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BVerfG 09.11.2011 - 2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10
BVerfG 09.11.2011 - 2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10 - Verfassungswidrigkeit der Fünfprozentklausel bei Europawahlen - ungerechtfertigte Verletzung der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit - Befürchtungen einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments durch Splitterparteien ohne hinreichende tatsächliche Grundlage - Europawahl 2009 dennoch gültig - System „starrer“ Listen (§ 2 Abs 5 S 1 EuWG) unbedenklich - Sondervotum: Abweichende Gewichtung der Eingriffe in Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit - Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers - Funktionsbeeinträchtigungen des Europaparlaments möglich
Normen
Art 21 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 78 S 1 BVerfGG, § 95 Abs 3 S 2 BVerfGG, EGBes 772/2002, Art 14 Abs 2 UAbs 1 S 3 EU, Art 14 Abs 3 EU, Art 1 Abs 3 EuWAkt vom 23.09.2002, Art 3 EuWAkt vom 23.09.2002, Art 7 Abs 1 EuWAkt vom 20.09.1976, Art 7 Abs 2 EuWAkt vom 20.09.1976, § 15 EuWG, § 16 EuWG, § 26 Abs 3 EuWG, § 2 Abs 5 S 1 EuWG, § 2 Abs 7 EuWG vom 17.03.2008, § 9 EuWG, EWGBes 787/76
Vorinstanz
nachgehend BVerfG, 29. März 2012, Az: 2 BvC 4/10, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
nachgehend BVerfG, 4. April 2012, Az: 2 BvC 8/10, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
Leitsatz
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1. Der mit der Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien ist unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen.
Tenor
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Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
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§ 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1994 (Bundesgesetzblatt I Seite 424, bereinigt Bundesgesetzblatt I Seite 555), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 394), ist mit Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und daher nichtig.
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Im Übrigen werden die Wahlprüfungsbeschwerden zurückgewiesen.
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...
Gründe
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A.
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Die Wahlprüfungsbeschwerden betreffen die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel sowie des Systems der "starren" Listen bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland.
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I.
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1. a) Bis 1979 setzte sich die - sich als Europäisches Parlament bezeichnende - parlamentarische Versammlung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus abgesandten Mitgliedern der nationalen Parlamente zusammen. Am 20. September 1976 beschloss der Rat der Europäischen Gemeinschaften den sogenannten Direktwahlakt (Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung, BGBl 1977 II S. 733; geändert durch Beschlüsse des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002, BGBl 2003 II S. 810; 2004 II S. 520), der die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments durch die Wahlberechtigten in den Mitgliedstaaten vorsah. Wie schon Art. 138 Abs. 3 EWGV bestimmte auch dessen Art. 7 Abs. 1 bereits, dass das Europäische Parlament den Entwurf eines einheitlichen Wahlverfahrens ausarbeitet; dieser Auftrag wurde später im europäischen Primärrecht fortgeschrieben (vgl. zuletzt Art. 223 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -; konsolidierte Fassung ABl 2008 Nr. C 115/47). Zur Normierung eines für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Wahlverfahrens kam es bislang jedoch nicht.
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Soweit das Unionsrecht keine Vorgaben enthält, richtet sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften (Art. 7 Abs. 2 des Direktwahlaktes vom 20. September 1976). In Ausführung dieser Bestimmung wurde das Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland erlassen (Europawahlgesetz - EuWG) vom 16. Juni 1978 (BGBl I S. 709), das am 22. Juni 1978 in Kraft trat und seit 1979 die gesetzliche Grundlage für die Wahl zum Europäischen Parlament bildet. Danach hat die Wahl zum Europäischen Parlament über die vom Direktwahlakt zunächst allein vorgegebenen Wahlrechtsgrundsätze hinaus nicht nur allgemein und unmittelbar, sondern auch frei, gleich und geheim zu erfolgen. Ferner entschied sich der Gesetzgeber für eine Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl mit Listenwahlvorschlägen. Des Weiteren legte er fest, dass die auf die Wahlvorschläge entfallenden Sitze in der dort festgelegten Reihenfolge zu besetzen seien ("starre" Liste) und dass dies bei Listenverbindungen entsprechend gelte. Schließlich sah er in § 2 Abs. 6 EuWG eine Sperrklausel in Höhe von 5 %, bezogen auf die im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen, vor. Hierdurch wird bewirkt, dass nur Parteien und politische Vereinigungen bei der Verteilung der Abgeordnetensitze berücksichtigt werden, die das Quorum von 5 % der Wählerstimmen im Bundesgebiet erreichen.
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b) Die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei den Wahlen zum Europäischen Parlament erachtete das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. Mai 1979 (BVerfGE 51, 222) für verfassungsgemäß und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Sperrklausel geeignet und erforderlich sei, um - durch Vermeidung einer übermäßigen Parteienzersplitterung im Parlament - dessen Fähigkeit zu einer überzeugenden Mehrheitsbildung und damit zur Erledigung der dem Europäischen Parlament seinerzeit zugewiesenen Aufgaben zu sichern (vgl. BVerfGE 51, 222 246 f.>).
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2. a) Im Zuge der europäischen Integration wurden in den vergangenen Jahren von den Mitgliedstaaten bedeutsame Zuständigkeiten auf die Europäische Union übertragen. Zugleich wuchs die Anzahl der Mitgliedstaaten auf nunmehr 27. Für das Europäische Parlament war dieser Prozess mit einer erheblichen Zunahme an Kompetenzen und einer Stärkung seiner Stellung im unionsinternen Institutionengefüge verbunden. Hatte das Europäische Parlament im legislativen Bereich auch nach der ersten Direktwahl des Jahres 1979 im Wesentlichen Beratungs- und Kontrollrechte, so wurden mit der Einheitlichen Europäischen Akte (1986) und insbesondere dem Vertrag von Maastricht (1992) die Befugnisse des Europäischen Parlaments vornehmlich im Bereich der Rechtsetzung erheblich ausgeweitet. Durch Einführung des Mitentscheidungsverfahrens im Vertrag von Maastricht und die kontinuierliche Erweiterung des Anwendungsbereichs dieses Verfahrens auf andere Rechtsgebiete in den folgenden Verträgen (Vertrag von Amsterdam, 1997/99; Vertrag von Nizza, 2001/03) entwickelte sich das Europäische Parlament in wesentlichen Bereichen zu einem mitentscheidenden Gesetzgebungsorgan. Durch den Vertrag von Lissabon wurden seine Befugnisse nochmals gestärkt (vgl. dazu BVerfGE 123, 267 284 f.>) und seine Rolle als mit dem Rat zusammenwirkender Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages über die Europäische Union (vgl. für eine konsolidierte Fassung <EUV-Lissabon> ABl 2008 Nr. C 115/13) ausdrücklich festgehalten.
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Die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments und die Zahl der aus Deutschland gewählten Mitglieder haben sich seit der ersten Europawahl ebenfalls verändert. Während 1979 von insgesamt 410 Mitgliedern der Versammlung 81 auf die Bundesrepublik Deutschland entfielen, waren bei der Europawahl 2009 insgesamt 736 Abgeordnete des Europäischen Parlaments - davon 99 aus Deutschland - zu wählen.
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b) Mit der Änderung des Direktwahlaktes durch Beschlüsse des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (BGBl 2003 II S. 810; 2004 II S. 520) wurde das Wahlverfahren für die Wahlen zum Europäischen Parlament in bestimmten Bereichen weiter vereinheitlicht: Unter anderem sieht der Direktwahlakt nunmehr in Art. 1 vor, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments in jedem Mitgliedstaat nach dem Verhältniswahlsystem gewählt werden. Die Wahl erfolgt allgemein, unmittelbar, frei und geheim (Art. 1 Abs. 3 des Direktwahlaktes n.F.). Nach Art. 3 können die Mitgliedstaaten für die Sitzvergabe eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landesweit nicht mehr als 5 % der abgegebenen Stimmen betragen darf. Im Übrigen bestimmt sich das Wahlverfahren - wie bisher - in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften, vorbehaltlich der sonstigen Vorschriften des Direktwahlaktes (Art. 8 Abs. 1 des Direktwahlaktes n.F.).
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Der Vertrag von Lissabon hat dies aufgenommen und bestimmt, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt werden (vgl. Art. 14 Abs. 3 EUV-Lissabon). Der Grundsatz der gleichen Wahl wurde hingegen nicht in den Kanon der Wahlrechtsgrundsätze aufgenommen. Auf diese Weise wird ein Widerspruch zu den Regelungen über die degressiv proportionale Zusammensetzung des Europäischen Parlaments verhindert (vgl. Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 3 EUV-Lissabon).
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c) Das deutsche Europawahlgesetz hat seit seinem Erlass im Jahr 1978 mehrere Änderungen erfahren. In Ansehung der Fünf-Prozent-Sperrklausel und des Systems der "starren" Listen wurde durch das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (BGBl I S. 394) lediglich die Nummerierung der Absätze geändert; inhaltliche Änderungen waren damit nicht verbunden.
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Die grundlegenden Bestimmungen des geltenden Europawahlgesetzes zum Wahlsystem und zum Wahlvorschlagsrecht haben folgenden Wortlaut:
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§ 2
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Wahlsystem, Sitzverteilung
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(1) Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen der Verhältniswahl mit Listenwahlvorschlägen. Listenwahlvorschläge können für ein Land oder als gemeinsame Liste für alle Länder aufgestellt werden. Jeder Wähler hat eine Stimme.
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(2) Für die Sitzverteilung werden die für jeden Wahlvorschlag abgegebenen Stimmen zusammengezählt. Listen für einzelne Länder desselben Wahlvorschlagsberechtigten gelten dabei als verbunden, soweit nicht erklärt wird, dass eine oder mehrere beteiligte Listen von der Listenverbindung ausgeschlossen sein sollen. Verbundene Listen gelten bei der Sitzverteilung im Verhältnis zu den übrigen Wahlvorschlägen als ein Wahlvorschlag.
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(3) ...
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(4) ...
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(5) Die auf die Wahlvorschläge entfallenden Sitze werden in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. Bewerber, die auf zwei Listen für einzelne Länder (§ 9 Abs. 3 Satz 2) gewählt sind, bleiben auf der Liste unberücksichtigt, auf der sie an späterer Stelle benannt sind; bei Benennung auf den Listen an gleicher Stelle entscheidet das vom Bundeswahlleiter zu ziehende Los, auf welcher Liste sie gewählt sind. Entfallen auf einen Wahlvorschlag mehr Sitze als Bewerber benannt sind, so bleiben diese Sitze unbesetzt.
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(6) Die auf eine Listenverbindung entfallenden Sitze werden auf die beteiligten Listen für die einzelnen Länder entsprechend Absatz 3 Satz 2 bis 7 verteilt. Absatz 5 gilt entsprechend.
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(7) Bei der Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschläge werden nur Wahlvorschläge berücksichtigt, die mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben.
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§ 3
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Gliederung des Wahlgebietes
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(1) Wahlgebiet ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
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(2) Das Wahlgebiet wird für die Stimmabgabe in Wahlbezirke eingeteilt.
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§ 8
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Wahlvorschlagsrecht
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(1) Wahlvorschläge können nach Maßgabe des § 9 Abs. 5 von Parteien und von sonstigen mitgliedschaftlich organisierten, auf Teilnahme an der politischen Willensbildung und Mitwirkung in Volksvertretungen ausgerichteten Vereinigungen mit Sitz, Geschäftsleitung, Tätigkeit und Mitgliederbestand in den Gebieten der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (sonstige politische Vereinigungen) eingereicht werden.
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(2) Eine Partei oder sonstige politische Vereinigung kann entweder Listen für einzelne Länder, und zwar in jedem Land nur eine Liste, oder eine gemeinsame Liste für alle Länder einreichen. ...
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§ 9
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Inhalt und Form der Wahlvorschläge
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(1) ...
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(2) In dem Wahlvorschlag müssen die Namen der Bewerber in erkennbarer Reihenfolge aufgeführt sein. Neben jedem Bewerber kann ein Ersatzbewerber aufgeführt werden.
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(3) - (6) ...
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§ 16
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Stimmabgabe
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(1) ...
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(2) Der Wähler gibt seine Stimme in der Weise ab, dass er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich macht, welchem Wahlvorschlag sie gelten soll. Der Wähler faltet daraufhin den Stimmzettel in der Weise, dass seine Stimmabgabe nicht erkennbar ist, und wirft ihn in die Wahlurne.
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3. Seit der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament im Jahre 1979 wurden sechs weitere Wahlen durchgeführt. Die siebte Direktwahl zum Europäischen Parlament fand in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Zeitraum vom 4. Juni 2009 bis 7. Juni 2009 statt. In Deutschland wurde die Europawahl am 7. Juni 2009 durchgeführt und an der Wahl nahmen insgesamt 32 Parteien und sonstige politische Vereinigungen teil. Bei der Sitzverteilung wurden aufgrund der Fünf-Prozent-Sperrklausel nur sechs Parteien (CDU, SPD, Grüne, FDP, Die Linke, CSU) mit ihrem jeweiligen Stimmanteil berücksichtigt. Auf die sonstigen Parteien und politischen Vereinigungen entfielen insgesamt 10,8 % der gültigen Stimmen. Hiervon hätten ohne die Sperrklausel sieben weitere Parteien und politische Vereinigungen einen Sitz oder zwei Sitze im Europäischen Parlament errungen.
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Einschließlich der deutschen Parteien zogen insgesamt über 160 nationale Parteien in das Europäische Parlament ein. Die gewählten Abgeordneten haben sich in der siebten Wahlperiode zu folgenden sieben Fraktionen zusammengeschlossen: Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) - EVP -, 265 Abgeordnete; Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament - S&D -, 184 Abgeordnete; Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa - ALDE -, 84 Abgeordnete; Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz - GREENS/EFA -, 55 Abgeordnete; Europäische Konservative und Reformisten - ECR -, 54 Abgeordnete; Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke - GUE/NGL -, 35 Abgeordnete; Fraktion "Europa der Freiheit und der Demokratie" - EFD -, 32 Abgeordnete; 27 Abgeordnete sind fraktionslos. Bei derzeit insgesamt 736 Abgeordneten verfügt danach keine Fraktion im Europäischen Parlament über eine absolute Mehrheit der Sitze.
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II.
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Sämtliche Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Wahlprüfungsbeschwerden gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel. Der Beschwerdeführer zu 2. rügt darüber hinaus, dass die Wahl nach "starren" Listen einen Wahlfehler begründe.
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1. a) Der Beschwerdeführer zu 1. legte am 31. Juli 2009 beim Deutschen Bundestag Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Juni 2009 ein.
