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BVerfG 10.06.2020 - 2 BvR 297/20
BVerfG 10.06.2020 - 2 BvR 297/20 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses für Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem § 80 Abs 5 VwGO in einer Asylsache verletzt den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 34 Abs 1 AsylVfG 1992, § 36 Abs 3 S 1 AsylVfG 1992, § 71a Abs 3 S 1 AsylVfG 1992, § 71a Abs 4 AsylVfG 1992, § 50 Abs 1 AufenthG 2004, § 58 Abs 1 S 1 AufenthG 2004, § 59 AufenthG 2004, § 60 Abs 1 VwGO, § 60 Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO, § 80 Abs 7 S 2 VwGO
Vorinstanz
vorgehend VG Berlin, 17. Januar 2020, Az: 9 L 794.19 A, Beschluss
Tenor
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Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Januar 2020 - VG 9 L 794.19 A - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht
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Berlin zurückverwiesen. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 (in Worten: zehntausend) Euro festgesetzt.
Gründe
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I.
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1. Der 40jährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stellte im März 2019 einen Asylantrag in Deutschland.
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2. Mit Bescheid vom 28. November 2019 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen und drohte dem Beschwerdeführer die Abschiebung nach Afghanistan an. Der Asylantrag sei unzulässig, weil der Beschwerdeführer bereits in Schweden erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen habe und die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alternative 2, § 71a AsylG.
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3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht Berlin und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen (§ 80 Abs. 5 VwGO).
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4. Mit Beschluss vom 17. Januar 2020, bekanntgegeben am 21. Januar 2020, wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zurück. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 71a Abs. 4, § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG sei unzulässig. Dem Beschwerdeführer fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Nach der Berliner Weisungslage und Praxis für ausreisepflichtige Personen aus Afghanistan werde die nach § 58 Abs. 1 AufenthG gesetzlich angeordnete Abschiebung nicht durchgesetzt. Die im Land Berlin geltende Weisung "VAB E Afghanistan 1" sehe Abschiebungen von ausreisepflichtigen Personen aus Afghanistan nur für Straftäter - Strafen von weniger als 50 Tagessätzen beziehungsweise 90 Tagessätzen nach aufenthaltsrechtlichen Vorschriften blieben außer Betracht -, Gefährder und Personen vor, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern. Eine Abschiebung sei zudem nur nach Zustimmung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zulässig, die von der Ausländerbehörde vor jeder beabsichtigten Abschiebung erbeten werden müsse. Danach drohe dem Beschwerdeführer keine Abschiebung; er unterfalle weder nach Aktenlage noch nach seinem eigenen Vorbringen einer der vorgenannten Gruppen. Seine Aliasidentität beschränke sich auf eine geringe Abweichung hinsichtlich seines Geburtsortes. Dass die Ausländerbehörde in Berlin Personen, die nicht unter die oben genannten drei Gruppen fielen, zwangsweise nach Afghanistan zurückführe, sei nicht ersichtlich. Ebenso wenig sei ersichtlich, dass die Senatsverwaltung auch nur in einem einzigen Fall bei einer solchen Person eine Zustimmung zur Abschiebung erteilt habe oder erteilen werde. Dementsprechend heiße es in dem Schreiben des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration vom 19. Mai 2017 an die Mitarbeiter von Beratungsstellen, Vereinen und Projekten, dass Abschiebungen nach Afghanistan in den letzten Jahren aus Berlin nicht erfolgt seien und jede vorgesehene Abschiebung unter dem Vorbehalt der Zustimmung stehe, was in den letzten Jahren zu keiner einzigen Rückführung geführt habe. Hiermit korrespondierten die Angaben des Pressesprechers des Senators für Inneres und Sport vom Juli 2018, wonach sich die SPD-Innenminister und -senatoren darauf verständigt hätten, auch weiterhin nur bestimmte Einzelpersonen - namentlich Gewalttäter, Vergewaltiger und Gefährder - nach Afghanistan abzuschieben. Anhaltspunkte dafür, dass die mit der Fassung vom 19. Juli 2019 in der Formulierung leicht geänderte Weisung hieran etwas geändert hätte, seien nicht ersichtlich. Für den Beschwerdeführer ergäbe sich aus der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auch sonst keine bessere Rechtsstellung. Würde dem Anordnungsantrag stattgegeben, würde der Beschwerdeführer lediglich in den Besitz einer Duldung gelangen. Werde der Anordnungsantrag abgelehnt, würde der Beschwerdeführer aber ebenfalls eine Duldung erhalten, nämlich aufgrund der oben erwähnten Weisung (i.V.m. einer Selbstbindung der Verwaltung) nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.
