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BVerfG 05.10.2012 - 1 BvL 17/12
BVerfG 05.10.2012 - 1 BvL 17/12 - Mangels hinreichender Begründung unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs 5 des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (juris: PassivrauchSchG HA) idF vom 15.12.2009 - Differenzierung zwischen Schank- und Speisewirtschaften
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 100 Abs 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 2 Abs 1 Nr 9 PassivrauchSchG HA vom 15.12.2009, § 2 Abs 5 PassivrauchSchG HA vom 15.12.2009
Vorinstanz
vorgehend AG Hamburg, 12. Juli 2012, Az: 237 OWi 2104 Js 1105/11 (325/11), Vorlagebeschluss
Gründe
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I.
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Die Vorlage betrifft § 2 Abs. 5 des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz - HmbPSchG) vom 11. Juli 2007 (GVBl S. 211) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes vom 15. Dezember 2009 (GVBl S. 506; im Folgenden: HmbPSchG a.F.).
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1. Die vorgelegte Regelung des § 2 Abs. 5 HmbPSchG a.F. (seit dem 1. September 2012 § 2 Abs. 4 HmbPSchG) enthält eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Rauchverbot in Gaststätten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 HmbPSchG. Die Vorschrift lautet:
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(5) Gaststätten gemäß Absatz 1 Nummer 9 sind vom Rauchverbot ausgenommen, wenn es sich um Gaststätten mit nur einem Gastraum mit einer Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern handelt, die keine zubereiteten Speisen anbieten und nicht über eine entsprechende Erlaubnis nach § 3 des Gaststättengesetzes verfügen und Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist.
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2. Die Betroffene des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Betroffene) ist Geschäftsführerin einer GmbH, die eine Gaststätte betreibt. Diese besteht aus zwei Gasträumen zu 36,42m² und zu 35,90m², deren rauchfreie Trennung aus baulichen Gründen nicht möglich ist. Das vorlegende Gericht sieht die Räume daher als einen Gastraum im Sinne des Gesetzes an. Bei der Gaststätte handelt es sich um eine "Raucherkneipe", worauf mit einem Schild an der Eingangstüre hingewiesen wird. Personen unter 18 Jahren wird der Zutritt zu der Gaststätte verwehrt.
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Die zuständige Behörde setzte gegen die Betroffene mit Bescheid vom 29. Juli 2011 eine Geldbuße fest, weil es diese im April 2011 unterlassen habe, einen Verstoß gegen das Rauchverbot zu verhindern. Gegen diesen Bescheid erhob die Betroffene Einspruch.
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3. Mit Beschluss vom 12. Juli 2012 hat das Amtsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 2 Abs. 5 HmbPSchG a.F. mit Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit nach dieser Regelung Gaststätten mit nur einem Gastraum mit einer Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern nur dann vom Rauchverbot ausgenommen sind, soweit sie lediglich Getränke anbieten und die Ausnahme entfällt, wenn zubereitete Speisen angeboten werden.
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a) Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift sei entscheidungserheblich. Die Entscheidung über den Einspruch im Ausgangsverfahren hänge davon ab, ob die Differenzierung zwischen Speise- und Schankwirtschaften verfassungsgemäß sei. Wäre die Bestimmung verfassungswidrig, bestünde für die Betroffene zumindest die Möglichkeit, eine für sie günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Dies genüge in Fällen des gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 5 HmbPSchG a.F. dahingehend, dass das Rauchen auch in Speisewirtschaften erlaubt werden dürfe, sei wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht möglich.
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b) Das vorlegende Gericht ist von der Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 5 HmbPSchG a.F. überzeugt.
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Die Vorschrift verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil Speisewirtschaften ohne sachliche Rechtfertigung anders behandelt würden als Schankwirtschaften. Der Antrag auf Änderung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes, mit dem die Unterscheidung von Speise- und Schankwirtschaften eingeführt worden sei, enthalte keine Begründung dieser Differenzierung. Das Argument, Angestellte müssten sich in Speisewirtschaften häufiger in Raucherräumen aufhalten, rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht, denn Angestellte in Speisewirtschaften seien nicht schutzwürdiger als solche in Schankwirtschaften. Mit der gesetzlichen Differenzierung würde in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise eine identische Gefährdungslage unterschiedlich behandelt. Überdies sei eine Differenzierung nicht erforderlich.