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Er machte geltend, dass die bei der Europawahl 2009 angewandte Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien verfassungswidrig sei. Jede Sperrklausel stelle einen Eingriff in diese Grundsätze dar, der einer besonderen Rechtfertigung bedürfe. Insoweit könnten die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 zum Kommunalwahlrecht (BVerfGE 120, 82) entwickelten Maßstäbe bei der Europawahl 2009 entsprechend herangezogen werden. Danach sei die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel nach den aktuellen Verhältnissen zu beurteilen.
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Gegenwärtig sei der mit der Sperrklausel verbundene Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien nicht gerechtfertigt. Die Sperrklausel sei schon nicht geeignet, eine Zersplitterung des Europäischen Parlaments zur Sicherung seiner Arbeitsfähigkeit zu vermeiden. Denn sie wirke sich nicht auf das gesamte Europäische Parlament, sondern nur auf das deutsche Kontingent von Abgeordneten aus. Da infolge der Erweiterungen der Europäischen Union der Anteil der Abgeordneten aus Deutschland an der Gesamtzahl aller Europaparlamentarier von 20 % (1979) auf 13 % (2009) gesunken sei, könne die deutsche Sperrklausel keine entscheidende Wirkung auf die Zusammensetzung des Parlaments insgesamt entfalten. Letztlich sei bei der Europawahl 2009 nur etwa 1 % der Sitze im Europäischen Parlament von der Sperrklausel betroffen gewesen. Ohne Sperrklausel wären statt aktuell 162 dann 169 Parteien im Europäischen Parlament vertreten. Die Regelung in § 2 Abs. 7 EuWG sei daher offensichtlich nicht geeignet, eine Zersplitterung des gesamten Parlaments zu verhindern. Mit einer Zersplitterung sei auch im Hinblick auf die Anzahl der im Europäischen Parlament gebildeten Fraktionen nicht zu rechnen. Sie sei über die letzten Wahlperioden hinweg relativ konstant geblieben. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Europäische Parlament während der letzten 30 Jahre trotz der hohen Anzahl an Parteien funktioniert habe.
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Der Wahlfehler habe auch Auswirkungen auf die Mandatsverteilung. Denn ohne die verfassungswidrige Fünf-Prozent-Sperrklausel ergebe sich eine andere Verteilung von insgesamt acht Abgeordnetenmandaten, die auf Kandidaten von sieben bislang unberücksichtigten Parteien entfallen wären.
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b) Der Beschwerdeführer zu 2. legte am 27. Juli 2009 beim Deutschen Bundestag Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Juni 2009 ein.
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Er rügte ebenfalls, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel gegen das Demokratieprinzip, die Wahlgleichheit der Bürger und die Chancengleichheit der Parteien verstoße.
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Die Beeinträchtigung der Wahlgrundsätze sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Urteil vom 13. Februar 2008 die Prüfungsmaßstäbe für die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel erheblich verschärft. Danach sei der Einsatz einer Sperrklausel nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn andernfalls Mehrheitsbildung und Beschlussfassung erschwert würden. Vielmehr sei eine an den konkreten Verhältnissen der jeweiligen Volksvertretung ausgerichtete "Realanalyse" durchzuführen, aus der sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ergeben müsse, dass die Funktionsfähigkeit der Volksvertretung ohne Sperrklausel ernsthaft gefährdet wäre. Diesen Nachweis einer ohne Sperrklausel zu erwartenden erheblichen Funktionsstörung, deren Verhinderung den Eingriff in die Gleichheit des Wahlrechts und die Chancengleichheit der Parteien rechtfertigen könne, habe der deutsche Gesetzgeber in Ansehung des Europäischen Parlaments nicht erbracht.
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Im Übrigen entsprechen die näheren Ausführungen des Beschwerdeführers zu 2. zur Fünf-Prozent-Sperrklausel dem Einspruchsvorbringen des Beschwerdeführers zu 1.
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Darüber hinaus rügte der Beschwerdeführer zu 2., auch die im Europawahlgesetz festgelegten "starren" Wahllisten seien verfassungswidrig. Sie griffen in die Grundsätze der unmittelbaren und freien Wahl der Abgeordneten durch das Volk ein. Würden die Parteien die Abgeordneten erst nach der Wahl benennen, wäre die Beeinträchtigung der Freiheit und Unmittelbarkeit offensichtlich. Es könne aber keinen Unterschied machen, ob die Bestimmung der einzelnen Abgeordneten durch die Parteien vor oder nach der Wahl erfolge. In beiden Fällen habe der Wähler keine Möglichkeit, sich für einzelne Abgeordnete zu entscheiden, und müsse die Vorgaben der Parteien durch die von ihnen durchgeführte Reihung akzeptieren.
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Die Mandatsrelevanz der Sperrklausel sei offensichtlich. Im Fall der "starren" Listen sei eine eindeutige Verschiebung von Mandaten nicht konkret auszumachen, es sei jedoch wahrscheinlich, dass bei der Wahl mit freien Listen sich das Kontingent der deutschen Abgeordneten anders zusammengesetzt hätte.
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c) Der Beschwerdeführer zu 3. legte am 7. August 2009 beim Deutschen Bundestag Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Juni 2009 ein. Auch er machte mit einer dem Vorbringen der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. im Einspruchsverfahren entsprechenden Begründung die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel geltend.
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d) Der Deutsche Bundestag wies die Wahleinsprüche der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 8. Juli 2010 zurück (BTDrucks 17/2200, Anlage 13, 15 und 24). Ein Wahlfehler liege nicht vor.
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Die Vorschrift des § 2 Abs. 7 EuWG sei verfassungsgemäß. Nach Art. 3 des geänderten Direktwahlaktes könnten die Mitgliedstaaten eine Mindestschwelle von landesweit bis zu 5 % der abgegebenen Stimmen im jeweiligen Staatsgebiet festlegen. Diese Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-Prozent-Sperrklausel sei ein starkes Indiz dafür, dass § 2 Abs. 7 EuWG nicht gegen das Grundgesetz verstoße.
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Des Weiteren habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen zum Europäischen Parlament für grundgesetzkonform angesehen. Die darin gegebene Begründung sei nach wie vor zutreffend. Angesichts der von den Beschwerdeführern dargelegten Entwicklung der Anzahl der im Europäischen Parlament vertretenen Parteien sei die vom Bundesverfassungsgericht bereits 1979 deutlich angesprochene Gefahr der Zersplitterung heute eher noch verstärkt. Vor dem Hintergrund der beständig erweiterten und mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon weiter anwachsenden Kompetenzen des Europäischen Parlaments sei es daher geboten, dieser Zersplitterung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber Möglichen entgegenzuwirken. Deshalb bestehe die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG fort.
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Aus der von den Beschwerdeführern angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstoße, ergebe sich keine Neubewertung der Zulässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl. Denn die betroffenen kommunalen Vertretungen seien Organe der Verwaltung, denen in erster Linie verwaltende Tätigkeiten anvertraut seien. Damit hätten sie einen völlig anderen Charakter als das Europäische Parlament, ein unmittelbar von den Unionsbürgern gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranationalen Gemeinschaft. Das Europäische Parlament sei mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon bei der europäischen Rechtsetzung zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übe gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfülle Aufgaben der politischen Kontrolle, habe Beratungsfunktionen und wähle den Präsidenten der Kommission.
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Zur Rüge des Beschwerdeführers zu 2. gegen die Wahl nach "starren" Listen stellte der Deutsche Bundestag fest, dass deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sei. Danach habe der Gesetzgeber die ihm insoweit eingeräumte Freiheit zur Gestaltung des Wahlsystems nicht überschritten.
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2. Die Beschwerdeführer haben Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.
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a) Der Beschwerdeführer zu 1. beantragt, die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland für ungültig zu erklären, die Wiederholung der Wahl anzuordnen und die Vorschrift des § 2 Abs. 7 EuWG für verfassungswidrig und nichtig zu erklären.
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Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor:
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Entgegen der Auffassung des Deutschen Bundestages komme Art. 3 des Direktwahlaktes keine Indizwirkung für die Frage der Vereinbarkeit der deutschen Sperrklausel mit dem Grundgesetz zu. Die Bedeutung dieser Vorschrift beschränke sich auf das europäische Recht. Soweit den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur Festlegung einer Mindestschwelle für die Sitzvergabe eingeräumt werde, sei lediglich klargestellt, dass die deutsche Fünf-Prozent-Sperrklausel europarechtlich zulässig sei. Eine weitergehende Aussage des Inhalts, dass die Einführung einer Sperrklausel von vornherein nach dem Verfassungsrecht des Mitgliedstaates als zulässig angesehen werden müsse, enthalte Art. 3 des Direktwahlaktes nicht.
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Soweit sich der Deutsche Bundestag eng an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1979 anlehne, lasse er die seitdem gemachten parlamentarischen Erfahrungen völlig unberücksichtigt. So habe die größere Zahl an Parteien im Europäischen Parlament dessen Handlungsfähigkeit gerade nicht gefährdet.
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Hinsichtlich der Wahlfehlerfolge sei darauf hinzuweisen, dass eine Neuberechnung und Neuverteilung der Sitze bei der Europawahl 2009 nicht ausreichend sei. Vielmehr müsse die gesamte Wahl für ungültig erklärt werden. Denn die Wähler hätten sich im Vorfeld der Europawahl bei ihrem Wahlverhalten auf die Sperrklausel eingerichtet und teilweise nur deshalb von einer Stimmabgabe an kleinere Parteien abgesehen, weil bei ihnen keine Aussicht auf ein Überschreiten der Fünf-Prozent-Hürde bestanden habe. Dies sei zumindest nicht auszuschließen.
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b) Der Beschwerdeführer zu 2. beantragt im Wesentlichen, den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 8. Juli 2010 aufzuheben, die Wahl für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen sowie die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 7 EuWG sowie von § 2 Abs. 5, §§ 9, 15 und 16 EuWG ("starre" Listen) festzustellen.
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Zur Begründung der Wahlprüfungsbeschwerde wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Zu den "starren" Wahllisten führt er ergänzend aus:
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Das Demokratieprinzip erfordere eine Maximierung der Selbstbestimmung. Es sei offensichtlich, dass der Mitwirkungsgrad der Bürger bei "flexiblen" Listen sehr viel größer sei als bei "starren" Listen. Eine Flexibilisierung der Parteiliste werde auch dem Grundsatz der Gleichheit des passiven Wahlrechts besser gerecht. Denn die Wahlbewerber auf den hinteren Listenplätzen hätten bei "starren" Listen keine Chance, gewählt zu werden.
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c) Der Beschwerdeführer zu 3. beantragt im Wesentlichen, die Entscheidung des Deutschen Bundestages aufzuheben, die Wahl teilweise für ungültig zu erklären und das Wahlergebnis unter Vergabe der Mandate an die Kandidaten der bisher nicht berücksichtigten Wahlvorschläge neu festzustellen sowie - sinngemäß - die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 7 EuWG auszusprechen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er seinen Vortrag aus dem Einspruchsverfahren.
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3. Die Wahlprüfungsbeschwerden wurden dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, allen Länderregierungen, den Bundesverbänden der im Bundestag und im Europäischen Parlament vertretenen Parteien (CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP, Die Linke, CSU) und dem Bundeswahlleiter zugestellt; ihnen wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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a) Der Bundeswahlleiter geht davon aus, dass die von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt seien.
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b) Der Deutsche Bundestag hat sich dahingehend geäußert, dass die Sicherung der Funktionsfähigkeit einer Volksvertretung grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund für die mit der Fünf-Prozent-Sperrklausel verbundene Wahlgleichheitsbeeinträchtigung anerkannt sei. Soweit es um die Prognose einer Störung der Funktionsfähigkeit gehe, habe das Bundesverfassungsgericht den vorrangigen gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum zu wahren. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf das Europäische Parlament, da eine sichere Prognose über die Entwicklungen ohne eine Sperrklausel nur sehr begrenzt möglich sei. Soweit das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 13. Februar 2008 die verfassungsgerichtliche Kontrolle einer Sperrklausel im Kommunalwahlrecht im Hinblick auf die Missbrauchsgefahr wegen einer Entscheidung der Parlamentarier in eigener Sache verschärft habe, lasse sich dieser Gedanke auf das deutsche Wahlrecht zum Europäischen Parlament nicht übertragen. Zum einen liege keine Entscheidung in eigener Sache vor, da die Bundestagsabgeordneten mit der Ausgestaltung des Wahlrechts zum Europäischen Parlament nicht über ihren eigenen verfassungsrechtlichen Status entschieden. Zum anderen bestehe auch kein Kontrolldefizit, da die Wahlrechtsgrundsätze als Prüfungsmaßstäbe feststünden und durch das Wahlprüfungsverfahren auch eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit gegeben sei.
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Die deutsche Fünf-Prozent-Sperrklausel sei gerechtfertigt, da sie in angemessener Weise dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments vor der Gefahr politischer Zersplitterung diene. Dabei sei dieser vom Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1979 angeführte Rechtfertigungsgrund angesichts der deutlich erweiterten Kompetenzen des Europäischen Parlaments und seiner Bedeutung innerhalb der Europäischen Union noch gewichtiger geworden. Durch die Sperrklausel werde der Einzug von Vertretern kleiner und kleinster Parteien in das Europäische Parlament verhindert, die die politischen Entscheidungsprozesse lähmen könnten. Die Abgeordneten solcher Splitterparteien fügten sich nicht in die Strukturen des Europäischen Parlaments ein. Sie blieben entweder fraktionslos oder müssten sich Fraktionen anschließen, denen sie nicht in hinreichendem Maße politisch zugehörten. Fraktionslose Abgeordnete hätten aber nur einen geringen Einfluss auf die politische Willensbildung des Parlaments und die Ergebnisse der Parlamentsarbeit. Bei einem Anschluss der Abgeordneten von Splitterparteien an die Fraktionen wären diese Sammelfraktionen wegen ihrer politischen Zersplitterung nicht handlungsfähig und höchst instabil. Fraktionsübergreifende Kompromisse, die auf Ausschuss- und Fraktionsebene zur Gewinnung hinreichend sicherer Mehrheiten zustande gebracht werden müssten, damit das Europäische Parlament vor allem seiner Gesetzgebungsfunktion nachkommen könne, würden so erschwert. Eine höhere Anzahl von Splittergruppen könne die Mehrheitsbildung generell gefährden. Insbesondere dann, wenn qualifizierte Mehrheiten erforderlich seien, könne es zu einer Verlangsamung oder sogar Blockade der parlamentarischen Tätigkeit und damit zu einer Beeinträchtigung der Funktionen des Europäischen Parlaments kommen. Die deutsche Fünf-Prozent-Sperrklausel wirke zwar unmittelbar nur auf das deutsche Abgeordnetenkontingent, sie werde aber durch Sperrklauseln in anderen - vor allem größeren - Mitgliedstaaten ergänzt. Kleinere Mitgliedstaaten bedürften häufig keiner Sperrklausel, da die dort für den Erwerb eines Mandats benötigten prozentualen Stimmenanteile der nach europäischem Recht höchstens zulässigen Schwelle von 5 % nahekämen oder sie sogar überschritten, so dass insoweit eine "faktische Sperrwirkung" bestehe. Ohne Sperrklausel in Deutschland fehle der Beitrag des mit dem größten Kontingent ausgestatteten Mitgliedstaates zur Vermeidung einer übermäßigen politischen Zersplitterung des Europäischen Parlaments.