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5. Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2020 regte der Beschwerdeführer an, den Beschluss vom 17. Januar 2020 abzuändern. Sein Antrag sei sehr wohl geeignet, seine Rechtsstellung zu verbessern: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Weisungslage in Berlin bis zum Abschluss des Klageverfahrens ändere; eine positive Entscheidung im Eilverfahren gäbe ihm die Sicherheit, nicht vor Abschluss des Klageverfahrens abgeschoben zu werden. Darüber hinaus stehe ihm im Falle einer positiven Entscheidung im Eilverfahren ein gebundener Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zu.
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6. Mit Schreiben vom 12. Februar 2020 erklärte das Verwaltungsgericht, dass der Beschluss vom 17. Januar 2020 nicht abgeändert werde; insbesondere habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit, im Falle einer - derzeit nicht zu erwartenden - Änderung der Weisungslage in Berlin erneut einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu stellen.
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II.
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1. Der Beschwerdeführer hat am 20. Februar 2020 gegen den Beschluss vom 17. Januar 2020 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er rügt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
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Das Verwaltungsgericht schaffe durch die Prüfung der "konkret drohenden Vollziehung" der Abschiebungsandrohung eine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die es nicht gebe. Es sei ihm, dem Beschwerdeführer, nicht zuzumuten, mit dem Eilantrag abzuwarten, bis ein Vollzug der Abschiebungsandrohung konkret drohe. Die abstrakte Gefahr einer Abschiebung bestehe trotz der aktuellen Weisungslage. Er könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass er im Falle einer Änderung der Weisungslage einen erneuten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage stellen könne; insbesondere sei nicht sichergestellt, dass er von einer Änderung (rechtzeitig) erfahre. Der angegriffene Beschluss habe schließlich auch den negativen Effekt, dass ihm kein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zustehe.
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2. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundesamt und die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Berlin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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III.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
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1. Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
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a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 326>; 67, 43 58>; 96, 27 39>; 104, 220 231>; stRspr). Die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Diese treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne gerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl. BVerfGE 94, 166 213>; 96, 27 39>; 104, 220 231>).
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Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 96, 27 39>). Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. BVerfGE 61, 126 135>). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Vorbemerkung § 40 Rn. 30 m.w.N.). Ein Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, solange der Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann (vgl. BVerfGE 104, 220 232>).
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Ein zulässiger Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO setzt ein schutzwürdiges Interesse an dem erstrebten Rechtsschutzziel voraus. Davon ist, wenn alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, im Normalfall grundsätzlich auszugehen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch ausnahmsweise, wenn die gerichtliche Eilentscheidung für den Antragsteller von vornherein nutzlos erscheint, weil die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu keiner Verbesserung der Rechtsstellung des Antragstellers führen könnte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 1991 - 11 S 1157/91 -, juris, Rn. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2000 - 5 B 1956/99 -, juris, Rn. 2; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juli 2011 - OVG 2 S 34.11 -, juris, Rn. 3; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 80 Rn. 492 f. m.w.N.). Darüber hinaus liegt ein Rechtsschutzbedürfnis nicht vor, wenn auch ohne eine Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine Vollziehung des Verwaltungsakts ausgeschlossen ist (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 136).
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b) Dies zugrunde gelegt, ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Beschwerdeführer fehle das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht uneingeschränkt vereinbar.