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Die Begründung, das Bundesverfassungsgericht habe eine Unterscheidung zwischen den beiden Gaststättenarten selbst vorgenommen und für verfassungskonform erachtet, beruhe wohl auf einem Missverständnis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Dieses habe die Differenzierung zwischen Speise- und Schankwirtschaften lediglich herangezogen, um die getränkegeprägte Kleingastronomie näher zu definieren, also Einraumgaststätten, in denen kein abgeschlossener Raucherraum eingerichtet werden könne und die im Verhältnis zu anderen Gaststätten unverhältnismäßig hart von einem Rauchverbot betroffen seien.
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II.
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Die Vorlage ist unzulässig, denn das vorlegende Gericht hat sie entgegen § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht hinreichend begründet. Es hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 5 HmbPSchG a.F. nicht ausreichend dargelegt.
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Hierfür muss das vorlegende Gericht deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Insoweit bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 171 f.>; 89, 329 337>). Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und umfassend darlegen (vgl. BVerfGE 88, 70 74>; BVerfGK 14, 429 432>). Dabei muss das Gericht auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen (vgl. BVerfGE 86, 71 78>).
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Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluss nicht gerecht. Er setzt sich völlig unzureichend mit den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärten Maßstäben des Nichtraucherschutzes in Gaststätten auseinander und übersieht die Besonderheiten der getränkegeprägten Kleingastronomie.
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Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil vom 30. Juli 2008 (vgl. BVerfGE 121, 317 ff.) für das Landesrecht in Baden-Württemberg und Berlin die Fortgeltung der Vorschriften über das Rauchverbot bis zu einer gesetzlichen Neuregelung mit der Maßgabe angeordnet, dass in Gaststätten mit weniger als 75 Quadratmetern Gastfläche und ohne abgetrennten Nebenraum, zu denen Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr der Zutritt verwehrt wird, der Gaststättenbetreiber das Rauchen gestatten darf, wenn er über eine Gaststättenerlaubnis verfügt, die das Verabreichen zubereiteter Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle nicht einschließt und wenn die Gaststätte am Eingangsbereich in deutlich erkennbarer Weise als Rauchergaststätte, zu der Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr keinen Zutritt haben, gekennzeichnet ist (vgl. BVerfGE 121, 317 318>). Es hat sich dezidiert mit der besonderen Situation der getränkegeprägten Kleingastronomie, die nicht über die Möglichkeit der Einrichtung eigenständiger Raucherräume verfügt, beschäftigt und ausführlich dargelegt, wieso eine Ausnahme für diesen Gaststättentypus nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern vielmehr von Verfassungs wegen geboten ist (vgl. BVerfGE 121, 317 363, 377>).
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Das vorlegende Gericht zeigt nicht nachvollziehbar auf, wieso die Vorschrift des § 2 Abs. 5 HmbPSchG a.F., die diese vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien umsetzt, verfassungswidrig sein sollte. Mit der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dargelegten ausführlichen Begründung befasst es sich nur unzureichend. Unter Berücksichtigung der Ausführungen im Vorlagebeschluss sind keine tragfähigen Gründe ersichtlich, die ein Abweichen von den verfassungsrechtlich geklärten Maßstäben erforderlich machen könnten.
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In dem Beschluss vom 24. Januar 2012 (1 BvL 21/11, NVwZ-RR 2012, S. 257 ff.) hat das Bundesverfassungsgericht die im Urteil vom 30. Juli 2008 angelegte Differenzierung in Bezug auf die getränkegeprägte Kleingastronomie nicht aufgegeben, sondern fortgeführt. Gegenstand dieses Beschlusses waren mehrräumige Gaststätten, die die Möglichkeit zur Einrichtung abgetrennter Raucherräume bieten und demnach von den wirtschaftlichen Auswirkungen eines Rauchverbots nicht in vergleichbarem Umfang betroffen sind wie die Betreiber der getränkegeprägten Kleingastronomie mit nur einem Gastraum.
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