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Die politische Rückkoppelung der Abgeordneten an den Mitgliedstaat stelle einen weiteren Rechtfertigungsgrund für die Fünf-Prozent-Sperrklausel dar. Die Rückkoppelung sei durch eine enge Verbindung und Zusammenarbeit zwischen den Abgeordneten des Europäischen Parlaments und den tragenden politischen Kräften ihrer Heimatländer gekennzeichnet. Sie sei beim derzeitigen Stand der Integration verfassungsrechtlich geboten, da die Wahlen zum Europäischen Parlament der Europäischen Union die nötige demokratische Legitimation in Rückanbindung an den Mitgliedstaat, aus dessen Kontingent die Abgeordneten gewählt würden, vermittelten. Die Wirkung der politischen Rückkoppelung entfalte sich dabei in vier Richtungen: Erstens komme sie der Arbeit und Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments zugute, indem sie die Abstimmung mit den nationalen politischen Kräften sachlich und politisch sicherstelle. Zweitens sichere sie eine eigenständige Information der Abgeordneten über die tatsächliche, rechtliche und politische Lage in dem Mitgliedstaat, in dem sie gewählt worden seien. Drittens fördere sie eine wirksame Vertretung der Interessen des jeweiligen Mitgliedstaates. Viertens würden die erforderliche Rückkoppelung an den Deutschen Bundestag und der Informationsaustausch mit ihm - vor allem in Europaangelegenheiten - sichergestellt.
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c) Die anderen Äußerungsberechtigten haben von einer Stellungnahme abgesehen.
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4. In der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2011 haben die Beschwerdeführer und der Deutsche Bundestag ihren Vortrag vertieft und ergänzt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Bundeswahlleiter, Herrn Roderich Egeler, sowie Professor Dr. Hermann Schmitt und Dr. Andreas Maurer als sachverständige Auskunftspersonen (§ 27a BVerfGG) gehört. Auf Bitte des Gerichts hat der Präsident des Europäischen Parlaments zur Erläuterung der Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments Abgeordnete benannt. Geäußert haben sich die Abgeordneten Elmar Brok, Gerald Häfner, Klaus-Heiner Lehne und Bernhard Rapkay.
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B.
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Die zulässigen Wahlprüfungsbeschwerden haben Erfolg, soweit sie sich gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG wenden. Die Sperrklausel, die eine Berücksichtigung von Parteien und politischen Vereinigungen mit einem Ergebnis von unter 5 % der gültigen Stimmen von der Sitzvergabe ausschließt und damit zugleich den auf diese Parteien und Vereinigungen entfallenden Stimmen ihre wahlrechtliche Bedeutung nimmt, verstößt gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien (I. und II.). Soweit die Wahlprüfungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. sich gegen das System der "starren" Listen richtet, ist sie unbegründet (III.). Die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel führt zur Nichtigerklärung von § 2 Abs. 7 EuWG, nicht aber zur Erklärung der Ungültigkeit der 7. Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (IV.).
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I.
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen einer Wahlprüfungsbeschwerde nach § 26 Abs. 3 EuWG nicht nur die Einhaltung der Vorschriften des für die Europawahl geltenden Wahlrechts durch die zuständigen Wahlorgane und den Deutschen Bundestag zu gewährleisten, sondern prüft auch, ob die Vorschriften des Europawahlgesetzes mit den Vorgaben der Verfassung in Einklang stehen. Insoweit gilt für die Europawahl nichts anderes als für die Wahl zum Deutschen Bundestag (vgl. dazu BVerfGE 121, 266 295>; 123, 39 68>).
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2. Das Europawahlgesetz ist deutsches Bundesrecht und als solches am Grundgesetz und den darin enthaltenen Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien zu messen.
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Die verfassungsrechtliche Prüfung der deutschen Fünf-Prozent-Sperrklausel ist nicht durch verbindliche europarechtliche Vorgaben eingeschränkt. Nach Art. 8 Abs. 1 des Direktwahlaktes bestimmt sich das Wahlverfahren - vorbehaltlich unionsrechtlicher Vorgaben und der Vorschriften des Aktes - in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften. Danach gibt der Direktwahlakt nur einen Gestaltungsrahmen für den Erlass nationaler Wahlrechtsvorschriften vor, die selbst aber den verfassungsrechtlichen Bindungen des jeweiligen Mitgliedstaates unterliegen. Art. 3 des Direktwahlaktes eröffnet den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe von landesweit bis zu 5 % der abgegebenen Stimmen festzulegen, begründet aber keine entsprechende Verpflichtung und lässt daher die Reichweite der innerstaatlichen Überprüfung der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit den durch das Grundgesetz verbürgten Wahlgrundsätzen unberührt.
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3. a) Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl, der sich für die Wahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot formaler Wahlgleichheit ergibt (vgl. BVerfGE 51, 222 234 f.>), sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger (vgl. BVerfGE 41, 399 413>; 51, 222 234>; 85, 148 157 f.>; 99, 1 13>) und ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung (vgl. BVerfGE 6, 84 91>; 11, 351 360>). Er gebietet, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können und ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (vgl. BVerfGE 51, 222 234>; 78, 350 357 f.>; 82, 322 337>; 85, 264 315>). Aus dem Grundsatz der Wahlgleichheit folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben.
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Bei der Verhältniswahl verlangt der Grundsatz der Wahlgleichheit darüber hinaus, dass jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben muss (vgl. BVerfGE 16, 130 139>; 95, 335 353>). Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind. Zur Zählwertgleichheit tritt im Verhältniswahlrecht die Erfolgswertgleichheit hinzu (vgl. BVerfGE 120, 82 103>).
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b) Aufgrund der durch europäisches Recht (Art. 1 Abs. 1 des Direktwahlaktes) vorgegebenen und in § 2 Abs. 1 EuWG angeordneten Verhältniswahl ist der deutsche Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Europawahlgesetzes verpflichtet, für die Wahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments grundsätzlich sowohl die Zähl- als auch die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen sicherzustellen.
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c) Das Verfassungsgebot der Erfolgswertgleichheit für die Wahl des deutschen Kontingents von Abgeordneten des Europäischen Parlaments wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass gemäß der im Unionsvertrag (Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 3 EUV-Lissabon) vorgesehenen degressiv proportionalen Kontingentierung der auf die Mitgliedstaaten entfallenden Sitze erhebliche Unterschiede im Stimmgewicht der Unionsbürger aus den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen (vgl. BVerfGE 123, 267 373 f.>), das Primärrecht der Union selbst also Unterschiede im Erfolgswert der Stimmen für die Wahl zum Europäischen Parlament vorgibt. Die unionsrechtlich vorgegebenen Unterschiede im Stimmgewicht betreffen allein das Verhältnis zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Sie bringen zum Ausdruck, dass das Europäische Parlament als supranationales Vertretungsorgan auch nach dem Vertrag von Lissabon - wenngleich nunmehr unter besonderer Betonung der Unionsbürgerschaft - eine Vertretung der miteinander vertraglich verbundenen Völker bleibt (vgl. BVerfGE 123, 267 371 ff.>). Diese Besonderheit verlangt weder noch rechtfertigt sie Abstriche vom wahlrechtlichen Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Stimmen im Verhältnis zwischen den Teilnehmern an der Wahl des deutschen Abgeordnetenkontingents.
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4. Der aus Art. 21 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und die unter dem Gesichtspunkt demokratisch gleicher Wettbewerbschancen auch für sonstige politische Vereinigungen im Sinne des § 8 Abs. 1 EuWG gebotene Chancengleichheit verlangen, dass jeder Partei, jeder Wählergruppe und ihren Wahlbewerbern grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden. Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Deshalb ist in diesem Bereich - ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler - Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn zu fordern. Wenn die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise eingreift, die die Chancen der politischen Parteien verändern kann, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (BVerfGE 120, 82 105>).
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5. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG bewirkt eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen. Während der Zählwert aller Wählerstimmen von der Fünf-Prozent-Sperrklausel unberührt bleibt, werden die Wählerstimmen hinsichtlich ihres Erfolgswerts ungleich behandelt, je nachdem, ob die Stimme für eine Partei abgegeben wurde, die 5 % der Stimmen oder mehr auf sich vereinigen konnte, oder für eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Sperrklausel gescheitert ist. Diejenigen Wählerstimmen, welche für Parteien abgegeben worden sind, die mindestens 5 % der Stimmen erhalten haben, haben unmittelbaren Einfluss auf die Sitzverteilung nach dem Verhältnisausgleich. Dagegen bleiben diejenigen Wählerstimmen, die für Parteien abgegeben worden sind, die an der Sperrklausel gescheitert sind, ohne Erfolg.
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Bei der Europawahl 2009 hatten in Deutschland von den gültigen Stimmen rund 2,8 Millionen, mithin circa 10 % der gültig abgegebenen Wahlstimmen keinen Erfolgswert.
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Zugleich wird durch die Fünf-Prozent-Sperrklausel der Anspruch der politischen Parteien auf Chancengleichheit beeinträchtigt. Nach Berechnungen des Bundeswahlleiters blieben bei der Europawahl 2009 in Deutschland sieben Parteien und sonstige politische Vereinigungen unberücksichtigt, die ohne die Fünf-Pro-zent-Sperrklausel bei der Sitzverteilung zum Zuge gekommen wären. Etwaige Auswirkungen der Sperrklausel auf das Wählerverhalten bleiben bei diesen Berechnungen unberücksichtigt.
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6. Zwischen Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien besteht ein enger Zusammenhang. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Einschränkungen folgt den gleichen Maßstäben (vgl. BVerfGE 82, 322 338>; 95, 408 417>; 111, 54 105>; 124, 1 20>).
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a) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit unterliegt ebenso wie der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien keinem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter der Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen verbleibt. Bei der Prüfung, ob eine Differenzierung innerhalb der Wahlrechtsgleichheit gerechtfertigt ist, ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 120, 82 106>). Differenzierungen bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, "zwingenden" Grundes (vgl. BVerfGE 6, 84 92>; 51, 222 236>; 95, 408 418>). Das bedeutet nicht, dass sich die Differenzierung als von Verfassungs wegen notwendig darstellen muss. Differenzierungen im Wahlrecht können vielmehr auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann (vgl. BVerfGE 1, 208 248>; 6, 84 92>; 95, 408 418>).
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Hierzu zählen insbesondere die mit der Wahl verfolgten Ziele. Dazu gehört die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes (BVerfGE 95, 408 418>) und, damit zusammenhängend, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (vgl. BVerfGE 1, 208 247 f.>; 4, 31 40>; 6, 84 92 ff.>; 51, 222 236>; 82, 322 338>; 95, 408 418>; 120, 82 111>). Eine große Zahl kleiner Parteien und Wählervereinigungen in einer Volksvertretung kann zu ernsthaften Beeinträchtigungen ihrer Handlungsfähigkeit führen. Eine Wahl hat aber nicht nur das Ziel, überhaupt eine Volksvertretung zu schaffen, sondern sie soll auch ein funktionierendes Vertretungsorgan hervorbringen (vgl. BVerfGE 51, 222 236>). Was der Sicherung der Funktionsfähigkeit dient und dafür erforderlich ist, kann indes nicht für alle zu wählenden Volksvertretungen einheitlich beantwortet werden (vgl. BVerfGE 120, 82 111 f.>). Dies beurteilt sich vielmehr nach den konkreten Funktionen des zu wählenden Organs (vgl. BVerfGE 120, 82 112>).
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b) Differenzierende Regelungen müssen zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. Ihr erlaubtes Ausmaß richtet sich daher auch danach, mit welcher Intensität in das - gleiche - Wahlrecht eingegriffen wird. Ebenso können gefestigte Rechtsüberzeugungen und Rechtspraxis Beachtung finden (BVerfGE 1, 208 249>; 95, 408 418>; 120, 82 107>). Der Gesetzgeber hat sich bei seiner Einschätzung und Bewertung allerdings nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit zu orientieren (vgl. BVerfGE 120, 82 107>). Gegen die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien wird verstoßen, wenn der Gesetzgeber mit der Regelung ein Ziel verfolgt hat, das er bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nicht verfolgen darf, oder wenn die Regelung nicht geeignet und erforderlich ist, um die mit der jeweiligen Wahl verfolgten Ziele zu erreichen (vgl. BVerfGE 120, 82 107>).
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c) Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat (vgl. BVerfGE 73, 40 94>; 82, 322 338 f.>; 107, 286 294 f.>; 120, 82 108>). Für Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht bedeutet dies, dass die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden kann. Eine Wahlrechtsbestimmung kann mit Blick auf eine Repräsentativkörperschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt sein und mit Blick auf eine andere oder zu einem anderen Zeitpunkt jedoch nicht (vgl. BVerfGE 1, 208 259>; 82, 322 338>; 120, 82 108>). Eine einmal als zulässig angesehene Sperrklausel darf daher nicht als für alle Zeiten verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschätzt werden. Vielmehr kann sich eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Findet der Wahlgesetzgeber in diesem Sinne veränderte Umstände vor, so muss er ihnen Rechnung tragen. Maßgeblich für die Frage der weiteren Beibehaltung der Sperrklausel sind allein die aktuellen Verhältnisse (vgl. BVerfGE 120, 82 108>).
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7. Für Differenzierungen im Rahmen der Wahlrechtsgleichheit verbleibt dem Gesetzgeber nur ein eng bemessener Spielraum (vgl. BVerfGE 95, 408 417 f.>). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht nicht die Aufgabe des Gesetzgebers zu übernehmen und alle zur Überprüfung relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte selbst zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 120, 82 113>) oder eigene Zweckmäßigkeitsbeurteilungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (vgl. BVerfGE 51, 222 238>). Weil mit Regelungen, die die Bedingungen der politischen Konkurrenz berühren, die parlamentarische Mehrheit gewissermaßen in eigener Sache tätig wird und gerade bei der Wahlgesetzgebung die Gefahr besteht, dass die jeweilige Parlamentsmehrheit sich statt von gemeinwohlbezogenen Erwägungen vom Ziel des eigenen Machterhalts leiten lässt, unterliegt aber die Ausgestaltung des Wahlrechts hier einer strikten verfassungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 120, 82 105>).