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aa) Das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers ergibt sich bereits daraus, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ein Vollzug in Form der Abschiebung nicht ausgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer ist vollziehbar ausreisepflichtig und ihm droht deshalb aufgrund der vom Bundesamt erlassenen Abschiebungsandrohung (§ 59 AufenthG i.V.m. § 71a Abs. 4, § 34 Abs. 1 AsylG) potenziell die Abschiebung (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 AufenthG). Die Berliner Weisungslage schließt die damit verbundenen Risiken nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit aus. Schon aus dem Schreiben der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales an Mitarbeitende von Beratungsstellen, Vereinen und Projekten vom 19. Mai 2017 ergibt sich, dass die Berliner Weisungslage ausdrücklich keinen "förmlichen Abschiebungsstopp nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins" darstellt. Zwar regeln die Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde Berlin "VAB E Afghanistan 1" (Stand: 19. Juli 2019), dass, wenn die Voraussetzungen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht vorliegen, in allen Fällen eine Zustimmungsvorlage durch die Ausländerbehörde erfolgt und zu diesem Zweck Vorgänge von Straftätern (über einer bestimmten Bagatellgrenze) und von Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern, zu übersenden sind. Jedoch heißt es in dem Schreiben: "Ist im Einzelfall keines der unter den drei oben genannten Spiegelstrichen genannten Kriterien erfüllt, ist dies in der Vorlage entsprechend zu vermerken". Daraus folgt, dass eine Abschiebung auch in anderen als den genannten Fällen geprüft wird und rechtlich nicht ausgeschlossen ist. Darüber hinaus handelt es sich bei den zitierten Schreiben lediglich um interne Verwaltungsvorschriften, von denen auch nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung aus sachlichen Gründen in Einzelfällen abgewichen und die aus denselben Gründen jederzeit geändert werden können (vgl. BVerfGE 73, 280 299 f.>; 111, 54 108>; 116, 135 153 f.>; BVerwGE 104, 220 221 f.>; 126, 33 51 ff.>). Ob der Beschwerdeführer von einer solchen Änderung (rechtzeitig) erfahren würde, steht nicht fest, ist jedoch auch unerheblich, da sich die Verschlechterung seiner Rechtsposition durch die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses bereits daraus ergibt, dass er jedenfalls einen erneuten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen und gegebenenfalls das Risiko einer zwischenzeitlichen, für ihn nachteiligen Rechtsänderung tragen müsste.
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bb) Darüber hinaus ist die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch geeignet, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers zu verbessern, weil damit die mit der Zweitantragstellung verbundene Duldungsfiktion (§ 71a Abs. 3 Satz 1 AsylG) wiederauflebt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kommt es dabei nicht darauf an, dass der Beschwerdeführer auch im Falle der Ablehnung seines Eilantrages möglicherweise eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG erhalten würde. Die Entscheidung über die Erteilung einer Duldung aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen steht nämlich im Ermessen der Ausländerbehörde. Auch wenn das Ermessen aufgrund der Berliner Weisungslage in Verbindung mit einer Selbstbindung der Verwaltung auf Null reduziert sein mag, setzt die Erteilung einer Duldung jedenfalls aber ein weiteres Tätigwerden des Betroffenen sowie der zuständigen Ausländerbehörde voraus. Sollte diese die Erteilung einer Duldung verweigern, müsste der Beschwerdeführer ein weiteres gerichtliches Verfahren anstrengen. All dies könnte er durch die kraft Gesetzes eintretende Duldungsfiktion nach § 71a Abs. 3 Satz 1 AsylG vermeiden.
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cc) Schließlich ist noch auf weitere prozessuale Risiken hinzuweisen: Wird ‒ wie vorliegend ‒ vom Bundesamt ein Zweitantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angedroht, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen (§ 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Folgt ein Ausländer der Annahme des Verwaltungsgerichts und stellt mangels Rechtsschutzbedürfnisses zunächst keinen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, wäre ein solcher bei einer Änderung der Berliner Weisungslage nach Ablauf der Wochenfrist verfristet. In diesem Fall schiede ein Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO aus, weil es an einem zu ändernden Beschluss des Gerichts fehlte. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO dürfte ebenfalls nicht in Betracht kommen, da dieser nach § 123 Abs. 5 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO gilt. Schließlich ist fraglich, ob wegen der versäumten Antragsfrist ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO vorläge; zudem wären weitere Fristerfordernisse zu beachten. Jedenfalls aber schiede eine Wiedereinsetzung nach Ablauf eines Jahres aus (vgl. § 60 Abs. 3 VwGO). Im Ergebnis wäre einstweiliger Rechtsschutz also erschwert, wenn nicht praktisch ausgeschlossen. Eine solche Erschwerung der Durchsetzung eines Rechtsschutzbegehrens muss der Rechtssuchende vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG nicht hinnehmen.
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2. Der angegriffene Beschluss beruht auch auf der festgestellten Grundrechtsverletzung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gekommen wäre.
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IV.
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Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 2020 war gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Dadurch erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer nach § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>; BVerfGK 20, 336 337 f.>).
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