Haftantrag rechtzeitig gestellt worden und eine richterliche Haftanordnung ergangen wäre. Daher lagen die Voraussetzungen von § 62 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vor. Hätte die Ausländerbehörde bereits vor dem 24. Juli 2018 die Sicherungshaft beantragt und hätte das Amtsgericht daraufhin eine entsprechende Entscheidung getroffen, hätte der Beschwerdeführer ebenso nach seiner Ankunft in Deutschland festgenommen werden können, wie dies hier - allerdings ohne richterliche Entscheidung - geschehen ist. Gegen eine Zweckgefährdung spricht auch, dass dem Beschwerdeführer die Entscheidung über die Haftanordnung nicht vorab hätte mitgeteilt werden müssen, wenn dies den Zweck des Verfahrens gefährdet hätte, § 431 Satz 1 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 FamFG.
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cc) Dass rechtliche Hindernisse einer früheren Antragstellung entgegengestanden hätten, ist den fachgerichtlichen Entscheidungen nicht zu entnehmen. Selbst wenn die Haftvoraussetzungen nach Maßgabe des Fachrechts erst dann vorgelegen haben sollten, als die Überstellung auf deutsches Staatsgebiet erfolgt war, hätte dies eine frühere Entscheidung nicht erkennbar gehindert.
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Bereits nach Auffassung der Ausländerbehörde selbst stand einer früheren richterlichen Haftanordnung nicht entgegen, dass es nicht möglich gewesen wäre, den Beschwerdeführer vor der Entscheidung anzuhören. So heißt es in dem Haftantrag, dass Eile geboten sei, da der Antragsgegner am 24. Juli 2018 aus der Schweiz überstellt werde. Für eine Festnahme sei daher "der vorherige Beschluss über die Sicherungshaft (…) erforderlich." Demnach hat die Ausländerbehörde am Morgen des 24. Juli 2018 eine richterliche Haftanordnung gerade (doch) noch vor der Ingewahrsamnahme angestrebt, wenngleich eine entsprechende Entscheidung nicht mehr ergangen ist.
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Das Fachrecht sieht zudem in § 427 Abs. 2 FamFG die grundsätzliche Möglichkeit vor, die Haft bereits vor der persönlichen Anhörung anzuordnen. Auch der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs und das Bundesinnenministerium haben in ihren Stellungnahmen eine entsprechende Rechtsauffassung vertreten. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift im vorliegenden Fall gegeben waren, haben indessen zunächst die Fachgerichte zu beurteilen. Dasselbe gilt für die Frage, auf welchen Zeitraum sich eine vorläufige Haftanordnung ohne vorherige persönliche Anhörung hätte beziehen dürfen.
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dd) Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem vorliegenden Verstoß gegen den Richtervorbehalt aus Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 52, 131 152 f.>; 89, 381 392 f.>). Das Amts- und das Landgericht gehen auf die Anforderungen, die der Richtervorbehalt stellt, in ihren Entscheidungen nicht ein. Tatsächlich war eine vorherige richterliche Anordnung hier von Verfassungs wegen geboten.
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3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 369 f.>).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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