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Für Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht hat das Bundesverfassungsgericht die Prüfungsmaßstäbe zuletzt in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2008 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel im Kommunalwahlrecht konkretisiert (vgl. BVerfGE 120, 82 113 ff.>). Danach beruht der Einsatz einer Sperrklausel auf der Einschätzung des Gesetzgebers von der Wahrscheinlichkeit des Einzugs von Splitterparteien, dadurch zu erwartender Funktionsstörungen und deren Gewichts für die Aufgabenerfüllung der Volksvertretung. Bei dieser Prognoseentscheidung darf der Gesetzgeber nicht auf die Feststellung der rein theoretischen Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Volksvertretung zur Rechtfertigung des Eingriffs abstellen (vgl. BVerfGE 120, 82 113>). Dürfte der Gesetzgeber frei darüber befinden, von welchem Wahrscheinlichkeitsgrad an er Funktionsstörungen in Betracht zieht, würde eine gerichtliche Kontrolle gesetzgeberischer Prognoseentscheidungen, einschließlich deren tatsächlicher Grundlagen, unmöglich gemacht. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls die allgemeine und abstrakte Behauptung, durch den Wegfall der Fünf-Prozent-Sperrklausel werde der Einzug kleinerer Parteien und Wählergemeinschaften in die Vertretungsorgane erleichtert und dadurch die Willensbildung in diesen Organen erschwert, einen Eingriff in die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit nicht rechtfertigen. Deshalb genügt die bloße "Erleichterung" oder "Vereinfachung" der Beschlussfassung nicht. Nur die mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane kann die Fünf-Prozent-Sperrklausel rechtfertigen (BVerfGE 120, 82 114>).
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Diese Maßstäbe gelten auch für die verfassungsgerichtliche Prüfung des Wahlrechts zum Europäischen Parlament. Wie bei der Regelung des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag besteht bei der Ausgestaltung des Europawahlrechts die Gefahr, dass der deutsche Wahlgesetzgeber mit einer Mehrheit von Abgeordneten die Wahl eigener Parteien auf europäischer Ebene durch eine Sperrklausel und den hierdurch bewirkten Ausschluss kleinerer Parteien absichern könnte.
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Nicht zu berücksichtigen ist dagegen eine Erwägung, die für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag Relevanz besitzt. Sollte diese Sperrklausel wegfallen, bestünde die Gefahr, dass im Falle eintretender Funktionsbeeinträchtigungen das Parlament aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die gesetzlichen Regelungen zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit nicht mehr zustande käme. Diese Situation kann im Europäischen Parlament nicht eintreten, solange zur Regelung des Wahlrechts nicht das Europäische Parlament selbst, sondern der Deutsche Bundestag berufen ist.
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II.
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Nach diesen Maßstäben durfte die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG nicht beibehalten werden. Die bei der Europawahl 2009 gegebenen und fortbestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bieten keine hinreichenden Gründe, die den mit der Sperrklausel verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien rechtfertigen.
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1. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass das Europäische Parlament mit dem Wegfall der Fünf-Prozent-Sperrklausel in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werde, kann sich nicht auf ausreichende tatsächliche Grundlagen stützen und trägt den spezifischen Arbeitsbedingungen des Europäischen Parlaments sowie seiner Aufgabenstellung nicht angemessen Rechnung. Faktisch kann der Wegfall von Sperrklauseln und äquivalenter Regelungen zwar eine spürbare Zunahme von Parteien mit einem oder zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament bewirken (a). Jedoch fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass damit strukturelle Veränderungen innerhalb des Parlaments einhergehen, die eine Beeinträchtigung seiner Funktionsfähigkeit hinreichend wahrscheinlich erwarten lassen (b). Durch die europäischen Verträge sind die Aufgaben des Europäischen Parlaments so ausgestaltet, dass es an zwingenden Gründen, in die Wahl- und Chancengleichheit durch Sperrklauseln einzugreifen, fehlt (c).
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a) Es ist zu erwarten, dass ohne Sperrklausel und äquivalente Regelungen die Zahl der Parteien im Europäischen Parlament zunimmt, die nur mit einem oder zwei Abgeordneten vertreten sind. Auch ist davon auszugehen, dass es sich dabei um eine nicht zu vernachlässigende Größenordnung handelt.
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Was die Bundesrepublik Deutschland betrifft, so hätten nach den Berechnungen des Bundeswahlleiters die größeren Parteien bei den zurückliegenden sieben Europawahlen durchweg, allerdings in unterschiedlichem Umfang weniger Mandate erhalten, die kleineren Parteien zugute gekommen wären. Bei der Wahl 1979 wäre eine Partei hinzugekommen, 2004 wären es neun Parteien gewesen und bei der Europawahl 2009 sieben. Die Frage, ob und inwieweit die Fünf-Prozent-Sperrklausel Wähler wegen ihrer Einschätzung der Europawahlen als im Vergleich zu Bundestagswahlen weniger bedeutsam davon abgehalten oder sie im Gegenteil sogar motiviert hat, kleine Parteien zu wählen, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten.
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Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Sperrklausel kommt es nicht allein auf die - mit dem Wegfall der Fünf-Prozent-Sperrklausel in Deutschland einhergehende - Erweiterung der Zahl der aus Deutschland kommenden Parteien an. Zwar sind die Regelungen des Wahlrechts zum Europäischen Parlament in den einzelnen Mitgliedstaaten erkennbar von nationalen Erfahrungen, Gegebenheiten und Bedürfnissen geprägt. Dementsprechend finden sich, soweit das Ziel verfolgt wird, sogenannte Splitterparteien aus dem Europäischen Parlament fernzuhalten, neben Sperrklauseln, die auf die Erreichung eines bestimmten Prozentsatzes der abgegebenen Stimmen abstellen, verschiedene andere Ausgestaltungen, die vergleichbar wirken sollen. Im Hinblick darauf ist nicht ohne Weiteres damit zu rechnen, dass bei einem Fortfall der Sperrklausel in Deutschland andere Mitgliedstaaten vorhandene Beschränkungen der Erlangung von Sitzen im Europäischen Parlament aufgeben. Gleichwohl muss die verfassungsrechtliche Beurteilung einer nationalen Sperrklausel im Hinblick auf die Wahl- und Chancengleichheit berücksichtigen, dass auch andere Mitgliedstaaten Hemmnisse für den Zugang kleiner Parteien zum Europäischen Parlament beseitigen. Diese Möglichkeit bleibt freilich abstrakt und ist vor dem Hintergrund der seit Jahren strukturell annähernd gleichgebliebenen Zusammensetzung des Europäischen Parlaments zu gewichten.
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Im Europäischen Parlament sind bereits gegenwärtig mehr als 160 Parteien vertreten. Unter ihnen sind viele, die nur über einen oder zwei Sitze verfügen. Dass zahlreiche kleine Parteien Abgeordnete entsenden, ist im Unionsrecht angelegt. Für die bevölkerungsschwächeren Mitgliedstaaten sind überproportionale Mandatskontingente vorgesehen, auch um diesen eine repräsentative Abbildung nationaler Mehrheitsverhältnisse zu ermöglichen (vgl. Art. 9 Abs. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Bulgarischen Republik und Rumäniens und die Anpassungen der die Europäische Union begründeten Verträge, ABl Nr. L 157/203 vom 21. Juni 2005; Art. 10 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Satz 3 EUV-Lissabon; vgl. dazu BVerfGE 123, 267 371 ff.>); die unterschiedlichen politischen Strömungen aus den Mitgliedstaaten mit kleinerer Bevölkerungszahl sind aber zwangsläufig oft nur durch einzelne Abgeordnete vertreten. Die Festlegung auf das Verhältniswahlsystem (Art. 1 Abs. 1 des Direktwahlaktes) führt, da sich in allen Mitgliedstaaten mehrere Parteien zur Wahl stellen, tendenziell zur Entsendung von Parteien mit geringer Mandatszahl.
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Präzise Prognosen zur künftigen Zusammensetzung des Europäischen Parlaments sind nicht möglich. Die Zahl der aus einem Mitgliedstaat entsandten politischen Parteien hängt vor allem von der jeweiligen Parteienlandschaft, der Wahlbeteiligung und dem Abstimmungsverhalten der Wähler ab. Hinzu kommt die von einander abweichende Ausgestaltung der Wahlkreiseinteilungen und der Verfahren zur Berechnung der Sitzverteilung. Nach den Angaben des Bundeswahlleiters erlauben diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen auch keine vergleichende Aussage über die Auswirkungen von Sperrklauseln in den einzelnen Mitgliedstaaten. Zudem lässt sich kein Zusammenhang zwischen der Höhe der Sperrklauseln und - bezogen auf die Zahl der an der Wahl beteiligten Parteien - dem prozentualen Anteil derjenigen Parteien feststellen, die mindestens einen Abgeordnetensitz erlangt haben.
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b) Es ist nicht erkennbar, dass durch die Zunahme von Parteien mit einem oder zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament dessen Funktionsfähigkeit mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt würde. Die im Europäischen Parlament gebildeten Fraktionen verfügen über eine erhebliche Integrationskraft, die durch den Einzug weiterer Parteien ebenso wenig grundsätzlich in Frage gestellt werden dürfte (aa) wie ihre Absprachefähigkeit (bb). Das Risiko einer zu erwartenden Erschwerung der Mehrheitsbildung ist mit der Gefahr einer Funktionsbeeinträchtigung nicht gleichzusetzen (cc).
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aa) Zentrale Arbeitseinheiten des Europäischen Parlaments sind die Fraktionen. Sie vereinen nicht nur die Abgeordneten, die ähnliche politische Ziele verfolgen, in Gruppierungen, sondern bündeln zugleich die Positionen der unterschiedlichen im Europäischen Parlament vertretenen nationalen Parteien (vgl. Mittag/ Steuwer, Politische Parteien in der EU, 2010, S. 24). Die Strukturierung des Europäischen Parlaments in Fraktionen dient der wirksamen Organisation seiner Tätigkeit. Insbesondere die Formulierung gemeinsamer politischer Auffassungen und die Erzielung von Kompromissen bedürfen angesichts der hohen Zahl von Abgeordneten und der Vielfalt der im Parlament vertretenen Kulturen, Nationalitäten, Sprachen und politischen Bewegungen der Integration, die jedenfalls in einem ersten Schritt den Fraktionen obliegt. Der Umstand, dass das Europäische Parlament, anders als die nationalen Volksvertretungen, nicht durch den Gegensatz zwischen (Regierungs-)Mehrheit und Opposition gekennzeichnet ist (vgl. EuG, Urteil der Dritten erweiterten Kammer vom 2. Oktober 2001 - T-222/99, T-327/99 und T-329/99 -, Slg. 2001, S. II - 2823), erlaubt den Fraktionen einerseits eine gewisse Offenheit gegenüber den in ihnen verbundenen Abgeordneten, andererseits kommt ihnen dadurch in erhöhtem Umfang die Aufgabe zu, von Fall zu Fall ihre Mitglieder zu gemeinsamem Vorgehen zu bewegen.
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Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments trägt der besonderen Rolle der Fraktionen für die parlamentarische Arbeit und Willensbildung in doppelter Weise Rechnung: Einerseits bestehen für die Zuerkennung des Fraktionsstatus Quoren, die in der Vergangenheit maßgeblich dazu beigetragen haben, eine Fragmentierung des Europäischen Parlaments zu verhindern (vgl. Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, 2010, S. 159). So setzt Art. 30 der aktuellen Geschäftsordnung für die Bildung einer Fraktion die politische Zugehörigkeit ihrer Mitglieder und eine Mindestzahl von 25 Abgeordneten, die aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten gewählt sein müssen, voraus. Andererseits sind mit dem Fraktionsstatus Vorteile und Rechte verbunden, die das Interesse an der Bildung politischer Fraktionen deutlich verstärken (vgl. Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, 2010, S. 206). Neben nicht unerheblichen finanziellen Vorteilen gilt dies insbesondere für den Umstand, dass eine politisch attraktive Mitarbeit in einem der 22 ständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments, in welchen die Facharbeit der Abgeordneten hauptsächlich stattfindet, in der Regel erst durch die Mitgliedschaft in einer Fraktion ermöglicht wird. Denn die Zusammensetzung der Ausschüsse orientiert sich - dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit entsprechend (Art. 186 Nr. 1 GO-EP) - an der Stärke der Fraktionen im Plenum. Der einzelne Abgeordnete verfügt demgegenüber kaum über nennenswerte Möglichkeiten der Politikgestaltung. Die ihm zustehenden Rechte, auch jenseits der Fraktionsmitgliedschaft in einen Ausschuss gewählt zu werden (Art. 186 Nr. 1 GO-EP), Entschließungsanträge einzubringen, das Plenum aufzufordern, das Initiativrecht nach Art. 225 AEUV wahrzunehmen, und Anfragen an Rat und Kommission zu richten, reichen dafür nach allgemeiner Einschätzung nicht aus.
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Die Fraktionen haben es über die Jahre hinweg vermocht, namentlich die im Zuge der Erweiterungen der Europäischen Union hinzutretenden Parteien zu integrieren. Nach diesen Erfahrungen - mögen sie in den Einzelheiten auch unterschiedlich interpretiert werden können - ist jedenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass auch weitere Kleinparteien, die beim Fortfall der Sperrklauseln im Parlament vertreten wären, sich den bestehenden Fraktionen anschließen können. Eine Folge der Aufnahme einer Vielzahl von nationalen Parteien und Abgeordneten unterschiedlicher Herkunft und Tradition ist allerdings, dass die einzelnen Fraktionen im Europäischen Parlament eine große Bandbreite verschiedener politischer Strömungen in sich vereinen. Der innere Zusammenhalt aufgrund ähnlicher Präferenzen in den Fraktionen des Europäischen Parlaments ist geringer als in den nationalen Parlamenten, differiert allerdings auch zwischen den einzelnen Fraktionen. Diesbezügliche Unterschiede sind auch auf die Strategie einzelner Fraktionen des Europäischen Parlaments zurückzuführen, eine möglichst große Fraktionsstärke zu erreichen, was neu in das Parlament eintretenden Kräften zugute kommen kann. Die Fraktionen haben - ungeachtet ihrer vergleichsweise geringen Kohäsion - zudem ihre Strukturen über die Wahlperioden hinweg gefestigt und dauerhaft einen Kern von Abgeordneten aus bestimmten Mitgliedsparteien an sich zu binden vermocht (vgl. Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, 2010, S. 206).
