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BVerfG 01.08.2013 - 1 BvR 2515/12
BVerfG 01.08.2013 - 1 BvR 2515/12 - Nichtannahmebeschluss: Anforderungen der Gewährleistung des gesetzlichen Richters und des Rechtsschutzanspruch an Revisionszulassung im Zivilprozess - hier: keine grundsätzliche Bedeutung der Sache bei Anwendung anerkannter Rechtssätze auf konkreten Einzelfall - daher keine Revisionszulassung geboten - jedoch Bedenken gegen konkrete Anwendung der etablierten Maßstäbe des BGH in angegriffener Entscheidung
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 UrhG, § 24 UrhG, § 543 Abs 2 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend OLG Frankfurt, 27. März 2012, Az: 11 U 66/11, Urteil
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in einem urheberrechtlichen Rechtsstreit.
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1. Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens machte Ansprüche wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen an ihrer Habilitationsschrift durch die Übernahme zahlreicher Textpassagen durch einen der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter) geltend.
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Die gegen die Klageabweisung durch das Landgericht gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin wurde durch das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, dass die Beschwerdeführerin nicht nach § 97 Abs. 1 UrhG Unterlassung der Verbreitung beziehungsweise Vervielfältigung des beanstandeten Textes verlangen könne. Allerdings handele es sich bei ihrem Werk um ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, obwohl die wissenschaftliche Lehre und das wissenschaftliche Ergebnis frei und jedermann zugänglich seien. Denn die Beschwerdeführerin habe eine bestimmte Reihenfolge der Darstellung gewählt, bestimmte Schwerpunkte gesetzt, bestimmte Fakten miteinander verknüpft, ausgewertet und Schlussfolgerungen gezogen sowie ihrem Werk eine bestimmte sprachliche Gestaltung gegeben.
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Das Werk des Beklagten verletze dennoch nicht das Urheberrecht der Beschwerdeführerin, weil es sich um eine freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG und nicht um eine abhängige Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG handele. Eine freie Benutzung setze voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des benutzten Werks verblassten. Dabei sei zunächst durch Vergleich zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden seien. Die sprachliche Gestaltung des Werks des Beklagten halte einen ausreichenden Abstand zum Werk der Beschwerdeführerin. Die zahlreichen Ähnlichkeiten zwischen beiden Werken beruhten weit überwiegend auf per se nicht schutzfähigen inhaltlichen Übereinstimmungen. Auf die Übernahme von Auswertungen Dritter könne sich die Beschwerdeführerin nicht berufen. Bezüglich ihrer eigenen Auswertungen liege ein zulässiges und auch als solches gekennzeichnetes wissenschaftliches Kleinzitat vor. Dass der Beklagte überwiegend solche Fakten und Beispiele erwähne, die sich auch bei der Beschwerdeführerin fänden, sei im konkreten Fall nur von eingeschränkter Relevanz. Zwar komme gerade bei wissenschaftlichen Werken auch der Auswahl des präsentierten Materials in der Regel ein eigenschöpferischer Gehalt zu. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass angesichts der offensichtlich erschöpfenden Behandlung des Themas durch die Beschwerdeführerin überhaupt noch andere in gleicher Weise einschlägige Beispiele zu finden seien. Unter den von der Beschwerdeführerin behandelten Beispielen habe der Beklagte seinerseits eine Auswahl getroffen und eine andere Gewichtung als die Beschwerdeführerin vorgenommen. Aufbau, Gliederung und Gewichtung der einzelnen Inhalte im Werk des Beklagten wichen von dem der Beschwerdeführerin ab, wobei sich ein grundsätzlich chronologischer Aufbau durch das Thema geradezu aufdränge und deshalb als solcher nicht als eigenschöpferische Leistung der Beschwerdeführerin angesehen werden könne. Der Aufbau der einzelnen Passagen weiche von jenem der Beschwerdeführerin ab.
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Die Revision sei nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderten. Denn die Entscheidung beruhe auf der Anwendung anerkannter Rechtssätze im konkreten Einzelfall.
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2. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt die Verletzung ihres Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Durch die Nichtzulassung der Revision habe ihr das Oberlandesgericht willkürlich den Zugang zur Revision versperrt. Es habe die Nichtzulassung der Revision nicht begründet, sondern sich lediglich auf den Gesetzeswortlaut beschränkt. Nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO habe die Revision zugelassen werden müssen, weil es um die grundsätzliche Bedeutung der Fragen gehe, ob inhaltliche Elemente den Urheberrechtsschutz eines wissenschaftlichen Werks begründen könnten und ob infolgedessen inhaltliche Übernahmen aus diesem Werk das Urheberrecht daran verletzen könnten. Hierzu würden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das Oberlandesgericht habe den inhaltlichen Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten in den Formulierungen, der Auswahl und der Anordnung des Stoffes keine Bedeutung beigemessen. Das angegriffene Urteil widerspreche damit höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidungen, in denen die Schutzfähigkeit wissenschaftlicher Werke anerkannt und die umfangreichen inhaltlichen Übernahmen und inhaltlichen Entlehnungen für unzulässig erklärt worden seien.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
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1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), weil die durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bereits durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 90, 22 24 f.>).
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2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten verfassungsmäßigen Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat.