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Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse zu den Grenzen der Integrationsleistung der Fraktionen vor, auf die gestützt sich Grenzen hinnehmbarer Fragmentierung der im Europäischen Parlament vertretenen politischen Kräfte bestimmen ließen. So soll einerseits selbst die durch die Erweiterung der Europäischen Union gestiegene Anzahl nationaler, durchaus heterogener Mitgliedsparteien die Fähigkeit der Fraktionen zu geschlossenem Abstimmungsverhalten nicht nennenswert beeinträchtigt haben (vgl. Hix/Noury/Roland, Democratic Politics in the European Parliament, 2007, S. 94 ff.; Thierse, MIP 2010, S. 25 28 f.>). Diese Einschätzung beruht auf festgestellten hohen Geschlossenheitswerten der Fraktionen des Europäischen Parlaments bei namentlichen Abstimmungen (Roll Call Votes), die die einzige Datengrundlage für Analysen über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten bilden, und auf der impliziten Annahme, dass die bei den namentlichen Abstimmungen gefundenen Ergebnisse auch für das Verhalten bei anderen Abstimmungen repräsentativ sind. Andererseits wird in einer neueren Untersuchung auch vertreten, dass die Geschlossenheit der Fraktionen nicht Folge, sondern Voraussetzung für die Beantragung namentlicher Abstimmungen sei und die Geschlossenheit der transnationalen Fraktionen in der Grundgesamtheit deutlich niedriger ausfalle (vgl. Thiem, Nationale Parteien im Europäischen Parlament, 1. Aufl. 2009, S. 169; Thierse, MIP 2010, S. 25 30>).
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bb) Da keine der im Europäischen Parlament vertretenen Parteien oder der dort gebildeten Fraktionen über eine Mehrheit der Abgeordneten verfügt und eine solche Mehrheit auch nicht zu erwarten ist, müssen die Fraktionen zur Mehrheitsgewinnung Absprachen treffen und Bündnisse eingehen. Wäre dieser Weg parlamentarischer Willensbildung durch das Hinzutreten einer beachtlichen Zahl von Kleinparteien spürbar erschwert, könnte dies zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments - hier zunächst isoliert verstanden als die Fähigkeit, in angemessener Zeit zu einer Mehrheitsentscheidung in einer bestimmten Frage zu kommen - führen. Für eine dahingehende Prognose fehlt es indes auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung an den nötigen tatsächlichen Erkenntnissen.
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Zwar ist nicht zu verkennen, dass die für die parlamentarische Willensbildung erforderliche Kompromisssuche und Konsensbildung umso aufwendiger wird, je mehr Akteure mit unterschiedlichen Auffassungen einbezogen werden müssen und je weiter die Ausgangspositionen voneinander entfernt sind. Diesem allgemeinen Gesichtspunkt kann jedoch für die Mehrheitsbildung im Europäischen Parlament kein entscheidendes Gewicht zugemessen werden.
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Die parlamentarische Praxis ist geprägt durch eine Zusammenarbeit der beiden großen Fraktionen, die zusammen regelmäßig deutlich über 60 % der Mandate auf sich vereinen (vgl. Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, 2010, S. 212 f.). Der Aufwand für eine Konsensbildung zwischen diesen beiden Fraktionen ist unabhängig von der Zahl der fraktionslosen Abgeordneten und kleineren Fraktionen. Befürchtungen, im Falle der Einbindung weiterer Kleinparteien in die großen Fraktionen würden aus der geringeren Homogenität fraktionsinterne Schwierigkeiten resultieren, erscheinen nicht nur im Hinblick auf die erheblichen Bindungskräfte der Fraktionen (oben aa), sondern auch deshalb überzeichnet, weil Auffassungsunterschiede innerhalb einer Fraktion nur in Einzelfragen zu erwarten sind und daher mit verhältnismäßigem Aufwand zu klären sein werden. Welche Konsequenzen es hätte, wenn sich die politischen Strukturen im Europäischen Parlament in eine Richtung entwickelten, wie sie bei den nationalen Parlamenten etwa in Bezug auf eine antagonistische Profilierung von Regierung und Opposition beobachtet werden kann, lässt sich gegenwärtig nicht abschätzen, weil eine derartige Entwicklung von einer Vielzahl unbekannter Faktoren abhängt und insoweit spekulativ bleiben muss.
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Aber auch für die Fälle, in denen ein Bündnis zwischen den beiden großen Fraktionen nicht zustande kommt, steht die bei Wegfall der Fünf-Prozent-Sperrklausel und ihr entsprechender Regeln anderer Mitgliedstaaten allenfalls zu erwartende höhere Anzahl von Abgeordneten kleiner Parteien einer geordneten Mehrheitsbildung nicht im Weg. Soweit es sich nicht um politische Grundsatzfragen handelt, ist die Parlamentswirklichkeit ohnehin dadurch gekennzeichnet, dass sich - mangels dauerhafter Koalitionen - bei den unterschiedlichen Abstimmungsgegenständen immer wieder neue Mehrheiten bilden. Die "etablierten" Fraktionen im Europäischen Parlament haben sich kooperationsbereit gezeigt und sind in der Lage, die erforderlichen Abstimmungsmehrheiten zu organisieren. Es ist von keiner Seite vorgetragen worden oder sonst ersichtlich, dass mit Abgeordneten kleiner Parteien, sofern sie sich nicht überhaupt einer parlamentarischen Mitwirkung entziehen, in einer Größenordnung zu rechnen wäre, die es den vorhandenen politischen Gruppierungen im Europäischen Parlament unmöglich machen würde, in einem geordneten parlamentarischen Prozess zu Entscheidungen zu kommen.
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Allerdings genügt zur Beschlussfassung des Europäischen Parlaments nicht stets die einfache Mehrheit (Art. 231 AEUV). Vielmehr bedarf es in bestimmten Konstellationen qualifizierter Mehrheiten (Mehrheit der Parlamentsmitglieder etwa in den Fällen des Art. 294 Abs. 7 Buchstaben b und c AEUV - Ablehnung beziehungsweise Änderung des Standpunkts des Rates durch das Parlament in erster Lesung -; Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, die zugleich die Mehrheit der Mitglieder des Parlaments umfassen muss, etwa im Fall des Art. 234 Abs. 2 Satz 1 AEUV - Abwahl der Kommission -). Die Erreichung qualifizierter Mehrheiten und insbesondere ihre Sicherung bei Verhandlungen im Vorfeld von Abstimmungen werden sicherlich erschwert, wenn in größerer Anzahl Abgeordnete von vornherein nicht als mögliche Partner in Frage kommen oder in diesem Sinne eingeschätzt werden und die erforderliche Stimmenzahl von kooperationsbereiten Fraktionen nur knapp oder nur in bestimmten Konstellationen erreicht wird. Die Anordnung qualifizierter Mehrheiten ist von den Verträgen so gewollt, zielt gerade auf eine breite Zustimmung im Europäischen Parlament und nimmt nicht zuletzt mit Blick auf das institutionelle Gleichgewicht mit den anderen Organen (Art. 13 EUV) der Europäischen Union in Kauf, dass das Europäische Parlament bei unüberwindbaren Meinungsverschiedenheiten keine durchsetzbare Position erlangt (siehe auch unten c). Eine Funktionsbeeinträchtigung des Europäischen Parlaments käme allenfalls in Betracht, wenn bei realistischer Einschätzung die Zahl der grundsätzlich kooperationsunwilligen Abgeordneten so hoch wäre, dass qualifizierte Mehrheiten in aller Regel praktisch nicht mehr erreichbar wären. Dass mit dem Wegfall der hier in Rede stehenden Sperrklauseln derartige Verhältnisse eintreten könnten, ist nicht zu erwarten.
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cc) Die in der mündlichen Verhandlung gehörten Sachkundigen und Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben im Kern übereinstimmend die Erwartung geäußert, mit dem Einzug weiterer Kleinparteien in das Europäische Parlament werde die Mehrheitsgewinnung erschwert. Dies allein genügt jedoch nicht, um eine mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments darzutun, die einen Eingriff in die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit rechtfertigen könnte (vgl. BVerfGE 120, 82 114>). Keine der angehörten Personen hat eine Entwicklung aufzuzeigen vermocht, die gravierende Änderungen gegenüber dem Ist-Zustand aufweist und die Tendenz zu einer Blockade parlamentarischer Willensbildung in sich trägt. Dies gilt für sämtliche als problematisch angesehenen Bereiche.
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(1) Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Möglichkeiten des Europäischen Parlaments, mit dem Rat und der Kommission ein sogenanntes "first reading agreement" zu erzielen, durch den Hinzutritt weiterer Kleinparteien nennenswert verschlechtern. Die am Rechtsetzungsverfahren beteiligten Organe unternehmen regelmäßig den Versuch, sich im Rahmen informeller Verhandlungen noch vor der ersten Lesung auf einen gemeinsamen Rechtsetzungsvorschlag zu einigen ("first reading agreement"), damit der Rechtsakt in erster Lesung angenommen werden kann. Der informelle Austausch erfolgt im Rahmen von Dreiertreffen (Trilogen) zwischen Vertretern von Rat, Europäischem Parlament und Kommission. Diese Praxis beruht auf einer interinstitutionellen Vereinbarung der drei Organe ("Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens <Artikel 251 EG-Vertrag>)", ABl 2007 Nr. C 145/02). Nach Angaben der Europaabgeordneten in der mündlichen Verhandlung wurden zuletzt 70 % der Rechtsetzungsvorhaben aufgrund informeller Verhandlungen zwischen den Organen einvernehmlich vor der ersten Lesung abgestimmt, so dass das vom Vertrag vorgesehene Gesetzgebungsverfahren mit drei Lesungen und Vermittlungsverfahren (Art. 294 AEUV, ex-Art. 251 EGV) nicht durchgeführt werden musste.
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Für diese informellen Verhandlungen benötigen die Vertreter des Europäischen Parlaments einen gesicherten parlamentarischen Rückhalt. Er wird ihnen durch fortlaufende Abstimmung mit den Fraktionen vermittelt. Weshalb durch den Hinzutritt weiterer kleiner Parteien, selbst wenn viele ihrer Abgeordneten fraktionslos blieben, eine grundlegende Änderung der Verhältnisse zu erwarten sein könnte, ist nicht deutlich geworden. Nach wie vor bleibt eine hohe Anzahl der Abgeordneten in Fraktionen eingebunden, und die Vertreter des Europäischen Parlaments bei den Trilogen mussten schon bislang zur Absicherung ihrer Verhandlungspositionen vielfach den Austausch mit mehreren Fraktionen, unter Umständen auch mit verschiedenen Gruppen innerhalb der Fraktionen pflegen, so dass ein relevanter zusätzlicher Abstimmungsaufwand nicht überzeugend dargetan ist. Selbst wenn die Parlamentsvertreter Rücksprache mit einer größeren Anzahl politischer Kräfte im Europäischen Parlament halten müssten, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Vertretung des Europäischen Parlaments im Rahmen der Trilogen nicht mehr oder nur noch mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre.
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(2) Der Befund, dass Fraktionslose im Verhältnis zu ihrem Sitzanteil selten Berichterstatter in den Ausschüssen sind, stützt die Annahme, das Europäische Parlament werde bei höherem Anteil fraktionsloser Abgeordneter in der Wahrnehmung seiner Funktionen gestört, offensichtlich ebenso wenig wie der Vortrag, die Ausschussvorsitzenden müssten in zunehmendem Maße Berichterstattungen übernehmen. Es ist Sache des Europäischen Parlaments, im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Erledigung seiner Aufgaben sicherzustellen. Dass dies in Bezug auf die genannten Probleme nicht möglich sein soll, ist nicht zur Überzeugung des Senats dargetan. So hat etwa die Erörterung der Praxis in einigen Ausschüssen, Berichterstattungen mittels eines Punktesystems an die Fraktionen zu vergeben, die Weite innerparlamentarischer Gestaltungsmöglichkeiten verdeutlicht.
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(3) Von sachverständiger Seite wurde hervorgehoben, dass es zwischen Fraktionen im Europäischen Parlament keinen Koalitionsvertrag gebe und daher bei jeder Sach- oder Personalfrage eine Einigung gefunden werden müsse, was bei einer größeren Fragmentierung des Europäischen Parlaments verstärkte Bemühungen zur Erreichung einer Mehrheit erforderlich mache. Die Annahme, dieser Mehraufwand könne die Fähigkeit des Parlaments zur Wahrnehmung seiner Funktionen in Frage stellen, wird bereits der in der Vergangenheit bewiesenen Wandlungsfähigkeit des Europäischen Parlaments nicht gerecht. Parlamentarische Abläufe sind nicht starr festgelegt, sondern werden geänderten Verhältnissen angepasst. Dies zeigt namentlich die Entwicklung des Europäischen Parlaments, das sich von einem Redeparlament (1979) aufgrund des Kompetenzzuwachses im Bereich der Legislativrechte zunehmend in Richtung eines Arbeitsparlaments mit differenzierten Ausschussstrukturen und einer professionelleren und letztlich kohärenteren Fraktionsarbeit entwickelt hat (vgl. Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, 2010, S. 206 f.). Entsprechende Anpassungen der parlamentarischen Arbeit an veränderte Gegebenheiten wie etwa eine Zunahme der Zahl fraktionsloser Abgeordneter sind daher zu erwarten. Das Europäische Parlament handelt dabei autonom, allerdings in wohlverstandenem Eigeninteresse mit Blick auf die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen seines Handelns. Es wäre verfehlt, die Frage der Beeinträchtigung seiner Funktionsfähigkeit als Rechtfertigung des Eingriffs in die Wahl- und Chancengleichheit strikt auf der Grundlage derjenigen innerparlamentarischen Regeln zu beurteilen, die unter anderem für Rahmenbedingungen erarbeitet worden sind, die zur verfassungsrechtlichen Prüfung stehen.
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(4) Sollte es auf Ausschussebene infolge einer veränderten Zusammensetzung des Europäischen Parlaments vermehrt zu Pattsituationen kommen, in denen für Abstimmungsänderungsanträge keine Mehrheit für einen bestimmten Legislativbericht zustande kommt und infolgedessen auch kein Mandat für die informellen Verhandlungen mit Rat und Kommission vorliegt, stellt auch dies keinen Umstand dar, der die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments entscheidend beeinträchtigt. Der parlamentsinterne Abstimmungsablauf gestaltet sich allenfalls komplizierter, da es in derartigen Fällen nunmehr nötig werden kann, eine Entscheidung des Plenums einzuholen.
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c) Die Fünf-Prozent-Sperrklausel findet bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig ist und dieses Ziel durch eine Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen gefährdet wird. Der Gesetzgeber darf daher das mit der Verhältniswahl verfolgte Anliegen, dass die politischen Meinungen in der Wählerschaft im Parlament weitestgehend repräsentiert werden, in gewissem Umfang zurückstellen (vgl. BVerfGE 120, 82 111> m.w.N.). Eine vergleichbare Interessenlage besteht auf europäischer Ebene nach den europäischen Verträgen nicht. Das Europäische Parlament wählt keine Unionsregierung, die auf seine fortlaufende Unterstützung angewiesen wäre. Ebenso wenig ist die Gesetzgebung der Union von einer gleichbleibenden Mehrheit im Europäischen Parlament abhängig, die von einer stabilen Koalition bestimmter Fraktionen gebildet würde und der eine Opposition gegenüberstünde. Erst recht gilt dies für Informations- und Kontrollrechte des Parlaments, die auch in den nationalen Parlamenten herkömmlich als Minderheitenrechte ausgestaltet sind. Deshalb fehlt es an zwingenden Gründen, in die Wahl- und Chancengleichheit durch Sperrklauseln einzugreifen, so dass der mit der Anordnung des Verhältniswahlrechts auf europäischer Ebene verfolgte Gedanke repräsentativer Demokratie (Art. 10 Abs. 1 EUV) im Europäischen Parlament uneingeschränkt entfaltet werden kann. Damit steht im Einklang, dass der europäische Normgeber keine Notwendigkeit gesehen hat, selbst Vorkehrungen gegen eine "Zersplitterung" des Europäischen Parlaments zu treffen, sondern den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit eröffnet hat, für die Sitzvergabe eine Mindestschwelle festzulegen (Art. 3 des Direktwahlaktes) oder vergleichbar wirkende Gestaltungen des Wahlrechts vorzusehen.
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aa) Der Kommissionspräsident wird zwar auf Vorschlag des Europäischen Rates durch das Europäische Parlament mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt (Art. 17 Abs. 7 UAbs. 1 Satz 2 EUV-Lissabon). Auch muss sich das Gesamtkollegium der Kommission einem Zustimmungsvotum des Parlaments stellen, bevor es vom Europäischen Rat ernannt wird (vgl. Art. 17 Abs. 7 UAbs. 3 EUV-Lissabon). Allerdings sind die Kommission und ihr Präsident, solange das Parlament ihnen nicht mit der erforderlichen hohen Stimmenzahl nach Art. 234 Abs. 2 AEUV das Vertrauen entzieht, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht auf seine weitere Zustimmung angewiesen. Dies betrifft insbesondere die Rechtsetzung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.
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bb) Die europäischen Gesetze kommen seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon überwiegend im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 289 Abs. 1 AEUV) zustande, das aus dem Verfahren der Mitentscheidung (Art. 251 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EGV -, vgl. für eine konsolidierte Fassung ABl 2002 Nr. C 325/11) hervorgegangen ist. Die Rechtsetzung in diesem Verfahren erfordert keine mehrheitsgetragene Zustimmung des Parlaments.
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Nach Zuleitung des Vorschlags der Kommission erfolgt die erste Lesung im Europäischen Parlament, die zur Festlegung des in Art. 294 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Standpunkts des Europäischen Parlaments führen soll. Der Vorschlag wird zunächst an den zuständigen Ausschuss überwiesen, wo in der Regel ein Berichterstatter den Kommissionsvorschlag prüft und einen Bericht erstellt. Diesen muss der Ausschuss vor der Vorlage an das Plenum mit einfacher Mehrheit annehmen. Das Plenum stimmt sowohl über den Rechtsetzungsvorschlag im Ganzen ab als auch über alle Änderungsanträge, die durch die Ausschussarbeit entstanden sind. Erforderlich ist jeweils (nur) die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 231 AEUV). In der folgenden ersten Lesung im Rat kann dieser den Rechtsakt in der vom Parlament beschlossenen Form annehmen, was den erfolgreichen Abschluss des Rechtsetzungsprozesses zur Folge hat. Schlägt der Rat Änderungen vor, folgt die zweite Lesung im Parlament (Art. 294 Abs. 7 AEUV). Reagiert das Parlament binnen einer Dreimonatsfrist nicht oder billigt es den Standpunkt des Rates, so gilt der Rechtsakt als erlassen (Art. 294 Abs. 7 Buchstabe a AEUV). Eine - dann endgültig wirkende - Ablehnung oder der Vorschlag einer Änderung des Standpunktes des Rates erfordert im Parlament die Mehrheit seiner Mitglieder (Art. 294 Abs. 7 Buchstaben b und c AEUV). Schließt sich der Rat mit qualifizierter Mehrheit dem geänderten Vorschlag des Europäischen Parlaments an, kommt der Rechtsakt zustande (Art. 294 Abs. 8 Buchstabe a AEUV). Anderenfalls wird ein Vermittlungsausschuss angerufen, dem Vertreter des Parlaments und des Rates angehören (Art. 294 Abs. 8 Buchstabe b, Abs. 10 AEUV). Der aus diesem Vermittlungsverfahren resultierende Vorschlag ("gemeinsamer Entwurf") muss schließlich binnen sechs Wochen sowohl vom Parlament als auch vom Rat in dritter Lesung gebilligt werden (Art. 294 Abs. 13 AEUV), wobei im Parlament wiederum die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.
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Die Zustimmung des Europäischen Parlaments ist für das Zustandekommen eines Rechtsaktes im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mithin nicht zwingend, da der Rechtsakt, den der Rat nach Art. 294 Abs. 5 AEUV festlegt und dem Parlament übermittelt, auch dann als erlassen gilt, wenn sich das Parlament in der zweiten Lesung zum Standpunkt des Rates nicht äußert oder den Ratsvorschlag nicht mit der Mehrheit seiner Mitglieder ablehnt (Art. 294 Abs. 7 Buchstabe a Alt. 2, Buchstabe b AEUV). Folglich ist die unionale Gesetzgebung nach dem Primärrecht so konzipiert, dass sie nicht von bestimmten Mehrheitsverhältnissen im Europäischen Parlament abhängt. Damit entfällt ein zentraler Grund für die Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Sperrklausel.
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Ähnlich verhält es sich bei der Erstellung des Jahreshaushaltsplans nach Art. 314 AEUV. Der von der Kommission erarbeitete Entwurf des Haushaltsplans wird zunächst dem Rat zur Festlegung seines Standpunkts und nachfolgend dem Europäischen Parlament zugeleitet. Änderungen kann das Parlament mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließen (Art. 314 Abs. 4 Buchstabe c AEUV). Der in diesem Falle einberufene Vermittlungsausschuss hat die Aufgabe, eine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf zu erzielen. Das Europäische Parlament kann in diesem Verfahrensstadium den von ihm gebilligten gemeinsamen Entwurf gegen den Willen des Rates als Haushaltsgesetz durchsetzen. Hierzu bedarf es allerdings einer Mehrheit von drei Fünfteln der abgegebenen Stimmen, die zugleich die Mehrheit seiner Mitglieder darstellen muss (Art. 314 Abs. 7 Buchstabe d AEUV). Fasst das Parlament zum Standpunkt des Rates, den er zum Entwurf des Haushaltsplans gefasst hat, hingegen keinen Beschluss, so gilt der Haushaltsplan als erlassen (Art. 314 Abs. 4 Buchstabe b AEUV). Insoweit kann auch der Haushaltsplan ohne die Zustimmung des Parlaments zustande kommen.
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Schließlich folgt aus dem Umstand, dass bestimmte, in den Verträgen ausdrücklich aufgeführte Rechtsetzungsakte nur mit Zustimmung des Parlaments nach besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden können, nichts für die Notwendigkeit einer stabilen Parlamentsmehrheit. Wechselnde Mehrheiten mögen die Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission erschweren, dem stehen vermehrte Chancen der Mehrheitsfindung gegenüber. Vor allem aber sehen die Verträge die Zustimmung des Europäischen Parlaments im besonderen Gesetzgebungsverfahren für gänzlich unterschiedliche Fallgestaltungen wie etwa die Antidiskriminierungsgesetzgebung (Art. 19 Abs. 1 AEUV) oder die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (Art. 86 Abs. 1 AEUV) vor, so dass eine generelle Blockade parlamentarischer Tätigkeit nicht droht, wenn in einzelnen Fällen eine Mehrheit für die Zustimmung nicht zustande kommt. Hiervon ist auch im Hinblick auf die Zustimmungsvorbehalte vor allem bei den sogenannten konstitutionellen Rechtsakten auszugehen, die die Europäische Union langfristig prägen, wie die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten (vgl. Art. 49 Abs. 1 Satz 3 EUV-Lissabon), die Feststellung einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung von Werten der Union durch einen Mitgliedstaat (Art. 7 Abs. 2 EUV-Lissabon) oder die Beschlussfassung bezüglich bestimmter völkerrechtlicher Übereinkünfte (Art. 218 Abs. 6 Buchstabe a AEUV).
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cc) Von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass mit der zugrunde zu legenden Zunahme kleiner Parteien das Europäische Parlament in der Wahrnehmung seiner Aufgaben der politischen Kontrolle (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EUV-Lissabon) behindert wird. Fragerechte des Parlaments und Auskunfts- und Berichtspflichten der Kommission, sonstiger Exekutivorgane und des Rates - auf nationaler Ebene typische Instrumente der parlamentarischen Opposition - sind nicht abhängig vom Bestehen einer bestimmten Parlamentsmehrheit. Soweit das Vertragsrecht bestimmte Quoren vorsieht - so bedarf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Antrags eines Viertels der Parlamentsmitglieder (Art. 226 Abs. 1 AEUV), die Annahme eines Misstrauensantrags gegen die Kommission der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Art. 234 Abs. 2 AEUV) -, bezwecken diese Bestimmungen vorrangig die Austarierung des institutionellen Gleichgewichts zwischen den Organen der Europäischen Union und enthalten nicht etwa die Maßgabe, dem Europäischen Parlament den Einsatz dieser Instrumente über entsprechende Rahmenbedingungen möglichst zu erleichtern. Bei der Kontrolle des Haushaltsvollzugs der Kommission (vgl. Art. 319 AEUV) entscheidet das Parlament mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen über die Entlastung. Deren Verweigerung gilt als Misstrauensvotum gegenüber der Kommission, das rechtlich allerdings als folgenlos angesehen wird (Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 319 AEUV Rn. 3). Auch insoweit bedarf es mehrheitsstabilisierender Maßnahmen nicht.
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dd) Auch der Charakter der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung und der im Primärrecht vorgesehene Europabezug der Parteien (vgl. Art. 10 Abs. 4 EUV-Lissabon) rechtfertigen es nicht, kleineren Parteien mithilfe einer Sperrklausel den Einzug in das Europäische Parlament zu verwehren. Es ist nicht Aufgabe der Wahlgesetzgebung, die Bandbreite des politischen Meinungsspektrums - etwa im Sinne besserer Übersichtlichkeit der Entscheidungsprozesse in den Volksvertretungen - zu reduzieren. Vielmehr ist gerade auch auf europäischer Ebene die Offenheit des politischen Prozesses zu wahren. Dazu gehört, dass kleinen Parteien die Chance eingeräumt wird, politische Erfolge zu erzielen. Neue politische Vorstellungen werden zum Teil erst über sogenannte Ein-Themen-Parteien ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Es ist gerade Sinn und Zweck der parlamentarischen Debatte, entsprechende Anregungen politisch zu verarbeiten und diesen Vorgang sichtbar zu machen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 111, 382 403 ff.>).
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2. Die Gesichtspunkte, die für die Aufrechterhaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel unabhängig von der Behauptung einer rechtserheblichen Funktionsbeeinträchtigung des Europäischen Parlaments vorgetragen worden sind, sind nicht geeignet, den Eingriff in die Wahl- und Chancengleichheit zu rechtfertigen.
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Die These, die Sperrklausel sei zur Gewährleistung einer wirksamen Vertretung der deutschen Interessen im Europäischen Parlament erforderlich, kann, da es im Europäischen Parlament keine nationalen Delegationen gibt (vgl. zur transnationalen Struktur der Fraktionen Art. 30 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments), nur in dem Sinne verstanden werden, dass sich der deutsche Einfluss in den Fraktionen und über diese in der parlamentarischen Arbeit mit jedem Sitz verringert, der an eine nicht fraktionsgebundene kleine Partei geht. Unabhängig von der Frage, ob die Wahrung nationaler Interessen im Rahmen von Europawahlen überhaupt einen legitimen Ansatz für Differenzierungen darstellen kann, liegt es auf der Hand, dass damit kein tragfähiger Grund für eine wahlrechtliche Ungleichbehandlung benannt ist. Der Gesetzgeber darf größere Parteien nicht allein deshalb bevorzugen, weil sie ihre Auffassungen auf europäischer Ebene voraussichtlich mit größerer Aussicht auf Erfolg als kleine Parteien einbringen können.
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Entsprechendes gilt für den vom Deutschen Bundestag angeführten Gesichtspunkt der politischen Rückkoppelung der Abgeordneten des deutschen Kontingents im Europäischen Parlament an den Deutschen Bundestag, soweit damit die Wirksamkeit der Vertretung deutscher Interessen sichergestellt werden soll. Im Übrigen handelt es sich bei diesem Gesichtspunkt um ein - als solches durchaus gewichtiges - politisches Anliegen, dem jedoch keine verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Wie die Abstimmung des politischen Handelns zwischen den Parlamenten im europäischen Mehrebenensystem konkret gestaltet werden kann, hängt vor allem davon ab, wie die Wähler auf nationaler und auf europäischer Ebene votieren. Der Deutsche Bundestag hat keine Sachgesetzlichkeiten aufgezeigt, deretwegen eine effektive Kooperation zwischen den Parlamenten ohne Reduzierung der Zahl der politischen Parteien im Europäischen Parlament mithilfe der Fünf-Prozent-Sperrklausel erheblich beeinträchtigt wäre.
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III.
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Soweit der Beschwerdeführer zu 2. sich mit seiner Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Wahl nach "starren" Listen wendet, greift seine Rüge nicht durch.
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1. Bei der Wahl nach "starren" Listen werden die Mandate, die auf die jeweilige Liste entfallen, in der dort vorgegebenen Reihenfolge an die Bewerber vergeben. Der Wähler kann also nur die Liste als solche wählen und hat keinen Einfluss auf die Reihenfolge der Kandidaten. Dem deutschen Europawahlgesetz liegt diese Form der Mandatszuteilung zugrunde. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 EuWG werden die auf die Wahlvorschläge entfallenden Sitze in der "dort festgelegten Reihenfolge" besetzt. Für die auf eine Listenverbindung entfallenden Sitze gilt Absatz 5 entsprechend (§ 2 Abs. 6 Satz 2 EuWG). Diese Regelungen nehmen Bezug auf § 9 Abs. 2 EuWG, nach dem in dem Wahlvorschlag die Namen der Bewerber in "erkennbarer Reihenfolge" aufgeführt sein müssen. Der Wähler kann nur den Wahlvorschlag einer Partei insgesamt annehmen. Eine Änderung der Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste ist nicht vorgesehen (§ 16 Abs. 2 EuWG).