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a) Die Entscheidung eines Gerichts, die Revision nicht zuzulassen, verstößt gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sie willkürlich ist (vgl. BVerfGE 19, 38 42 f.>; 87, 282 284 f.>; BVerfGK 2, 202 204>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. März 2012 - 1 BvR 2365/11 -, NJW 2012, S. 1715). Mit dem für den Bereich des Zivilprozesses durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleisteten Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 99 107>) ist es unvereinbar, wenn eine Auslegung und Anwendung der Zulassungsvoraussetzungen für ein Rechtsmittel sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 137>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11 -).
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b) Nach diesen Maßstäben verletzt die Nichtzulassung der Revision weder den Anspruch auf den gesetzlichen Richter noch das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Das Oberlandesgericht hat die Nichtzulassung damit begründet, dass die Entscheidung auf einer Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall beruhe. Es ist nicht erkennbar, dass das Oberlandesgericht mit dieser Begründung die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision in verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbarer Weise verneint hat.
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Im Falle einer Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vor (vgl. dazu BGHZ 154, 288 291 ff.>), weil die Sache keine für eine Vielzahl von Fällen bedeutsame klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, eine höchstrichterliche Orientierungshilfe nicht mehr erforderlich ist und es keine in Divergenz zu anderer Rechtsprechung beantwortete Rechtsfrage gibt, die durch das Revisionsgericht zu korrigieren wäre.
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Die Prüfung, ob es sich bei der Habilitationsschrift der Beschwerdeführerin um ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk handelt, beruht auf einer Anwendung einschlägiger Rechtssätze des Bundesgerichtshofs. Die Rechtsfrage, inwieweit inhaltliche Elemente den Urheberrechtsschutz eines wissenschaftlichen Werks begründen können, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Hiernach kann die Sammlung, Anordnung und Darbietung wissenschaftlichen Materials schutzfähig sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Dezember 1979 - I ZR 157/77 -, GRUR 1980, S. 227 230> "Monumenta Germaniae Historica"). In Anwendung dieser und weiterer Maßstäbe des Bundesgerichtshofs (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 21. November 1980 - I ZR 106/78 -, GRUR 1981, S. 352 "Staatsexamensarbeit" und BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010 - I ZR 12/08 -, GRUR 2011, S. 134 "Perlentaucher") hat das Oberlandesgericht eine Schutzfähigkeit des Sprachwerks der Beschwerdeführerin aufgrund einer bestimmten Reihenfolge in der Darstellung, der Bildung bestimmter Schwerpunkte, der Verknüpfung bestimmter Fakten, Auswertung und Ziehung von Schlussfolgerungen sowie der sprachlichen Darstellung angenommen.
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Das Oberlandesgericht konnte die Beurteilung, ob eine freie (§ 24 UrhG) oder eine unfreie (§ 23 UrhG) Bearbeitung vorliegt, ebenfalls als Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den konkreten Fall ansehen. Die hierfür herangezogenen Prüfungsmaßstäbe hat es der höchstrichterlichen Rechtsprechung entnommen. Hiernach kommt es entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werks hält, wobei eine freie Benutzung voraussetzt, dass angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des benutzten Werks verblassen (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010 - I ZR 12/08 -, GRUR 2011, S. 134 137> "Perlentaucher"). Dabei ist durch Vergleich zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind (BGH, Urteil vom 8. Juli 2004 - I ZR 25/02 -, GRUR 2004, S. 855 "Hundefigur").
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Bei der Prüfung, ob das Werk des Beklagten einen ausreichenden Abstand zum Werk der Beschwerdeführerin hält, hat das Oberlandesgericht die bereits bei der Prüfung der Schutzfähigkeit des wissenschaftlichen Werks der Beschwerdeführerin herangezogenen Rechtssätze zugrunde gelegt (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 7. Dezember 1979 - I ZR 157/77 -, GRUR 1980, S. 227 230> "Monumenta Germaniae Historica"). Soweit es die inhaltlichen Entlehnungen des Beklagten hinsichtlich des ausgewählten Materials nicht als unfreie Benutzung im Sinne des § 23 UrhG angesehen hat, handelt es sich ebenfalls um die Anwendung höchstrichterlicher Rechtssätze, auch wenn es dabei zu einem anderen Ergebnis als eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1981 - I ZR 95/79 -, GRUR 1982, S. 37 39 f.> "WK-Dokumentation") gelangt sein mag.
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Die Anwendung der etablierten Maßstäbe des Bundesgerichtshofs durch das Oberlandesgericht begegnet allerdings Bedenken. Das Oberlandesgericht lehnt die grundsätzlich anerkannte Schutzfähigkeit der Materialauswahl der Beschwerdeführerin wegen ihrer erschöpfenden Behandlung des Themas ab und sieht einen ausreichenden Abstand ihres Werks zu dem des Beklagten des Ausgangsverfahrens darin, dass letzterer aus den Beispielen der Beschwerdeführerin eine Auswahl getroffen und eine andere Gewichtung gewählt habe. Das Oberlandesgericht prüft aber nicht, inwieweit dieses partielle Kopieren des Ertrages der wissenschaftlichen Arbeit der Beschwerdeführerin eine eigene Schöpfungshöhe aufweist und damit eine Verletzung von Urheberrechten der Beschwerdeführerin ausschließt. Diese Bedenken betreffen jedoch lediglich die einfachrechtliche Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den Einzelfall und erfüllen damit nicht die Voraussetzungen eines Revisionszulassungsgrundes, dessen Missachtung von Verfassungs wegen zu beanstanden wäre.
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III.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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