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2. Europarechtliche Vorgaben, nach welchen in den Mitgliedstaaten nicht nach "starren" Listen gewählt werden dürfte, bestehen nicht. In Art. 1 Abs. 1 des Direktwahlaktes ist lediglich bestimmt, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments nach dem Verhältniswahlsystem "auf der Grundlage von Listen" oder übertragbaren Einzelstimmen gewählt werden. Danach bleibt es den Mitgliedstaaten vorbehalten, sich insoweit entweder für eine Wahl mit gebundenen - durch den Wähler nicht veränderbaren - Listen oder für offene - die Möglichkeit der Veränderung der Reihenfolge der Wahlbewerber auf den Wahlvorschlägen gewährende - Listen zu entscheiden. Dies wird durch Art. 1 Abs. 2 des Direktwahlaktes unterstrichen, nach dem die Mitgliedstaaten Vorzugsstimmen auf der Grundlage von Listen nach den von ihnen festgelegten Modalitäten zulassen können. Auch wenn es sich bei dieser Regelung nur um eine Klarstellung handeln sollte, folgt daraus doch, dass der Direktwahlakt die Möglichkeit einer Wahl nach "starren" Listen voraussetzt.
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3. Die im Europawahlgesetz vorgesehene Verhältniswahl nach "starren" Listen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Entsprechendes hat das Bundesverfassungsgericht für nationale Wahlen wiederholt festgestellt (vgl. BVerfGE 3, 45 50 f.>; 7, 63 67 ff.>; 21, 355 355 f.>; 47, 253 283>; 122, 304 314>). Der Beschwerdeführer zu 2. hat keine neuen Argumente vorgetragen, die Anlass zu einer anderen Beurteilung geben.
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IV.
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Die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel führt zur Nichtigerklärung von § 2 Abs. 7 EuWG (1.). Soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus die Ungültigerklärung der Wahl zum Europäischen Parlament des Jahres 2009 begehren, haben die Wahlprüfungsbeschwerden jedoch keinen Erfolg (2.).
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1. Da die Fünf-Prozent-Sperrklausel mit den Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien (Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 21 Abs. 1 GG) unvereinbar ist, führt dies entsprechend § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG zur Nichtigerklärung des § 2 Abs. 7 EuWG.
- 136
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Im Wahlprüfungsverfahren sind die Wahlrechtsvorschriften auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen, da grundsätzlich nur eine auf der Grundlage eines verfassungskonformen Wahlgesetzes durchgeführte Wahl Gültigkeit beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 16, 130 135 f.>). Auch wenn im Rahmen des Verfahrens der Wahlprüfungsbeschwerde die verfassungsrechtliche Überprüfung der Wahlrechtsvorschriften vorrangig im Hinblick auf die Frage der Gültigkeit der Wahl erfolgt, so kann doch die erkannte Verfassungswidrigkeit einer Wahlrechtsvorschrift nicht folgenlos bleiben. Daher sind § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG hier entsprechend anzuwenden. Da Gründe für einen anderen Rechtsfolgenausspruch nicht erkennbar sind, ist § 2 Abs. 7 EuWG für nichtig zu erklären.
- 137
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2. Der Wahlfehler führt nicht dazu, die Wahl zum Europäischen Parlament des Jahres 2009 in Deutschland für ungültig zu erklären und eine erneute Wahl anzuordnen.
- 138
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a) In den Fällen, in denen ein Wahlfehler sich auf die Mandatsverteilung ausgewirkt haben kann, unterliegt die Wahlprüfungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs. Die Entscheidung darf nur so weit gehen, wie es der festgestellte Wahlfehler verlangt. Daraus folgt unter anderem, dass vorrangig ein Wahlfehler zu berichtigen ist, statt die Wahl zu wiederholen (BVerfGE 121, 266 311>).
- 139
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Grundsätzlich ist das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet, mit den Auswirkungen des festgestellten Wahlfehlers abzuwägen. Wahlbeeinflussungen einfacher Art und ohne jedes Gewicht führen nicht zur Ungültigkeit einer Wahl. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor dem Interesse an der Erhaltung der gewählten Volksvertretung gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird. Die Ungültigerklärung einer gesamten Wahl setzt einen erheblichen Wahlfehler von solchem Gewicht voraus, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Volksvertretung unerträglich erschiene (BVerfGE 103, 111 134>; 121, 266 311 f.>).
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b) Eine Berichtigung des Wahlfehlers scheidet aus. Zwar könnte rechnerisch ermittelt werden, auf welche bislang unberücksichtigt gebliebenen Kandidaten kleiner Parteien ohne Anwendung der Fünf-Prozent-Sperrklausel nunmehr bei der Sitzverteilung Mandate entfallen und welche Abgeordneten größerer Parteien umgekehrt bei einer Neuverteilung ihren Sitz im Europäischen Parlament verlieren würden. Allerdings lässt sich der Wahlfehler nicht in dieser Weise eingrenzen, da er sich - über die einzelnen Mandate hinaus - auf die Wahl als Ganzes ausgewirkt haben kann.
- 141
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Es ist davon auszugehen, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel auch bei der Europawahl 2009 zu strategischem Wahlverhalten geführt hat. Sie mag eine nicht bestimmbare Anzahl von Wählern davon abgehalten haben, eine an sich bevorzugte kleinere Partei zu wählen, sie kann aber auch bewirkt haben, dass eine Reihe von Wählern ihre Stimme demonstrativ kleinen Parteien gerade im Hinblick auf die voraussichtliche Folgenlosigkeit dieser Wahlentscheidung gegeben hat. Diese Effekte, die im Übrigen auch das Verhältnis der kleineren Parteien untereinander betreffen könnten, haben sich möglicherweise auf das Gesamtwahlergebnis in nicht bestimmbarem Umfang ausgewirkt. Hinzu kommt, dass das Wahlrecht eine derartige Neuberechnung nicht kennt und demgemäß keine Vorkehrungen für den Übergang der Mandate trifft.
- 142
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c) Eine Neuwahl ist nicht anzuordnen, weil im Rahmen der gebotenen Abwägung dem Bestandsschutz der im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit des Europawahlgesetzes zusammengesetzten Volksvertretung Vorrang gegenüber der Durchsetzung des festgestellten Wahlfehlers einzuräumen ist.
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Der mit der Anordnung einer Neuwahl verbundene Eingriff beträfe zwar nicht das Europäische Parlament als Ganzes, sondern nur das deutsche Kontingent an Abgeordneten. Eine Neuwahl in Deutschland wirkte sich gleichwohl störend und mit nicht abschätzbaren Folgen auf die laufende Arbeit des Europäischen Parlaments aus, insbesondere auf die Zusammenarbeit der Abgeordneten in den Fraktionen und Ausschüssen. Dem daraus resultierenden Interesse am Bestandsschutz der erworbenen Mandate steht ein Wahlfehler gegenüber, der nicht als "unerträglich" anzusehen ist. Er betrifft nur einen geringen Anteil der Abgeordneten des deutschen Kontingents und stellt die Legitimation der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments in ihrer Gesamtheit nicht in Frage.
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Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht mit Beschluss vom 22. Mai 1979 (BVerfGE 51, 222) für verfassungsgemäß gehalten hat. Dies lässt es hinnehmbar erscheinen, dass der anlässlich der Europawahl 2009 erstmals festgestellte Wahlfehler für diese Wahl ohne Folgen bleibt.
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C.
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Den Beschwerdeführern sind, soweit sie die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel geltend gemacht haben, gemäß §§ 18, 19 WahlPrüfG (§ 26 Abs. 2 EuWG) in Verbindung mit § 34a Abs. 3 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten.
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D.
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Die Entscheidung ist mit 5:3 Stimmen ergangen, wobei das Ergebnis von einem Mitglied des Senats aus abweichenden Gründen mitgetragen wird.
Abweichende Meinungen
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Wir tragen die Entscheidung in Ergebnis und Begründung nicht mit. Der Senat gewichtet durch eine zu formelhafte Anlegung der Prüfungsmaßstäbe den Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit politischer Parteien nicht überzeugend, zieht den Gestaltungsspielraum des Wahlgesetzgebers zu eng und nimmt eine mögliche Funktionsbeeinträchtigung des Europaparlaments trotz dessen gewachsener politischer Verantwortung in Kauf.
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Die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel wird auf entsprechende Wahlprüfungsbeschwerden hin als Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit politischer Parteien verfassungsrechtlich auf seine Rechtfertigung geprüft. Hat das Bundesverfassungsgericht noch im Jahr 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Europawahl als gerechtfertigt angesehen (BVerfGE 51, 222), so hält der Senat heute trotz abnehmender praktischer Wirkung der Sperrklausel (dazu unter I.) und trotz beträchtlicher Kompetenzzuwächse sowie einer deutlich gestiegenen politischen Bedeutung des Europaparlaments (dazu unter II.) die Sperrklausel für nicht mehr gerechtfertigt, ohne dass hinreichend offengelegt wird, inwieweit sich die Maßstäbe der Beurteilung verändert haben.
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I.
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1. Die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel für die Europawahl hängt auf der ersten Prüfungsstufe von einer zutreffenden Feststellung und Gewichtung des Eingriffs in die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit politischer Parteien ab. Gleichheit der Wahl bedeutet im Kern formale Gleichbewertung aller Staatsbürger bei der Ausübung des Wahlrechts. Dieser Grundsatz ist neben der Freiheit der Wahl tragend für das demokratische System, das die Verfassung in den grundsätzlichen Gehalten als unabänderlich schützt (Art. 79 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 1 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 123, 267 342 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011 - 2 BvR 987/10 u.a. -, NJW 2011, S. 2946 2948>). Von diesem formalen Ansatz aus bedarf jede Differenzierung eines besonderen, rechtfertigenden, zwingenden Grundes (bereits BVerfGE 1, 208 249, 255>). Wie der Maßstab allerdings angewandt wird, ob letztlich jeder sachliche Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung ausreicht, ob nur verfassungsrechtlich zwingend gebotene Gründe anerkannt werden oder sogar in dogmatischer Parallele zum Recht der Gefahrenabwehr der Rechtfertigungsgrund von einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit abhängig gemacht wird, richtet sich nach der Eingriffsintensität (vgl. BVerfGE 121, 266 298>). Zur Anwendung des Maßstabes bedarf es somit in jedem Fall einer vorangehenden Bewertung der Art und Wirkung von Differenzierungen. Es gibt Differenzierungen, die generell unzulässig sind, wenn sie auf die Person und den Zählwert ihrer Stimme zielen, etwa wenn die Stimme eines Vermögenden mehr zählte als die eines weniger Vermögenden, so wie dies im preußischen Klassenwahlrecht der Fall war, wonach Wähler abhängig von der Höhe ihrer Steuerleistung in drei Abteilungen mit sehr unterschiedlichen Stimmengewichten eingeteilt waren. Differenzierungen des Zählwertes beispielsweise nach Geschlecht, Familienstand oder Konfession untersagt der Grundsatz der Gleichheit der Wahl generell, während er andere Differenzierungen, etwa nach dem Alter im Hinblick auf die Reife und Einsichtsfähigkeit von Heranwachsenden, erlaubt oder sogar gebietet (Art. 38 Abs. 2 Halbsatz 1 GG).
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a) Die Fünf-Prozent-Sperrklausel ist keine bereits dem Grunde nach verbotene Differenzierung, weil sie jedem Wähler das gleiche Stimmgewicht lässt und jeder Wähler dieselbe Chance hat, mit seiner Stimme Kandidaten einer Partei zum Einzug in das Parlament unter Überwindung der Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen. Die Sperrklausel ist vielmehr eine ergänzende Regelung zum Verhältniswahlrecht. Sie muss in diesem Kontext als Erfolgswertdifferenzierung gesehen und in ihrer Eingriffsintensität entsprechend gewichtet werden. Denn differenzierende Regelungen innerhalb eines vom Gesetzgeber gewählten Wahlsystems müssen, wenn es nicht um den Zählwert, sondern um den Erfolgswert geht, zur Verfolgung ihrer Zwecke lediglich geeignet und erforderlich sein, wobei sich ihr erlaubtes Ausmaß nach der Intensität des Eingriffs in das gleiche Wahlrecht richtet (vgl. BVerfGE 121, 266 298>). Diesen Maßstab anwenden heißt, nach der Wirkung der Fünf-Prozent-Klausel im vorliegenden Fall zu fragen. Die häufig auch vom Senat bemühte Formulierung, dass eine große Zahl von abgegebenen Stimmen - bei der Europawahl etwa 10 % - wegen der Sperrklausel ohne Mandatserfolg blieben, relativiert sich im Gewicht jedenfalls ganz erheblich, wenn man sie mit dem Mehrheitswahlsystem vergleicht. Bei einem einstufigen Mehrheitswahlsystem gewinnt der Bewerber mit den relativ meisten Stimmen das Mandat, was dazu führen kann, dass die absolute Mehrheit der in einem Wahlkreis abgegebenen Stimmen ohne Mandat und damit "unberücksichtigt" bleibt, also nicht etwa nur 10 % der abgegebenen Stimmen wie bei der Europawahl 2009 durch die Sperrklausel verursacht, sondern sogar mehr als 50 % der im Wahlkreis abgegebenen Stimmen ohne jede Mandatswirkung bleiben.
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b) Das Verhältniswahlsystem mit der Annexbedingung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel ist aus Sicht der Erfolgswertgleichheit weitaus weniger einschneidend als ein Mehrheitswahlsystem, also jenes Wahlsystem, dessen Einführung dem Wahlgesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht jedenfalls für die Hälfte der zu vergebenden Bundestagsmandate noch im Jahr 2008 als Möglichkeit nahegelegt wurde (vgl. BVerfGE 121, 266 307> für das Grabensystem, nach dem eine Hälfte der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Mehrheitswahlsystem gewählt werden könne).
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Die verfassungsgerichtliche Prüfung darf kein einzelnes Element eines Wahlsystems herausgreifen und daran strenge Gleichheitsanforderungen richten, sondern sie muss das Wahlsystem insgesamt würdigen und gewichten. Verfassungsrechtlich zu beurteilen ist deshalb auch bei Einzelfragen immer das vom Gesetzgeber gewählte gesamte Wahlsystem, wobei ergänzende Bestimmungen in ihrer jeweiligen Funktion gesehen werden müssen, die gegebenenfalls auf Folgerichtigkeit zu prüfen sind (vgl. BVerfGE 95, 335 372 f.>; 120, 82 103 f.>).
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Wählt der Gesetzgeber ein reines Verhältniswahlsystem, so nimmt er prinzipiell in Kauf, dass die hohe Repräsentativität der verschiedenen politischen Strömungen mit einer Zersplitterung der Parteienlandschaft und der verschiedenen politischen Richtungen im Parlament einhergeht, weil letztlich ein nach unten in der Stärke der Parteien und Wählervereinigungen abnehmender "unbegrenzter Proporz" (BVerfGE 51, 222 236>) obwaltet, der nur durch die Zahl der Mandate selbst begrenzt wäre. Damit würde zur Bildung von Mehrheiten ein größerer Konsens erzwungen, der es den Bürgern erschwerte, Entscheidungen sinnvoll einzelnen Parteien zuzurechnen und die Ausrichtung politischer Großtrends zu erkennen. Entscheidet sich der Gesetzgeber dagegen für ein reines Mehrheitswahlsystem, so gewinnt das politische System größere Richtungsstabilität und klarere Mehrheitsausrichtung durch weniger zergliederte Kräfte im Parlament, allerdings um den Preis einer deutlich geringeren proportionalen Abbildungsgenauigkeit des politischen Willens der Wähler. Minderheiten im Volk können über den Weg der im Wahlkreis gefilterten relativen Mehrheiten dann im Parlament die regierungsfähige Mehrheit der Mandate bilden.
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Beide im Erfolgswert der Stimme ganz erheblich voneinander abweichende Modelle sind vom Grundgesetz erlaubt. Die Verfassung ist im Hinblick auf das Wahlsystem offen und verleiht dem Bundesverfassungsgericht deshalb kein Mandat, bei der konzeptionellen Ausgestaltung eines Wahlsystems allzu feingliedrig mit dem Gleichheitssatz zu prüfen, fallweise zu korrigieren und so allmählich in die Rolle des Wahlgesetzgebers zu schlüpfen. Die Wahlgrundsätze aus Art. 38 GG nötigen nicht zur Ausgestaltung eines reinen Modells, sondern sie lassen Modifikationen und Mischungen zu (vgl. BVerfGE 95, 335 349 f., 354>), so dass die Fünf-Prozent-Klausel als grundsätzlich zulässiges Regulativ gegen die Nachteile einer hohen Abbildungsleistung der verschiedenen, auch kleineren und kleinsten, politischen Strömungen gewichtet werden muss.
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2. Bestimmt man die Eingriffsintensität der Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Europawahl, so ergibt sich keine Besonderheit im Vergleich zu den Bedingungen anderer Wahlen, die eine besonders strenge Prüfung gebieten würde. Im Gegenteil: Gerade bei der Europawahl experimentieren die Wähler leichter als bei einer Bundestagswahl, wo es auf die Bildung von klaren Mehrheitsverhältnissen ankommt. Die Ausrichtung auf den Regierungs-Oppositionsdualismus ist nicht nur als ein Argument bei der Feststellung möglicher Funktionsbeeinträchtigungen von Bedeutung - wie der Senat betont -, sondern bereits bei der erforderlichen Feststellung der Intensität des Eingriffs in die Wahlrechtsgleichheit zu berücksichtigen. Die Frage müsste etwa im Hinblick auf die Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) dahingehend lauten, ob es für neue oder kleine Parteien bei der Europawahl genauso schwer ist, die Sperrklausel zu überwinden wie bei einer Bundestagswahl. Wenn aber im längeren Entwicklungstrend die sogenannte Volatilität der Wähler ohnehin zunimmt, sich also die verlässliche Bindung von Stammwählern abschwächt, und bei der Europawahl auch das Funktionsargument im Hinblick auf die Regierungsbildung deutlich geringer ausfällt oder gar nicht zum Tragen kommt, dann verringert sich auch die Intensität des Eingriffs. Wie das spontane Auftreten von neuen Parteien oder Wählervereinigungen zeigt, bildet die Fünf-Prozent-Hürde heute nicht mehr das Hindernis, das sie noch vor drei Jahrzehnten war, als eine neue Gruppierung wie die "Grünen" noch einen langen Anlauf nehmen musste, um allmählich in den Kreis der etablierten und das heißt auch zur Überwindung der Fünf-Prozent-Sperrklausel fähigen Parteien aufzurücken. Heute ist das anders. Selbst neue Gruppierungen, deren Parteiprogramm kaum jemand kennt oder die erst nach der Wahl ihre Meinung zu politischen Themen erarbeiten wollen, sind fähig, aus dem Stand heraus bei einer Landtagswahl oder auch bei Bundestagswahlen die Sperrklausel zu überwinden. Damit ist schon bei der Gewichtung des Eingriffs in die Wahlrechtsgleichheit nicht einsehbar, warum der Senat im Jahr 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Europawahl für gerechtfertigt hielt, heute aber nicht mehr daran festhält.
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3) Zu einer angemessenen Gewichtung der Eingriffsintensität der Fünf-Prozent-Klausel nötigt das Grundgesetz deshalb, weil es von Verfassungs wegen kein Wahlsystem vorgibt, dem Gesetzgeber also erhebliche Gestaltungsspielräume eröffnet (vgl. schon BVerfGE 6, 84 90>; 6, 104 111>). Der Senat kann nicht die Aufgabe des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren übernehmen, insbesondere kann er nicht alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte selbst ermitteln und gegeneinander abwägen (vgl. BVerfGE 120, 82 113>). Dem entspricht es, dass die Wahlprüfung Sache des Bundestages ist (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 GG); diese ungewöhnliche Autorisierung zur rechtsförmigen Selbstkontrolle ist zwar um eine Beschwerdemöglichkeit zum Bundesverfassungsgericht ergänzt (Art. 41 Abs. 2 GG), drückt aber zugleich eine Wertung der Verfassung für Fragen der Prüfungsintensität und der Rollenverteilung im gewaltenteiligen System aus. Wahlrechtsfragen sind der politischen Gestaltung des Gesetzgebers unterworfen (Art. 38 Abs. 3 GG), dessen Regelungsauftrag angesichts der Allgemeinheit der Wahlgrundsätze dem Gericht Zurückhaltung auferlegt. Daraus folgt kein rechtsfreier Raum, es ist aber Vorsicht geboten, namentlich angesichts einer der Rechtsprechung innewohnenden Tendenz, Gleichheitsanforderungen im Laufe der Zeit allmählich zu verschärfen. Eine strengere Prüfung ist auch nicht deshalb verlangt, weil Parteien als Fraktionen im Parlament gleichsam in eigener Sache entscheiden würden. Denn dies kann - anders als bei Diätenfragen - beim Wahlrecht nicht einfach unterstellt werden. Kleinere Parteien, die auch aus der Regierungsverantwortung heraus das Wahlrecht regelmäßig mitgetragen haben, sind bereits selbst "Opfer" der Sperrklausel geworden; man sollte nicht ohne Weiteres mit dem Verdacht arbeiten, hier wollten etablierte Parteien, in einem Kartell organisiert, die Konkurrenz fernhalten.
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II.
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1. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel ist gemessen an ihrer Eingriffsintensität auch sachlich gerechtfertigt, um für das deutsche Kontingent eine zu weitgehende Zersplitterung der im Europaparlament vertretenen politischen Parteien zu verhindern. Dabei spielt keine Rolle, dass Deutschland nur Teilverantwortung für die Zusammensetzung des Europaparlaments trägt. Wenn es richtig wäre, dass Deutschland gar nicht in der Lage sei, mit seinem beschränkten Kontingent allein die Funktionsfähigkeit des Europaparlaments zu gewährleisten (vgl. Ehlers, Sperrklauseln im Wahlrecht, Jura 1999, S. 660 665>), dann hieße dies angesichts der schwachen Direktionswirkung des Direktwahlaktes und bei fortbestehender nationaler Kompetenz für das Europawahlrecht, dass letztlich niemand für die Funktionsfähigkeit verantwortlich wäre. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine Verantwortung zur gesamten Hand, die jeden Staat dazu mahnt, sich zu fragen, ob die Strukturen seines Wahlrechts zugleich Maxime für die Wahl des gesamten Europaparlaments sein könnten. Gerade die Staaten mit größeren Mandatskontingenten leisten in ihrem Gestaltungsrahmen durchaus Beiträge gegen eine weitere Zergliederung des Europaparlaments; sie tun dies auf unterschiedlichen Wegen, die nicht immer den Einsatz von Sperrklauseln erfordern müssen. So enthalten die Wahlsysteme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der vom Direktwahlakt eröffneten Gestaltungsfreiheit auch wahltechnische Ausgestaltungen bei der Wahlkreiseinteilung, der Kandidaturform, der Stimmgebung oder dem Verrechnungsverfahren, die im Hinblick auf ihre Konzentrationswirkung den Sperrklauseln vergleichbar sind. Dieser Umstand sowie faktische Sperrwirkungen führen ohnehin zu Differenzen in der Erfolgswertgleichheit und damit stets zu Abweichungen vom reinen Proporz in den Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund wird mit der isolierten Aufhebung der deutschen Fünf-Prozent-Sperrklausel durch den Senat im europäischen Umfeld ein Sonderweg beschritten.
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2. Die Wahrung der Funktionsfähigkeit ist gerade im Verbundparlament keine Frage des Entweder-Oder, sondern eines Mehr oder Weniger an Handlungsfähigkeit. Insofern sollten nicht die für die Bundestagswahl entwickelten Vorstellungen der Fähigkeit zur Bildung einer Regierung durch eine Parlamentsmehrheit zum Maßstab gemacht, sondern die funktionellen Besonderheiten des Europaparlaments angemessen gewürdigt werden. Ein sachlicher Grund für die Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Sperrklausel besteht hier bereits in der Verringerung möglicher Funktionsbeeinträchtigungen. Dass der Senat eine Funktionsbeeinträchtigung des Europäischen Parlaments "allenfalls" dann in Betracht ziehen möchte, "wenn bei realistischer Einschätzung die Zahl der grundsätzlich kooperationsunwilligen Abgeordneten so hoch wäre, dass qualifizierte Mehrheiten in aller Regel praktisch nicht mehr erreichbar wären", legt den Differenzierungsgrund in einer Weise aus, dass er keine rechtfertigende Wirkung mehr zu entfalten vermag: Der Begriff der Funktionsbeeinträchtigung wird letztlich verengt auf Funktionsunfähigkeit. Dafür gibt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Grundlage. Das Europaparlament ist zwar nicht nach gewohnten staatlichen Maßstäben auf parlamentarische Regierungs- und Oppositionsverantwortung hin ausgerichtet, wie dies etwa im deutschen Verfassungssystem vorgesehen ist. Aber es bedarf aus anderen und guten Gründen eines Schutzes vor zu starker Zergliederung der politischen Kräfte. Ein Parlament, das in einem solchen Ausmaß in der politischen Verantwortung steht wie das Europaparlament, benötigt Handlungsfähigkeit auch und gerade dort, wo es in einem verhandelnden Mehrebenensystem etwa im Verfahren der Mitentscheidung, dem jetzt ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 289 Abs. 1 AEUV), eine Position durchsetzen will.
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3. Die schon früher in der Wissenschaft geäußerte Ansicht, dass große Fraktionen mit der Fähigkeit zum übergreifenden Konsens notwendig sind, um politische Stärke zu entwickeln (vgl. Neßler, Willensbildung im Europäischen Parlament - Abgeordnete und Fraktionen zwischen Konsens und Dissens -, ZEuS 1999, S. 157 181>), wurde in der mündlichen Verhandlung durch Abgeordnete des Europaparlaments nachdrücklich bestätigt. Die Fraktionen sind im Europaparlament nicht so stark wie im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag. Abgeordnete können hier häufiger an ihrer eigenen Fraktion vorbei intervenieren, laufen aber auch stärker Gefahr, sich zu vereinzeln und in ihrer Wirksamkeit nicht kontinuierlich zu sein (siehe insoweit die Einschätzung von Reinhard Bütikofer, Vom Nationalstaat in die Europäische Union - zur europäischen Sozialisation ehemals nationalstaatlicher Politiker, ZSE 2011, S. 281 283>). Eine durch Verzicht auf die Sperrklausel sicher zu erwartende weitere Zergliederung und zahlenmäßige Schwächung gerade auch der größeren Fraktionen wird die ohnehin bestehenden Organisationsprobleme bei der politischen Willensbildung verstärken. Gegen diese Einschätzungen, die der Wahlgesetzgeber seiner Entscheidung für die Fünf-Prozent-Sperrklausel ebenfalls zugrunde gelegt hat, kann der Senat keine eigene Beurteilung setzen, ohne den Prüfungsmaßstab verschärfen zu müssen oder die Tätigkeit der Europaparlamentarier ohne praktische Anschauung zu vermessen.
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4. Für das Parlament kommt es im institutionellen Zusammenspiel mit Kommission und Rat darauf an, eine mehrheitsfähige Willensbildung in den eigenen Reihen herbeizuführen. Wenn dies auch unter Bedingungen großer Heterogenität bislang gelungen ist, so kann dieser Umstand kein Argument dafür sein, dass die Verhinderung einer zusätzlichen Zergliederung die Sperrklausel nicht rechtfertigen könne. Es gilt hier nicht die Devise: Wer mit Kalamitäten bislang nolens volens zurechtgekommen sei, dem könne man auch ruhig noch mehr zumuten. Jede weitere politische Fragmentierung erhöht den zeitlichen und personellen Aufwand, Konsens herbeizuführen, und verkleinert größere politische Richtungen mit Wiedererkennungswert für die Wähler. In einem prekären Machtgleichgewicht mit dem Erfordernis zur institutionellen Selbstbehauptung steht hoher Konsensdruck einer klaren kontroversen organinternen Willensbildung entgegen, die aber gerade für die Wähler Alternativen sichtbar macht. Häufig wird das Europaparlament nur insofern wahrgenommen, als es eigene Rechtspositionen für sich als Organ im Wettbewerb um Kompetenzen und Macht einfordert. Solch institutionelle Interessenwahrnehmung ist in der Tat über unterschiedliche politische Positionen hinweg leicht konsensfähig, befördert aber nicht den lebenswichtigen politischen Diskurs. Gleichwohl ist das Europaparlament inzwischen auch in Sachthemen politisch weitaus kontroverser geworden. Der durchaus wachsende politische Meinungsstreit im Europaparlament setzt allerdings voraus, dass größere und organisationsmächtige Fraktionen den politischen Willen der Abgeordneten bündeln und geschlossen gegenüber anderen Fraktionen vortragen können. Angesichts der gestiegenen Bedeutung des Parlaments nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch bei der Wahrnehmung politischer Kontrolle über die Kommission, trägt jeder mitgliedstaatliche Wahlgesetzgeber Verantwortung dafür, dass das Parlament auch künftig handlungsfähig bleibt. Dem Gesetzgeber muss, gerade vor dem Hintergrund, dass sich das Europaparlament nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon in einer neuen Phase seiner Entwicklung befindet, ein Spielraum für die Beurteilung von Funktionsrisiken zugebilligt werden; zumal dann, wenn die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht ergibt, dass alle erschienenen Vertreter des Europaparlaments diese Einschätzung teilen.
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